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Amerika

Unsere Geschichte macht einen weiten Sprung. Viele Jahre sind verflossen, seit Friedrich den Hubertusburger Frieden schloß.

Wohl lebten seine leuchtenden Taten frisch genug in der Erinnerung der Menschen, er war und blieb die Bewunderung Europas, überstrahlt bisher von keinem Fürsten oder Feldherrn des Jahrhunderts – aber trotzdem hatte sich die Welt, hatten die Menschen sich so unendlich verändert, daß, wenn diese Wandlung derselben stetig so fortging, man wahrlich nicht absehen konnte, wo sie denn schließlich enden sollte. Namentlich war diese sonderbare und in vieler Beziehung unbegreifliche Wandlung in Westeuropa ersichtlich. Blendend und schreckhaft zugleich war sie von einem Strahle höchster göttlicher Vernunft erfüllt, dennoch aber paradox zugleich. – –

Statt des Jahres 1763 schreiben wir jetzt den 2. Mai 1777, und es sind gute vierzehn Jahre her, seit Steuben Berlin und in ihm all sein Lebenshoffen hinter sich gelassen hatte. An besagtem zweiten Mai befinden wir uns als blinder Passagier in der Diligence ordinaire de Meaux, welche eben dies Städtchen verlassen hat und die alte östliche Straße hinab ins Seinetal, der dermaligen Metropole der Welt, dem riesigen Zeughause materieller Üppigkeit wie geistreich blitzender Ideen, kurz – Paris entgegenrasselt. Schon hebt sich der Park von Courberon und Clichy im Westen empor.

Bevor wir nun einen Blick auf die Insassen besagten öffentlichen Fuhrwerks werfen, ist ein Rückblick auf die inzwischen erfolgten Weltbegebenheiten nötig, sonst würden wir weder die Art des Gespräches dieser Herrschaften noch ihre Empfindungen begreifen.

Wiederum steckt heller Krieg die Welt aller Ecken in Flammen, indessen Deutschland von den selbstgeschlagenen Wunden ausruht. Rußland erweiterte sich unter Katharina II. durch die erste Teilung Polens und nach einem glücklichen Kriege mit der Türkei im Osten.

Während des Siebenjährigen Krieges aber war bereits der Kampf Englands gegen Frankreich wegen der Grenzen der großen Ländergebiete in Nordamerika ausgebrochen, und die englischen Kolonisten hatten wacker für ihre Regierung gestritten. Schon 1749 hatte England den Franzosen das Ohiogebiet entrissen, und nachdem diese mit wechselndem Glück kämpften, die englischen Generale Abercrombie und London aber schlecht genug ihre Schuldigkeit taten, war durch Pitts patriotischen Eifer und unermüdliche Tatkraft der Krieg der amerikanischen Kolonien 1758 gegen Frankreich zu einer neuen Entwicklung gekommen. Das Mutterland hatte Soldaten, Flotten und Geld gesandt. Der kühne Lord Clibe hatte in Ostindien die Reiche Bengalen, Orissa und Babar der Ostindischen Kompanie unterworfen, die Angloamerikaner aber warfen die Franzosen sowohl auf dem amerikanischen Festlands, wie sie sie im Atlantisches Ozean schlugen. General Wolfes Name wurde unsterblich. Er drang mit Armhorst und Muray in Kanada ein, eroberte es und gewann dessen Hauptstädte Quebec und Montreal. Endlich, mit dem Hubertusburger Frieden zugleich, hatten England und Frankreich den Frieden unterzeichnet und letzteres außer Ohio noch die Provinzen Kanada und Kap Breton abgetreten; als beiderseitige Grenze wurde der Talweg des Mississippi festgestellt. Von Spanien dagegen hatte England Florida und alle spanischen Besitzungen im Osten des Mississippi erhalten.

Frankreichs Demütigung und der Reichtum Englands, der ihm durch so große Eroberungen erwachsen war, konnten geradezu ungeheuer genannt werden. Aber diesen Erfolg verdankte außer dem älteren Pitt und Generalen wie Clive und Wolfe England in Amerika vor allem seinen tapferen und loyalen Kolonisten. Wäre die Regierung klug gewesen, sie hätte nunmehr mit allen Kräften die sehr billigen Wünsche derselben unterstützt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich endlich ihres von nie versiegendem Reichtum erfüllten Bodens zu erfreuen und dessen großartige Hilfsquellen für seine eigene Entwicklung als auch für den Nutzen des Mutterlandes zu erschließen. England war aber nicht bloß undankbar gewesen, es hatte seinen amerikanischen Provinzen ihre patriotischen Opfer mit Niedertracht vergolten. Einer der traurigsten aller englischen Regenten war König Georg III. Als er 1760 den Thron seines Großvaters bestiegen hatte, Lord Bute aber als Galan der Königinmutter, der verwitweten Prinzessin von Wales, die Zügel des Staates an sich gerissen hatte, wurde der geniale Pitt entlassen, und Lord Greneville trat an dessen Stelle. Bereits im Jahre 1764 waren die verrufenen Greneville-Akte erschienen, welche nicht nur den amerikanischem Kolonien eine unerhörte Steuerlast auferlegte, sie dem Stempelzwang unterwarf, sondern auf Kosten derselben der Englisch-Ostindischen Kompanie an der amerikanischen Küste ein Schiffahrts- und Handelsprivilegium für die bedeutenden Summen erteilte, welche diese Gesellschaft dem Staate während des französischen Krieges hatte vorschießen müssen. Diese Akte hatten in den Kolonien eine furchtbare Aufregung erzeugt. Die amerikanischen Untertanen Englands waren keine zahmen Schlachtopfer für den gefräßigen Beutel des Mutterlandes, sie hatten sowohl gegen die wilde Natur ihres Heimatlandes wie gegen die Franzosen als Männer gekämpft und Selbstbewußtsein wie Unabhängigkeitssinn gewonnen. Schon 1753, mitten im Kriege, hatten sie in einem Generalkongresse beschlossen, die Krone zu bitten, daß sie entweder Abgeordnete der amerikanischen Provinzen ins Londoner Parlament schicken dürften, um ihre Interessen zu wahren, oder daß in Amerika selbst ein Kongreß zusammentrete. Die Greneville-Akte war die brutalste Verhöhnung der Gefühle Amerikas, ein Eingriff in den gesamten Kreis seiner sozialen und politischen Rechte. Im Oktober 1765 schon waren die Kolonialkongresse von Massachusetts, Rhode Island, Connecticut, New Jersey, Pennsylvanien, Maryland und Süd-Carolina zusammengetreten, hatten die Greneville-Akte für gesetzwidrig erklärt und eine Beschwerde an das englische Parlament beschlossen, Schutzvereine hatten sich überall gebildet, und Benjamin Franklin war ihr Präsident. Zwar hatte England im nächsten Jahre die Stempelakte aufgehoben, aber die Steuerbill blieb. Das englische Parlament erklärte, daß Amerika der englischen Regierung einfach zu gehorchen hätte.

