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1. Das Bürgerrecht. Das vollberechtigte Glied der Stadtgemeinde hieß » Bürger«. Bürger wurde einer, wenn er ein Bürgerskind war, nach erlangter Selbständigkeit von selbst, nach Leistung der »Erbhuldigung« für nachzuandesherrn. Ein Fremder hatte bei dem Gericht um seine Annahme bei besuchen und, wenn er kein Landeskind war, vorher um Dispensation den Lr Regierung einzukommen, auch wenn er bloß »Beisitzer« werden wollte. Die Aufnahme unterlag der nachträglichen Bestätigung durch den Landesherrn. Dieser konnte auch die Annahme eines der Gemeindevertretung nicht genehmen Bewerbers erzwingen. Jeder Neuaufgenommene hatte den » Bürgereid« zu leisten.
Bedingung der Aufnahme ins Bürgerrecht war: die Vorlegung des Geburtsbriefs, zum Nachweis ehrlichen Herkommens; des Mannrechts, d. h. des »Zeugnisses befreiter Leibeigenschaft«, daß der Bittsteller »keinen nachfolgenden Leibesherrn habe«; des Abschieds, d. h. der schriftlichen Versicherung der früheren Gemeinde, daß er mit Ehren von ihr fortgekommen sei. Doch wurde die Vorlegung dieser Ausweise erlassen, wenn sie schwer zu erlangen waren, etwa bei großer Entfernung des Heimatorts oder bei katholischer Konfession des Aufnahmesuchenden.
Ein Bewerber mußte ferner ein Vermögen von 200 Pfd. (später 200 fl., nach C.O. von 300 fl.) oder die Anwartschaft darauf nachweisen. Jeder Neuaufgenommene hatte ein » Burgergeld« zu zahlen und zwar der Mann 8, die Frau 4, das Kind 2 fl. (seit 1700: 12 bzw. 6 und 3 fl.). Bedürftigen konnte das Aufnahmegeld ganz oder zum Teil erlassen werden, oder durften sie es im Taglohn für die Stadt abverdienen. Oft blieb es aber jahrelang unbezahlt; daher wurde z. B. 1707 beschlossen, weil es so hart eingehe, den Pfarrer zu bitten, daß er keine Ehe ausrichte, es habe denn ein jeder seine Gebühr vor der Proklamation erlegt und Mannrecht und Geburtsbrief vor Gericht vorgelegt.
Jeder neue Bürger mußte sich mit Ober- und Untergewehr (Flinte und Degen) versehen, das er »gnädigster Herrschaft sauber halten« sollte; auch hatte er einen Feuereimer anzuschaffen. Dazu kommt im 18. Jahrh. die Verpflichtung (auch für erstmals sich verehelichende Bürgerssöhne nach C.O.), 3 (2) fruchtbare Bäume auf die Allmand zu setzen, ein gewisses Quantum Frucht zum Fruchtvorrat beizusteuern, und einen Beitrag zum Zuchthaus (in Ludwigsburg) und zum Waisenhaus zu leisten. Endlich waren 2 fl. (eine Frau bzw. ein Kind 1 fl. bzw. 30 kr.) » Diskretion«, 30 kr. Schreibgebühr, 24 kr. für den Stadtknecht zu entrichten. – Im übrigen soll sich der Bürger »der Obrigkeit in Gebot und Verbot gehorsam erweisen«.
» Besigheim und Walheim sind von alters und ohnvordenklichen Zeilen her gleichsamb als eine Bürgerschaft geacht worden und haben eine solch gute Korrespondenz und nachbarliche Zuneigung gegen einander gehabt, daß keiner dem andern in dem Seinigen Eintrag zu tun begehrte. Von dieser alten Einigkeit kommt her, daß beide Orte bisher einen freien Zug gehabt, dergestalt, daß, wenn ein Burger in des andern Orts Burgerrecht gezogen, er kein Burgergeld geben dürfen« (1609, St.R.).
