Theodor Birt
Alexander der Große und das Weltgriechentum
Theodor Birt

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Der Trieb zur Weltreligion

Es bleibt noch eins. Solange es Griechen gab, gab es eine griechische Philosophie, die geschäftig immer wieder baut und einreißt und baut, den Aufbau der Welt. Die Zeit der großen Muße unter den Königen begünstigte auch ihren Betrieb; er verzehnfachte sich, wurde ein Beruf für viele, und die Büchermassen, in denen man die Wahrheit fangen wollte, wuchsen zu Bergen an. Aber diese Weltweisheit lebte nicht nur in den Büchern, sondern auch in den Menschen; denn was sie gab, war Religion. Wer die Geistesarbeit der Zeit nach Alexander, deren Wirkung bis in unsere Tage reicht, erschöpfend würdigen will, hat vor allem auch von ihr zu reden.

Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das dazu begnadet oder verurteilt ist, sich selbst zu denken. Er tastet an die Wurzeln des eigenen Seins mit der ewig zehrenden Frage: warum? Das Warum hallt und klirrt durch die Jahrtausende. Der Mensch hängt zwischen Himmel und Erde, bald hochgerissen, bald in die Tiefe gezerrt. Unser Wesen hängt an einem Zweck, aber wir können ihn nicht fassen; wir sehnen uns nach festem Grund, nach dem Boden der Ursache, auf dem wir stehen, aber er verbirgt sich uns. Wir schauen fragend wie in einen Spiegel, aber der Spiegel antwortet immer nur mit dunklem Wort.

Woher stammt das Böse? und wer erlöst uns von dem Übel? Gibt es einen Richter, der unsere Seelen faßt? und müssen wir zittern, wenn wir durch das Tor des Todes gehen?

Dies ist die Frage, die damals die Zeit im Tiefsten bewegte; sie ist so alt wie das Gewissen in der Menschenbrust, und unsere Kirche weiß darauf nun auch die Antwort. Mag der Tapfere sich seiner Siege freuen, das Genie der Ruhm umstrahlen, der Kaufmann mit Goldmünzen seine Krüge füllen, die schönen Frauen das Haus und den Nachwuchs hüten oder sich schmücken und in Perlen und Seide vor uns stehen, die Jugend, die noch keine Sorge und Enttäuschung kennt, jauchzend ihre Kraft erproben, von den Theaterrängen das Lachen der Leichtfertigkeit dröhnen, 379 in den eleganten Höhlen der Wollust zwischen Spiegelwänden das Laster sich vergnügen, der Satz Sardanapals: »Laß uns schlemmen und lieben, denn morgen sind wir tot«, von Lippe zu Lippe gehen: der Kuß verwelkt, die Lippe verbleicht, die Frage aber bleibt, und es hat allezeit Männer und Propheten gegeben, die sie laut in das Volk rufen, so heut, so damals; damals vielleicht lauter als je, in einer Zeit, die die bleierne Gleichgültigkeit noch nicht kannte Es war damals noch nichts schal und abgestanden, die Tugendlehren immer noch frisch und jung; es gab noch keine Repetitionsstunden in der Schule der Völker, und es gab noch keine Laffen wie heut, die sich wie die Fliegen jenseits von Gut und Böse dünken.

Es gilt auch einmal das Selbstverständliche zu sagen. Bei einem unserer deutschen Ethiker lese ich: »Nicht ob moralische Übel vorhanden sind, ist die Frage – sie sind immer vorhanden, weil die Mehrheit schlecht ist –, sondern ob die Übel bekämpft werden oder nicht, ob die bessere Minderheit tätig ist oder untätig. Ist sie untätig, so verkommt sie selbst. Das Menschenbataillon hat eben wie jedes Bataillon mehr Gemeine als Offiziere. Erst wenn diese faul werden, steht es schlecht.«Aus Fr. Th. Vischer: »Auch Einer«. In der Zeit, von der ich handle, war die Minderheit tätiger denn je.

Woher das Böse? Das naivere Griechentum hatte die Antwort leicht gehabt. Die Götter waren eben grausam; sie treiben unsere Herzen; sie hetzen Xerxes in den Krieg gegen Hellas, zu seinem Unheil, sie werfen Phädra in die sündige Liebe zum Stiefsohn und sie geht zugrunde; aber auch den Sieg des Guten bewirken sie, so wie Achill seinen Jähzorn bemeistert, weil Athene ihn an der Haarlocke faßt.Vgl. Von Homer bis Sokrates² S. 39 f.; 438 Anm. 37; 319 u. 459. Anders, aber doch ähnlich, denkt die entwickelte griechische Philosophie, die in Plato vor uns steht.

Und wir nähern uns den Philosophenschulen Athens. Ich entwickle nicht ihre nach der Weise des Aristoteles weit ausgebauten Systeme, sondern rede nur von dem, was uns hier angeht. Es gibt eine platonische, eine stoische Religion, so wie es ein Christentum gibt. Das Wort »Philosophie«, wie wir es heut brauchen, ist viel zu eng. Die Weisheit, zu der man Liebe faßte 380 (philo-sophia), war eben letzten Endes Gotteserkenntnis, ihr Ergebnis erhabener Monotheismus, ihre Lehre Frömmigkeitslehre, ihr Ziel Glückseligkeit für die Seelen der Sterblichen. Der Verstand wirft sein kühles Schlaglicht durch die Unendlichkeiten; Gott aber verbirgt sich ihm, und schon Plato griff zur heißen Mystik und zum Traum, um für uns das Jenseits zu erschließen.

Seine Philosophie war zugleich theoretisch und praktisch gerichtet. Der Verstand fragt: gibt es ein Bleibendes in der Flucht der Erscheinungen? Die Dinge selbst, die uns umgeben und sich tausendfach wiederholen, haben keinen Bestand, sie haben kein Sein; sie haben nur das Werden, das im Vergehen endet. Schau durch sie hindurch. Bestand haben nur ihre Formen, die gleichsam hinter ihnen stehen und sich ewig gleich bleiben; das sind ihre Typen, die als Vorbild oder als Idee in jedem vergänglichen Exemplar sich unvergänglich neu darstellen. Nur die Ideen sind. Aber nicht allein die Dinge, auch unsere Handlungen, die wir vollziehen, haben ihre festen Formen, haben also ihre Ideen oder Typen; sie sind gerecht, sie sind gut und edel. Diese sittlichen Ideen sind die höchsten Werte im All, sie leben in uns und über uns ein ewiges Leben göttlicher Natur, und so führt uns schon das Bewußtsein des Sittlichen zu Gott selbst hinan; denn die höchste Idee oder Gestaltungsform im All ist das Gute, das Grundgute, und sie ist Gott, der für alles, was da gut, Urquell, Ursache und Urbild ist.

Und nun setzt die religiöse Erziehung ein. Plato redet von der Schönheit des Sinnlichen und Übersinnlichen und von der Liebe, dem Eros. Läutere diese Liebe in idealer Steigerung. Liebst du mit Hingabe deiner selbst den schönen Menschen? So liebe – weiter hinauf – die schöne Seele, liebe das Wissen und Lernen, strecke deine Sehnsucht noch höher und liebe die Schönheit selbst, das absolut Schöne, das an all dem Vorigen das Merkmal und göttlich und das zugleich das Gute sein muß; denn das absolut Gute kann nur zugleich auch schön und edel sein.Plato, Symposion p. 204 u. 211. Das ist die Liebe zu Gott in platonischer Fassung: ein geistiges Schauen in Inbrunst und Begeisterung; ein Rausch der 381 Gottwonne soll dich erfassen, indem du den, der da das Gute und Gerechte ist, denkst.

Nach der Idee des Gerechten soll sich der Staat, nach der Idee des Guten der Einzelmensch gestalten.

Deine Seele ist unsterblich; das ist nicht Glaube, sondern Wissen; denn sie verursacht jedes Regen in dir, indem sie sich selbst bewegt; das sich selbst Bewegende aber hat nicht Ende noch Anfang. Daraus folgt aber, daß deine Seele schon bestand, bevor du lebtest, und dein Wissen von Gut und Böse ist nur das Erinnern deiner Seele, das sie aus ihrem früheren Dasein mitbrachte. Und nun setzt der Glaube, die platonische Phantastik ein, und er redet wie ein Seher von jenem Überhimmel, den noch kein Sänger besang, wo einst unsere Seele Gott selbst und alles Göttliche, die Ideen des Guten und Schönen und Gerechten selbst schaute. Was ist da Gott? Er ist das wahrhafte Wesen, rein geistig, d. h. stofflos und gestaltlos.Plato Phädrus p. 247.

Wen nun so die Liebe zum Höchsten erfaßt hat, des menschlichen Begehrens sich entwöhnend, wie mit Weihen geweiht und mit dem Göttlichen im Umgang, der wird freilich vom Volk als irr gescholten, und sie merken nicht, daß der Enthusiasmus ihn faßte, d. h. daß er des Gottes voll ist. Aber er darf sich trösten; denn die Götter müssen ihn lieben.Symposion p. 249 u. 211.

Woher aber stammt nun das Böse? Gott ist es, der unsere Seelen schuf, und so ist er selbst der Urheber der Möglichkeit des Bösen; denn er gab uns auch die tierischen Triebe in die Seele, d. i. die ständige Versuchung, und wälzte so die Verantwortung von sich ab. Der Mensch ist für sich selbst verantwortlich; denn auch die Einsicht, den »Nûs«, gab ihm Gott, um durch ihn die Leidenschaften zu zügeln. So machte es Plato selbst. Einer seiner Diener war frech geworden; Plato sagt zu dem Burschen: »ich schlage dich nicht, denn ich bin im Zorn«; das heißt, man soll nicht in der Leidenschaft handeln.

Aber nicht nur das moralische Gesetz weist den Weg zu Gott im Sinne des Monotheismus, sondern auch der Sternenhimmel. 382 Die Astronomie ist sein Herold und Verkünder, und Plato lernt den Gott begreifen als Weltschöpfer.

So dichtet Plato visionär den Schöpfungsakt, wie der Anfang der Bibel es tut, und sein Gott ist nicht nur reiner Geist, sondern auch Person, aber dabei kein Lokalgott, kein Griechengott mehr, sondern Weltgott, der All-Eine, der Erbauer und der Vater des All.»Demiurg«, übrigens ποιητὴς καὶ πατήρ, Timäus p. 28 C. Die Schleier fallen von den Geheimnissen. Dabei hat Plato – anders als die jüdische Dichtung – Scheu, die Menschengestalt Gottes deutlicher zu machen; er sagt nur, daß Gott baut, fügt und bildet, aber er verschweigt dabei sorglich die Hände. Auch nicht wandeln oder schweben, nur sprechen läßt er ihn, wie er in der Bibel spricht; sein Wort gebeut, und die beseelten Sternenwelten wölben sich, die Menschen, die Tiere entstehen.Siehe Timäus p. 41 A; ebenso νόμους εἶπεν αὐταῖς p. 41 E. Daß auch die Sterne Seele haben, war, wie wir schon wissen, da sie sich selbst bewegen, dem ganzen Altertum selbstverständlich. Aber ihre Seelen gleichen nicht den Menschenseelen, denn sie kennen keine Irrung. So ist aber auch der ganze Makrokosmos, das All, ein atmendes Lebewesen, also beseelt, und Gott schafft die Weltseele, die sich von Himmel zu Himmel erstreckt, seine größte Schöpfung, indem er, wie es heißt, feinsten Urstoff verschiedener Art in einem Mischbecher oder Krater zusammenmischt. Und siehe, Gott freut sich seines Werkes, denn alles ist Vollkommenheit und die Welt ist glücklich – ohne den Menschen. Denn ach, den Menschen schuf Gott so, der grausame, daß er unserer Seele trüberen Stoff beimischte. Durch ihn selbst also kam in uns neben der Gottessehnsucht auch der Hang zur Schlechtigkeit. Der Mensch ist zum Kampf in die Welt gestellt; Gott selbst der Zuschauer: die Selbstversittlichung unsre Aufgabe. Rette, Mensch, deine höhere Natur!

Aber Plato hat als Orphiker noch größere Geheimnisse zu enthüllen, und er reißt von Himmel und Hölle den Schleier, ein Vorgänger Dantes. Wir schulden einst Rechenschaft von unsrem Lebenslauf; denn es gibt einen Richter, und sein Richtspruch ist unerbittlich wie das Naturgesetz. Sündenvergebung wäre vom Übel. Unsre Seelen bestanden, weil sie ja unsterblich sind, schon seit dem 383 Weltbeginn, und je nach ihrer Tugend wandern sie aus einer Leibesgestalt in die andere. Und nun zeigt sie uns Plato auf ihrer Wanderung; denn ihm ward eine Offenbarung. Welches Wunder!

Von einem Toten, der vom Tode wieder auferstand, hat er sie vernommen; Plato nennt ihn uns; der Mann war ein Kleinasiate aus der Landschaft Pamphylien und hieß Er, der Sohn des Armenios; dieser Auferstandene erzählte, bevor er zum zweitenmal abschied, wie sein toter Leib auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden: »da gelangte ich auf einen Wiesenplan und stand und sah über mir im Himmel zwei enge Himmelstore, die offen standen, und ebenso unter mir zwei Spalten im Erdgrund. Auf dem Plan selbst aber saßen die Totenrichter, von denen schon Orpheus wußte und die die Seelen sichten, und ich sah die Seelen selbst; die der gerecht Befundenen durften rechts hinan den Weg zum Himmel nehmen durch eins der Tore; ein Schreiben war ihnen umgehängt als Zeugnis ihrer Gerechtigkeit. Die Verurteilten dagegen mußten links nach unten in die Erdentiefe. So stiegen lange Züge von Seelen auf und ab. Aber siehe: der Plan füllte sich neu; denn aus dem zweiten der Himmelstore kamen die Seligen auf ihrer Wanderung herab und ebenso die Unseligen aus dem Abgrund der Erde, da wo er offen stand; nach langer Wanderung kamen sie zur Rast hierher, wo ihre Wege sich kreuzen, eine siebentägige Rast und Festfeier,Es sind die 7 Tage der Planetenwoche. und ich hörte, wie ein Reden unter ihnen begann; sie befragten sich gegenseitig und erzählten, die einen heulend und unter Tränen, denn sie litten viel in den Schlünden der Hölle, wo sie durch tausend Jahre keine Ruhe fanden, die aus dem Himmel aber voll Lobpreisen der unfaßbaren Schönheit dessen, was sie droben tausend Jahre lang schauen durften.Man sieht, der Himmel Platos ist anders als der Muhameds; daß da geliebt und geschmaust wird, hören wir nicht. Die 1000 Jahre ergeben sich als das Zehnfache der menschlichen Lebenszeit, das da als Strafmaß und als Lohn der Tugend gesetzt ist; das Menschenleben selbst gilt hier als 100jährig, ebenso bei Lucian im Hermotimos 50. Wehe dem, der gegen die Götter und gegen seine Eltern gefrevelt! Schwerere Qualen treffen ihn als jeden andern. Aber nein; da war ein Tyrann, der das Morden liebte; ihm erging es noch übler; zu einem Knäuel wurde er, Füße, Hände und Kopf, zusammengebunden, dann gepeitscht und in die Dornen gestoßen, dann in den tiefsten Tartarus geschleudert.

384 »Aber die Rast auf dem Wiesenplan ging zu Ende, und ich sah, das Wandern sollte neu beginnen. Da traten alle Seelen zu der großen Spindel des Weltalls, die sich dreht im Schoße der Notwendigkeit, wo in weißen Gewanden, mit Kränzen im Haar, die drei Parzen sitzen, die nie alternden Töchter der Notwendigkeit, die da die Weltenspindel drehen helfen. Es waren die Seelen, die jetzt neu ins Erdenleben zurückkehren sollten; ein neuer Umlauf, der mit Sterben endet, steht ihnen bevor, und sie mußten sich nun entscheiden und wählen, welches Leben sie in Zukunft leben wollten. Alle Lebensformen, die guten und schlechten, breiten die Parzen vor ihnen aus; die Tugend ist zu haben; sie ist herrenlos; wer sie nicht schätzt, muß die Folgen tragen; die Schuld ist bei dem, der jetzt schlecht wählt; die Parzen selbst sind schuldlos.