Die darauf gegebenen widersinnigen Zollakte des Ministers Townsend erbitterten die Amerikaner noch mehr. Franklin veröffentlichte einen Briefwechsel des Statthalters Hutchinson mit dem Obersten Olivier, aus welchem die offene Absicht des englischen Parlaments hervorging, die Verfassung von Massachusetts abzuändern. Ein furchtbarer Ausbruch des Volksunwillens war die nächste Folge. Noch war der Torheit der englischen Regierung aber nicht genug. 1770 im Februar wurde die Teeakte des Ministers Lord North in Amerika eingeführt. Drei Jahre später warf das erbitterte Volk in Boston 342 Kisten Tee ins Meer! Nun ließ England zur Bestrafung den Hafen von Boston durch eine Flotte sperren, aber bereits war die Empörung ausgebrochen, Oberst George Washington, der sich im Kampfe gegen Frankreich besonderen Ruhm erworben hatte, wurde zum Befehlshaber des amerikanischen Volksheeres gegen England in Virginien ernannt. Die Kolonien rüsteten zum Kriege, wählten einen Sicherheitsausschuß und stellten ein Heer von 12 000 Mann auf. Im Jahre 1775 war nunmehr General Page beordert worden, die Waffen offen gegen die Rebellen zu brauchen. Am 18. April, im Begriff, den Kongreß in Concord aufzuheben und die dortigen Magazine der amerikanischen Volkstruppen zu zerstören, wurden 1800 Mann Briten bei Lexington, zwischen Boston und Concord, so schwer geschlagen, daß es nur der einzigen Brigade Percy gelang, fliehend Boston zu erreichen. Schon im Mai hatte der amerikanische Oberst Arnold die Forts Ticonderoga und Crownpoint in Kanada erobert, im Juni aber war Washington einstimmig zum Oberfeldherrn der gesamten nordamerikanischen Kriegsmacht erwählt worden; unter ihm standen die Generale Putnam, Ward und Schuyler.

Nicht die Kriegskunst der Amerikaner hatte bisher gesiegt und Vorteile erlangt, denn dies alles wären ja nur Erfolge einer fanatisch erregten, undisziplinierten Volkskraft gewesen, die, von wenigen wirklich militärisch befähigten Männern richtig geleitet, mit einer solchen Mehrzahl die englischen Streitkräfte überfallen hatte, daß die bestgeschulten Linientruppen ihr nicht zu widerstehen vermochten. Mit dem Augenblicke indes, da das Mutterland imstande war, große Armeekorps regulärer Truppen mittels bedeutender Flotten beliebig an die amerikanischen Küsten zu werfen, mußte die amerikanische Erhebung aufs äußerste in Gefahr geraten und jeglichem sich das Gefühl aufdrängen, wie wenig der beste, glühendste Wille, die wuchtige Kraft der rohen Masse gegen geschulte Berufssoldaten auszurichten vermöge.

Dieser Augenblick erschien im Sommer 1776. England hatte 55 000 Mann ausgerüstet, welche mit einer starken englischen Flotte unter Admiral Howe landeten. Daß die großbritannische Regierung kein Mittel scheute, die Kolonien zu Boden zu werfen, bewies, daß unter den besagten neuen Truppen sich allein 16 000 Hessen, Braunschweiger, Waldecker und Anhaltiner befanden, die mit Gewalt von ihren verehrten Landesvätern gepreßt und an England verkauft worden waren.

Im Juni, des sicheren Zuzugs aus dem Mutterlande gewiß, setzten sich die englischen Generale Clinton und Cornwallis nach Charlestown in Marsch, während die Flotte sie unterstützen sollte. Der amerikanische General Lee schlug sie jedoch auf allen Punkten zurück, so daß sie nach New York umkehren mußten. Am 4. Juli endlich hatten sich die sieben Staaten Amerikas: Massachusetts, New Hampshire, Rhode Island, Connecticut, Pennsylvanien, Virginien und Süd-Carolina für unabhängig erklärt, andere Staaten traten ihnen bei. Die Union der ersten dreizehn war begründet, Franklin gab ihr eine republikanische Verfassung.

Die vorhergegangene Knechtung und diese energische Erhebung des Volks, dies ebenso furchtbare wie zweifellos glänzende Ringen der Amerikaner mit der englischen Streitmacht, die brutale Abscheulichkeit der Mittel, deren sich die Regierung zu London während des Krieges bediente, hatte, verbunden mit dem Grolle, unlängst von Großbritannien besiegt worden zu sein, Frankreich in allen Schichten aufgeregt und dessen Sympathie für die Vereinigten Staaten auf den Kulminationspunkt getrieben. Der Geist der Nation war überdem durch Rousseaus »Gesellschaftsvertrag«, »die Aufstellung der Menschenrechte«, die Lehren Voltaires und der Enzyklopädisten in einer Weise für die Ideen der Freiheit und Gleichheit empfänglich gemacht worden, daß die Franzosen im Jahre 1777 eine romantische Sehnsucht empfanden, an dem Kampfe Amerikas gegen seine Tyrannen teilzunehmen. Die Keime und Anfänge einer geistigen Bewegung, welche das Kriegsgetümmel aus dem europäischen Kontinent eine Weile unbeachtet gelassen hatte, waren pilzartig jetzt emporgeschossen und begannen ihre ersten, sehr ernsten Früchte zu tragen.

Natürlich waren die Insassen besagter auf dem Wege nach Paris befindlichen Diligence von der großen Frage der Zeit nicht weniger erfüllt wie das ganze Land. Die Gesellschaft, den Kondukteur, Monsieur Carbonier, einbegriffen, zwölf Personen stark, hatte sich auf der Poststation zu Meaux zusammengefunden und vertrug sich, trotz der großen Verschiedenheit ihrer Lebensstellungen, sehr gut und war bereits in lebhaftester Unterhaltung, zumal der Kondukteur Sorge getragen hatte, sie bald miteinander bekannt zu machen. Der omnibusartige Kasten der Diligence, von vier Pferden gezogen, bestand aus drei Coupés. Das vorderste nach den Pferdes und dem Bock zu wurde von dem Kondukteur und der etwas korpulenten Madame Pampagnan eingenommen, welche ihres Zeichens Epicière, Spezereihändlerin war. Rechts den Eckplatz neben ihr hatte ein kräftiger Bursche mittleren Alters inne, welcher in einer dunkelbraunen Livree mit roten Aufschlägen steckte; er gehörte zweifelsohne der dienenden Klasse an. Da er einen Zopf trug, etwas in Frankreich Unerhörtes, und kein Wort der Landessprache verstand, wurde er bald übersehen. Das mittlere, innere Coupé gehörte den bevorrechteten Ständen. Den linken Rücksitz, dem fremden Diener dos à dos, hatte ein ebenfalls bezopfter, etwas steifer, sehr ruhiger, fein, doch nicht prätentiös gekleideter und unauffällig schöner Herr, » un baron allemand!«, wie Carbonier den übrigen anvertraut hatte, eingenommen. Ruhig und im besten Französisch nahm er an der Unterhaltung nur gerade soviel teil, als nötig war, um sich entweder zu belehren oder neugierigen Anfragen zu genügen. Den Mittelplatz neben ihm hatte Demoiselle Claire de Joliveu inne, die unter dem Schutze Monsieurs le Chevalier de Robignac und der Chevalière, seiner Gemahlin, reiste, welche ihr und dem » baron allemand« gegenüber saßen. Der Platz neben der Chevalière gehörte einem Grafen, Stanislaw de Clermont-Tonnerre, aus einer der bekanntesten altadeligen Familien von Paris. Die ihm sehr ungewohnte Diligence war von ihm nur gewählt worden, weil seine Reiseequipage in Meaux eines plötzlichen Unfalls wegen zurückbleiben mußte, er aber Paris noch heute zu erreichen wünschte.