Leute, welche einer fremden Konfession angehörten, wurden in der Regel nur als Beisitzer geduldet; das Bürgerrecht setzte das Bekenntnis der »wahren Religion« voraus. Derartige Bewerber erboten sich meistens freiwillig, ihre Konfession zu wechseln. – Handelte es sich um Handwerker, so wurde zuvor das betreffende Handwerk befragt, ob es gegen die Aufnahme nichts einzuwenden habe. Jedoch erachtete sich die Obrigkeit an den Ausspruch eines Handwerks keineswegs gebunden, vollends dann nicht, wenn ein lediger Handwerksgeselle versprach, eine Bürgerstochter oder Bürgerswitwe zum Altar zu führen. Oft wird das geradezu zur Bedingung gemacht. Aber wider den Respekt war es, wenn einer vor Anmeldung seines Aufnahmegesuchs sich in Eheverspruch einließ und »solennen Handstreich« hielt, meinend, es könne ihm dann nicht fehlen, man müsse ihn nehmen. Solchen soll künftig für alle Zeiten das Bürgerrecht abgeschlagen werden (G.P. 1745).
Zweifelhafte Personen wurden etwa ein Jahr lang auf Wohlverhalten angenommen und nach Jahresfrist unter Umständen bedeutet, »in ihr früheres Bürgerrecht zu ziehen«. Mittellose Leute hielt man sich möglichst vom Leibe, da sie sonst leicht der Gemeinde (dem »Armenkasten«) zur Last fallen konnten.
Jeder Bürger hatte sein Bürgerrecht jährlich zu » versteuern«; früher nach Verhältnis seines Vermögens, von 1745 an, zufolge fürstl. Reskripts, mit 1 Reichstaler (1 fl. 30 kr.; Frauen mit 45 kr.).
Einer, welcher anderwärts bürgerlich werden wollte, hatte sich mit demselben Betrag » abzukaufen«, mit welchem er sich seinerzeit » eingekauft« hatte. Wollte er nur verziehen, so konnte er sich sein hiesiges Bürgerrecht » aufhalten« lassen gegen ein jährliches Rekognitionsgeld von 1 fl. – Ein nach auswärts heiratendes Mädchen begab sich eben dadurch des Bürgerrechts, wenn es sich dasselbe nicht ausdrücklich vorbehielt.
Niemand sollte sich hier aufhalten, ohne bürgerlich oder mindestens Beisitzer zu werden. Auswärts gebürtige Bürgersfrauen sollten sich einkaufen und zwar vor der Heirat. In Bietigheim durfte, nach Beschluß 1598, keiner eine auswärtige Weibsperson heiraten, sie habe denn ihren Geburtsbrief vorgelegt und ihr Burgergeld erlegt. – Im J. 1628 wurden alle die, welche nicht bürgerlich waren, hinweggewiesen (auch als bloße Beisitzer wollte man sie nicht haben).
Sämtliche neu angenommene Bürger sollten nach L.O. 1567 in ein besonderes » Burgerbuch« verzeichnet werden. Das hiesige ist aber nur von 1700 an erhalten.
»Beisitzer« hießen die, welche in der Stadt ihren ständigen Aufenthalt und Erwerb hatten, ohne Bürger zu sein. Sie trugen alle bürgerlichen Beschwerden, genossen aber die Rechte des Bürgers nur in beschränktem Maße. Als solche jedoch, welche »Trieb, Trab, Waide, Wasser« u. s. w. genießen, hatten sie an die Stadt ein Beisitzgeld zu zahlen, in der Regel 45 kr. jährlich, Frauen die Hälfte (Ausländer 1 1/2 fl. bzw. 45 kr.); die nicht begüterten und behausten Beisitzer sind Beisitzgeldes frei (1683). An die Herrschaft entrichteten sie, als »Schutzverwandte«, ein » Schutz- und Schirmgeld«(2 bezw. 1 fl.). Im J. 1749 wurde das Beisitzgeld an die Stadt durch fürstl. Reskr. aufgehoben. – Die Zahl der Beisitzer ist 1628 und 1655: 0; 1700 ff. im Durchschnitt 10. – Solche, die zur Miete wohnten, hießen »Hausgenossen«.