»Die Seele hat gewählt und sie soll nun wieder ins menschliche Leben treten; da muß sie zuvor noch aus dem Lethestrom einen Becher Vergessenheit trinken, und ihr entschwindet alsdann die Erinnerung an alles, was sie bisher jenseits des Grabes erlebt hat. Daher wissen die Sterblichen nichts von dem, was ich schaute. Nur in höchsten Augenblicken, wo ein Rausch der Erkenntnis sie faßt, dämmert es uns auf, das Wissen davon, daß wir einst schon das Göttliche selber schauten.«

So berichtete Er, der Pamphylier, der Sohn des Armenios, der Auferstandene, und kehrte in seinen Tod zurück.Ich habe bei meiner Wiedergabe in die direkte Rede umgesetzt, was bei Plato in indirekter Rede steht, übrigens manches verkürzt, auch manches im Ausdruck verdeutlicht, um den Leser die Auffassung zu erleichtern. Platos Darstellung aber schließt mit den Worten, die er seinen Sokrates sprechen läßt: »So wollen wir uns, wenn es nach mir geht, immer an den Weg nach oben halten und nach dem, was recht und gerecht ist, mit Einsicht trachten, auf daß es uns gut gehe und wir uns selbst und den Göttern lieb seien, sowohl hier im Leben als auch hernach, wenn wir auf der Wanderfahrt durch die tausend Jahre den Preis davontragen, den wir als Sieger ergreifen.«

Das ist Platonische Offenbarung. Die Erinnerung ersetzt hier, was die moderne Seelenlehre Atavismus nennt. Nicht aus ihrem eigenen früheren Erleben hat die Menschenseele gewisse 385 Grundtriebe und Grundvorstellungen, sondern als Erbe von den Toten, die wir beerben.

Auf den Theaterbühnen Athens spotteten die Komiker über Plato: »er läuft rastlos hin und her, der Weise, und kann die Wahrheit nicht finden.«Alexis Fr. 147. Aber er war der Wahrheit froh gewiß.

War hier nun die Weltreligion gefunden? Was er gab, war eine strenge Botschaft, Gerechtigkeit das Leitwort. Das wirkt erziehend, aber es ist nicht für die Vielen, der Kampf wider das Sinnliche: »Mitten in der Sinnlichkeit befreie dich aus ihr; hebe dich aus ihrem Ozean wie ein Triton mit deinem ganzen Körper; die Muscheln, der Tang muß abgeschüttelt werden von deiner Seele.«Rep. p. 611 D f. Auch hat Plato nicht geglaubt, die Menge zu erfassen. Seine strenge Lehre sollte zunächst nur die Staatsmänner erziehen, die die Republiken und Monarchien leiten. Nur die philosophische Erziehung bringt solche Männer zur Reife, wenn schon Plato nicht leugnete, daß es auch Laien der Sittlichkeit geben kann, die schon allein durch gute Anlagen so leben, daß Gott sie liebt.Über diese Tugendhaften ohne ἐπιστήμη s. Rep. p. 522 A.

Der wunderbare Mann war nicht nur Dialektiker und Mathematiker, nicht nur Gottsucher und Träumer, er war auch Mann des Zugreifens und des Handelns, der in frohem Optimismus die herrschenden Personen in den Staaten zu packen, sofort seiner Lehre dienstbar zu machen suchte. Aber er tat es umsonst und starb hochbetagt mitten im Werk hinweg, ohne Alexander den Großen erlebt zu haben. Alexander, dürfen wir sagen, war Platos größter Schüler und das Ergebnis seiner Lehre. Sofern Alexander als Herrscher staatsmännische Ideale verfolgte, war er nicht das Erzeugnis des Aristoteles, sondern der platonischen Anleitung; denn Aristoteles beeinflußte den jungen Gewaltigen nur, solange er selbst noch Platoniker war, und hernach war es das zweite Ich Platos, Xenokrates, der dem Alexander eine Elementarlehre über das Königsein geschrieben hat.Xenokrates schrieb στοιχεῖα πρὸς Ἀλέξανδρον περὶ βασιλείας in 4 Büchern; s. Diogenes La. IV. 13.

Im übrigen aber ist Erziehung im Menschenleben, wie sich von selbst versteht, nicht Zweck, sondern nur Mittel; der letzte Zweck ist, wonach alle Menschheit sich aufdehnt, die 386 Glückseligkeit. Es fragt sich nur, was uns wahrhaft beglücken kann. Nach Plato ist es nur das Bewußtsein, recht zu handeln. Das macht den Menschen innerlich froh, sicher und rüstig und verjüngt seine Kraft, so oft ihm die Guttat gelungen ist.

Aber er hatte nun doch nicht das letzte Wort gesprochen, erst recht nicht Aristoteles,Über die Nachwirkung der aristotelischen Schrift περὶ φιλοσοφίας sind mir die Ausführungen Jägers wohlbekannt; doch kann ich hierbei nicht verweilen. der, wie wir schon wissen, die Natur an die Stelle des Weltschöpfers setzt. Der Globus des Weltalls rotiert und rotiert. Der Gott des Aristoteles hat ihm nur den ersten Stoß gegeben und verharrt seitdem als unfaßbares X in Ruhe von Ewigkeit zu Ewigkeit, da jede Art von Mühe seiner göttlichen Würde nicht zukäme.

Der Monotheismus aber hatte schon damit den Sieg erfochten. Dem widerstreitet nicht, daß es auch noch dienende göttliche Geister gibt. Warum soll der eine Gott und Allvater die Sterne nicht göttlich beseelen können, nicht auch einzelne erlesene unter den Menschen? Jeder Mensch ist sich selbst ein Problem, und das Problem wächst an Größe mit ihm selber. So wurde Alexander Gottes Sohn, wurden weiterhin die Könige und Kaiser im Auge der Völker zu Göttern; denn die Größe ist eben das Göttliche. Während für uns das Göttliche nur in sich eins sein kann, dachte der Südländer völlig anders; es war so teilbar für ihn wie jedes andere Element, wie das Wasser, das, unerschöpflich aus unergründlichen Bornen strömend, tausendförmig sich darstellt; modern gefaßt: »die Natur ist ein unendlich geteilter Gott«So der jugendliche Schiller in der Philosophie des Julius.. Trotzdem aber wuchs damals der Zug zum strengeren Monotheismus, zur Zusammenfassung des Weltwillens in dem Einen, der da, was ist, schafft, denkt, lenkt und richtet, in weiten Kreisen. So wie alle Länder der Welt in einer Hand, erst Alexanders, dann Roms lagen, so mußte es auch im Himmel sein.

Theologie und kein Ende! Der Staat aber existiert für die Philosophen, die nun folgen, kaum noch; alle Landesgrenzen sind für sie gefallen, und es ist nur noch die Menschheit oder doch Menschenexemplare jederlei Volks, für die sie reden. Das gilt von der Stoa so gut wie von Epikur, denen wir uns nunmehr zuwenden. Zur Trägerin des Monotheismus machte sich vor allem 387 die Stoa; ja, sie ist es, die ihn noch straffer zog. Dem Epikur dagegen war die theologische Frage ziemlich gleichgültig; trotzdem ist es notwendig auch über ihn zu berichten.

Epikur, der frivole, der Schlemmer, der Lüstling! Den einen, die ihn nennen hören, läuft das Wasser im Mund zusammen, als würden Trüffeln und Lampreten aufgetragen, die andern bekreuzen sich wie vor dem Gottseibeiuns, als kröche die süße Sünde an sie heran. In der Tat war Epikur eine weiche Natur und ein bequemer Geist; man kann ihn sogar platt und trivial finden. Aber er war eine Weltgröße, und es gilt seinen Erfolg zu verstehen.

Ein Philosoph? Immerhin. Mehr aber noch ein Seelsorger. Er begründete die Sippe der Stillen im LandeDas Motto ist das λάϑε βιώσας.. Die Leidenschaften zu unterdrücken, zu ersticken befehlen alle diese Philosophen verschiedenster Richtung, aber wie verschieden ist die Begründung! Um Epikur sammelten sich die friedseligen Naturen. Die Welt draußen hallt wieder von Kriegsgeschrei und Triumphgesängen, und der Ehrgeiz nach Ruhm und Erfolg peitscht die Seelen auf. All das ist zwecklos. Rege dicht nicht aufDas Stichwort ist die Ataraxie.. In der Stille ist die Freude, und zur Freude leben wir. Welcher natürliche Mensch will das leugnen? Schieben wir also weg, was uns stört: den dummen Neid der Götter und den Dämonenspuk; Orakelstimmen Albernheit; Wunder und Zauber gibt es nicht; die Schrecken der Hölle Geschwätz. Die Weiber mögen das glauben. Es gibt nur Natur, und in der Natur ist alles natürlich; nach mechanischen Gesetzen vollzieht sich alles. Es ist Sünde zu glauben, die Götter plagten sich damit, in die Naturprozesse gewaltsam einzugreifen. Schau' um dich in Ruhe. Ob es donnert, die Erde bebt, Inseln im Meer versinken: das Gesetzmäßige vollzieht sich, weiter nichts. Lebe du selbst konfliktlos; die Stadtgassen mit ihrem Trara und Gefeilsche laß hinter dir; dem Landleben gelte unsere Liebeφιλαγρεῖν. Der Komiker Philemon Frg. 71 weiß noch nichts von Epikur, wenn er den Frieden des Landlebens verherrlicht., und vertiefe und verschöne den flüchtigen Augenblick durch Freundschaft und mäßiges Leben. Das ist die Freude. Nicht Schlemmer, Epikur war in Wirklichkeit das Muster des Frugalen. Der Tod aber braucht dich nicht zu ängstigen; denn er tut nicht allzuweh, und dein Ich schläft ein und ist wie ein Licht 388 erloschen, wenn er dich in seine Arme nimmt. Wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr da, und solange wir sind, ist der Tod nicht da, so daß er uns nichts angeht. So ist das Leben und Sterben eine Kunst, und ihre Richtschnur die Selbstbescheidung.

Vom Mechanismus, der die Natur beherrscht, sprach und schrieb Epikur in Ausführlichkeit. Dabei war er jedoch gar kein Naturforscher; durchaus nicht; denn zum Forschen gehört Beobachtung, Experiment und Studium, und dazu war der Mann viel zu gemächlich. Aber er hatte schon als frühreifer junger Mensch, angeblich schon vierzehnjährig, Demokrits Schriften entdeckt; da fand er die berühmte Atomenlehre, dieselbe, die in veränderter Gestalt unsere Physik noch heut beherrscht. Aus Atomen oder Molekülen setzen sich Erde und Wasser und alle Stoffe zusammen; indem sie leere Räume füllen, entsteht die Bewegung und jeder Wandel in der Natur. Das zu wissen, schien dem Epikur unendlich beruhigend; daher trug er, was er da gefunden, mit unwesentlichen Abwandlungen zeitgemäß in eignen Schriften aufs neue vor, und zwar auf das eindringlichste, und so ist es gekommen, daß Demokrit selbst bald in Vergessenheit geriet und die Neuzeit die bedeutsame Lehre aus Epikurs Händen empfangen hat (Gassendi war es, der Südfranzose, der im 16. Jahrhundert den Epikur gegen Descartes ausspielte). Im Grunde war es diesem Feind der Sorge ganz gleichgültig, wie sich die Naturprozesse im einzelnen erklärten, wenn sie nur irgendwie sich erklärten; aber er schrieb unablässig sein Leben lang und verbrauchte dazu unendlich viel Papier; anfangs ohne rechten Erfolg; seine Bücher lasen sich schlecht; denn er schrieb salopp, wiederholte sich auf das ermüdendste, und die Gelassenheit, das Sichgehenlassen, das seiner Person eignete, zeigte sich auch in seinem Stil. Dann merkte er selbst den Schaden, machte Auszüge aus seinen Büchern, um dann auch die wieder zu verkürzen. Es blieb immer noch Weisheit genug übrig.

Der Epikureer gleicht der Sonnenuhr: er zählt nur die heiteren Stunden. Schickt ein Freund ihm einmal etwas Käse zum Brot, da schreibt er ein zärtliches Dankbillet, und der Augenblick ist verschönt.

389 In der Tat: wer einmal, in weichem Schatten geborgen, in einem Garten jener südlichen Länder, sei es auch nur auf Capri oder bei Amalfi, gelebt hat, das Meer zu seinen Füßen, Lichtfülle auf den Höhen; sprießende Natur, Blumendüfte in Kräutern und Büschen; Friede, Friede; geräuschlose Wonnen; ein paar Feigen, etwas frisches Brot, eine Schale Landweins oder auch nur das Wasser, das man aus der sprudelnden Quelle schöpft – was will man mehr? Der Himmel auf Erden. Ob die Götter droben selig? Laß sie selig sein. Wir wagen sie nicht um uns zu bemühen. Wir beten sie an, weil sie noch seliger als wir sind und keine Krankheit kennen, aber erbitten nichts von ihnen. Wohl aber sammeln wir Freunde um uns und eine Freundin dazu. Epikur blieb, wie die meisten dieser Philosophen, unvermählt, aber seine Freundin war die ihm gleich gesinnte schöne Leontion, die mit ihm lebteNatürlich wurde diesem Verkehr allerlei Schlimmes nachgesagt. Es gehörte zur Methode dieser konkurrierenden Philosophen, daß sie sich gegenseitig verklatschten; meistens waren es wohl ihre Schüler, die sich darin ergingen, und es sind dann immer sexuelle Vorwürfe. Den gestrengen Stoikern erging es damals nicht besser.. Starrten sie da in die Sonne, so dachten sie: wozu Astronomie treiben? Die Sonne soll ein riesiger Weltkörper, soll gar größer als der Erdenball sein? Welch ungemütlicher Gedanke! Beruhigen wir uns dabei, daß sie gar nicht viel größer ist, als wir sie wirklich sehen. Die Sinne sind doch nicht dazu da, um uns zu täuschen. Es ist erstaunlich, daß ein gebildeter Mensch im Zeitalter des Eudoxus und Archimedes wirklich noch so naiv denken konnte, und seine Schüler sprachen das nach.

Epikur der Gärtner. In der Tat lebte er mit seinen Schülern in einem Garten vor Athens Toren, den er für ein erhebliches Stück Geld angekauft hatteDie Summe war 80 Minen (über 6000 Mark).. Er stammte selbst aus echt athenischer Familie und hielt, von seiner kleinen Gemeinde umgeben, geruhig in seinem Standort aus, so oft auch Kriegsrumor und wechselnde Schicksalsschläge über seine Vaterstadt kamen. Ihn störte niemand in seinem Sanssouci, und sein Grundsatz war: nichts mit dem Staat zu tun haben! Militärdienst, Staatsämter, Parlamentsabstimmungen überlassen wir den Liebhabern.

Verhaßt waren ihm die Cyniker, die mit ihren rüden Manieren in den Stadtgassen sich hinstellten und wie er selbst Bedürfnislosigkeit predigten. Er verbot seinen Anhängern in dieser Weise 390 agitatorisch auf die Masse zu wirken und gestattete nur gelegentlich ein Vorlesen der Schulschriften vor größerem Publikum, aber auch das nur auf Wunsch der HörerDiog. La. X 121.. Man soll sich nicht aufdrängen. Aber es war, als hätte er für viele das erlösende Wort gefunden; er war der Befreier, und die Zahl seiner Anhänger wuchs auch auswärts; es hieß schließlich, ganze Städte könne man damit füllen. Begreiflich darum, daß sich in ihm, da man ihm huldigte, eine naive Eitelkeit einstellte, die man dem sonst so grundguten Menschen verzeihen muß. Es gibt viele Männer, die das gleiche trifft, wenn sie wider Erwarten und ohne allzu großen Geistesaufwand mit ihrer Lehre zu größeren Erfolgen gelangt sind. So übte Epikur denn auch gelegentlich gegen die andern Philosophen, die so viel gelehrter als er waren, eine medisante ZungeDiese Äußerungen fanden sich wohl vor allem in seiner Schrift »Das Gastmahl« (Symposion), worin er sämtliche Philosophen vorführte und reden ließ, einer Schrift, die übrigens dadurch auffiel, daß das Gastmahl ohne Gebet begann. Epikur ließ es mit Absicht fehlen; denn seine Lehre war ja, daß wir nichts von den Göttern erbitten sollen.. Am ungemütlichsten war ihm Aristoteles. An die auswärtigen Freundesgruppen aber schrieb er zahlreiche Briefe (so wie später der Apostel Paulus Briefe an die Gemeinden schrieb), worin er mahnte und mahnte: Mäßigkeit! Die Freude besteht nicht im üppigen Leben. Bekämpfe dein Fleisch. Die Vernünftigkeit muß walten. Eine große Freundlichkeit herrschte in all diesen Schreiben, ein oft zärtlicher, karessierender Ton. Schön war sein Verhältnis zu seinen Brüdern und zu seinem Diener Mys (»die Maus«), der ihn überlebte. Ja, alle Gesinnungsgenossen verband Freundschaft, wie heut die Mitglieder der Freimaurerlogen, und für den Genossen soll man alles, soll man auch sein Leben opfern. Die übrige Menschheit geht den Epikureer dagegen nichts an.