Das letzte, dritte Coupé war rückwärts gekehrt, so daß dessen Insassen den Weg, welchen man gekommen war, überblickten. Monsieur Pradin, ein feister Pariser Großhändler, und ein heiteres, noch junges Ehepaar, Monsieur und Madame Glorieux, marchands de modes, teilten sich in dasselbe. Da die Zwischenwände, welche die Coupés trennten, nur aus einem Ledervorhange bestanden, das Wetter aber schön war und die Gesellschaft aneinander Gefallen fand, so hatte man dieses Trennungsmittel aufgerollt und an die Decke des Wagens geschnallt. Frische Luft wie frische Rede kamen somit der ganzen Gesellschaft zugute.

Bald hätten wir eine Person übersehen, welche noch im Mittelcoupé rechts neben Demoiselle de Joliveu sitzt, einen achtzehnjährigen Studenten der Rechte aus Arras, welcher am Collége de France habilitiert ist. Ein kleines, dürftiges Bürschchen, das anfänglich wenig spricht und den man noch weniger fragt, er nennt sich Maximilian Robespierre.

»Nein, nein, mein Herr Baron,« setzte der Chevalier das nach gegenseitiger Begrüßung im Wagen bald sehr lebhaft begonnene Gespräch fort, »da wir in Ihnen einen preußischen Offizier zu sehen die Ehre haben, so dürfen Sie nicht behaupten, daß es nicht Amerikas Befreiung sei, die nicht auch Sie nach Paris ruft! In Zeiten wie den unseren, da der Enthusiasmus für die großen politischen Ideen der Menschheit Paläste wie Mansarden erfaßt hat, jede Berufsart blitzartig durchdringt und belebt, reist sicher ein preußischer Krieger, welcher unter seinem großen Könige gekämpft hat, nicht zum Vergnügen nach Paris, viel weniger nach England. Fi donc! Ein so elendes Volk zu besuchen, das der Mammon zum Tyrannen und Banditen an denselben amerikanischen Kolonien gemacht hat, ohne deren Heldenmut unser Heer niemals jenseits des Ozeans geschlagen worden wäre. Wahrhaftig, eine Mutter, welche ihr Kind dafür quält und ruiniert, daß es ihr größeren Reichtum und den Sieg über ihre Feinde verschafft hat, würde Englands unmenschlicher Bosheit gegenüber noch für tugendhaft gelten! Ich gebe Ihnen mein Wort, es kommt noch dahin, daß Frankreich für Amerika gegen England marschiert. Nein, nein, seien Sie offen! Sie kommen nach Paris, um dem Beispiele des kühnen Marquis de Lafayette, Koscziuszkos, Pulawskys und des wackern Duplessis zu folgen und Amerika zu befreien!«

»Für Ihr gütiges Zutrauen bin ich sehr verbunden, Herr Chevalier, aber Sie irren zufällig wirklich«, sagte matt lächelnd der » baron«. »Ich habe keinerlei Wunsch und Absicht, wieder zu dienen, am wenigsten für eine Sache, die mir so fern liegt. Ich bin kein Republikaner, sondern ein Anhänger der Monarchie, und wenn ich auch nicht das Benehmen des englischen Volks, noch weniger das seiner Regierung gutheißen kann, denn es ist gewissenlos, so gibt es denn doch wohl auch in England noch Ehrenmänner, unter diese aber rechne ich die Freunde, denen mein Besuch gilt!«

»Verzeihen Sie, Herr Baron,« sagte die Chevalière voll Liebreiz, »wenigstens die neugierige Frage, in welcher Charge dienten Sie in Ihrer Armee?«

»Ich hatte die Ehre, der persönliche Adjutant Sr. Majestät zu sein, kurz vor Schluß des Krieges aber kommandierte ich unter dem Herzog von Bevern das Regiment Salmuth bei Kassel und genoß so dar Vorzug, mit Ihren tapferen Landsleuten, schöne Frau, persönlich die Klingen zu kreuzen.«

»Es ist mir rein unmöglich, mein Herr,« rief die lebhafte Claire de Joliveu, »daß ein Held Ihres Schlages nach England reisen will, anstatt Amerika seinen glorreichen Degen zu weihen! Wenn es nicht zuviel gesagt ist, will ich so kühn sein, zu behaupten, Sie sind von Ihrem großen König geradezu zur Unterstützung Amerikas gesendet und wenden die englische Reise nur vor, um den zahlreichen Spionen zu entgehen, durch welche Großbritannien unsere Regierung in Paris und Versailles überwachen läßt!«

»Mademoiselle, ich kann Sie nicht hindern, zu glauben, was Ihnen nicht auszureden ist,« sagte der Baron in kühler Artigkeit, »aber Seine Majestät kann mich schon deswegen nicht nach Amerika senden, weil er mir seit zwölf Jahren den Abschied bewilligt hat, ich seit jener Zeit den preußisches Staat verlassen habe und in Württemberg, Baden und Hechingen lebte. Ein König kann mir doch immer nur solange befehlen, als ich in seinen Diensten bin, ich habe gegenwärtig aber das Vergnügen, ein völlig freier Mann zu sein und über meine Person allein zu verfügen.«

»Wenn Sie für die Freiheit, für dieses großartige Leiden und Kämpfen der Kolonien wirklich auch keine Sympathie haben wie wir,« rief die Chevalière mit blitzenden Augen, »doch gewiß für Ihren eigenen persönlichen Ruhm, für den edlen Ehrgeiz, für das ritterliche Entzücken, mit dem Schwerte dem Unterdrückten beizuspringen?«

Der Baron begann etwas gelangweilt auszusehen. – »Frau Chevalière, wir Menschen sind nicht alle von demselben Stoffe, noch haben wir dieselben Ideen. Mein Ehrgeiz ist begraben wie alle Hoffnungen meiner Jugend! Ich habe weder den Drang, mich in die großen Fragen der Zeit zu mischen, noch hoffe ich, daß sich jemand vorsorglicher meiner Zukunft annehmen wird, als sie, schöne Frau, es wirklich wert ist!«

»Schade, daß ein Mann in seiner Blüte das von sich sagen kann!« Der Chevalier verbeugte sich etwas spöttisch. »Ich begreife indessen, Sie wollen damit andeuten, Sie wünschten nicht, mit dem Worte Amerika ferner in Verbindung gebracht zu werden.«

»Weil es gänzlich unwahr wäre, dies zu tun, Herr Chevalier! Ich werde weder für noch gegen Amerika in irgendeiner Art tätig sein, ein Land, dem ich von ganzem Herzen übrigens den Sieg schon um seiner Bravour und der Ungerechtigkeiten willen wünsche, die es erlitten hat!«

»Ich begnüge mich mit diesem gerechten Urteil über die Union. Die Gründe, welche Sie in kraftvollem Lebensalter auf jede öffentliche Tätigkeit resignieren lassen, müssen Verhältnissen entspringen, welche Ihr Herz wie Ihr Gewissen allein angehen!«

»Sie haben vollkommen recht, Herr Chevalier. Seit ich meines Königs Dienst verließ, nahm mein Leben eine so unheilvolle Wendung, daß ich nicht mehr das Vertrauen habe, meine geringe Hilfe könne noch irgendeiner Sache, einem Lande oder Volke Glück bringen. Wollen wir nicht von irgend etwas Interessanterem sprechen als von mir?«

Das Gespräch stockte. Die Gesellschaft war eigentümlich ernst geworden, in den Augen Claires glänzte sichtliche Teilnahme. Wenn der preußische Offizier, in welchem wir wohl längst einen alten Bekannten wiedererkannten, geglaubt hatte, durch seine letzte Rede bei seinen Reisegenossen an Bedeutung zu verlieren, dann hatte er geirrt, vielmehr war das Gegenteil erreicht worden. Man machte in seinen Forschungen nur eine vorläufige Pause, um einen neuen Angriffspunkt an ihm zu entdecken. Dies allgemeine Sentiment für ihn ward indessen glücklicherweise bald abgelenkt.

