Roland Betsch
Der Wilde Freiger
Roland Betsch

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14.

Paul Welker saß an seinem Schreibtisch und rechnete. Er führte einen erbitterten Kampf mit den größten Formeln, raufte sich mit Differentialen und Integralen, haderte mit Naturgesetzen und sann auf Erfolge. Stundenlang, bis in die tiefste Mitternacht hinein krümmte er den Rücken und suchte Lösungen. Schuf Gesetze, Formeln und Umwertungen. Schlug sich mit Zahlen wie mit Seeräubern.

Zahlen! Zahlen! Paul Welker erstickte in Zahlen.

In dicken Zigarrenqualm gehüllt, saß er steif wie eine Wachsfigur, wie ein Schatten im schweren, flutenden Nebel und verbiß sich in seine Rechnungen. Und er stand oft vor Lösungen wie vor einem mächtigen Tor, das mit den schwersten Riegeln verschlossen war. Er rüttelte, pochte, trat mit Füßen und rollte Felsen dagegen, aber es blieb verschlossen. Da plötzlich, als hätte er auf einen unsichtbaren Knopf gedrückt, öffneten sich rauschend die riesenhaften Flügel, federleicht, von unbekannter Hand geführt, und er stand im strahlenden Licht der Lösung. Wunderte sich über die Einfachheit der geistigen Riegel und schüttelte den Kopf.

Aber er war zufrieden und lehnte sich im Sessel zurück. Eine feine Falte kroch aus dem Mundwinkel. So saß er und dachte an seine Jagdmaschine. Sie war fertig, er hatte sie bereits geflogen, aber es mußten noch Verbesserungen vorgenommen werden. Allerhand Feinheiten waren noch auszugleichen.

Paul Welker dachte und grübelte bis in die geheimsten Fäden der Naturgesetze. Er konnte durch den Wald 150 laufen, planlos und ohne Richtung. Schlotternd, mit vorgedrückten Knien stolperte er über Steine und Baumwurzeln und jagte hinter einem Gedanken her, den er nicht einholen konnte. Der wie ein Irrlicht vor ihm hertanzte in krausen Zickzacksprüngen.

Er stieg nachts aus dem Bett, stolperte durch die Dunkelheit in die eiskalte Halle und zündete eine Petroleumlampe an. Stellte sich vor seine Maschine und schimpfte auf das tote Material. Riß an den Kabeln und drehte ohne Grund den Motor durch. Frierend stieg er hinein und handhabte die Steuer. Verstellte die Benzinhähne und pumpte Druck in die Tanks. Das geschah alles mechanisch, ohne inneren Befehl, gleichsam nur als äußere Verkleidung für seine Gedanken, die ihm durch den Kopf stürzten wie die Bergwässer. Unbestimmt fühlte er, daß alles falsch war, was er angenommen hatte. Es war zu krampfhaft, zu gesucht, zu unnatürlich ausgeklügelt. Es konnte so gar nicht gehen, es mußten andere Wege gefunden werden, denn hier lag ein Zwiespalt zwischen Theorie und Praxis, eine gähnende Kluft. Schwarz und voll brodelnder Nebel.

Die Verzweiflung packte ihn und die krankhafte Sucht nach großer Wahrheit und Außergewöhnlichem.

Mit hängenden Armen schlürfte er durch die Halle und trat unter die verschneiten Bäume.

Der See glitzerte, als ob er mit Diamantsplittern übersät wäre. Strahlte er nicht wie ein Kindermärchen, wie ein hoffnungsreicher Traum? Aber über den See rauschten die Prüfstände. Zum Ekeln war es. Tag und Nacht der widerwärtige Klang. Zum Ekeln.

Paul Welker ging auf den See und dachte an Herta Land. Er hatte sie nicht wiedergesehen. Eine Nacht des Rausches war es gewesen, und sie war verklungen wie eine Sinfonie mit kraftgeschwellten Akkorden und farbengeschmückten Modulationen.

Das Rätsel dieser Nacht war noch nicht gelöst. Wann geht der Vorhang hoch? Wann beginnt das Spiel?

151 O, ich warte darauf! Ich warte darauf, Herta Land!

Sein Bruder hatte sie festgeschmiedet, das wußte er. Paul Welker kannte seinen Bruder und ahnte Herta Land.

Er ging nach Haus und suchte. Suchte nach Unbekanntem und Formlosem. An den Schritten zählte er sein Schicksal ab.

Müde und abgespannt ging er zu Bett und wälzte sich in ein wüstes Chaos von Träumen. Da ging ihm alles durcheinander. Er probierte seine Neuerungen am Motor, eine genaue Regulierung der Sauerstoffzufuhr mit wachsender Höhe. Sah seinen Bruder und rächte sich an ihm, weil er ihm alles, aber alles genommen hatte.