Und so ging es weiter; denn wir erinnern uns, daß sich noch in den folgenden Jahrhunderten friedliebende Seelen, aber immerhin Männer von führender Bedeutung wie die römischen Dichter Vergil, Horaz und Varius völlig Epikurs Gedanken hingaben, daß hernach noch die edelste der Frauen, Plotina, die Kaiserin, die Gattin des großen Trajan, als Epikureerin gelebt hat, eine der Stillen im Lande. Die Angst des Aberglaubens, der Todesschreck, war von ihnen genommenAuch noch an die große Inschrift mit epikureischem Text, die sich in Onoanda in Lykien gefunden hat, aus dem Ende des 2. Jahrh. n. Chr. sei hier erinnert.. Nichts ergreifender aber als der Epikurapostel Lukrez, der Römer, Ciceros 391 Zeitgenosse, ein wahrhaft großer Dichter, der sogar in Versen die Lehre zu verkünden unternahm.

Ein Sanguiniker! Es ist merkwürdig zu sehen, wie Lukrez mit wahrer Leidenschaft die Leidenschaftslosigkeit predigt, indem er die Lehre in das Erhabene hebt, voll andächtigen Staunens über die Ordnung im Weltall, die nach mechanischen Gesetzen sich selber regelt, seit Ewigkeit. Die Natur selbst läßt er das Wort nehmen und zu dem Menschen, dem vor dem Tod graut, sagen: Was klagst du, Sterblicher, und seufzest, daß du sterben mußt? Das Leben stand dir ohne Entgelt zu Gebot; du warst sein Tischgast und bist gesättigt; was gehst du also nicht mit Gleichmut zur Ruhe? Es ist dahin, was du genossen, es ist dahin, was dich verdrossen! Willst du noch mehr bis zur Unlust? Entsage und gib gelassen denen Raum, die da nach dir kommen. Glaube auch nicht an die Fabel von den Tantalusqualen in der Hölle. Die Qualen der vergeblichen Begierden im Diesseits, das ist der Tantalus. Sisyphus wälzt den Stein den Berg hinan, der immer wieder zurückrollt: das ist der Ehrgeiz, der nach Macht, nach Ruhm verlangt und nie zum Ziel kommtLukrez III 933 ff. und 980 ff.. So hat Epikur unsere Seelen beschwichtigt, und er wäre ein Mensch wie wir? Nein, ruft Lukrez, ein Gott, ein Gott ist er, der uns den Trost gegeben, deus, deus ille!Deus, deus ille: Lukrez V 8 u. 21. und wir sehen: geradezu zum Gott erhoben die Gläubigen den Mann, der ihr Seelenhelfer und Heiland war. »Sie huldigen wir mit Kniefall!« So bezeugt er selbst.Proskynese: Epikur bei Plutarch, Non posse suaviter v. s. Ep. c. 18. Was würde erst geschehen, wenn ein besserer Heiland kam?

Endlich hören wir noch von Epikurs Ende. Er starb an einem Steinleiden, 72 Jahre alt. Das Leiden war sehr schmerzhaft, und er ließ sich am Todestag noch in eine Wanne mit warmem Wasser setzen und einen Trunk puren Weines reichen. Am selben Tag schrieb er auch noch an einen Freund und Schüler Idomeneo die Zeilen: »Ich verlebe heute einen glückseligen Tag, der mein letzter ist; der Körperschmerz ist groß, aber er wird aufgewogen in meiner Seele durch die Erinnerung an dich und unsere Gespräche. Du aber nimm dich der Kinder meines Metrodorus an.« Dieser Freund Metrodorus war sieben Jahre vor Epikur gestorben.

392 Inzwischen predigten die Cyniker, die Nachfolger jenes Diogenes, der einem Alexander Rede gestanden, auf den Gassen weiter, und die Stoa bereitete sich vor, die stoische Philosophie, die nun eine neue Gotteslehre und dazu eine Pflichtenlehre brachte.

Die stolzen Leute mit dem Hunde-Ideal, die Cyniker, wie die Bettelmönche gingen sie mit leerem Ranzen herum, um Speisen zu sammelnPs.-Plutarch, An vitios p. 499 C.; denn aller Erwerb ist sinnlos; ihr Reden ein Schelten in bellendem Ton und von einem Naturalismus, der oft ins Brutale ging und geradezu das Schamgefühl verletzte. Die Feineren unter ihnen aber schrieben auch, sie schrieben gelegentlich nicht ohne Witz, und einige Proben sind uns daraus erhalten. Wie treffend klingt es, wenn es da heißt, daß jeder von uns Menschen sein Rollenfach übernehmen muß; denn das Glück, die Fortuna, ist wie ein Theaterdichter; sie teilt die Theatermasken aus, die wir im Leben tragen sollen. Der Eine ist erster Schauspieler, der andere zweiter oder gar dritter. Es greife niemand zu der falschen Maske! Dann aber nimmt die Armut selbst das Wort und ruft: »Mensch, höre. Warum scheust du mich? Raube ich dir irgendein wirkliches Gut? raube ich dir die Mäßigkeit? den Gerechtigkeitssinn? die Tapferkeit? Du willst leben: wachsen nicht Kräuter genug wild am Weg? sind die Bäche nicht voll Wasser? Ist der Erdboden nicht breit genug, darauf zu schlafen? Ja, im Winter kannst du sogar in den Bädern (wo zeitweilig Heizung), im Sommer in den Tempelhöfen die Nacht verbringen. Schicke dich fein in die Umstände. Auch der Seemann kann den Wind nicht ändern; bei stiller See begnügt er sich darum mit Rudern; kommt der Wind, dann die Segel hoch! Man muß das Glück mit dem richtigen Griff fangen wie eine Schlange: fassest du sie an der falschen Stelle, so beißt sie dich; fasse sie unter dem Hals; da kann sie dir nichts antun.« Das alles ist wirksam im Ausdruck. Dann aber das Verwelken der Vaterlandsliebe: Wer redet von Heimat? Das Leben in der Fremde ist ebenso gut. Wer redet von Vaterland? Ich gehe aus einem Staat in den andern, so wie ich als Seefahrer umsteige und die Schiffe 393 wechsle. Und in der Heimat begraben sein: wozu? Es gibt überall einen Abstieg zum HadesSiehe hierzu Teles p. 17 ed. O. Hense u. sonst, vielfach nach Bion, dem Borystheniten..

Da kam ein junger Kaufmannslehrling aus Zypern nach Athen, um Waren abzuliefern. Er hörte die Cyniker auf der Gasse; die Predigt packte ihn, und er warf entschlossen Vaterland und Beruf beiseite. Zeno hieß er. Dieser Zeno ist es, der da in Athen der Begründer der Stoa wurde.

Zunächst machte er das bettelhafte Treiben jener Leute mitAus dieser Zeit stammte seine »Politeia« voll cynischer Kraßheiten.. Dann aber hob sich sein Lerntrieb, denn bei den Cynikern war für einen Gottsucher nichts zu finden; der Schulbetrieb der Platoniker und Aristoteliker lockte ihn; es war freilich kostspielig da einzutreten; er mußte sich feine Kleider kaufen, einen Burschen zur Bedienung mitbringen und sich an leckeres Tafeln gewöhnenSiehe Teles p. 30, 4 f.. Dann sprang er auf eigne Füße und begann ein vollständiges System mit Logik, Ethik, Physik auszubauen, das das aristotelische ersetzen sollte, bei dem wir jedoch nicht verweilen. Der religiöse Trieb war in Zeno mächtig erwacht, und Plato half ihm. Er griff sich den Weltenschöpfer Platos und die Weltseele Platos; wozu die beiden? und warf beide kühn zusammen, und siehe da, das All war Gott, der Pantheismus war fertig; es war die neue Religion der Stoa.

Der Mann war eine ziemlich garstige Erscheinung, von tief dunkler Haut, halbphönizisches Blut, aber wie mit Magnetismus geladen, eine neue Attraktion, und er stand alsbald von Schülern, die ihn z. T. übertrafen, umgeben; von allen Küsten kamen sie, auch fremdrassige aus Zypern, sogar aus Karthago, und wir sehen wieder, welch Weisheitshunger damals die Welt umtrieb. Denn es gab hier wieder mündlichen Unterricht, aber nicht etwa in Schulräumen; denn das Geld fehlte dem Mann, um ein Grundstück zu kaufen. So lehrte er mitten im Straßenlärm in einer öffentlichen Markthalle Athens; die Halle heißt griechisch »Stoa«, und davon nannte sich nun auch seine Lehre. Aber er war durchaus nicht für Massenwirkung, und seine Stimme scholl nicht über die Krambuden und Wechslertische. Er hielt sich streng im Innern jener Halle zurück mit einer begrenzten 394 Anzahl von Verständnisvollen, und wenn sich zu viele herandrängten, ließ er einen Burschen mit der Sammelbüchse herumgehen; dann stob schon alles auseinander.

Seine Schüler waren anspruchslos wie er; es heißt, er war wie von einer Wolke von Armen umgebenTimon bei Diog. Laertius.. Unter diesen haben Kleanthes, der Fromme, und Chrysipp als drittes Schulhaupt die stoische Weltlehre weiter ausgebaut. Es scheint, dieser Chrysipp war ein rechter KauzAuch Chrysipp lehrte nicht in einem Schulgebäude, sondern unter freiem Himmel: σχολὴν ὕπαιϑρον, Diog. Laert. VII 185.; mit einer alten Haushälterin lebte er, ungesellig, aber arbeitsam wie ein Packeselπονικώτατος nach Diog. Laertius., und lieferte den eigentlichen Ausbau des Systems in schier unzählbaren Büchermassen, die leider ebenso schlecht lesbar waren wie die Epikurs. Wenn er einmal zum Gelage mußte, war er stumm und zappelte nur mit den Beinen. Er gehörte zu denen, denen nur beim Schreiben die Gedanken kommen; die aber kamen ihm dann in Fülle, und da staunte man über die Spitzfindigkeiten seiner BeweisführungViele seiner Schriften widmete Chrysipp an Personen, die er mit Namen nennt; darin verrät sich der weite Kreis seiner Verehrer. Der Zweck dieser Widmungen aber war, daß die Empfänger der Schriften für ihre Herausgabe sorgen sollten; denn solche Edition war kostspielig (s. »Aus dem Leben der Antike« S. 129 f.). Dabei war Chrysipp stolz darauf, keine seiner Werke einem Könige zu widmen. Er brauchte ihre Hilfe nicht..

Man erzählte von diesen Leuten, auf Anfrage habe das delphische Orakel ihnen geraten, sie lebten am nützlichsten, wenn sie so blaß wie die Leichen würden; darnach seien sie auf das Bücherschreiben verfallenDiog. Laert. VII 2..

Aber was nützen, wo es sich um das Höchste handelt, Beweise und Begriffsspaltereien, die Kleinarbeit der Dialektik und Logik, wie Chrysipp sie brachte? Wirksam ist nur der große Impuls, die Wucht, das innerlich Überzeugende des Grundgedankens. Es handelt sich um Gottesnähe. Bei Epikur fehlte sie völlig; auch der Platoniker ringt sich zu ihr nur schwer empor. Der Pantheismus hat sie, gibt sie; es ist die Lehre des großen Heraklit, die Zeno wiederaufnahm. Da ist kein Gott mehr, der nur von außen stieße; das ganze All selbst ist er, er, nach dem du fragst; im Größten und im Kleinsten umgibt dich dein Gott; er atmet im All; aber er umgibt dich nicht nur, auch in dir selbst ist er, du ein Teil von ihm; deine Seele nur seiner heiligen Gottesseele Ausfluß, und sie kehrt im Tod zu ihm zurück wie das verirrte Kind in den Schoß des Vaters. Es war, als hätte man jetzt erst Gott gefunden. Denn die Heimatlosigkeit der nach Platos Lehre 395 rastlos durch die Äonen wandernden Menschenseele hört auf. Jetzt hat sie Heimkehr: unser Tod ist die Heimkehr, unser Leben war nur eine kurze Reise in der Fremde.

Um so unbedingter aber ist nun die sittliche Forderung: Mensch, halte den Gott rein in dir. Voll Energie ist die stoische Moral; sie hat etwas Mannhaftes, Starres bis zum Heroischen; denn der Stoiker entzieht sich nicht in bequemer Isolierung dem Staat und den Bürgerpflichten, sondern nimmt auch die Aufgaben des Gemeinschaftslebens, wennschon er sie als Last empfindet, tapfer auf sich, eine praktische Tendenz, die sich im Laufe der Folgezeiten immer mehr steigerte. Aber wie ein Felsblock unerschütterlich steht der Stoiker in der Brandung; das bleibt die Forderung, und so kam eine Pflichtenlehre zur Ausbildung, die mit Sorgfalt bis zur Pedanterie möglichst alle Fälle der Lebenskonflikte vorsieht; die christlichen Kirchenväter haben vieles davon übernommen. Denn es ist heilige Pflicht in jeder Lebenslage, das Göttliche in uns zu retten. Nur durch Tugendstreben geschieht dies, und nur das allein schafft Glückseligkeit. Dabei ist die gesellschaftliche und ethische Gleichwertung der Frauen mit den Männern eine unbedingte Forderung des StoikersKleanthes schrieb hierüber eine besondere Schrift; s. Diog. Laert. VII 175.. Zu den Sternen aber blickt er mit Stolz empor, die auch wie wir beseelt sind und die nie fehlgreifen; denn den göttlichen Sternen fehlt die Versuchung; sie sind also nie Sieger; nur der Mensch ist Sieger im sittlichen Kampf, in der ganzen Schöpfung er das einzige Wesen, das sich solcher Triumphe rühmen kann.

Neben dem Stolz aber steht die Bescheidenheit, wie auch Sokrates sie hatte. Einen Menschen, der die volle Weisheit, d. h. die volle Tugend hätte, gibt es nicht; unser Ideal wird nie erreicht, und einen Gottmenschen wird man darum auch nie erleben. Nur das Streben ist unser Los; also streben wir. Gott sieht es. Damit ist die jagende Unruhe in unsern Seelen gestillt.

Man begreift hiernach, daß nun auch Zeno, Kleanthes und Chrysipp selbst nie vergöttlicht worden sind und daß man nie versucht hat, ihr Leben als ein musterhaftes Vorleben für andere programmäßig zu schildern und auszuschmücken. Ihre 396 Grundsätze sollten allein genügen. Aber nicht Grundsätze machen eine neue Zeit, sondern Menschen.

So war es denn doch ein Glück, daß in den Folgezeiten auch Männer, die als hervorragende Tatmenschen im Buch der Geschichte stehen, von ihrer Lehre ergriffen wurden, und es waren viele. Ich rede nicht von der das Ich auflösenden pantheistischen Stimmung, in deren Dämmerung fromme Gemüter schwelgen, die auch den Träumenden erfaßt und die bis heute beseligend durch unsere lyrische Dichtkunst geht: Gott in der Natur! So klingt es oft in Goethes Versen; schon bei Angelus Silesius; und wenn Eichendorff singt: »es war als hätte der Himmel die Erde still geküßt . . . und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus«, ein nach Hausekommen der Seele auf Flügeln der Sehnsüchtigkeit, indes Himmel und Erde ineinanderfließen, was ist dies anders als das Vorgefühl der Heimkehr zu Gott, der das in Frühlingswonnen treibende All erfüllt, der Heimkehr, wie schon der Stoiker jener alten Zeiten sie sich dachte? Ja, auch in unser deutsches KirchenliedHeute noch wird in unsern Kirchen das Lied von Gerhard Terstaegen (er lebte 1697–1769) gesungen, das beginnt: »Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten« und dessen 5. Strophe lautet:

Luft, die alles füllet,
Drin wir immer schweben,
Aller Dinge Grund und Leben,
Meer ohn' Grund und Ende,
Wunder aller Wunder,
Ich senk' mich in dich hinunter.
Ich in dir,
Du in mir;
Laß mich ganz verschwinden,
Dich nur sehn und finden.