» Ausgesessene« hießen Personen, welche auswärts wohnten, aber hier liegende und andere Güter besaßen oder ein Gewerbe betrieben. In Bietigheim, und natürlich auch hier, wurde ihnen ihr gebührend Teil Fron im Verhältnis ihres Besitzes auferlegt (in Gestalt eines »Frongelds«).
2. Die Pflichten des Bürgers gegenüber der Stadt faßten sich zusammen in der Forderung, daß er »der Obrigkeit in Geboten und Verboten gehorsam sein solle«. Dazu gehörte z. B. das Erscheinen bei den Gemeindeversammlungen, zu welchen die Bürgerschaft durch die Eidglocke berufen wurde (S. 59). Regelmäßig geschah dies (abgesehen von den Vogt- und Ruggerichten) z. B. vor der Ernte und vor dem Herbst (»Herbstsatz«); jedoch auch sonst wurde sehr oft die »ganze Gemeinde« auf das Rathaus geboten, nicht bloß um neu ergangene Gesetze und Verordnungen zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch um in wichtigen Angelegenheiten, welche Wohl und Wehe der ganzen Gemeinde betrafen, mitzuberaten.
In solchen Fällen urkunden »B.M., Gericht, Rat und ganze Gemeind zu Besigheim«. In ältester Zeit, als es noch keinen »Rat« gab, ward die »Gemeinde« bei offiziellen Beratungen und Beschlüssen noch häufiger beteiligt. Aber auch später, nach Einrichtung des Rats, konnte in vielen Fällen die Mitwirkung der Bürgerschaft nicht umgangen werden.
Der Magistrat war ja kaum eine wirkliche Vertretung der Bürgerschaft in unserem Sinn. Die Ratsverwandten wurden zwar aus der Bürgerschaft, aber nicht durch sie gewählt, sondern durch den Magistrat, und zwar ein für allemal; vollends in das Gericht wurden nur Ratsmitglieder (wenigstens in der Regel) gewählt, auch diese auf Lebenszeit (vgl. S. 59). Unter diesen Umständen hatte die Bürgerschaft so gut wie keinen Einfluß auf die Zusammensetzung des Magistrats, und die jeweilige Willensmeinung des letzteren war nur in beschränktem Maß Ausdruck des Gesamtwillens der Bürger.
Die beschwerlichste Obliegenheit eines Bürgers war die Verpflichtung zum Fronen, Wachen und » Bottengehen« (»Aufwarten«). Sofern man unter »Fronen« (von ahd. frono = dem Herrn gehörig, herrschaftlich; Frondienst = Herrendienst, vgl. Fronleichnam = Leib des Herrn) persönliche unentgeltliche Dienstleistungen für irgend einen Herrn (die Gemeinde oder den Landesherrn) verstand, wurden wohl auch alle oben genannten Dienste mit diesem Namen bezeichnet.
Vom Fronen etc. befreit waren außer den staatlichen Beamten, den Geistlichen und den Schuldienern die Mitglieder des Gerichts; die vom Rat dagegen nicht, höchstens daß sie manchmal, wie die Gerichtspersonen, nur als Obmänner verwendet wurden, oder daß ihnen die Wahl zwischen Fronen oder Wachen freigestellt ward. Ferner waren »personalfrei« solche Bedienstete, die nicht wohl abkommen konnten (Stadtknecht, Torwärter etc.) diejenigen, welche sich zur Kirchenmusik »gebrauchen ließen«; endlich der Stadtschreiber. Die höheren Gemeindebeamten waren schon als Gerichtsverwandte frei. – Witfrauen hatten einen Ersatzmann zu stellen oder ihre Gebühr in Geld zu entrichten. Bürgerssöhne, welche ihr Bürgerrecht »bezogen«, blieben im ersten Vierteljahr fronfrei.