»Ach, meine Herrschaften, von was soll man heutzutage wohl noch reden,« seufzte Madame Glorieux plötzlich auf, »wenn es nicht von der großen amerikanischen Revolution ist? Sie beherrscht unsere Gedanken, unsere Gefühle, unsere Sitten und unsere Moden!«

»Die Mode auch, meine Liebe?« rief die Chevalière lebhaft.

»Gewiß, gnädige Frau! Die Männermode wenigstens schon! Ich und mein kleiner Mann, marchands de modes, Ecke der Honoré und Rue St-Mertin, hatten den unglaublichen Vorzug, dies zu bewerkstelligen!«

»Neue Männermoden und auf die amerikanische Revolution bezüglich?«

»Ganz gewiß, Frau Chevalière. Mein Männchen faßte vor einem Vierteljahr den heroischen Entschluß, den berühmten Herrn Benjamin Franklin zu besuchen und denselben zu bitten, ihm seinen mausgrauen Überrock als Modell zu überlassen, um nach demselben einen Rock » à l'indépendance de Franklin« anzufertigen. Dieser große Mann, von schlichter, bewundernswerter, von einer Römertugend, wie die Herren von der Akademie von ihm sagen, erklärte sich bereit, dieses Kleidungsstück uns unter der Bedingung zu überlasse», daß wir ihm dafür zwei ebensolche neue Röcke herstellten!«

Ein schallendes Gelächter antwortete der Modistin. – »Alle Achtung vor solcher Römertugend!« kicherte Claire de Joliveu.

»Spaßen Sie nicht, meine Herrschaften,« nahm Monsieur Glorieux das Wort. »Diese Bedingung war sehr billig und der große Mann wußte, was er tat! Er hatte nur einen Rock, den er somit überhaupt nicht hergeben konnte, nun hat er zwei, die ihm bewunderungswürdig stehen. Er trägt meine Röcke! Ich aber hatte acht Tage die Reliquie dieses Erhabenen, der seines Volkes Sache unter uns verficht, in meinem Laden gegen zwei Franken Entree ausgestellt und nahm die Kleinigkeit von 7413 Franken für diese Spekulation ein. Dann hing ich denselben in mein Schaufenster mit der Affiche: »Rock des großen amerikanischen Bürgers Franklin! Exemplare derselben Art und Farbe für jede Figur sind hier für 150 Franken zu beziehen.« Wir machen ein enormes Geschäft damit, messieurs et mes dames, denn Sie sehen auf den Boulevards, im Café Regence, im Palais Royal, kurz wo nur gute Gesellschaft verkehrt, diese mausgrauen Röcke mit dem hohen Kragen und dem Regenmäntelchen! Ein Land, das einem einzigen Franzosen schon soviel einbringt, ist wert, daß unsere ganze Nation sich für seine Freiheit begeistere!«

»Ich bin auch ganz für die Amerikaner«, klang Pradins, des Großhändlers Baß durch das Gekicher. »Diese Engländer mit ihren Flotten sich schuld, daß wir keinen Tabak, keine Baumwolle, kein amerikanisches Leder, keine edlen fremden Hölzer, keinen Zucker mehr erhalten, oder nur zu ganz unerschwinglichen Preisen! Eine so nichtswürdige Nation muß gehaßt werden von jedem, der da raucht, schnupft und Kaffee trinkt, von jedem Gebildeten!«

»O Gott ja, Mr. Pradin«, akkompagnierte die Epicière, im vorderen Coupé sich umwendend. »Sie sprechen ein sehr wahres Wort aus. Selbst die Rosinen und das Gewürz, Wein und Öl schlagen darum jetzt ungeheuer auf, so daß man nichts mehr verdient. Das ist für eine Witwe, die vier Kinder und zwei Ladendiener zu ernähren hat, nichts Kleines!«

»Natürlich«, erwiderte Pradin eifrig. »Die Menschen wollen eben leben und ihren Genuß haben; wird das eine ihnen verteuert, so halten sie sich am übrigen schadlos. Dadurch werden auch alle anderen Bedürfnisse dem gesteigerten Verbrauch gemäß teurer! Kommen Sie übrigens zu mir, meine liebe Pampagnan, Rue du bac 12, ich werde Ihnen Preise machen, bei denen Sie zufrieden sein sollen.«

»Sehr großmütig, mein teurer Herr Pradin, ich werde Ihnen meinen ergebensten Besuch machen!« Dabei wechselte die liebe Pampagnan mit Pradin ein rasches Kreuzfeuer von Blicken, indes die übrigen Insassen vor Lachen zu ersticken drohten. Selbst des Barons melancholisches Gesicht wurde vorübergehend durch diese Konsequenzen des anglo-amerikanischen Krieges erhellt.

Studiosus juris Robespierre allein hatte nicht gelacht, sondern mit gekniffenen Lippen zugehört. – »Um Vergebung,« sagte er zu dem Modisten mit taubensanfter Stimme, »wo wohnt der große Franklin?«

»In Passy Nr. 112, parterre, mein Herr!« gab Glorieux mit stolzem Bewußtsein zurück.

»Was wollen Sie denn bei ihm, Jünger der Themis?« fiel Graf Tonnere ein.

»Ich liebe die Freiheit und Gleichheit, weil ich eben die Gerechtigkeit liebe«, entgegnete Maximilian. »Besonders wünschte ich in Franklin aber den berühmten Entdecker des Blitzableiters kennenzulernen und ihm ein schriftliches Plädoyer über den Nutzen dieser Erfindung vorzulegen.«

»Über dieselbe ist man in Paris aber doch nicht mehr im Zweifel«, sagte Demoiselle Claire.

»In Paris nicht, aber in der Provinz! In meiner Vaterstadt Arras zum Beispiel hat sich die Klerisei geweigert, an den Kirchen dieses Schutzmittel anzubringen, weil sie behauptet, das hieße in Gottes Ratschluß eingreifen. Gegen diese Dummlinge ist meine Schrift gerichtet.«

»Ganz vortrefflich, mein junger Freund«, lächelte Tonnerre. »Ich würde es aber für noch weit ersprießlicher halten, wenn Sie lieber einen Blitzableiter gegen die Dummheit und Selbstsucht errichten wollten, so daß die Ideen von Gleichheit und Freiheit, welche unsere Geister erhellen, nicht bloß Worte, sondern Tat würden.«

Da flammte Robespierres Auge auf und schoß Blitze. »Sie können nicht wissen, Herr Graf, ob Sie das nicht noch erleben! Dann aber werden Sie kein Graf mehr, sondern der Bürger Clermont-Tonnerre sein!«

»Haha, und ich der Bürger Robignac! Nun, es wäre das kleinste Übel, das uns Edelleute treffen könnte. Ich liebe die Weisheit des edlen Rousseau so sehr, daß, wenn der Gesellschaftsvertrag Wahrheit würde, ich um ihn ruhig Wappen und Titel herzugeben vermöchte.«

Bei diesen Worten rasselte die Diligence ins Tor, am Temple vorüber, und hielt auf dem Boulevard vor dem Stationshause. Man empfahl sich gegenseitig, wobei der Chevalier Steuben seine Adresse nannte. Letzterer ließ durch Carl Vogel, er steckte in der blau-roten Livree, sein Gepäck von dem Verdeck der Kutsche in Empfang nehmen, und ein Fiaker entführte sie alsbald nach dem Hotel St-Louis in der Rue Antoine.