Vielleicht hatte auf solche Wendungen des Paulus Wort: »denn in ihm leben, weben und sind wir« eingewirkt. Paulus aber bediente sich hierbei, wie oben S. 398 angedeutet ist, absichtlich eines Lehrsatzes der Stoa.

drang das pantheistische »ich in dir, du in mir«, das an Gott sich richtet.

Aber nicht hieran, ich denke vielmehr an die moralische Wirkung der stoischen Religion, die sofort eintrat, als sie zu Worte kam, und Könige, Feldherrn, die ausgezeichnetsten Männer, ja, scheinbar ganze Staaten erfaßte; ihre Lehre das moralische Knochengerüst der starken Seelen, die die Welt verwalteten. Dies begann sogleich mit dem König Mazedoniens, Antigonus Gonatas, der den Zeno verehrungsvoll in Athen persönlich aufsuchte und ihm, dem mittellosen, damit er seine Weisheit verbreite, Hilfsschreiber zur Verfügung stellte; dann aber geht das weiter zu den großen Römern, Cato, dem Stoiker, zu Seneca, zu den römischen Juristen wie Ulpian, zu Kaiser Mark Aurel, dem edelsten der Edlen auf dem Kaiserthron; der ganze römische Senat schien lange Zeit eine Gemeinde der Stoiker. Soll ich noch Friedrich den Großen nennen? In der Tat: auch noch in unserer modernen Zeit ist es der stoische Gedanke, der dem Kämpfer zur 397 Selbstbehauptung hilft. Auch Friedrich der Große stand wie ein Felsblock in der Brandung. Mark Aurels Schriften, jene Selbstermahnungen, die uns noch heut ergreifen, hatte er in den Händen. Er war vom Stoizismus durchtränkt.»Der Stoizismus ist die höchste Stufe, die der menschliche Geist erreichen kann«, sagt Friedrich der Große; derselbe aber auch: »Das Muster der Tugend ohne jeden Fehler befindet sich nur im Verstande des Schöpfers«; s. Kannengießer, Friedrich der Einzige, Nr. 362 u. 364. Derselbe ebenda Nr. 354: »Ich verzeihe den Stoikern alle Irrtümer ihrer metaphyischen Untersuchungen wegen der großen Männer, die ihre Moral hervorgebracht hat.«

Kann auch ein Christ, der wider das Böse kämpft, ein Stoiker sein? Wir bejahen die Frage; denn die Geschichte lehrt es, und manche energische Natur unter uns ist es noch, ohne es selbst zu wissen. Dies führt uns auf das Problem, das noch übrig: woher stammt das Böse?

Kleanthes, Zenos Schüler, der Fromme, erhalte das Wort. Er war ein Mann echt griechischer Abstammung, den Zeno aus dürftigsten Verhältnissen heranholte, der nachts in Athen als Wasserträger die Pflanzungen begoß, um sich seinen Unterhalt zu verdienen, oder beim Müller die Handmühle trieb, der aber strebsam, gedankenreich und des edlen Wortes wohl mächtig war. Von ihm haben wir sein Gebet an Gott, den er Zeus nennt, aber den »vielnamigen«; ein Gebet in Hymnenform und in wohllautenden Versen. Da heißt es gleich: »alle Menschen, Vielnamiger, sollen dich anrufen«; alle; es ist also der Gott der Menschheit. Und es geht weiter: »denn du hast uns geschaffen; bei dir ist die Kraft und Herrschaftκράτος.. Dein ist das Wort, das durch das ganze All wandert (griechisch der »Logos«, v. 12). Im Himmel und auf Erden geschieht nichts ohne dich, nur die Missetaten der schlechten Menschen ausgenommen (v. 17). Aber auch das Ungerade weißt du gerade zu machen und rettest in der Unordnung die Ordnung und wahrst so die Harmonie des Alls, damit nichts sei, was du nicht lieben kannst. Unglücklich die, die von Gottes Gesetz abirren aus falschem Ehrgeiz oder aus Sinnenlust. Aber du, Zeus, errette uns aus unserer Torheit (v. 31); gib uns, Vater, Teil an deiner Gerechtigkeit, auf daß du uns loben kannst, wie wir dich loben, preisend deine Werke in Ewigkeit; denn es gibt für die Sterblichen und die Unsterblichen kein größeres Ehrenamt als dir und deinem Weltgesetz zu lobsingen.«

Wer spürt es nicht? Dies Gebet ist persönlichstes Erleben; zum »Vater« ruft es, ein stoischer Vorklang des Vaterunsers. Auch 398 das »dein ist die Kraft« klingt an unser Gebet an, und »errette uns aus der Torheit«, entspricht dem »erlöse uns von dem Übel«. Ja, auch vom »Wort« spricht Kleanthes, vom »Logos«, der als Vertreter Gottes durch das Weltall geht und wirktDer κοινὸς λόγος im Hymnus v. 12 ist der κοινὸς νόμος im Kosmos..

Das Übel aber? woher das Böse? Wir selbst sind dessen Ursache, nicht der Schöpfer; denn wir leben im »Fleisch«. Gottes Wirken geht nur dahin, das Böse oder die Unordnung, die wir in seine Welt tragen, wieder auszugleichen, so daß die ewige Harmonie seiner Schöpfung nicht leidet. Ganz ähnlich dachte auch noch der Kirchenvater Augustin vom Bösen, das der Mensch in Gottes Welt trägt: »die Ungerechten sind da, aber sie stören nicht; sie sind nur gleichsam die Schatten im Licht; mit ihnen zusammen ist das All schön, obschon sie selbst häßlich sind«Augustin, Confession. V 2; vgl. Charakterbilder Spätroms² S. 367..

Dichterisch sagt Kleanthes, Zeus hält die Welt in seinen Händen (v. 9); das ist aber nicht ernst gemeint; denn die Stoa besteht darauf, daß Gott nicht menschliche Gestalt habeDiog. Laert. VII 147, wo übrigens auch das πατὴρ πάντων.. Gleichwohl redet Gott zu uns, weil er uns liebt, und daher sollen wir an bedeutsame Träume und Orakelstimmen glauben, sollen auch in den Sternen lesen; denn welches Mittel hätte Gott sonst, sich uns mitzuteilen? Das kulturgeschichtlich Wichtigste aber endlich ist, daß diese Männer schon – auch dies nach dem Vorgang des großen Heraklit – die Tempel ablehnen, die Götterstatuen und das Opfern mit Hohn verwerfen. Denn Gott ist ein Geist, und man kann ihm nicht nahen mit äußerlichen Gebärden. Eben dasselbe hören wir in der Apostelgeschichte aus dem Mund des Apostels Paulus. Er trägt es den Athenern vor, um sie auf Christus hinzuführen: »Gott, der ein Herr ist Himmels und der Erden, wohnet nicht in Tempeln, mit Händen gemacht; sein wird auch nicht von Menschenhänden gepfleget, als der jemandes bedürfe, der selbst jedermann Leben und Odem allenthalben gibt . . .; und zwar, er ist nicht ferne von einem jeglichen unter uns; denn in ihm leben, weben und sind wir«Apostelgeschichte 18, 24–28.. Genau so redeten die stoischen Pantheisten selbst, und Paulus kommt ihnen mit diesen Worten geschickt entgegenÜber diese Rede des Paulus habe ich in meinem Aufsatz über den unbekannten Gott, in welchem ich die Irrtümer E. Nordens nachwies, im Rhein. Museum 69 S. 367 f. ausführlich gehandelt..

Man fühlt, wenn man das alles hört: es bereitete sich Neues 399 vor mit weit ausgreifender Nachwirkung in der Welt der Frommen.

Zeno, der zugewanderte Fremdling, hatte in Athen so viel Sympathie geerntet, daß die Stadt ihm mit dem goldnen Ehrenkranz dankte, ja, sein Standbild errichten ließ. Die Stadt selbst hatte sich jetzt zum wahren Hochsitz der Philosophie und der religiösen Aufklärung erhoben. Wie in Überstürzung und im Wettbewerb hatten sich dort in den etwa dreißig Jahren nach Alexanders des Großen Tod, zwischen 320 und 290 v Chr., die Lehren Epikurs und Zenos neben der berühmten Akademie und dem Peripatos aufgetanZeno eröffnete zirka 310 seine Schule; er starb zirka 264; Epikur wirkte etwa vom Jahr 323 an, ließ sich aber erst 306 dauernd in Attika nieder; er starb 271 auf 270.. Welcher Reichtum! War damit nun aber ein neuer Glaube internationalen Wertes gewonnen, in dem alle Völker sich einen konnten, eine monotheistische Religion, die – mit Ausnahme der göttlich beseelten Sterne – das bunte Vielgötterwesen in den Vorstellungen der Masse zu beseitigen imstande war und Ersatz bot für das Altgewohnte, das man heilig hielt? Gewiß, gewiß, die Welt harrte auf sie. Wer sich in das Getriebe jener Zeiten mit ihrer Umwertung so vieler Werte eingefühlt hat, muß diesen Eindruck unbedingt gewinnen. Aber jene Philosophen und Gottsucher gingen nicht einig vor; denn sie waren sich selbst nicht einig, betonten ihre Differenzen und zankten sich weidlich. Alle haben Recht und alle haben Unrecht! sagte sich achselzuckend der Zuschauer, der unbeteiligt daneben stand. Und was ist Wahrheit? Die Skepsis erhob sich in der Tat damals sogleich. Mit der Philosophie ist nichts zu machen. Nichts verfiel dem trivialen Spott so leicht wie gerade der Gott der Stoa; denn das Weltall hatte ja, wie man glaubte, Kugelform; war nun Gott das All, so war Gott rund wie die Kugel. Pyrrhon war der Wortführer der Skepsis, der Kunst des Zweifels, die hernach manche geistreiche Leute von ihm übernahmen, er selbst ein Mann, der nichts schrieb, weil er nichts glaubte, der aber streng enthaltsam und tugendsam wie ein indischer Anachoret und Fakir lebte. Er war in Alexanders Gefolge mit in Indien gewesen und hatte sich dort mit der Denkweise des Brahmanentums eng befreundet.

Solche Zweifel drangen freilich ans Volk nicht heran. Die 400 Volksmassen sind immer zum Glauben bereitAuch der Unglaube der modernen sozialistischen Massen beruht nicht auf Wissenschaft, sondern ist nur ein umgedrehter Glaube. und für jede Suggestion und lockende Lehre zu haben. Aber – um vom Epikur ganz abzusehen –, was sollten diese Menschen mit dem Gott der Stoa, was sollten sie mit der gleichsam hocharistokratischen Ethik der Stoa anfangen, die die Seele mit Pflichten knebelt? Es handelte sich um das Arbeitervolk; Schiffer und Höker und Ackerbauer, Müller und Bäcker und ihre Weiber dazu, wie hätten solche Leute Zeit gehabt, an den Gott in sich zu denken? wie hätten sie zu der peinlichen Selbstbeobachtung Zeit gehabt, die dazu gehört, um sich im Sinne jener Idealisten sittlich rein zu halten? Dazu kommt, was nie zu vergessen ist, die enorme Masse der Unfreien in den Städten, das sog. Sklaventum, das damals stark angewachsen, vielerorts vielleicht annähernd zwei Drittel der Volksmasse bildete. Der Mensch, der in der Arbeit steckt, lebt eben vor sich hin, so anständig er kann. Er ist Laie in der Tugend, er braucht die Leidenschaft und kann nicht wieder Priester, wie der Eremit oder wie die, die als Arbeitgeber zur Selbstpflege mehr Muße haben, planmäßig nach Vollkommenheit streben.

So haben jene Philosophen denn auch an eine Massenpropaganda, die obendarein organisiert sein will, gar nicht gedacht. Wir sahen, wie diese von ihnen im Gegenteil ausdrücklich abgelehnt worden ist. Ihre Botschaft war keine frohe Botschaft; sie schmeckte zu sehr nach Erziehung, sie war zu herbe für die Menge. Vor allem aber fehlte noch eins; mochten die stoischen, die platonischen Vorträge und Gespräche bei noch so vielen Andacht wirken, sie schlossen sich doch nie an den Gottesdienst an, und der Kultus wurde durch sie nicht veredelt. Eine Volksreligion ist ohne Kultus undenkbar. Aber so blieb es vorläufig: die griechische Predigt war ohne Gottesdienst, der griechische Gottesdienst war ohne Predigt, und das war der Mangel. Auf alle Fälle aber will das Volk in der frommen Gewöhnung der äußerlichen Gebärden bleiben und freut sich beim Aufspringen der Tempeltüren das schöne Gottesbild mit Augen zu sehen, das zur Feier frisch gewaschen ist und gar in farbig schimmernden Gewändern strahlt wie unsere Madonnen- und Heiligenbilder. Wie 401 unsere Frommen Hand oder Fuß des Bildes küssen, so geschah es auch damals»Abgenutzt sind die rechten Hände der ehernen Bilder der Götter von der häufigen Küsse Berührung«, sagt Lukrez I 317.. Dazu kommen die Prozessionen. Das Volk liebt es so feierlich im Zuge zu wandeln, heiligen Gesang zu hören und nach dem Opfer einmal festtäglich von etwas Fleischspeise sich zu nähren, die man dem Opfertier entnahm: ein Gottesdienst, der freilich kostspielig war. Aber dafür gab es den Tempelschatz, den fromme Generationen seit langem aufgehäuft hatten, und die Tempelbesucher steckten immer wieder ihr Stück Geld in den Gotteskasten, wie es Eltern und Voreltern getan.

* * *

So war es. Aber das Alte, das Bodenständige genügte gleichwohl nicht mehr, und nun geschah das Unerwartete, daß nicht aus Hellas, nicht aus Athen, daß vielmehr aus dem Osten das Neue kam. Es sprangen überall neue Quellen auf. Ex oriente lux: Licht und Lichtglauben aus dem Osten. Alexander hatte Asien nicht umsonst erschlossen. So wie aus Ägypten der Isisdienst vordrang mit seinem magischen Zauber und heiligen Weihen, ein seliges Leben verkündend jedem, der richtig fastete und betete, so kam jetzt aus Persien die Religion Zoroasters nach Syrien und Kleinasien, die Religion, in deren Grundanschauungen wir, ohne es zu wollen, noch heute leben.

Es war, als hätte sich das Hochplateau Asiens gesenkt und die Flut des Griechentums trat über, aber rückflutend schlürfte es allerlei Träume und Offenbarungen wie Perlen und Goldsand aus den Wüsten und Paradiesen der Fremde mit ein.

Der Verstand müht sich umsonst an die Wurzeln unseres Seins zu tasten. Es war eine Inflation von Weisheit eingetreten; die Nachfrage stockte, und die Mystik setzte jetzt ein, die Mystik froherer Botschaften, denen die Weisheit eine Torheit ist; der Glaube an Dinge, die kein Verstand der Verständigen sieht, schwang seine Fahne, und die Massen flogen ihr zu. Schon Plato hatte solcher Mystik Raum gegeben; aber sie kam jetzt mit ganz anderer Wucht aus der Volksmasse selbst und in volkstümlicher Sprache, um sich erst Vorderasien, dann den Okzident zu gewinnen.

402 Der Teufel tritt auf. Es handelt sich auch hier wieder um die Frage: woher das Böse?, und die Antwort lautet jetzt völlig anders als bisher. Der Grieche kannte nur den Monismus oder die völlig einheitliche Weltordnung, die er den Kosmos nannte; der Perser lehrt die gespaltene Welt, den Dualismus, den Streit; hier Gott, dort der Satan; das Himmelreich und des Satanas Reich in ewigem Kampfe. Der Schöpfer dieser kühnen neuen Lehre war Zarathustra, den die Griechen Zoroaster nannten. Seine Religion war Licht- oder Feuerreligion. Sie war das große Geschenk, das die Welt von Persien empfangen hat; ihre Urkunde das Avesta, die heilige Schrift der Parsen.