Geschäfte, welche für gewöhnlich in Fron verrichtet wurden, waren: der Bau der Stadtgüter, Besserungen an Wegen, Stegen und Brücken, das Aufeisen der Flüsse, das »Bronnenfegen« und Brunnen- und Wasserleitungsarbeiten überhaupt, Reparaturen an städtischen Gebäuden oder Beihilfe bei Neubauten, Arbeiten an den Mauern und Toren, soweit dieselben nicht in den Amtsschaden (Kap. 13) gehörten. Uebrigens war für Weg und Steg das Weggeld, für die Mauern, Türme etc. das Umgeld da; daher mußte, wie in Bietigheim, nur »bei namhaften Hauptbäuen« die Bürgerschaft zu Hilfe kommen. War aber letztere sonst viel in Anspruch genommen, namentlich durch herrschaftliche Fronen (Kap. 12), so wurden manche der obigen Arbeiten auch um den Taglohn vergeben. Daß der Eifer der Fröner manchmal zu wünschen übrig ließ, läßt sich denken und wird auch öfters ausgesprochen.
Das Fronwesen hatte der G.B.M. unter sich, wenn nicht, wie z. B. 1734 wieder, ein eigener »Bau- und Fronmeister« aufgestellt wurde, weil jener sonst viele Geschäfte habe.
Grundsätzlich konnte der Bürger bei allen städtischen Arbeiten zu persönlichem Dienst herangezogen werden, soweit dies die Art der Verrichtung nur immer zuließ. In ältester Zeit, in welche unsere Quellen freilich nicht zurückreichen, mag manches Geschäft, für welches man später einen eigenen Dienst schuf oder Taglöhner anstellte, fronweise verrichtet worden sein (z. B. die Nachtwacht, die Torhut, die Feldhut u. dgl.). Die Biet. A. berichten ausdrücklich, daß »von alters her jeglicher Hübner und Söldner mit einem Roß oder mit der Hand in der Stadt täglichen Geschäften gearbeitet hat«. Bei einer Neureglung des Fronwesens »werden die täglichen Fronen gegen die Stadt hinfürter abgetan, wogegen jeder Burger, reich oder arm, in gemeinen Säckhel, zu Handen eines B.M., zahlen soll 11 sch.« –
Man unterschied Handfronen und Fuhrfronen. Zu diesen waren die »Bauern«, d. h. diejenigen Bürger verpflichtet, welche Rosse bzw. eine bestimmte Mindestzahl von Morgen Ackers besaßen; zu jenen alle übrigen.
Zur Fron hatte der Stadtknecht (oder der Bettelvogt) abends vorher zu bieten und zugleich anzukündigen, was für »Geschirr« mitzubringen sei. Wenn die Fronglocke läutet (Biet. A.), so wird »ein Viertel einer reißenden Sandstund aufgesetzt; ist dasselbe abgelaufen, so hat jeder auf dem Platze zu sein und die Arbeit beginnt. Keiner darf weglaufen, ehe die Glocke Mittag läutet. Wer ungehorsam oder unfleißig ist, zahlt Pön (Strafe) und muß nachfronen. Aber auch wer beurlaubt oder am Erscheinen verhindert ist, muß seine Gebühr nachholen (16. Jahrh.) Ganz ebenso wurde es auch hier gehalten.
Bei der Brückenreparatur 1788 (hier) verliest, ehe die Arbeit beginnt, der Oberaufseher die Pflichtigen aus seinem Register; der, welcher wegbleibt oder zu früh fortläuft, zahlt 15 kr. Strafe, »wenn ihn das Gebott wirklich ergriffen hat«. Die geleistete Arbeit jedes einzelnen wird notiert. Wer 1/2 Tag (5-11 oder 12-6 Uhr) fleißig gearbeitet hat, erhält 1 Quart Wein und 1 kr. Brot. – Die Fuhr- und Handfröner wurden »nach alter Observanz wie vor dem Krieg« je auf einer besonderen Frontafel in einer bestimmten Reihenfolge verzeichnet; ein Paar solcher Täfelchen wurde auf dem Rathaus, eins auf der Vogtei aufgehängt; ein weiteres Paar bekam der B.M. und der Stadtknecht, welcher bieten mußte.