Steuben war in Paris allerdings kein Fremder mehr. Der Wirt seines Hotels erinnerte sich, als er ihn im Flur begrüßte, sogleich, daß er vor etlichen Jahren die Ehre gehabt habe, Son Excellence als Grand Maréchal de la cour in Begleitung de son Altesse le Duc de Hechinge fast vierzehn Monate hindurch in seinem Hause beherbergt zu haben. Nachdem der Ankömmling gespeist hatte, während Vogel auspackte, ging er an die Verbesserung seiner Toilette und begab sich zu Wagen ins preußische Gesandtschaftshotel, das damals in der Rue Honoré nahe dem Palais Royal gelegen war. Die Rue Honoré;, die eleganteste Hauptstraße von Paris, bis sie Herr Haußmann durch die Rue Rivoli verdunkelte, war belebt von eleganten Toiletten, und Steuben hatte Gelegenheit, wirklich eine hübsche Zahl der grauen »indépendances«, dieser Wunderleistungen aus der Offizin des Monsieur Glorieux, auf den Leibern alter und junger Gecken zu sehen, die Benjamin Franklin nachahmten, ohne zu begreifen, eine wie schlechte Travestie von ihm sie abgaben. Im Gesandtschaftshotel fragte er nach dem Königlich Preußischen Militärbevollmächtigten und ließ sich kurzweg als ehemaligen Kriegskameraden Sr. Exzellenz melden. Kein anderer war's, der ihn als solcher empfing, als General von Koch.

»Steuben! – Mein Gott, Sie hier, Steuben?« – Der General ergriff seine Hand. »Ich finde Sie sehr verändert! Das Hofleben am Rhein scheint Ihnen, mein teurer Freund, gerade nicht so bekommen zu sein wie anderen Menschenkindern.«

»Das Hofleben, Exzellenz, hat mir gerade nicht viel angehabt, außer daß es mich leiblich wie geistig träge machte. Der nagende Wurm sitzt tiefer bei mir, frißt mir langsam alles innere Leben ab. Natürlich geht das Gehäuse nach und nach mit dem Triebwerke zugleich zum Teufel!«

»Ihre Affäre also ist's noch immer, die – doch was frage ich nach Dingen, welche mich nichts angehen dürfen! Ich sehe die Wirkung des Seelenleidens ja in Ihrem Gesicht, das ist für mein betrübtes Herz genug! So früh enden zu müssen, so jung noch – das muß jedem wehe tun, der Sie, wie ich, lieb hatte. Doch willkommen! Setzen Sie sich, erzählen Sie, wie es Ihnen ergangen ist. Sie haben in Berlin nichts wieder von sich hören lassen?«

»Ich war viel verreist, namentlich im Auslande. Mein Leben war im übrigen auch so wenig amüsant, daß es keinen Stoff bot zu Berichten. Sollte ich etwa von den Launen Serenissimi, den Platituden der Serenissima, von empfindsamen Hofdamen, dummen Schranzen, kurz, der engherzig hohlen Vornehmheit deutscher kleiner Höfe erzählen? Mir ist das längst zum Ekel, und ich würde gern die Gelegenheit ergreifen, auf andere Art als bei Hofe mein Brot zu verdienen, wenn es nicht so bequem wäre, sich ohne eigene Anstrengung füttern zu lassen. Ich bin schlapp geworden, General, schlapp wie ein abgetragener Handschuh, und das ist das Furchtbarste, was man von sich mit sechsundvierzig Jahren sagen kann!«

»Wenn man ein Mann war wie Sie, gewiß! Doch erzählen Sie. Schütten Sie Ihr Herz aus, wenn Sie das erleichtert oder wenn mein Rat Ihnen nutzen kann. Darf meine Frau Sie sehen?«

»Heute nicht, General, ich bin jetzt nicht in der Stimmung. Wenn ich Sie anblicke, muß ich immer zweier verhängnisvoller Tage gedenken, die Sie mit mir geteilt haben – den Abschied in Petersburg und jenen Morgen im – dustern Keller!«

»Armer Freund, Sie betrauern noch immer Ihre tote Liebe?«

»Oh, wenn sie nur tot wäre, wohl wir, aber gemordet – durch mich gemordet in Verblendung, das ist der Gifthauch meines Daseins, denn meine Sehnsucht ist zugleich Reue, ist die Vergeltung, welche mich erreicht hat!«

»Sie machen mich ernstlich unruhig!«

»Seien Sie unbesorgt um mich. Mein Kadaver ist so fest, meine Seele so zähe, daß es erst ganz anders kommen muß, ehe die beiden endlich auseinanderreißen. Hören Sie zu. Meinen ersten Brief erhielten Sie aus Halle und Dessau. Sie wissen, daß ich dort nach der Entlassung den Plan gefaßt hatte, in die sardinische Armee einzutreten.«

»Sie erhielten brillante Anträge aus Turin!«

»In Hamburg redete mir indes Graf St-Germain, später im Wildbade aber Prinz Friedrich von Württemberg diese Idee aus.«

»Von dem Prinzen ist das begreiflich, von St-Germain indes nicht. Der Prinz wünschte sicher, wenn nicht uns, so doch Deutschland wenigstens Ihre Kraft zu erhalten, er ist Patriot, St-Germain ist es aber nicht. Er hat als Ehrgeiziger sich anfänglich expatriiert und Dänemark gedient, es vom General dort zum Minister gebracht, wie jetzt ja so viele Generale anderen Regierungen als der ihres Landesvaters, ja manche sogar den Feinden ihrer Nation dienen. St-Germain ist ein geriebener Patron, er betrachtete seine auswärtigen Dienste nur als Staffeln zu einem hiesigen Portefeuille und ist auch wirklich nun König Ludwigs XVI. Kriegsminister geworden. Es sollte mich nicht wundern, wenn er, die Stimmung von Volk und Hof benutzend, Frankreich in eine kriegerische Affäre aus keinem anderen Grunde verwickelte, als um durch einen glücklichen Krieg sich unentbehrlich, zum Lenker seines Vaterlandes und eines Monarchen zu machen, der kein König, sondern nur ein guter Kerl und ein leidlicher – Schlosser ist!«

»Sie beurteilen den Grafen denn doch zu streng, ich kenne ihn besser. Ehrgeizig mag er sein, wer ist es denn nicht? Ein gewöhnlicher Egoist aber ist er doch nicht.«

»Gut, gut, er interessiert mich in diesem Augenblicke gar nicht, aber Sie! Sie erhielten Ihre Entlassung von König Friedrich, nachdem Sie Hofmarschall des Fürsten von Hohenzollern-Hechingen geworden waren?«

»Und zwar mit dem Titel Oberst. Als ich in Hechingen als Hofmarschall angestellt war, kränkelte Sophie bereits; ihr Bruder schrieb es mir. Ich machte bei dem Fürsten Anstrengungen, um seine Genehmigung zu erhalten, Komtesse Sophie von Anhalt heiraten zu dürfen, falls ich ihr Jawort erhielte; Serenissimus erwiderte aber, kalt wie ein Eiszapfen: ›Lieber Steuben, wenn Sie heiraten wollen, so nehmen Sie doch eine Dame meines Hofes, ein Landeskind. Da ist das kleine Fräulein von Plessenberg, des Bischofs Nichte; Geld hat sie auch. Ich wünsche keine Dame um mich, die nicht reinen Blutes ist und sich dennoch für 'ne Art – von Hoheit hält!‹ Das sagte dieser edle Fürst mir, General!«