In Persien blühte der Lichtkult. Es war ja das Land des ewigen Morgens, wo zwischen den Hochgebirgen täglich die Sonne sich fängt, Persien das Kronland, das Thronland der Sonne, der Sitz ihrer Allmacht: Glutfülle, Feuerglast, unendliche atmosphärische Reinheit, Verklärung; die Seele aufgesogen vom unendlichen Glanz. Die schwarze Nacht selbst durch das Licht besiegt; denn der Mond geht sonnenhaft auf, der sie taghell macht und die Schatten verjagt. Des Mondes Feind ist die Finsternis, die ihm auflauert, ihn unheimlich verschlingt und frißt; siegreich aber kehrt er wieder und verjüngt sich immer neu zu vollem Glanze. Was soll das Urwesen der Dinge da anders sein als Licht und Feuerfunke? Das ist Gott; die Seele selbst, der Menschengeist ätherleicht und durchsichtig, aber warmblütig hochtreibend wie die aufschlagende Flamme. Nur in Persien, der großen Sonnenfalle, konnte die Lichtreligion entstehen.

Schon Plato weiß von ihr; er meint, 8000 Jahre vor Xerxes habe Zoroaster gelebt (denn alle geheimnisvollen Offenbarungen rückte man möglichst an den Anfang der Zeiten); im hohen Alter zeigte Plato sogar den Einfluß seiner LehreSiehe Platos »Gesetze« p. 896 E.. Seit Alexanders Tod aber drang die persische Religion wirklich in den Völkern allmählich, aber unaufhaltsam vor – es war offenbar eine planvolle Propaganda –, gewann breiten Boden im kleinasiatischen Kappadozien, Cilicien. Ja, bis Pergamum, zu den Attaliden drang ihr Einfluß; denn der große Zeusaltar Pergamums war 403 die Nachahmung der heiligen Feuerstätten der PerserOben S. 344 u. 348 f., der Gigantenkampf, der bedeutsam im Relief ihn schmückte, der Kampf des Guten mit dem Bösen, den Zeus schon einstmals siegreich bestand, der aber nicht aufhört und gleichsam immer aktuell ist. So war denn auch die stoische Philosophie, die eben damals auch gerade in Pergamum ihren Sitz hatte und deren führende Geister z. T. Asiaten gewesen waren, wie ich glaube, davon beeinflußt. Denn der Gott, von dem die Stoa redet, ist seinem Wesen nach Lichtseele, Feuerseele, nach der alten Lehre Heraklits, die man unter dem persischen Einfluß jetzt wieder aufnahm.

Dieselben Stoiker lehrten, man solle Gott nicht in Tempeln anbeten; auch das war persisches Dogma; darum hatte Xerxes die Tempel auf Athens Akropolis zerstörtSiehe Cicero, De rep. III 14..

So drang Zoroasters Einfluß aber auch in das weit verstreute Judentum Vorderasiens und so endlich auch in unser Christentum.

Der Zweikampf des Guten und Bösen geht durch die Ewigkeit. Jesus nahm den Zweikampf auf, um ihn als Sieger der Nachwelt weiterzugeben.

Diese Grundanschauung, in der wir heute leben und die von all unsern Kanzeln tönt, ist also nicht etwa semitischen Ursprungs, sondern arisch. Denn die Perser und Baktrer waren Arier. Sie ist auch dem religiösen Denken des Urgermanentums nächstverwandt, in dessen Sagen gleichfalls das Edle unausgesetzt mit dem Gemeinen ringt, die Sonnenhelden Drachentöten und der Fenriswolf Wotan selbst bedroht.

Schon Zarathustra galt als Heiland und Erlöser, eine Parallelfigur zu Buddha, und es handelt sich nicht nur um seine Lehre, sondern auch um seine Person. Er lebte in Ost-Iran, in Baktrien und zwar wohl nur etwa 200 Jahre vor des Sokrates ZeitDiesen Zeitansatz gibt A. Zacharias »Allgemeine Religionsgeschichte« (1918) S. 120; andere setzen Zarathustra erheblich früher an. und etwa gleichzeitig mit Buddha. Von Buddha hatten Indien und China ihre Heilslehre, von Zarathustra die Länder des Sonnenuntergangs. Ursprünglich hatte in Baktrien und Persien, wie in allen Völkern, eine Naturreligion geherrscht; als große Götter galten da Ahura-Mazda, d. i. der weise Herrscher, und Mithra, der Sieger. Zarathustra aber drängte zum Monotheismus, und 404 Ahura-Mazda wurde ihm der heilige Geist, der den Himmel als Gewand trägt, er selbst aber, dieses Gottes Verkünder, war der Heiland. Licht strahlte aus dem Kinde, als Zarathustra geboren wurde. Die Priester alten Glaubens fürchteten sich vor dem Kinde und wollten es umbringen, aber siehe, ihre Hand verdorrte. Die Mutter, die ihn gebären sollte, sah schon vorher im Traum seine ganze göttliche Laufbahn voraus. Durch den Himmel führt ihn seine Reise, und Ahura-Mazda selbst erscheint ihm in seiner Heiligkeit und offenbart ihm Lehre und Gesetz, die er verkünden soll. Darauf fährt Zarathustra zur Hölle und bedroht Ahriman, den Satan, der dort herrscht, im Reich der Finsternis. Auch auf den Paradiesberg wird er entrückt; Heilungswunder vollführt er. Durch einen Strom wandelt er, und siehe: das Wasser netzt und berührt ihn nicht. Auch heißt es, daß er auf einem Berge lebte, der in Feuerflammen stand; aus dem Feuer trat er unbeschädigt und freundlich hervor, wenn man dorthin kam, um anzubeten.

Neben Ahura-Mazda, dem Schöpfer alles Guten, steht also seit Urbeginn Ahriman, der Schöpfer alles Argen; das ist die Lehre; jeder von beiden will den andern besiegen, und jeder hat sein Reich, Himmelreich und Reich der Hölle: Wahrheit und Lüge; Leben und Untergang. Für das eine streiten alle Engel, vor allem sechs Erzengel, die unsterblichen Heiligen, für das andere die Dämonen oder TeufelDieser Kampf der Engel und Teufel ist in die griechische Denkweise umgedichtet mit griechischen mythologischen Figuren bei Lucian, Vera historia II 23., die uns Menschen schädigen, krankmachen, aber auch um das ewige Heil betrügen. Der Mensch aber steht nun zwischen beiden Reichen mitten inne; ihre Grenze geht gleichsam durch unser Herz; in unsern Herzen spielt sich täglich der Grenzstreit der Weltprinzipien des Guten und des Bösen ab. Der Böse setzt sich fest in uns; wir müssen ihn loswerden. Es gilt den Teufel aus der Welt zu schlagen, und jeder von uns soll zum Siege des Reinen und Heiligen helfen.

Das ist es, was Zarathustra im Dienst des Gottes, der sich ihm offenbarte, der Welt verkündet hat, und in froher Zuversicht glaubt er an den endgültigen Sieg des Himmelreichs. »Denke Gutes, rede Gutes, handle gut, und halte dich rein, innen und 405 außen«; das ist's, womit wir siegen, und zwar bald. Denn das Reich der Vollendung ist nahe (so geht die frohe Botschaft weiter); da werden, die da gläubig sind, im Paradiese leben. Dem voraus aber wird das Weltgericht gehen am jüngsten der Tage. Da werden die Toten auferstehen; die Ungläubigen in die ewige Finsternis wegstürzen, die da recht glauben, zu den goldenen Sitzen des Herrn Einlaß finden, wo die Erzengel, die unsterblichen Heiligen wohnen, und werden in verjüngtem Leibe selig sein.

Wer aber wird am jüngsten Tag, den Zarathustra als nahe verkündete, die Auferstandenen richten? Er selbst wird des Amtes walten, der Heiland zugleich der Richter, und wird als solcher den Sieg des Guten vollenden. So hören wir die Gläubigen von ihm reden: »Auf den Heiland, der da ›Sieghaft‹ heißt, und auf seine Genossen wird, auf daß er die Welt vollkommen mache, die göttliche Glorie, die wir verehren, übergehen. Zugrunde geht da endlich die bübische Welt mitsamt dem bübischen Oberhaupt, dem Herrn der LügeVgl. Ed. Meyer, »Ursprung und Anfänge des Christentums« II (1921) S. 63.

Vergleicht man hiermit die Heilsverkündigungen der jüdischen Propheten, eines Jesaias oder Hesekiel, so wird man den wesentlichen Unterschied bemerken; diese waren eng national stets nur für die Juden gedacht; die Verkündung Zarathustras knüpfte zwar auch an die örtlichen Verhältnisse seiner Heimat an, trotzdem aber war sie vielmehr allgemein menschlich gedacht und paßte für jedes der Völker. So erhob sie denn der große Darius, der Perserkönig, zur Reichsreligion. Drachentötend ließ Darius sich selbst im Riesenbilde darstellen, d. h. als Vorfechter des guten Gottes und Sieger im Kampf wider das Böse. Im Königspalast des Xerxes zu Persepolis wurde die Religionsurkunde, die heilige Schrift, die Zarathustras Lehre enthielt, aufbewahrt. Damals, als Alexander der Große den Palast zerstörte, soll sie verbrannt sein. Aber die Lehre fand weiter mündliche VerbreitungZu der Verbreitung werden die persischen Truppenkörper beigetragen haben, die die Seleuciden sich hielten und die gel. auch in Kleinasien in Garnison lagen; s. Dittenberger, Sylloge 171 Zeile 105 (Niese II S. 96). Aber schon zu Alexanders Zeit gab es persische Magier in Ephesus; s. Plutarch, Alex. c. 3 fin. Auch an die auf persische Religion bezüglichen Reliefs aus Kleinasien erinnere ich noch: oben S. 344 Anm. "Siehe Bulletin de corresp. hellénique...".; eine Missionstätigkeit setzte ein, die nach Westen ging; Lehrschriften in griechischer Sprache wurden für die Völker des Westens abgefaßtIch nenne den Ostanes, dessen Werk uns mehrfach erwähnt wird; vgl. Minuc. Felix 26, 10; Cyprian, Quod idola dei non sint, 4, 2. Dieser Ostanes muß Alexander dem Großen nahe gestanden haben; er begleitete ihn auf allen seinen Feldzügen; s. Plinius 30, 11.; d. h. das Weltgriechentum half. Dabei hielt die Lehre sich nicht rein; die alte Naturreligion saß in der Volksmasse zu 406 fest, und Mithras kam als Sonnengott zu erneuter Bedeutung. Vor allem hängte sich aller Spuk und Zauber und Aberglauben daran; denn der Teufelsglaube war nun da, die vierte Dimension war damit erschlossen, die Geister gingen um und ließen sich beschwören, und das Unheimliche wurde zum Bedürfnis, der Spiritismus, die Magie und das Wunder.

Ein religionsgeschichtliches Ereignis ersten Grades war es nun, daß Zarathustras Verkündung auch in das Judentum drang und mit der Messiasverkündigung der Propheten Israels verschmolz. So ist hier der Ort, auch noch der Geschichte des Jordanlandes in Kürze zu gedenken.

Die Ruhmeszeit Davids und Salomos, die Jerusalem zum Thronsitz Jehovas erhob, war längst vorüber. Unter Assyriern, Babyloniern und Persern war Palästina wieder und wieder zum Vasallenstaat herabgesunken; auch nach Alexanders des Großen Tode blieb es so; das jüdische Volk hatte sich daran gewöhnt und unterwarf sich ohne ernstlichen Widerstand bald den Ptolemäern, bald den Seleuciden, die sich um diese Grenzgebiete stritten: es wartete mit verhaltener Ungeduld auf seine Zukunft – es hatte das Warten gelernt – und hatte sich seit Esras Gesetzgebung als sog. Gottesstaat konstituiert; d. h. man wollte keinen irdischen König jüdischen Blutes, sondern Jahwe, der Landesgott, selbst sollte der König sein, der Hohepriester Gottes Vikar und Stellvertreter. Gott selbst als König würde dem Volke zu seinem Recht verhelfen und die Hohenpriester nicht Dynastenpolitik, sondern nur vaterländische Politik treiben. Darum duldete man die Fremdherrschaften von Generation zu Generation und zahlte dem gern geschmähten Oberherrn die Tribute ohne Murren.

Die Juden waren nun also das Volk ihres Gottes, sie waren das Gottesvolk; denn der Name Jahwe wurde damals beseitigt; man sprach nur noch von Gott dem Herrn und dachte sich den alten jähzornigen Nationalgott, der auf dem Vulkan des Sinai hauste, nunmehr als Weltengott ganz so, wie auch der Zeus bei den Griechen, Ahura-Mazda bei den Persern zum Weltengott 407 geworden warEs ist also nicht richtig, was man zu lehren pflegt, daß nur die Juden damals ihren Nationalgott zum Weltgott erhoben; Plato, Aristoteles und die Stoa taten dasselbe; über Plato s. oben S. 380, über die Stoa S. 394 u. 396.. Dabei streckte das unruhige Volk aber nach außen weithin seine Fühler aus (seit der großen Völkermischung, die Alexander bewirkte, war auch das Judentum aus seiner Isolierung gehoben), ein Massenauswandern, das in alle Städte der sog. Heiden ging und sich überall fest einsenkte wie wucherndes Wurzelwerk, anpassungsfähig für alles Fremde. Die Juden hatten ihr kaufmännisches Talent längst entdecktSiehe oben S. 78 u. dazu Anm. "Vgl. Speck..." f. u. S. 335. und sich in eng geschlossenen Gruppen überall, wo es lohnte, angesiedelt, in den Großstädten Persiens, Ägyptens, Cyperns, Kleinasiens, bald auch in Rom selbst, das als neue Kraftzentrale der Kulturwelt alle Gewinnsüchtigen mächtig anzog. Der Zionismus aber hielt die Zerstreuten zusammen, und von allen Orten kamen sie nach Jerusalem alljährlich in großer Zahl zu den heiligen Festen gepilgert und trugen den weltkundigen Geist, ihre Weltkenntnis mit dorthin; denn daß sich viele von ihnen in das fremde Gedankenleben und die Hochkultur des Weltgriechentums einfühlten, konnte nicht ausbleiben.

So wäre es vielleicht noch Jahrhunderte friedlich weitergegangen, wäre im Lande nicht in Gegenwehr gegen tyrannische Vergewaltigung der religiöse Fanatismus erwacht. Aber das große Syrerreich der Seleuciden sah sich gefährdet; ihr Machtgebiet drohte wiederholt auseinander zu fallen, und der König Antiochus Ephiphanes, der in Antiochien saß, beschloß, um sein Reich zu retten oder zu kräftigen, die Einheit seiner Teile straffer zu ziehen, die fremden Elemente auszusondernNach Makkab. I 1, 43: alle Völker im Reich sollten den gleichen Gottesdienst halten.. Das traf zunächst die griechischen Philosophen, die sich sektenweise im Land breitmachten. Die Wut des Königs richtete sich gegen sie, besonders gegen die Epikureer, und er ging mit einer Hetze grausam gegen sie vor. Denn ihr Überhandnehmen schien staatsgefährlich. Der Ukas des Antiochus ist uns im Wortlaut erhaltenAthenäus p. 54 7 B: der hier erwähnte Antiochus kann, wie ich meine, nur Antiochus Epiphanes sein.: alle sogenannten Philosophen werden über die Grenze gewiesen unter schwerer Strafandrohung. Gehängt werden sollen die Jünglinge, die ihnen noch weiter nachlaufen, aber auch ihre Väter sollen es büßen.

So beschloß der König nun auch die Sonderstellung der 408 jüdischen Religion aufzuheben, den Tempel Jehovas für griechische Götterdienst, für die syrische Staatsreligion in Beschlag zu nehmen. Und es geschah: Antiochus selbst betrat im Jahr 169 v. Chr. profanierend das Allerheiligste. Mit Todesstrafe wurde auch hier gedrohtSiehe das Edikt des Antiochus, Makkabäer II 6., die Tempelschätze weggeführt, der Widerstand mit blutiger Gewalt gebrochen, bis der siegreiche Makkabäeraufstand losbrach. Die Söldner des Syrerkönigs widerstanden der Volkswehr nicht. Der Erfolg der Aufständischen übertraf alle Erwartung. Antiochus starb, die Zentralmacht Syriens wurde schwächer und schwächer, und die Juden nährten neue Hoffnung; ihr Machthunger wuchs. Es waren die alten Aspirationen: hatte das kleine Mazedonien unter Alexander sich die Welt erobert, warum sollten es die Juden nicht können, wenn nur der rechte Führer kam? Ein Gottessohn? Warum kam er nicht? Und die Sehnsucht nach dem Messias, die heimlich von jeher in allen Herzen brannte, flammte neu empor.