Ueber die Einrichtung des Fronwesens um die Mitte des 19. Jahrh. (1845) sind wir genauer unterrichtet. Mit Ausnahme der Beamten, auch des Bürgerausschusses, der Besitzer der Militärverdienstmedaille, der 60jährigen Bürger (welche von jeher auf Ansuchen des Fronens erlassen worden waren), der Männer von Wöchnerinnen etc. sind sämtliche Bürger fronpflichtig, und zwar zu beiderlei Fronen diejenigen, welche unabhängig von ihrem Güterbesitz Zugvieh besitzen; nur fuhrfronpflichtig sind die Pferdebesitzer; nur handfronpflichtig alle Bürger oder Beisitzer, welche hier den Vorteil der Wohnung genießen, auch wenn sie sich nicht vom Güterbesitz nähren. – Es wird nun, gemäß den gesetzlichen Bestimmungen und mit Berücksichtigung des örtlichen Herkommens eine Neuregelung vorgenommen. Darnach soll die Aufsicht ein vom Magistrat auf mindestens 3 Jahre zu ernennender Fronmeister führen, der dem Fronburgermeister unabhängig gegenübersteht. Beide empfangen ihre Weisungen vom Stadtrat, welcher das Maß der Leistungen festsetzt. Bei Ausgleichung der Leistungen der einzelnen Pflichtigen ist von einem Jahr aufs andre zu rechnen. Personalfrei sind, außer den vom Gesetz vom 4. Dez. 1833 (Art. 59, Reg.Bl. S. 530, § 1-3) Bezeichneten, nach hiesigem Herkommen: die vom Bürgerausschuß während der Zeit ihrer Funktionen; Männer von Wöchnerinnen vier Wochen lang ab der Niederkunft der Frau; neueintretende Bürger ein Vierteljahr lang. Zu Fuhrfronen sind verpflichtet: solche, die entsprechend ihrem Güterbesitz dazu angehalten werden können, d. h. auf 5 Morgen liegender Güter ist ein Pferd zu halten (einem Pferd sind 2 Stück Rindvieh gleich zu achten); auch solche, welche sonst zu ihrer Nahrung Zugvieh halten. Nicht ausgenommen sind die, welche ihre Güter mit Mietvieh bauen. Ein Fuhrfröner ist gleich fünf Handfrönern. Jeder Pflichtige kann einen Ersatzmann stellen, jedoch sind Weibspersonen oder Knaben unter 16 Jahren in der Regel nicht anzunehmen. Wer krank ist, kann zur Stellung eines Ersatzmanns nicht gezwungen werden, muß aber seine Gebühr nachholen. Sämtliche Fronen beschränken sich auf die Ortsmarkung.
Das » Bottenlaufen« in die Nachbarschaft nahm den Bürger nur in bewegten Zeiten in großem Maß in Anspruch; einigemal ist ein eigener » Stadtbott« genannt. Für Verschickungen auf größere Entfernungen standen die Metzger zur Verfügung (s. Kap. 10). Handelte es sich um hochwichtige Botschaften, so mußte schon der B.M. oder der Stadtschreiber auf den Gaul steigen. Im J. 1718 wird der »Stuttgarter Einspänner« erwähnt. Er soll für Uebernahme aller amtlichen Briefschaften 6 fl. aus der Amtspflege erhalten. Er kommt wöchentlich einmal von Stuttgart anher. Dafür wird der Stadtbott seines Dienstes erlassen. Damals gab es auch einen regelmäßig »reitenden Heilbronner« Boten.
Von der Wachtpflicht der Bürger ist schon oben (S. 57) die Rede gewesen.
Die Wachtpflicht kam durch die Entfestigung der Stadt, die Pflicht des Botenlaufens durch die Fortschritte des Verkehrs von selbst in Wegfall; die Fronen wurden in der 2. Hälfte des 19. Jahrh. abgeschafft.
3. Die Rechte des Bürgers. Wir gedenken hier nicht von den Rechten eines Bürgers im allgemeinen zu reden, sondern nur von gewissen besonderen » Bürgernutzungen«, welcher der Vollbürger teilhaftig war und welche den eben behandelten bürgerlichen »Beschwerden« entsprachen. Hierüber sagen die Biet. A., welche wir nur darum anziehen, weil sie einen auch hier gültig gewesenen Grundsatz ausdrücklich und klar aussprechen: »Um der täglichen und sondern gemeinen Frondienst willen hat ein Burger zur Ergötzlichkeit jerlich eine gaab Holz und kornwiden (Ernteweiden) außer der Stadt eigenen Wälden, auch der Stadt Allmand, won waid, trib, tratt, alles in seiner Maß, zu genießen gehabt« (1537).