»Damit war die Sache aus?«

»Nicht ganz. Ich erwiderte: ›Serenissimus, ich kann eher eines Fürsten Tochter heiraten als des Herrn Bischofs Nichte, deren Blut noch gemischter ist; ich danke für die Ehre!‹ – ›Nun,‹ lachte er leichtfertig, ›so müssen Sie Garçon bleiben, wenn Sie ferner mein Hofmarschall sein wollen!‹ – Ich mußte Garçon, mußte Hofmarschall bleiben. Sophie kränkelte mehr und mehr. Ob Gram um mich ihr Leiden beförderte, ich weiß es nicht, der Graf schrieb davon kein Wort. Eines Tages teilte er mir tieftraurig endlich aber mit, Sophie habe unheilbar die Schwindsucht. Oh, mein teurer General, ich habe Unsägliches gelitten. Die furchtbare Krankheit hätte sie wohl auch erfaßt, wäre sie mein gewesen, aber dann hätte ich sie doch beglückt, sie hätte doch der Liebe Seligkeit hienieden – wenn noch so kurze Frist – genossen. Im Jahre 1767 starb sie. Mein Bild lag im Verscheiden auf ihrer Brust! Beklagen Sie mich, General – aber Trost geben kann Ihre Teilnahme mir nicht. Seitdem mein Herz diesen Stoß erlitten, habe ich für Frauen kein Gefühl mehr, mein Herz bleibt so kalt, als hätte es nie empfunden, was Frauenliebe ist. Öfters nahm ich nun von Hechingen Urlaub, meine schlechte Gesundheit vorschützend. Ich bereiste Südfrankreich. In Montpellier traf ich wieder mit Graf St-Germain zusammen, lernte den Prinzen von Montbarey, die Lords Spencer und Warwick kennen. Diese in England zu besuchen, ist nun meine Absicht.«

»Sie verließen nach zehn Jahren aber doch den Hechinger Hof und traten in badische Dienste?«

»Ich verließ ihn nicht, ich wurde entlassen, plötzlich entlassen!«

»Steuben?!«

»Gewiß! Frauenzimmer, Pfaffen und Schranzen waren schuld! Obwohl ich mehrmals lange mit dem Fürsten und seiner Gemahlin in Frankreich geweilt hatte, besonders in Paris, hatten der Bischof und seine Couleur es darauf abgesehen, mir seine Nichte aufzuhängen. Man rückte mir endlich direkt auf den Leib, so daß ich erklärte, die Dame stände mir aus Gründen nicht an, die das Gewissen des Herrn Bischofs ihm wohl selbst angeben würde. Damit war mein Sturz ausgesprochen. Markgraf Carl Friedrich von Baden, dem ich mein Schicksal klagte – er hatte mich früher schon vielfach ausgezeichnet, machte mich zum Obersten der Reichstruppen des schwäbischen Kreises. Es war ein Faulenzerposten! Ich hatte Serenissimus zu unterhalten und Listen von Soldaten zu führen, die jährlich nur einen Tag Musterung hielten. Alle kriegerischen Gelüste gab ich auf. Geistesträge, ein Mensch der Tafelfreuden, ohne seelische Nahrung außer der, welche weltbeglückend über den Rhein kam, wurde ich Schranze – Schranze, Schranze! So sehen Sie mich nun. Vielleicht bleibe ich etliche Wochen zur Zerstreuung in Paris, dann gehe ich nach England. Ich will morgen St-Germain in Versailles aufsuchen.«

»Wenn es Ihnen nur um Zerstreuung zu tun ist, hier finden Sie deren genug. Wann essen Sie bei uns?«

»Übermorgen, falls Ihnen mein langweiliges Gesicht nicht choquant ist.«

Ein stummer Druck von Kochs Hand war die Erwiderung, melancholisch kehrte Steuben zu Fuß in sein Hotel zurück. Dort fragte er brieflich an, wann er »Exzellenz den Herrn Kriegsminister« in Versailles stören dürfe.

Am anderen Tage schon traf ein Billet des Grafen St-Germain für Steuben ein. »Teuerster Baron! Ich heiße Sie höchlich willkommen. Sie in Versailles zu empfangen, ist mir aber rein unmöglich, niemand darf Sie dort ahnen, viel weniger sehen. Ich werde mich aber freuen, Sie drei Tage später im Arsenal von Paris privatim zu empfangen. Zu festgesetzter Zeit bitte ich Sie, einem Offizier zu folgen, der Sie abholen wird. Natürlich tragen Sie Zivil! Ich habe Ihnen wichtige Nachrichten mitzuteilen! St-Germain.« – Wichtige Nachrichten! Heimlicher Empfang! Was konnten denn Steuben wichtige Nachrichten noch interessieren? Was hatte St-Germain bei solcher Verstohlenheit im Sinn? Steubens Zweck, nach Paris zu kommen, über Havre dann nach England zu gehen, hatte er von Karlsruhe aus schon St-Germain mitgeteilt, und er begriff nicht, was er noch mit Politik, Krieg und Diplomatie, kurz mit ministeriellen Heimlichkeiten zu tun haben könne. Jedenfalls fühlte er herzlich wenig Lust zu dergleichen. Um den Grafen durch seine Anwesenheit aber nicht in irgendeine ihm freilich schwer begreifliche Verlegenheit zu bringen, unterließ er es, nunmehr dem Prinzen von Montbarey wie dem Duc de Ligne sein Eintreffen anzuzeigen.

Der festgesetzte Tag erschien, so gleichgültig von unserem Helden erwartet, wie er seit lange jeden Morgen erwartete. Um neun Uhr morgens meldete ihm Vogel den Herrn von Pagenstecher, Oberst vom Regiment Condé.

»Indem ich die Ehre habe, mich Ihnen als deutscher Landsmann vorzustellen,« damit trat der Offizier ein, »ersuche ich Sie, mich an den bewußten Ort zu begleiten.«

»Ich bin bereit, doch etwas erstaunt über diese Heimlichkeit!«

»Staatsgeheimnis, Herr Baron!«

Sie bestiegen einen Mietwagen und fuhren die erste Querstraße der Rue Antoine südlich zur Seine entlang, an der Isle de St-Louis, dem Punkte, wo einst der Tour de Billi stand, endlich an den Célestins vorüber. Da ragt das Arsenal in dem Winkel, welchen die Seine mit der südöstlichen alten Stadtmauer bildet. In diesen düstern kolossalen Mauern mit weiten Höfen und zahlreichen Anbauten, in welchen die Waffen des stolzen Frankreich wie in einem großen Kriegsmuseum ruhten, waltete einst Sully, der kluge Minister jenes galantesten und populärsten aller Könige, dessen Reiterbild beim Pontneuf ragt, Heinrich IV. Es ist wohl natürlich, daß angesichts dieser kriegerischen Umgebung, der alten Lilienbanner von Amiens, Rocroy und hundert anderer Siege, welche da an den Wänden als Trophäen glänzten, der heroischen Reliquien eines Condé, Turenne, Dunois und der alten ritterlichen Könige des Landes – dennoch Gefühle in Steubens Herzen wieder auftauchten, wie er sie einst bei Roßbach und Leuthen, Reichenbach und Kassel empfunden hatte, eine plötzliche heiße Sehnsucht nach Taten, ein Drang, dieses sein unnützes, mehr als halbvergeudetes Leben an eine Sache zu setzen, für die es sich lohnte zu siegen und zu bluten.