Damals entstand nun auch die große Sensation, das religionspolitische Buch vom Propheten Daniel. Das Buch scheint früh auch ins Griechische übersetzt worden zu sein, und es erzählt, wie wir uns erinnern, von jenem Daniel, dem Juden, der in Babylon einst dem Nebukadnezar seine Träume, dem Belsazar das Menetekel deutete, dem sich aber auch in eigenen Traumgesichten die Zukunft der Völker erschließt: ein Buch, in dem auf diese Weise, aber in mystischer Rätselsprache, die ganze Weltpolitik aufgerollt wird, wo die Weltreiche, die da bestanden und untergingen, als fabelhafte Tiere auftauchen, sich verschlingen und untergehn und im Hinblick auf den Fall des Antiochus Epiphanes den Juden der zukünftige Heiland, des Menschen Sohn, der da vom Himmel kommt, verkündet wird. Da erscheint zum ersten Mal in den Büchern des Judentums auch das jüngste Gericht oder das Weltgericht und der Weltenrichter, die Vorstellung von Auferstehung und von einem ewigen Leben nach dem TodeSiehe Daniel c. 12, 2: »Viele, so unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, etliche zu ewigem Glück, etliche zur ewigen Schmach und Schande.« Sodann Makkab. II 7, 9.. Nicht die Lehre Platos, die Lehre Zarathustras war in das Judentum eingedrungen. Voll davon ist dann gar das in den Kanon des Alten Testaments nicht aufgenommene Buch Henoch.

409 Das echte Judentum hatte nichts von Auferstehung und jenseitigem Leben, nichts von Himmelreich, in das die Guten eingehen, gewußt. Hiob, der gerechte, verdiente wohl die Krone des Lebens; aber er findet in all seinem Leiden keinen Trost außer dem Bewußtsein der eignen Unschuld; auch die Psalmen wissen von einem Ausgleich nach dem Tode noch nichts und sind ratlos, wenn die Guten leiden und die Gerechten verfolgt werden. So wußte man bisher auch vom Teufel nichts, der mit ebenbürtiger Macht wider Gott steht. Wie die Griechen, dachten sich auch die Juden gegebenenfalls, daß Gott selbst es ist, der die Menschen in die Sünde treibtVgl. I Reges 22, 19 f., wo Achab durch Gott selbst betört wird; dazu Ed. Meyer »Ursprung und Anfänge des Christentums« II (1921) S. 100 f.. Lautet doch auch noch im Vaterunser die fünfte Bitte: »Führe uns nicht in Versuchung«. Der Name des Satan taucht zwar im Alten Testament schon auf, aber er ist bei den Juden noch ein Diener Gottes, der da vor Jahwe tritt, um die Menschen vor ihm zu verleumdenSiehe Sacharia 3, 2.. Eben daher heißt der Böse hernach im Griechischen »Diabolos«, d. i. der Verleumder, französisch »diable«, woraus unser deutsches Wort »Teufel« (niederdeutsch in treuerer Lautform »Deubel«) hervorging.

Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. wird der Satan bei den Juden nun aber mit Ahriman gleichgesetzt und wie bei den Persern zu einem Fürsten der Finsternis und des Argen, der tausend böse Geister als Helfer hat, wie Gott seine himmlischen Heerscharen. Ebenso wird bei ihnen jetzt erst in den einflußreichen Kreisen der Pharisäer der Glaube allgemein an eine Auferstehung der Gerechten im Fleisch und in verjüngten Leibern, wie bei den Persern. Nur die rückschrittlichen Kreise, die sog. Sadduzäer, gingen nicht mit und bestritten die Auferstehung ausdrücklich. Damit war die jüdische Religion völlig verwandelt; sie war auf einen ganz andern Boden gestelltDie Vermutung von diesem tiefgehenden Einfluß des Parsismus auf das damalige Judentum ist nicht neu, vgl. schon Bertholdts Ausgabe des Daniel. Ed. Meyer hat sie überzeugend begründet; ein Merkmal dafür ist der jüdische Ἀσμοδαῖος, der auf den persischen Zorndämon Aešma zurückgeht (Meyer II S. 96). Nicht bekannt geworden ist mir Herm. Güntert, der arische Weltkönig und Heiland, Untersuchungen zur indogermanischen Religionsgeschichte., und der Ehrgeiz der Frommen konnte sich endlich auch auf das Jenseits werfen. Man hoffte wohl immer noch auf einen Sieg über die ungläubigen Völker auf Erden, und die Orthodoxen schlossen sich von den Andersblütigen, die die Beschneidung nicht annahmen, noch strenger ab als bisher; aber das Interesse richtete sich jetzt vielmehr auf die Zukunft der Einzelseele: was wird aus dir und 410 mir? Ob Israel geknechtet ist oder nicht: jeder sorge zunächst für sein eignes Seelenheil. Je universaler Gott wird, je siegreicher wird auch das bloße Menschentum im Juden. Um des Seelenheils willen übt sich nun jeder einzelne in guten Werken und schlägt sich in Fesseln schwer zu erfüllender Gebote.

Hatte Daniel falsch prophezeit? Das Weltende wurde verkündigt und wieder verkündigt, aber es kam nicht; man sollte sich gerüstet halten auf das nahe Erscheinen des Heilandes und Messias, der da kommt wie ein Dieb über Nacht; aber der Heiland blieb aus. Die Königreiche des griechischen Orients zerfielen, Roms schwere Hand legte sich über Asien; Pompejus nahm Jerusalem. Der fromme Eifer der Pharisäer unter der Führung der Schriftgelehrten steigerte sich noch. Diese Verfechter einer neu entstandenen Orthodoxie glaubten nun unbedingt an das Himmelreich und an das Reich des SatansDie Schriftgelehrten sprachen: Er hat den Beelzebub und treibt den Teufel durch den obersten der Teufel aus: Markus 3, 22., zwischen denen sie selbst mitten inne standen, als rechte Lehrlinge und Proselyten Zarathustras. Auch den Erzengel Michael, der den Drachen tötet, schaute jetzt die Phantasie der JudenSo in der Johannesapokalypse c. 12.; es ist die allegorische Drachentötung, von der auch der große König Darius wußte. In den Missetätern und in den Kranken treiben tausend Teufel jetzt sich um, und Ahriman ist es, der unter des Satanas oder Beelzebubs Namen als Versucher an die Männer Gottes herantritt, um sie zu Fall zu bringen. So sagt auch Jesus, als einer seiner Jünger ihn mit irdischen Gedanken bedrängt: »tritt hinter mich, Satan«Markus 8, 31., und Paulus: »wir wollen nicht übervorteilt werden vom Satan; wir wissen nicht, was er im Sinn hat«2. Cor. 2, 11..

Bei alledem lebte die eine der Prophezeiungen des Buches Daniel in aller Herzen; im 7. Kapitel des Daniel, da sieht der Prophet ein Traumgesicht in der Nacht, von den vier Tierungeheuern, die die Weltreiche bedeuten und aus dem Meer aufsteigen: »Ich sahe, daß Stühle aufgeschlagen wurden, und der Alte setzte sich, dessen Kleid war schneeweiß und das Haar auf seinem Haupt wie reine Wolle; sein Stuhl war eitel Feuerflammen und desselbigen RäderSolche Stühle mit Rädern in der Form des Streitwagens gab es auch im Tempel nach 1. Reges 7, 27–33: δέκα μεχωνὼϑ χαλκᾶς... καὶ τὸ ἐργον τῶν τροχῶν ἐργον τροχῶν ἅρματος. loderndes Feuer.« Und die Tiere kommen um und werden ins Feuer geworfen. »Und 411 ich sah des Nachts in demselben Traumgesicht: es kam einer auf des Himmels Wolken wie eines Menschen Sohn zu dem Alten und ward vor ihn gebracht. Der gab ihm Gewalt, Ehre und Reich, daß ihm alle Völker, Leute und Zungen dienen sollten. Seine Gewalt ist ewig, und sein Königreich hat kein Ende«Daniel 7, 4: καὶ αὐτῷ ἐδόϑη ἡ ἀρχὴ καὶ ἡ τιμὴ καὶ ἡ βασιλεία καὶ πὰντες οἱ λαοὶ φυλαὶ καὶ γλῶσσαι αὐτῷ δουλεύσουσιν κτλ..

Des Menschen Sohn – d. h. der Mensch von rein menschlicher Natur –, der in des Himmels Wolken vor Gott stand und dem der uralte heilige Vater Gewalt über alle Völker gibt, wer wird es sein? und wie bald wird er erscheinen?

In Rom machte man sich um die Messiashoffnungen des sonderbaren Hebräervolks keine Sorgen. Man hatte einen Vasallenfürsten, den fremdblütigen Idumäer Herodes, zum Judenkönig gemacht, der sich mit den Priestern des Priesterstaats übel stand, aber übrigens als hellenisierter Semit großzügig und üppig in Jerusalem ein rechtes Sultanleben führte. In Rom selbst aber hatte Cicero, der Redner, der größte Publizist, den das Römertum besaß, den vornehmen Kreisen des Westens die griechische Philosophie erschlossen, und viele trieben dort jetzt auch eine heilsame Seelengymnastik auf Grund der strengen stoischen Lehre; das betraf die Charakterbildung und die sittliche Führung im Leben. In bezug auf unser menschliches Wissen aber – was sind die Götter? gibt es ein Fatum? – endeten auch bei Cicero alle Gedankengänge in berechtigtem Zweifel und einer klugen Zurückhaltung des Urteils. Die Philosophie war nur dazu da, die Grenzen unserer Erkenntnis aufzudecken, und es ist erziehend, sich in der Kunst des Zweifels zu üben.

Aber das berührte nicht die Praxis des Gottesdienstes. Der Kaiser Augustus, der im Jahre 31 v. Chr. die Welt dauernd in seine Hand nahm, erneuerte aller Aufklärung zum Trotz in beflissener Pietät alle alten, z. T. schon arg verfallenen Gottesdienste, indem er die Hauptstadt mit Marmortempeln in Fülle schmücken ließ. Der Jupiter Roms war jetzt nicht nur Reichsgott, sondern auch Weltengott; er war dasselbe wie der Zeus des Plato und des Kleanthes. Ja, Augustus tat mehr; durch die Bürgerkriege, die den Okzident seit der Zeit des Marius und 412 Sulla unaufhörlich erschüttert hatten, waren die führenden Familien Roms entnervt und verroht, die alte Römertugend schien vernichtet, und der Kaiser bemühte sich, durch Ehegesetzgebung und sogar durch Vorlesen moralischer Lehrschriften, das ist durch Predigt, den Tiefstand der Gesellschaft im Großstadtleben neu zu heben. Ein zielloser Trieb und Drang nicht nur zur Rettung des Altheiligen, sondern auch zur inneren Erneuerung und Verjüngung war auch hier, im Zentrum der Welt, deutlich fühlbar und setzte kraftvoll ein. In edlen Tönen klingt es zu uns herüber aus den Dichtungen des Horaz und Vergil. Aber all das betraf und beschäftigte immer nur die obere Schicht der sog. gebildeten Klasse und der Arbeitgeber. Die Masse der kleinen Leute, der Tagelöhner, der Dienenden, der Millionen Unfreien und ihrer Familien, auf denen überall das Kulturleben ruhte, wurde wenig davon berührt. Auf die Masse aber kam es an.

Über 40 Jahre lang beherrschte so Augustus von Rom aus in Frieden die Welt; man konnte sagen: das Werk, das Alexander geplant hatte, war durch ihn verwirklicht, aller Grenzhader aller Länder und Völker endlich und für lange geschlichtet und beigelegt. Die Straßen wurden leer von Militärtransporten und marschierenden Legionen, die Kriegsflotten schliefen in den Häfen, die Festungsmauern verfielen, und die Missionare und frommen Pilger konnten sicher und zielbewußt über Meer und Land ziehen, um ihrerseits zu erobern: ein Erobern der Herzen und der Gewissen.

Inzwischen war im Orient Jesus geboren, der Zimmermannssohn und Erlöser aus Nazareth in Galiläa. In dem friedevoll schönen Lande der Dörfer und Rebengärten und des Kleingewerbes, der Landleute und Fischer, das still eingebettet liegt zwischen den erhabenen Hochgebirgen, wandelte er, da er erwachsen, lehrend und Wunder tuend mit den Jüngern, die er berufen, und betete und predigte auf den Bergen und an den Ufern des Sees Genezareth, fern abgerückt von Jerusalem und dem politisch ehrgeizigen Fanatismus des jüdischen Kernlandes; denn Galiläa liegt von Judäa durch die nur halbwegs jüdische und stark hellenisierte Landschaft Samarien völlig abgetrennt. Mit um 413 so offenerem Auge sah Jesus von dort auf das irrgläubige und auf das heidnische WesenJesus hat zunächst gewiß den Juden seine Lehre bringen wollen, aber er hat in keinem Fall, wo Nichtjuden die Grenze überschritten und ihn um Hilfe ansprachen, die Hilfe nicht gewährt. Nach Matthäus 10, 6 f. hat er die Mission bei Heiden und Samaritern allerdings anfangs nicht gewollt. Er ist aber angesichts des Widerstandes, den er bei den Juden fand, bald andern Sinnes geworden. Zeugnis dafür sind nicht nur Stellen wie Markus 16, 15; 13, 10; 14, 9, sondern vor allem beweist dies die Gleichnisrede bei Markus 12, 1–9 vom Weinberg, den der Herr »andern« gab, da die bisherigen Weingärtner sich ins Unrecht setzten und gar seinen Sohn umbrachten. Daß die Parabeln zu dem sichersten und bestüberlieferten gehören, was wir an Reden Jesu besitzen, hat A. Jülicher »Die Gleichnisreden Jesu« dargelegt (daselbst I S. 164 zu Markus 12). Das »Gehet hin in alle Welt«, das man den Auferstandenen sagen ließ, stimmt hierzu also auf das beste. Dazu kommt aber noch die Rede Johannes des Täufers (Matthäus c. 3 und Lukas c. 3), der der Judenschaft gleichfalls droht, daß ihr das Heil nicht zuteil wird; viel eher würde Gott das Wunder tun, dem Abraham aus den Steinen Söhne zu erwecken, d. h. viel eher würde er bewirken, daß das Himmelreich von Nichtjuden ererbt wird. – Daß diese Johannesrede der Hauptsache nach echt und authentisch, erkennt Ed. Meyer »Ursprung und Anfänge des Christentums« (1921) I S. 90 an. Nicht zustimmen kann ich dagegen, und dies möchte ich hier noch kurz ausführen, wenn Meyer S. 84 bezweifelt, daß vor dem Beginn der Lehrtätigkeit Jesu zwischen ihm und Johannes irgendeine Beziehung bestanden haben könne, eine Beziehung, die bezeugt ist, wenn Johannes sagt: ein Größerer wird nach mir kommen. Mir scheint es vielmehr ganz begreiflich und durch die Verhältnisse gegeben, daß die beiden Seelsorger sich schon früher berührt haben. Oder soll man glauben, daß Jesus vom 15. bis zu seinem 30. Lebensjahr als τέκτων in seiner engen Heimat wirklich nur Häuser gebaut oder in der Zimmererwerkstatt gestanden habe, um dort dann plötzlich als Lehrer aufzutreten? Menschlich betrachtet, war für ihn eine lange hochgeistige Vorbereitung, durch Lesung der Schriften, innere Gedankenarbeit und vor allem durch Beobachtung der Umwelt notwendig. Daher kommt es, daß seine Mutter und Geschwister sich hernach über ihn verwundern und ihm völlig fremd geworden sind, ihn nicht verstehen und gar für irr halten. Das beweist – trotz Lukas 2, 51 –, daß Jesus längere Zeit von Nazareth fern, also doch wohl vor allem in Judäa gelebt und dort – trotz Evang. Joh. 7, 15 – Schrifttum getrieben und zugleich die neue Orthodoxie des Pharisäertums aus dem Grunde kennen gelernt hatte. Seine Person hatte sich dabei völlig verändert. Warum aber begann dann Jesus dreißigjährig nicht in Judäa, sondern in Galiläa seine Wirksamkeit? Weil er hier Jugendfreunde hatte und Männer unter ihnen zu finden wußte, auf die er sich als seine Jünger von vornherein sicher stützen konnte; vgl. das ἐγὼ ἐξελεξάμην ὑμᾶς, Evang. Joh. 15, 16. Denn es ist wiederum notwendig anzunehmen, daß er – trotz Evang. Joh. 1, 37 ff. – die Charaktere und Befähigung des Petrus und der anderen schon lange vorher erprobt hatte, bevor er sie berief. Hiernach scheint es mir nun aber auch ziemlich selbstverständlich, daß in jenem kleinen Lande der ältere Johannes damals auf den jüngeren Jesus früh aufmerksam wurde und daß er dabei die Tiefe seiner Seele, die Größe seiner Denkungsart, die Höhe seines ethischen Standpunktes, das völlig Neue, das sich in ihm vorbereitete, begriff oder ahnte, ohne doch sich selbst ihm angleichen zu können, und man darf daher die Verkündung Jesu aus des Johannes Munde gewiß für ebenso echt halten wie des Johannes Rede von der Verwerfung des Judentums. Wenn die Erzählung, die dicht daneben steht, vom Satan, der in der Wüste Jesum versucht, Mythus ist, so beweist das nicht, daß auch die Taufe Jesu durch Johannes dasselbe sein muß., das sein Heimatgelände rings umgab. Er durfte den Samariter preisen, der da anders als das Pharisäertum den rechten Herzschlag für seinen Nebenmenschen hat. Auch seine Jünger waren vorwiegend Galiläer. Der griechischen Sprache war er mächtigDaß Jesus auch griechisch sprach, beweist schon sein Gespräch mit Pilatus; ebenso das Gespräch mit der Griechin im Markus 7, 26 (vgl. Von Homer bis Sokrates S. 468). Daß griechische Philosophie in Judäa eindrang, läßt sich nicht nachweisen, wohl aber geschah dies mit der griechischen Sprache und Schrift; das beweisen allein schon die häufigen griechischen Eigennamen; s. J. Wellhausen, Israelitische u. Jüdische Geschichte S. 256. Ich erinnere noch an die griechischen, im freien Ionicus abgefaßten, erotischen Lieder, die inschriftlich in Judäa gefunden sind (Crönert im Rhein. Museum 64 S. 433 ff.).. In den heiligen Büchern seines Volkes belesen wie der beste Schriftgelehrte, stand er doch seelisch hoch erhaben über dem Pharisäertum, dessen Getriebe er lange abwartend zugeschaut. Da hatte sich in seiner Hand das Buch des Propheten entrollt, er hatte die Verkündigung Daniels gelesen und darin sich selbst und seinen Gott erkannt. Die Berufung kam ihm aus der Höhe, die Berufung, des Menschen Sohn, d. h. der echte Mensch zu sein, der der Erdenwelt das Himmelreich brächte. Sein Ich wurzelte ganz in Gott; aus dem starken Kontakt mit ihm zog er überströmend mit liebenden Herzen Willenskraft, Machtgefühl und den Glauben an das Wunder, der ihm selbst Wunderkräfte verlieh, und er fühlte sich nun als Gottes Sohn, ein Erbe der Allmacht, nicht aber, daß er sich dienen lasse, sondern er diene der Mitwelt bis in den Tod.