Die Bürgernutzungen sind also als Entschädigung für jene persönlichen Dienstleistungen aufzufassen, von welchen vorhin die Rede war. Ganz ähnlich werden auch in hiesigen Aeußerungen diese Leistungen und jene Nutzungen zu einander in Beziehung gesetzt. Also: erst die Pflicht, dann das Recht; erst die Leistung, dann der Lohn, die »Ergötzlichkeit«, wie man zu sagen pflegte. Diese Reihenfolge bekundet gewiß eine respektable Höhe der sittlichen Auffassung, welche noch dem heutigen Geschlecht zum Exempel dienen kann. Mit gutem Bedacht haben wir daher oben die Pflichten vorangestellt.
Die » Ergötzlichkeiten«, welche hier in Betracht kommen, bestehen hauptsächlich darin, daß der Vollbürger seinen bestimmten Anteil bekommt an dem Eigentum der Gemeinde, insbesondere an der » Allmand«. Darunter begriff man allen Grund und Boden, der nicht Privateigentum, sondern ungeteilter Besitz aller Gemeinde- bzw. Markgenossen war: Wald Wasser, Weide, Wiesen, auch Aecker und Weinberge. Auch die Gassen und Plätze der Stadt, Wege und Stege sind hieher zu rechnen. Der Wald wird allerdings hier nicht als »Allmand« bezeichnet, gehörte aber tatsächlich doch zu ihr.
Die Allmandgüter wurden teils von der Stadt selbst bewirtschaftet und ihr Ertrag floß in die Gemeindekasse; teils wurden sie an die Bürger ausgeteilt (verlost) gegen Reichung eines jährlichen Zinses; teils wurden sie von den Gemeindebeamten und -Dienern (auch Staatsbeamten, Kirchen- und Schuldienern) als Beinutzung zu ihrer Besoldung, gegen Zins oder zinslos, genossen. Ungeteilt blieben, der Natur der Sache nach, der Wald und die Weide.
Die hier in Betracht kommenden Bürgernutzungen sind nun folgende: Aus dem Gemeindewald empfing jeder Bürger jährlich eine Holzgabe. Sie bestand in (1759) 350–400 Büscheln Wellen und Reisach. Die Zahl der Büschel ist bald größer bald kleiner, der jeweiligen Zahl der Berechtigten entsprechend. Die Schulbedienten erhielten (zur Schulheizung) 3 Gaben. Die Beamten sollten nicht mehr als eine Gabe wie jeder Bürger erhalten. Im 17. Jahrh. genossen einzelne derselben allerdings zwei oder drei Gaben, was jedoch von der Behörde, als Mißbrauch und dem Wald schädlich, verboten wurde. – Jährlich wurde ein bestimmter Distrikt der Stadtwaldung für das »Gabholz« ausgesondert, der dann in die nötige Anzahl »Lose« eingeteilt wurde. Die Lose wurden bezeichnet durch »Lachen« oder »Lauen« d. h. durch Einhiebe in die Grenzbäume oder »Lauchbäume« (von ahd. lacha, Einhieb). Da konnte es dann vorkommen, daß einer seine Gabe größer machte, indem er die alten Lachen ausmerzte und andere hieb, die er mit Erde beschmierte, um sie als alt erscheinen zu lassen (G.P. 1600).
Die Lose wurden durch den G.B.M. und einige »Deputierte« ausgeschlagen; sie sollten den Winter über von den Losbesitzern selbst ausgemacht und bis zu einer bestimmten Frist aus dem Wald geschafft werden. Den Schulbedienten wurde ihre Holzgabe gewöhnlich von den Bürgern, aber lediglich »aus Gefälligkeit, nicht aus Pflicht«, gehauen und geführt. Stumpengraben war verboten. In jedem Los hatte, des Nachwuchses wegen, eine Anzahl der schönsten und gesundesten Stämmchen oder »Raitel« stehen zu bleiben (»Bannraitel«). Später wurde das Hauen der Gaben durch die Bürger selbst nicht mehr geduldet, sondern von der Forstverwaltung wurde darauf gedrungen, daß dieses Geschäft durch beeidigte Taglöhner besorgt werde, welche von den Empfängern zu verlohnen seien. Aber dadurch, klagte man, wird die Nutzung beinahe aufgezehrt, besonders wenn der ferne und steile Neckarhäldenwald an der Reihe ist.