Es war ein mittelgroßes, entlegenes Arbeitsgemach, das zu den Bureaus des Gouverneurs gehörte, in das Oberst Pagenstecher unseren Freund führte. In ihm an einem Konferenztische saß Robert Graf von St-Germain, ein 69jähriger Greis, der Kriegsminister dieses stets kriegerisch gesinnten Volkes.

Er war ein höchst merkwürdiger Mann und hatte eine sehr merkwürdige Karriere hinter sich. Zu Anfang des Jahrhunderts geboren, war er zum Jesuiten erzogen worden. Dem Konvikt entsprungen und Soldat geworden, hatte er erst Frankreich, dann der Pfalz, dann Preußen gedient, war zu Struensees Zeit dänischer General, dann Kriegsminister geworden und bei Ludwig XVI. Regierungsantritt in die Heimat zurückgekehrt; dann hatte man ihm Frankreichs Wehrkraft anvertraut. Ehrgeiz war die einzige Flamme dieses Greisenlebens, und im Auge glühte ihm noch das abenteuerliche Reckenfeuer seiner Jugend, nur gemildert durch die Ruhe des Alters, die kluge Zurückhaltung des Staatsmannes. Er hatte eben den Finger auf einer großes Karte, als ob er einen Punkt auf ihr festhalten wolle, und hob nur flüchtig das Haupt, Steuben lächelnd zunickend.

Ein Blick auf diese Karte bewies Steuben, daß Mitchels »Britisches Amerika« vor dem Minister lag. Unser Held kannte zu genau die Gewohnheiten des Grafen, um nicht sofort den Ton anzunehmen, mit welchem derselbe angeredet sein wollte.

»Was haben Sie denn da, Herr Graf?«

St-Germain unterstrich mit einem Bleistift den Punkt, auf welchem sein Finger bisher geruht hatte. »Was ich hier habe, Baron? Ihr künftiges Schlachtfeld!« Er stand auf und reichte Steuben die Hand. »Seien Sie doppelt willkommen, Sie treffen in dem Moment gerade ein, wo man Sie braucht, und nur Sie! Das ist von guter Vorbedeutung!«

»Ich gestehe Exzellenz, daß mir Ihre Worte höchst dunkel sind. Amerika mein Schlachtfeld?! – Ich schrieb Ihnen doch, ich habe auf kriegerische Tätigkeit verzichtet und bis in Begriff, nach London zu gehen.«

»Ich fürchte – wenn ich mich nicht aufs gröblichste in Ihnen täusche, Mylord von Warwick und Earl Spencer werden auf Ihren Besuch für immer verzichten müssen. Ich hatte schon die Absicht, Ihnen nach Karlsruhe zu schreiben, als Ihr Brief Sie anmeldete. Ich habe mich in letzter Zeit sehr viel mit Ihnen beschäftigt, habe mir alle Gespräche rekapituliert, die ich in Hamburg, im Elsaß, zu Montpellier mit Ihnen über Militaria hatte. Ich habe Ihnen einen Plan vorzulegen!«

»Sie setzen mich wirklich in Verwunderung, Graf!«

»Sie sind der rechte Mann oder keiner! Sie müssen nach Amerika! Die Republik dort ist's, der Sie dienen sollen, Sie werden der Kopf, Washington wird der Arm sein, Albion zu schlagen, die Rabenmutter, welche sich vom Blut und Schweiß ihrer mißhandelten Kinder nährt. Die Republik bedarf Ihrer Dienste, Washington bedarf eines Mannes, der, wie Sie, Friedrichs Schlachten schlug, um zu siegen. Werden Ihre Bemühungen mit Erfolg gekrönt, dann wird nicht bloß dies befreite Volk, nicht allein Frankreich, ganz Europa wird Ihren Namen mit Achtung und Liebe nennen. Sie werden Ihr Glück machen und endlich die Stellung finden, die Ihr tatenreiches Leben würdig abschließt! Was das aber für ein Glück ist, sehen Sie an mir, dem Greise, und ich möchte, indem ich einen großen Gedanken in Ihnen erwecke, Sie beglückt sehen. Ihr Glück allein ist freies Mannestum. Sie werden jenseits des Ozeans mehr Ehre ernten wie in Europa. Die Kolonien, nachdem sie einmal ihre Unabhängigkeit erklärt haben, werden diese aufrechterhalten oder zugrunde gehen. Es wäre also ein verdienstvolles Werk, das Gebäude der jungen Republik errichten zu helfen – der Welt das Problem zu lösen, daß man frei und doch loyal sein kann, daß ein großes Gemeinwesen auch ohne König bestehen kann, weil jeder sich selbst zu regieren, sein gerechtes Gewissen als die oberste Instanz in allen irdischen Dingen anzusehen weiß. Die Hilfsquellen Amerikas sind enorm. Ungeheure Kräfte besitzt es, sie sind nur noch unerschlossen. Sie, Steuben , würden der Prometheus sein, der die schlummernden Kräfte der Urwälder weckt und das Sternenbanner in den Streit führt. Schon jetzt, obwohl den Engländern genug Soldaten, Gold und Flotten zu Gebote stehen, ist Amerikas Macht fast der der Engländer gleich. Wir hier können noch nicht offen handeln, am wenigsten bevor Sie nicht hinüber sind, aber indirekt helfen Spanien und Frankreich der Republik bereits. Sie werden das sehen, wenn Sie den Spanier Aranda, Prinz Montbarey, den Duc de Ligne und andere sprechen. Es glüht in den Franzosen die alte Ritterlichkeit für das zertretene Recht, der Hof bereits ist kriegerisch gestimmt, Sie werden noch kein halbes Jahr drüben sein und – er dämpfte des Ton, »Sie werden die vereinten Lilien aller regierenden Bourbons in den Häfen Amerikas flattern sehen!«

»Meinen Schultern also wollen Sie das Werk aufbürden, die Republik der Vereinigten Staaten gegen die reichste, erste Seemacht der Welt siegen zu machen?«

»Die beste Sache, mein Freund, hat zwei Seiten. Ihre ewige, geistige – der treibende Geist der Sache, und ihre irdische, materielle, die eben betrieben, geschoben werden muß, damit der Erfolg dem Gedanken entspreche. Die Schattenseite des Krieges der Amerikaner werden Sie mit dem ersten Blick erkennen, sowie Sie das Auge nur auf die Angelegenheit ernstlich leiten. Nehmen Sie Platz. Lassen Sie uns ruhig darüber reden. Es muß Ihnen erst klar werden, vorläufig kann nur Steuben und kein anderer lebender Mensch der Union helfen, es müßte denn Friedrich II. selber sein, und zwar um ein Dutzend Jahre jünger!«

»Allerdings sind die Schattenseiten zunächst das wichtigste Exzellenz.«

»Sicher, Baron! Zweifelsohne sind Leute wie Washington, Putman, Armstrong höchst vortreffliche Generale. Sie kennen ihr Terrain genau und verstehen sich auf brillante Schachzüge. Feldherrn im eigentlichsten Sinne aber sind sie nicht. Sie mögen im Tirailleurgefecht und bei verstreutem Kampfe Bedeutendes leisten und den Gegner glänzend überlisten, eine große, geschlossene Schlacht jedoch schlagen und gewinnen, das verstehen sie nicht!«