Die Verheißung des Prophetenbuchs lautete dahin, daß des Menschen Sohn Herr sein solle über alle Völker und Länder; das war es, worauf somit die Juden, die Jesus umgaben, voll Rassenehrgeiz hofften und harrten: den jüdischen Priesterstaat unter eines Messias Führung siegreich über die Erde auszubreiten, d. h. Roms Reich in Asien zu zertrümmern. So rief denn das Volk hoffend und huldigend hinter Jesus her, als er in Jerusalem einzog: »gelobet sei das Reich unsres Vaters David«, als wäre er der aus Davids Samen entsprossene gottgewollte König der Juden. Es war ein großes Mißverstehen. Jesus widersprach nicht – die Menge läßt sich nicht überschreien –, aber er streckte die Arme seiner Seele über die Wolken und wußte: mein Reich ist nicht von dieser Welt. Sein Leben war nicht nur Lehre und Gebet, nicht nur Lieben und Vergeben, sondern auch Kampf, ein tödliches Ringen. Er kämpfte wider die Orthodoxie der Selbstgerechten in der Tugend, gegen die Leute, die da aus Feigheit 414 und Angst vor dem Gericht das frische warme Leben im armseligen Werkdienst vergeuden. Als er streitbar und in gerechtem Zorn, er, der eine wider die vielen, die Krämer, die da ihre Ware zum Werkdienst feilboten, aus dem Tempel der heiligen Stadt jagte, gab es hellen Aufruhr. Er verfiel als des Aufruhrs Urheber dem Gericht der römischen Staatsgewalt und wurde gekreuzigt als politischer Frevler, da man ihm die Frage »bist du der Juden König?« stellte und errätselnd und für den Profanen unverständlich das »du sagst es« sprach. Das Mißverstehen blieb. Aber in den Herzen seiner erlesenen Jünger war er zu einer Macht geworden, und sie erhoben sich zur Größe und zu dem kühnen Werk der Verkündigung und begannen sogleich planvoll die Mission; sie ging alsbald über Palästina hinaus, und die ferne Welt hörte von Stadt zu Stadt bis nach Rom von ihm, dem Sohn Gottes, der vom heiligen Windhauch (Pneuma) gezeugt, dem Satan, dem Versucher, widerstanden und gestorben und auferstanden und zum Himmel erhoben, der Wunder über Wunder getan und in Sprüchen, Streitreden und Gleichnissen, wie noch kein Ohr sie gehört, die helfende Liebe gepredigt und das Erbarmen und dazu einen Gottesdienst ohne äußerliche Gebärden (denn Jesus betete nicht in Tempeln, von Menschenhänden gemacht) und der, er selbst, als Richter wiederkehren würde am jüngsten Tag, bald, bald, in seiner Herrlichkeit, um endlich in die Trübnis der verwahrlosten Erdenwelt das Himmelreich zu bringen, das Gottesreich des Guten und Reinen hernieder zu ziehen in die Menschenherzen. Und man erzählte mehr: der Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste verhüllte, zerriß, da der Mann der Wunder am Kreuz verlechzend das Haupt zum Tode neigte, und der Erdgrund bebte und die Toten standen auf aus ihren Gräbern, und als auch er selber auferstanden, sandte er die Jünger, denen er im verjüngten Leibe erschien, hinaus, um das Wort zu bringen allen Völkern.

Das Gerücht von Auferstehungen drang sogar bis zu Plinius; er weigert sich aber darüber das Genauere mitzuteilen, da er nur Naturgeschichte schreibePlinius n. Hist. VII 179..

415 Aber auch Paulus, ein römischer Bürger jüdischen Blutes aus der Stadt Tarsus in Kleinasien, also nicht Galiläer, ein Mann, der voll eingelebt war in die Bildungsbereiche des Weltgriechentums (denn in Tarsus blühte das hellenistische Gelehrtentum wetteifernd mit Alexandrien), auch dieser Paulus wurde visionär zum Aposteldienst berufen, und allen Rassenehrgeiz von sich werfend zog er aus, um die frohe Botschaft von Stadt zu Stadt zu bringen. Allerorts wurde bei der Mission, die rasch und planvoll weiterging, an die jüdischen Gemeinden in der weiten Diaspora angeknüpft;Noch im 2. Jhd. n. Chr. schien in Rom die christliche Gemeinde mit der jüdischen eng verwachsen; s. Charakterbilder Spätroms³ S. 458 Anm. 57. aber auf die Nichtjuden zielte die Predigt; denn nur bei ihnen, den Völkern hellenistischen Geistes, war für die neue freie Menschheitslehre der rechte Boden und offnes Feld; sie hatten gleichsam wie jener Joseph von Arimathia, der des Leichnams Jesu wahrnahm, auf das Reich Gottes gewartet.

Lichtreligion! In der Ethik gibt es nur Licht oder Finsternis, keine Dämmerung. »Ich bin das Licht der Welt«, und »wer Arges tut, der haßt das Licht«, sagt Jesus, und »die Finsternis wird überwunden«, so verkündet Paulus den Korinthern2. Corinther 4, 6.. Was vom Sonnenland Baktrien her unter Zarathustras Namen wie ein phantastisch zeitenfernes Märchen klang, war nun greifbare Wirklichkeit. Man hatte den Erlöser, den so lang verheißenen, nun endlich auch wandeln sehen. Die Worte, die er gesprochen, wurden alsbald in der natürlichen Volkssprache aufgeschriebenDiese Reden wurden hernach den Evangelien in verschiedener und freier Weise einverleibt und sie müssen unmittelbar nachgeschrieben worden sein, so wie es mit lehrhaft gehaltenen Gesprächen stoischer Richtung gleichfalls geschah (s. Horaz Sat. II 3, 34). Jesu Jünger müssen, wie auch andre Anzeichen ergeben, mit dem Schreibgeschäft durchaus vertraut gewesen sein. Daß die Parabeln am meisten die persönliche Note Jesu tragen, ist oben gesagt. Sie bilden in der Weltliteratur eine besondere Gattung des Lehrgedichts, den äsopischen Fabeln verwandt, aber ihnen an dichterischem Werte überlegen. Mit ihnen vergleichen läßt sich die Parabel bei Teles p. 8 ed. Hense vom Diogenes, der einen Reichen durch die Stadt führt und in den Geschäften nach den Preisen fragt; eine Erklärung wird dort hinzugefügt. Auch schon die Geschichte vom Mantel in der Odyssee 14, 483 ff., ist eine Gleichnisrede; vgl. ebenda v. 508. Unbegreiflich aber scheint mir, wie man die Gleichnisreden Jesu für Improvisationen halten kann, die im Gespräch oder im Fluß der Rede entstanden. So meisterhafte und pointierte Dichtungen lassen sich, wenn wir menschliches Maß anlegen, keinesfalls aus dem Stegreif schaffen (anders Jülicher I, S. 114). Auch die äsopischen Fabeln sind sicher nicht in dieser Weise entstanden. Nur nach sorglicher Meditation kann Jesus sie vorgetragen haben, wo sie ihm dienlich schienen; dasselbe gilt vom »Vaterunser«; und er hatte zur Meditation in den zehn Jahren vor dem Beginn seines Auftretens ja Zeit genug. Jesus als Parabeldichter müßte in unsre Literaturgeschichte aufgenommen werden. Vgl. hierüber mein Buch »Menedem der Ungläubige« S. 371. – Das hier in den Anmerkungen 70 und 76 Vorgetragene sieht noch von der kritischen Analyse der synoptischen Evangelien ab, die von dem zum »Christus« gewordenen Jesus den echten Jesus zu sondern sucht und die in scharfsinniger Weise neuerdings von L. v. Sybel in den Theolog. Studien u. Kritiken Bd. 100 S. 362 f. zum Vortrag gekommen ist. Müssen wir ihr folgen, so würden viele der schönsten Gleichnißreden nicht von Jesus selbst, sondern von Mitgliedern der ersten Christusgemeinde stammen; auch könnten danach Johannes des Täufers Worte von dem Größeren oder Stärkeren, der nach ihm komme, doch nicht echt sein., und sie klangen so schön und neu, klar faßlich und stark und schlagend wie nichts anderes.

Begreifen wir nun und nach allem, was ich vorausgeschickt, daß die propagandistische Predigt, die nur mündlich geschahAuch Paulus legte nicht auf seine Briefe, sondern nur auf seine mündliche Predigt Wert; vgl. 2. Cor. 3, 6 f.: »Der Buchstabe tötet«., weithin durch Kleinasien, in Korinth, in Mazedonien, in Alexandrien wie in Rom unmittelbar wirkte und die unteren Volksmassen vielfach geradezu spielend gewann? Die Gottesferne war vorüber. Hier war nicht nur Gottesnähe, sondern Gotteskindschaft; eine Lehre, nicht für die Weisen, sondern für die TorenPaulus, 1. Corinther 1, 19 f..

Die Herden sind es, die den Hirten brauchen. Christus war der Seelsorger der Majoritäten. Die Arbeiterbevölkerungen in den 416 Großstädten wurden zuerst gewonnen. An das Gesinde wandte sich PaulusSiehe 1. Corinther 1, 11 u. 16.. Auch in der lateinischen Stadt Rom waren unter den Sklavenschaften massenhaft griechisch redende Asiaten, deren Psyche dem Gedankenleben des Orients immer weit offen stand. An die Massen der Bedürftigen, der kleinen Leute, vor allem an die Unfreien, auf denen die Roharbeit des antiken Kulturlebens lastete, an die Millionen der bisher geistig Unversorgten wandte sich das neue Evangelium: »selig sind, die da geistig arm sind. Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet«. Das gewann jene Majoritäten, die nicht wissen, sondern glauben wollen, nicht begreifen, sondern schauen, die nicht Strenge, sondern Milde und eine elastische Ethik brauchen, die endlich auch die ständigen Unkosten im Gottesdienst nicht wollen, sondern sorgenlosere Andacht. Das führte in den Quartieren der Großstädte rasch zu einem engen Zusammenschluß derer, die bisher im Großbetrieb der Geisteskultur wie Stiefkinder seitab standen: Gemeinschaftsleben, VerbrüderungDie Idee der Verbrüderung war übrigens auch cynisch; in diesem Sinne äußerte sich Zeno in seiner Politeia.; das Kreuz die Erkennungsmarke. Die Gottes und Menschenliebe war das neue Gebot, und der Glaube sicherte die Seligkeit.

Welcher Glaube? Es war ein Glaube, der alle andern überbot. Sündenvergebung. Welche Entlastung! Jesus kann die Pharisäer, er kann die Orthodoxen, er kann die Gerechten und Tugendstolzen nicht brauchen. Mit den Gewinnlern, den Zöllnern hatte er sich zu Tisch gesetzt, und die Sünderin mag nunmehr sich aufrichten. Wo Reue ist, da ist Schulderlaß. Das Leben fleckt zwar, und wer berufsmäßig im gemeinen Getriebe steckt, den springt aus allen Winkeln spukhaft die Sünde an. Wer ist wach genug, sich ihrer zu erwehren? Nun aber hieß es: das Opfer Jesu wäscht sie hinweg. »Gott sei mir Sünder gnädig«, betet der ZöllnerLukas 18, 13., und Gott wird ihn erhören. Die Stoiker und Platoniker wußten von Vergebung nichts; sie verwarfen sie; denn für sie war die Tugend ein Wissen und ein Können. Für die Laien der Tugend war jetzt das Christentum gekommen.

Und nun hieß es gar: »Jesus ist für dich gestorben«, ein Ersatzopfer, an das Jesus selbst gewiß nicht gedacht hatte. 417 Darin unterschied sich seine Gestalt von der Zarathustras: Zarathustra schritt durch kleine Leidensstationen in den Tod.

Und was ist endlich die Liebe zu Gott? Auch hierbei dürfen wir nicht an Plato zurückdenken, der von solcher Liebe gleichfalls redete. Bei Plato aber steht der »Eros«, im Evangelium dagegen die »Agápe«Matthäus 22, 37.. Wir übersetzen beides mit »Liebe«, und das führt irre. Der fromme Athener meint die brünstige Hingabe des Ichs, das sich selbst verliert in den Gegenstand seiner Liebe. Christus meint nur die schlichte Verwandtenliebe und Pietät, die Kinder und Eltern verbindet; denn Gott ist eben unser Vater, und die Gotteskindschaft spricht auch hier. Nur an sie ist gedacht, und jedes pantheistische Verschwimmen des Ichs, jede mystische Versenkung in das Wesen des Urgrunds aller Dinge liegt der Forderung, die die christliche Lehre stellt, völlig fern. Alle Mystiker sind viel mehr Orphiker und Platoniker als Christen.

Dies die Lehre. Vielleicht sollte man nun glauben, daß es wie ein lachender neuer Frühling über die Erde und durch alle Herzen ging. Aber hinter der freundlichen Lehre stand die Drohung: bereitet euch! der jüngste Tag ist nahe herbeigekommen! Heulen und Zähneklappern wird in der Hölle sein! und die gläubig Gewordenen harrten von Jahr zu Jahr auf den Richter in den Wolken mit Angst und Zittern. Die Superstition war groß in jenen Südländern und der scheue Glaube an das Wunder. Das Unerhörte schien jetzt das Alltägliche. Um so enger schloß man sich zusammen.