Mitte des 18. Jahrh. sind alle Stadtwaldungen in 10, die für die Besoldungsgaben bestimmte Langheeg in 12 Jahrgänge eingeteilt. – Jährlich können gegen 20 Morgen abgeholzt werden; das Buschholz wird den Bürgern in ca. 500 Portionen überlassen. Eine Holzgabe ist, ein Jahr ins andre gerechnet, gegen 48 kr., nach Abzug der Unkosten 12 kr. wert.
Diejenigen Bürger, welche Teile von Walheimer Lehen innehatten, hatten Mitgenuß am Walheimer »Lehenwald« (schon im 16. Jahrh.). Es kam allweg auf 15 Morgen Felds eine Holzgabe, zusammen waren es auf 225 Morgen 15 Holzgaben, dazu eine halbe Gabe extra für den Stadtschreiber.
Altem Gebrauch nach wurde nach Ausschlagung der Holzgaben auf dem Rathaus eine Mahlzeit gehalten, wobei teilnahmen (1645) die Geistlichen, die Schuldiener, die B.M., die vom Gericht u. s. f.
Sonstige Waldnutzungen, wie die Aeckerichgerechtigkeit, das Grasen, das Wildobst- und Eichellesen, werden in Kap. 16 zur Sprache kommen.
Die Keitländer oder Keitgärten (15. Jahrh. Kydgärten – Setzlingländer) genossen die ältesten Bürger gratis nach uralter Observanz (1742). Die sich Meldenden sollen dem Alter nach besser gegen die Stadt hereinloziert werden; stirbt ein Berechtigter, so dürfen die Hinterbliebenen seinen Garten bis in den nächstfolgenden Frühling behalten. – 1844 sind sie in 198 Stücke à ½ Rute (Wert: 36 kr.) eingeteilt.
Die Kraut- oder Wasengärten, »früher den Lämmern zur Waide gegeben, daher jederzeit Lämmerwiesen genannt, sind den Bürgern wegen Fronens, Wachens und Bottengehens eingeräumt« (1711). Im J. 1660 sind es 198 Stücke, 1719: 280 Stücke, wozu noch neue Gärten im »Spitzen« etc. kommen. Es geben 215 Stücke je 7 kr. Zins, 24 andere je 10 kr. etc., einige nichts, weil an Amtspersonen verliehen; 1844 geben 380 Stücke à 48 kr. zus. 304 fl.
Die Beisitzer erhielten Anteil an den Nutzungen nur, wenn zuerst die Bürger befriedigt waren. Doch will man (1725) vom Stadtacker noch einen Strich abgrenzen und unter die jungen Bürger und Beisitzer austeilen (wenn die Aelteren alle versehen sind), damit auch sie etwas haben, weil sie viel Last mit Wachen, Jagen und Botenlaufen haben.
Die genannten Nutzungen, von welchen die beiden letzten heute noch bestehen, wurden 1844 insolange aufgehoben, als die Gemeinde zur Stadtschadensumlage genötigt sei; sonst könnten sich Nichtberechtigte, d. h. solche, die noch nicht an die Reihe gekommen sind, seien es Bürger oder Gewerbetreibende, benachteiligt fühlen. Diese Verfügung wurde, nachdem die Finanzen sich wieder günstig gestaltet hatten, zurückgenommen.
Die Holzgaben sind in den 1850er Jahren aufgehoben worden.
Ueber das Weide- und Pferchrecht vgl. Kap. 15. Die Fischensgerechtigheit der Bürger, welche man in Bietigheim auch zu den »Ergötzlichkeiten rechnete, deren ein Bürger wegen seiner Fron- und anderer Beschwerden genoß, »zur Besserung seines Mählins« (»Esselens«), wird im 16. Kap. behandelt werden.