»Es wäre eben kein gar so schlechtes Kompliment, was Sie ihnen da machen, Graf. Ich habe die Art des Freischarenkriegs und des Tirailleurgefechts gründlich genug unter General Meyr kennengelernt, um ihn für eine der vortrefflichsten Methoden zu erachten, um mit geringeren Kräften den stärkeren Gegner bis zur Verzweiflung zu ermüden. Wir diesseits des Wassers können ja noch gar nicht beurteilen, ob diese Kampfart für die Amerikaner nicht die beste, vielleicht die einzige ist. Mitchels Karte schon, so dürftig sie ist, wird Ihnen sagen, daß die bedeutenden Flüsse, welche von den Alleghany- und Albany-Mountains nordöstlich zum Meere strömen, sowie diese Urwälder keine Schlachten wie die von Zorndorf, Roßbach und Leuthen verstatten, wo Masse gegen Masse steht, wo Sie drei Treffen breit operieren können!«

»Vortrefflich, Freund!« St-Germain lächelte still in sich hinein. »Ich sehe, Sie haben in müßigen Stunden denn doch schon ein bißchen darüber nachgedacht. Gleichviel welche Kampfart dort die bessere sein mag – sie sind alle gut, wo sie hingehören. Es kommt doch erst auf die Qualität der Kämpfer, die Gliederung des Heeres, kurz auf das Material an, das man ins Gefecht bringt. Ich muß Ihnen aber sagen, Freund, Washington ist darin so schlecht bestellt als irgendmöglich. Keine regelmäßige und feste Formation besitzt das Heer der jungen Republik, weder Ordnung noch Methode in der Organisation der verschiedenen Korps. Die Anwerbungen geschehen für viel zu kurze Zeit, oft nur auf sechs oder vier Monate. Abgang und Verlust von Mannschaften aber zerstört die kaum erfolgte Bildung dieser Korps wieder. Der Ruin an Pferden, Lagergerät und Waffen ist ungeheuer, da die Lieferungen, die Inspektionen vernachlässigt oder kenntnislosen Leuten anvertraut sind. Der Kongreß mag Millionen auftreiben, da wo der Soldat es braucht, findet er das Nötigste oft nicht, und bevor ein Korps noch an den Feind gebracht werden kann, schrumpft es durch den Urlauber und den Abgang derer zusammen, die zur Heimat entlassen werden, weil ihre Dienstzeit eben um ist. Das ist das Unglück, an dem Amerika krankt, und welches ihm selbst dann noch nicht den Sieg über seinen Gegner sichern würde, wenn Frankreich seine besten Soldaten und Schiffe sendete!«

»Das alles ist richtig, Exzellenz. Man braucht nicht erst diese Zustände zu sehen, um zu wissen, daß Milizregimenter, aus unabhängigen, trotzigen Leuten bestehend, die von Subordination wenig wissen und nur auf den Tag warten, an dem ihre Werbezeit abläuft, die schlechtesten Truppen der Welt sind. Da bedarf es eines geschickten und geschulten Offiziers, vertraut mit allen Details des Dienstes, gewöhnt an die regelmäßige Formation der Armee, welcher sowohl ein System kluger Sparsamkeit einführt, wie durch energische Inspektionen allen solchen Mißbräuchen vorbeugt!«

»Und dieser fähige Offizier kann kein anderer als Friedrich von Steuben sein.« Damit sah ihm St-Germain listig ins Gesicht. »Der Geist Friedrichs von Preußen läßt Sie doch nicht ruhen, ich sehe es.« Steuben stand betroffen. Er selbst hatte sich jede fernere Widerrede durch die schlagendsten Argumente abgeschnitten, die ein ehrlicher Mann zur Annahme eines ehrenvollen Auftrages etwa anführen konnte. »Exzellenz, Sie haben mich in mein eigenes Netz verstrickt. Wohl wahr, ich bin in meiner jetzigen Stellung ein ziemlich unnützes Möbel der menschlichen Gesellschaft gewesen, aber ich bin mit meiner Stellung in Baden dennoch zufrieden. Ich habe mein auskömmliches Gehalt, meinen kleinen Landsitz, meine Jagd, heitere Gesellschaft, kurz alles, was ein alter Knabe wie ich braucht, um leidlich zu existieren. Ihr Vorschlag, der Republik zu dienen, ist für mich etwas zu weitaussehend, auch kenne ich die Landessprache nicht. Ich will es mit einer Frage kurz abmachen. Raten Sie mir als Freund oder in der Eigenschaft des Ministers bestimmt dazu, auf ein so gefährliches Unternehmen einzugehen?«

»Als Minister habe ich Ihnen gar keinen Rat zu geben. Ich und Frankreich können nur wünschen, Amerika siege, England werde geschlagen. Ob Sie das bewirken können, ob ein anderer und wer, das zu ermessen vermag aber kein Mensch. Als Freund jedoch, lieber Steuben, würde ich Ihnen nie zu etwas raten, was ich, wenn ich eben könnte, nicht bereit wäre, selbst zu tun! Ich rate Ihnen also aufs bestimmteste, daß, wenn Sie den Triumph einer großen und redlichen Sache lieben, wenn noch Ihr altes friederizianisches Herz für den Ruhm schlägt, dann gehen Sie hinüber! Der Ruhm und ein beneidenswerter Lebensabend sind Ihnen gewiß!«

»Sei es denn! – Ich erkläre Ihnen also, vorläufig auf die englische Reise zu verzichten, um näheren Einblick in die Angelegenheit zu gewinnen. Vergessen Sie nicht, ich entscheide damit über mein ganzes Leben!«

»Sie haben zur Überlegung den ganzen Sommer noch Zeit. Hören Sie alle Stimmen! Ich weiß, wenn Sie dann ja sagen, so hat Amerika einen der edelsten Patrioten gewonnen!«

Steuben reichte dem Minister sprachlos die Hand und nickte. Er schritt zum Tor des Arsenals hinaus, den Quai des Célesrins hinab wie ein Träumender; er redete mit sich selbst.

»Sagte dir einst nicht Katharina, du mußt nicht bloß ein tüchtiger Soldat im Felde gewesen sein, du wirst einst ein großer Feldherr werden, denn du bist der geborene Lehrer einer Armee! – Dein teurer König ließ dich mit den Worten von sich: Geh er mit Gott, die ewige Weisheit, die vorher schon des Menschen Pfad ihm vorschreibt, wird über meinem Adjutanten walten und ihn seines Kriegsherrn, seines Meisters würdig machen! – Wär's wirklich so vorherbestimmt? Hätte Gott mich deshalb nur so tief demütigen, durch meine eigene Torheit aus allen Himmeln stürzen, mir deshalb die Geliebte entreißen wollen und nun vor diese große Frage mich gestellt, weil ich erst jetzt fähig geworden bin, das Höchste zu leisten? Friedrich und Katharina haben groß von mir gedacht, Hohes von mir erwartet, ich allein halte mich für zu gering. – Gut denn, ich will von mir nicht schlechter denken als andere, will nicht durch starren Trotz mich der göttlichen Schickung zu entziehen suchen. Treibe denn mein Lebensnachen in den Strom, in den er jetzt gleiten will. Auf welchem Wege er dich zum Ruhme oder Tode führe, ist gleich! Sei denn Amerika mein Ziel!«


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