Die Befreiungstat Jesu schien vergebens; denn ein neuer Zwang bereitete sich vor, der Glaubenszwang.

Das Vereinswesen hatte sich im griechischen Bürgerleben längst entwickelt. So organisierten sich nun auch die christlichen Gemeinden in den Städten auf das geschickteste, in sich abgeschlossen, aber werbefähig, nirgends rascher als in Kleinasien, auffallend früh aber auch in Rom. Nicht der Heidenapostel Paulus, sondern die sogenannten Judenapostel vollführten weitsichtig das Wichtigste, die Gründung einer römischen Gemeinde.

418 Dabei wurde die Volkspredigt, die bei den Griechen bisher nur die Cyniker ausübten, eingeführt. Ja, diese Predigt wurde zum Bestandteil des Gottesdienstes erhoben, bis zum Zungenreden der Verzückten; nichts wirksamer als das. Wie Grundwasser stieg die neue Lehre, die zukünftige Weltreligion, hoch, um im Zeitraum von wenigen Jahrhunderten das ganze Leben zu überfluten. Von den Dienenden stieg es in den Familien zu den Hausherrn hinauf und weiter zu den Spitzen der Gesellschaft und in die Kreise der Hochgebildeten. Die Geschlossenheit der Christenheit blieb; es entstand ein Priestertum und eine von Priestern geführte Kirche, als Staat im Staat, eine der größten Schöpfungen der Antike, und sie war es, die allmählich sich das römische Weltreich mitsamt dem Kaisertum unterwarf. Den Abschluß gab Augustinus, als er im 5. Jahrhundert n. Chr., da schon die Vandalen gegen Afrika anrückten, seinen »Gottesstaat« schrieb.

Damals ist das Christentum unmittelbar zu uns Germanen gekommen, diese so völlig exotische Religion, die ihrem Wesen nach aus Baktrien, aus dem fernsten Hochasien stammte. Sie kam mit ihren Dogmen, mit ihrer Ethik; aber wir vergessen nicht, daß die reiche griechische Philosophie der Kirche hat helfen müssen, um in aller Sorgfalt die Dogmatik zu bauen, die Ethik auszubilden, und vieles von dem, was einst Plato und Aristoteles, was die Stoa gewirkt hatte, blieb auch für die Christen unverloren.

Aber die Kirche brachte uns noch mehr: den Ritus und Dienst der äußerlichen Gebärden; kein Gepränge prangend genug. Und auch Christus selbst genügte nicht. Bald genug hatten die Madonna und die Heiligen sich die Altäre in den Gotteshäusern erobert. Das war nicht Polytheismus, aber ein Polytheismusersatz, nach dem die Volksphantasie der Südländer triebhaft verlangte.

Und dies ist die Kirche, die uns noch heute umfängt; ganze Völker hat sie in ihre Hürden eingefangen. Aber sie ist nicht das Himmelreich, das Jesus verheißen; auch Augustins idealer Gottesstaat war nicht die Kirche, und wir beten auch heute noch täglich das »dein Reich komme« umsonst. Dieselbe Kirche ist es heut, die die Sünden vergibt in Gottes Namen. Ob sie damit die Sitten der 419 Völker gebessert hat? Die Antwort auf solche Frage verstummt in uns, als fürchte sie zur lauten Anklage zu werden.

Mag es mit ihr stehen, wie es will: es ist gut, immer noch auf Jesus selbst zu schauen. Es ergreift die Seele in ihren Grundfesten, wenn in unsern Domen Sebastian Bachs Orgel aufrauscht und wir die Passion neu erleben und die Altstimme klagend das »O Golgatha« über die Gemeinde ruft und wie aus Wolken hoch über dem schwer wuchtenden Doppelchor das Lied vom Lamm Gottes ertönt: »o Lamm Gottes, unschuldig am Stamm des Kreuzes geschlachtet«. Der Deutsche ist es, der diese Stimmungen in brünstiger Andacht am tiefsten empfindet; denn er hat für sie die wahrhaftigste Tonsprache gefunden. Aber es ist nicht nur die Passion Jesu, der wir heute nachzusinnen haben. Denn wir Deutsche stehen als Volk mitten im feindlichen Leben, und die Not bedrängt, wie nie, unser Vaterland, und der Haß und Neid der Nachbarvölker will uns in Ketten legen, und die Vaterlandslosigkeit im eignen Hause zehrt schmählich an unsern Kräften. Denken wir an Michael, den Erzengel, der im Buch der Offenbarung Johannis den Drachen tötet. Gleiche ihm, mein deutsches Volk. Wie oft ist an dich schon dieser Ruf ergangen! Es ist ein Symbol, das durch die Jahrtausende zu uns wandert. Stelle dich neu in das Sonnenbad des Heiligen und werde wieder würdig für das Gottesreich des Lichts zu kämpfen, indem du dich selbst befreist.

Wir sind freilich keine Heiligen; aber es ist ein Trost, daß sich der Ruf Jesu nur an die Laien in der Tugend und nicht an die Gerechten wendet. Jesus selbst war ein Feuergeist, und er fordert nicht Flucht aus der Welt, sondern mannhaften Sinn und echte Leidenschaft von seinen Jüngern. Er selbst suchte den Konflikt und trieb mit Geißeln die Wechsler und Krämer aus dem Tempel. Sein Reich war nicht von dieser Welt; aber er sagt: »wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener sollten darum kämpfen«Joh. 18, 36. Vgl. hierzu meinen Aufsatz: »Was heißt: ›liebet eure Feinde?‹«, der ursprünglich in der »Christlichen Welt« erschienen, in meinem Buch »Vom Krieg umgeben« (1915) S. 119 ff. wieder abgedruckt ist.. Seine Diener sollten es. Vergessen wir es nicht. Es ist nichts Weichliches in dieser hoffnungsfrohen Lichtreligion. Das Weltreich Roms, das einst alle Völker entwaffnete und in dem Jesus ins Leben trat, existiert nicht mehr. Träte heut aus 420 des Himmels Wolken des Menschen Sohn in unsere waffenklirrende Gegenwart und in die Niederung dieses durch Nationalfeindschaft zerrissenen Völkerlebens, des könnten wir gewiß sein: er würde segnend über jede Nation die Hände heben, die da, Mann an Mann geschlossen und mit Hingabe ihrer letzten Kraft, für Haus und Herd und für ihre Ehre kämpft. Denn unser Reich ist von dieser Welt. Wer Pazifist ist, ist Epikureer, eine gute Schule für den Kämpfer dagegen ein richtig verstandenes Christentum.

* * *

Doch wozu hier diese Töne? Der Zweck dieses Buches ist ohne sie erfüllt, und der Vorhang mag fallen, da die Darstellung zu Ende ist.

Dies Buch wollte zeigen den ersten Vollsieg der internationalen Idee oder des Kosmopolitismus in der Weltgeschichte, der programmäßig den Nationalismus zu Boden tritt; es wollte zeigen den Untergang des begabtesten Volkes der Vergangenheit, das da zuerst den Staatsgedanken und alle politischen Theorien entwickelt hat und doch, in den Kampf ums Dasein geworfen, schmählich scheiterte. Unendlich schöpferisch und geistverschwendend lebte es sich aus, jenes Griechenvolk, aber nur seinen Talenten ergeben, durch den Konkurrenztrieb haltlos auseinandergerissen und in hundert Parteien und Sektierungen zerspalten, bis es, politisch entmündigt, das Recht auf Selbstbestimmung verlor und, immer noch hochgeistig arbeitend und fruchtbar erfinderisch, als Dienervolk für die Zwecke der Fremdherren lebteWie das Römertum sich die geistige Arbeit der Griechen dienstbar machte, ist in meinen Büchern über Rom, insbesondere in meinem »Kulturleben der Griechen u. Römer« zur Darstellung gekommen., die da wußten, daß die Freiheit nur da ist, wo die Macht ist»Freiheit ist bei der Macht allein«: Schiller in Wallensteins Lager Vers 1023..

Nicht der Druck der Massen aber, die großen Tatmenschen und Inhaber der Macht allein sind es gewesen, die damals, ob zum Heil der Menschheit oder nicht, das völkernivellierende Programm verwirklicht haben, das dem Gehirn staatsgeschäftsfremder Weltbeglücker und Ideologen entsprungen war.

 


 

Anmerkung über Alexanderbildnisse

In Betreff der erhaltenen Alexanderbildnisse verweise ich auf Fr. Koepp »Alexander der Große«, J. J. Bernoulli »Die erhaltenen Darstellungen Alexanders des Großen« und M. Bieber im Arch. Jahrbuch 40 (1925) S. 167 ff. Nur ein Alexanderkopf, die sog. Azaraherme in Paris, ist durch Namensbeischrift hinlänglich gesichert; dazu kommen die Münzbilder. Bei allen andern Darstellungen sind wir auf Vermutungen, die allerdings oft einen hohen Grad von Gewißheit erreichen, angewiesen. 501 Am sichersten ist da die Deutung des Alexandermosaiks Pompejis, sowie des behelmten Kopfes, der von M. Bieber besprochen ist. Bernoulli verhält sich bei der Beurteilung der Bildwerke skeptischer, als mir richtig scheint. Sein Zweifel regt sich besonders da, wo die Andeutung der Königsbinde fehlt; gewiß mit Unrecht. Denn schon jenes Alexandermosaik zeigt uns den König ja barhäuptig ohne Binde in der Schlacht (er hat im Kampf den Helm verloren; s. oben S. 120; vgl. dazu Labienus capite nudo im Gefecht, im Bellum Africanum c. 16); im übrigen ist auf die Tatsache aufmerksam zu machen, die Plutarch im Antonius c. 54 erwähnt, mazedonische Sitte sei, daß der König das Diadem um den Hut trage. Wo also der Hut fehlt, kann auch das Diadem fehlen, wie dies ja auch das Mosaik zeigt; anders freilich die herkulanensische Reiterstatuette bei Koepp Abb. 2–4.

Einer etwas eingehenderen Besprechung möchte ich hier nur die bekannte Alexanderstatue in der Münchener Glyptothek (Koepp Abb. 5, Bernoulli Fig. 10) unterziehen, die ohne Frage ganz unrichtig ergänzt ist und infolgedessen bisher entweder gar nicht oder nicht richtig gedeutet wird. Ergänzt sind an der Statue das aufgestellte r. Bein mitsamt dem stützenden Felsblock, sowie beide Arme bis über den Ellenbogen hinauf. Trotzdem ist sicher und anerkannt, daß das r. Bein hochgestellt war.

Mit Recht sagt Bernoulli S. 48: »Die Arme gingen in ziemlich paralleler, nur leicht sich nähernder Richtung abwärts, um sich, wie es scheint, in der Gegend des rechten Knies in einer gemeinsamen Handlung oder in einem Motiv der Ruhe zu begegnen.« In Bezug auf dieses Motiv selbst aber verzweifelt er. Die Aufklärung jedoch gibt m. E. die Stellung des hochgestellten Beins, sodann das gewiß nicht zwecklose Vorhandensein der abgelegten soldatischen Rüstung, Harnisch und Schwert, und vor allem die Richtung des Kopfes. Diese Richtung beweist, daß der Dargestellte nicht etwa, wie man vorschlug, mit der Anlegung seiner Beinschienen beschäftigt war. Denn der Blick des Mannes sieht ins Weite.

Das Motiv des aufgestützten Fußes haftet sonst an Poseidon; so schon auf Vasenbildern (Mon. d. Inst. I 4, 14). In Alexanders des Großen Zeit selbst entstand die Poseidonstatue, die dies Motiv zeigte, die man dem Lysipp zugeschrieben hat (s. dagegen Bulle in Roschers Mythol. Lexikon III S. 2890) und von der die Kolossalstatue im Lateran eine Replik ist. Doch ist diese nicht ganz getreu; denn der lateranische Poseidon hält den Kopf zu sehr lässig vorgeneigt; die Münze des Demetrius Poliorketes dagegen, 502 die das Bildwerk wiedergibt, verrät, daß der Gott vielmehr spähend vorwärts schaute. Richtiger zeigt die Kopfhaltung also die Poseidonstatue von halber Lebensgröße in Dresden. Der Gott überschaut wach die Meeresweiten. Und dem entspricht nun der etwa gleichzeitig entstandene Münchener Alexander; auch er späht in die Weite angespannt hinaus.

Auf alle Fälle ist die Münchener Statue kein Bild in Ruhe, sondern in Aktion, sowie die reitende Statuette Herkulanums Alexander nicht bloß reitend, sondern als Reiter kämpfend und in Aktion zeigt, eine Momentaufnahme, ein Werk der Illustrationsplastik, und beide Stücke, die Alexander vorführen, zählen zu den dramatisch gedachten Bildwerken. Es frägt sich nur, welches Drama, welche Aktion der eigentümlichen Haltung des Münchener Alexander zugrunde liegt.

Die Historiker müssen uns Auskunft geben, und ich finde bei Curtius VIII 8, 2 folgende kurze Schilderung, die die trefflichste Hilfe bringt, als wäre sie zur Erklärung der Statue selbst geschrieben, da sie uns wirklich den spähenden Alexander zeigt; er hebt da den Vorhang seines Zeltes, der aus Fellen besteht, tut dies immer wieder und verbringt so wachend die Nacht, indem er die Wachtfeuer des Feindes unausgesetzt beobachtet und sich aus ihnen festzustellen bemüht, wie stark die feindliche Heeresmasse. noctem vigiliis extraxit saepe pellibus tabernaculi adlevatis ut conspiceret hostium ignes e quibus coniectare poterat, quanta hominum muiltitudo esset. So wachte er allein für sein Heer, das schlief, um Ausschau zu halten. Daß Alexander das nicht nur das eine Mal, sondern oft getan hat, zeigt Curtius IV 12 fin. u. IV 13, verglichen mit Arrian III 10 u. Plutarch Alex. 31.

Und dies eben ist m. E. dargestellt; es war denkwürdig genug, und der Künstler hat es verewigt; Alexander horcht hinaus und späht hinaus nach dem Feind. Weil es Nacht, hat er das Diadem, hat er die Waffen, Harnisch und Schwert abgelegt, welche Waffen trotzdem zur Verdeutlichung der Situation mit abgebildet worden sind. Wir hören ausdrücklich, daß Alexander seinen thorax nur selten trug und angeblich nur einmal, am Morgen vor der Schlacht bei Gaugamela, wirklich angelegt hat (Curtius IV 13, 25). Daher hebt er nun aber auch den Kopf in einer Haltung, die eben das Spähen in die Weite zum Ausdruck bringt, hebt daher auch aufstützend das Bein, ein Zeichen der Erregtheit; er möchte, wenn es anginge, sich noch höher aufstellen, um noch besser und weiter sehen zu können. Damit scheint mir alles erklärt. Ein historischer Moment von Bedeutung aus Alexanders Leben ist in dem Bildwerk festgehalten: Alexander wacht für sein Heer.

Die Faltung der Hände um das Knie ist, wie schon Bernoulli's Bemerkung nahe legt, durch die Richtung der Oberarme nahezu erzwungen, ein Motiv, das auch sonst belegbar ist; ich verweise auf das schöne Vasenbild eines Kraters 503 aus Caere (Mon. Inst. VI 26; Baumeister Nr. 781), wo es den vor Achill sitzenden Odysseus zeigt. In unserm Fall ist damit Sammlung ausgedrückt und die Tatsache, daß der Dargestellte in der Haltung, die er angenomen hat, längere Zeit beharren wird. So ergänzt sich die Münchener Alexanderstatue auf das natürlichste, in der Weise, wie es die hier beigegebene Skizze zeigt, die nach meinem Entwurf von Frau Prof. Frida Stengel gezeichnet ist. Über sonstige Figuren mit ineinandergelegten Händen, die eben gleichfalls geistige Sammlung ausdrücken, habe ich »Die Buchrolle in der Kunst« S. 100 gehandelt. Vor allem sei noch das Relief im Louvre, das Odysseus mit Tiresias darstellt (bei Baumeister Nr. 1255), verglichen, wo der hinhorchende Odysseus just so wie Alexander das eine Bein hochstellt und über dem Knie zwar nicht die Hände, aber die Unterarme kreuzt und aufstützt. Bei Frauen bedeutete das Händefalten über dem Knie etwas Ungünstiges; es diente dem venificium (Plin. n. hist. 28, 59).

 


 


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