Ertrank in Zahlen und Gleichungen und schoß am kläffenden Nordost über das glasige Eis. Herta Land in den Armen. – –

Paul Welkers Flugplatz war nahe seiner Fabrik. Es war das alte Gebäude der ehemaligen Flugplatzgesellschaft, das auch früher von Hans Welker benutzt wurde. Aber der hatte längst einen eigenen Flugplatz in der Nähe seiner Fabrik, und die alte Grasnarbe war halb und halb verwildert. Nur Paul Welkers Maschinen gingen hier zum Start.

Die erste fahle Dämmerung des Dezembermorgens schlich über den grauen Schnee, da wurde seine Maschine zum Platz gerollt. Paul Welker flog jeden Morgen. In aller Herrgottsfrühe, wenn die anderen noch schliefen, kam er im dicken Pelz durch den Wald gelaufen, die Zigarre hing im Mundwinkel, und die Arme baumelten nach unten. Schweigend ging er um die Maschine, prüfte jeden kleinsten Teil, schob die Mütze über den Kopf und kletterte in den Führersitz. Peinlich untersuchte er die Steuer, zog und drückte, legte das Seitensteuer hart nach beiden Seiten und schaute nach der Verwindung. Keinen Hahn vergaß er, kein Manometer und keinen Zündapparat. Alles stimmte.

Er hob den Kopf und durchforschte das trübe Grau des erwachenden Morgens. Ein bitteres Gefühl, als ob das 152 alles zwecklos wäre, überkam ihn. So ärmlich, so hundsjämmerlich verlassen hockte er hier, und die beiden Monteure gähnten und pusteten in die rotgefrorenen Hände.

Paul Welker schüttelte den Kopf wie ein Schlittenpferd und kurbelte den Motor an.

Mit kurzem Start donnerte er in den schläfrigen Morgen. Er flog ruhig und sicher, aber nicht wie sein Bruder. Er flog mit Berechnung, gleichsam nach mathematischen Formeln. Jede Bewegung war bei ihm die Tatumsetzung einer vorausgegangenen Schlußfolgerung, die buchstäbliche Verkörperung eines Gedankens. Er war ein ausgezeichneter Flieger, der das normale Maximum an Leistung aus der Maschine herauspreßte, weil er das Ergebnis einer Steuerbewegung als unbedingt folgerichtige Erscheinung einer vorausgegangenen Ueberlegung erwartete.

Aber es fehlte ihm das fliegerische Individualempfinden, die Vogelähnlichkeit seines Bruders. Das rein gefühlsmäßige Fliegen blieb ihm verschlossen, und so konnte er auch seinem Bruder nie gleichkommen. Denn Hans Welker tyrannisierte die Maschine. Er peitschte sie wie ein Jockei sein Pferd. Er verlangte das Uebernormale und weckte schlummernde Kräfte und latente Leitungen.

Das war Paul Welker nicht möglich. So wie er dachte und überlegte, so flog er auch.

Wie leblos saß er in dem engen Sitz und stierte auf den Barographen. Verfolgte den Lauf des Schreibstiftes, der langsam und schwach zitternd nach oben schlich, interpolierte im voraus die Kurven und rechnete die Zeiten aus. Bis siebentausend stieg er ohne Sauerstoff. Dort merkte er einen Druck auf der Brust, der ihn zusammenschnürte, ein Klopfen in den Schläfen und Pochen in den Fingerspitzen.

Mechanisch griff er nach dem Mundstück. Er stieg in den grauen Nebel und verlor die Erde. Sein Orientierungssinn war meisterhaft ausgebildet. Stunden 153 flog er über geschlossener Wolkendecke und fand immer zum Platz zurück.

Paul Welker hat sich nie »verfranzt«.

In wachsender Höhe kam eine matte Ruhe über ihn. Die Gedanken, die ihn unten quälten wie Ungeziefer, wichen von ihm, starben ab wie vertrocknete Pflanzen, flüchteten vor den riesenhaften Höhen, die er einsam erklomm.

Eine kindliche Fröhlichkeit kam über ihn, wenn er in die Glut der aufgehenden Sonne strebte und die Erde vergaß, die endlos unter ihm lag, hinter ballenförmigen Schneewolken und schleichenden Nebelfetzen.

Da kam die Zuversicht, die menschenscheue, und schwebte lächelnd an seiner Seite. Nahm den Schleier vom Gesicht und zeigte Augen klar wie Quellwasser und ein Lächeln, heiter wie ein Sommertag. Er aber stärkte sich an ihr und griff mit hastigem Zittern nach ihrer Hand.

Der Motor sang, warm und weich wie eine Frauenstimme hinter Vorhängen.

Paul Welker war oben.

Er nahm das Gas fort und ging in einen sanften Gleitflug. Lautlos und nur für kurze Augenblicke Gas gebend, sank er in das endlose Meer der schlafenden Wolken, zertrümmerte ihre getürmten Formen, tauchte in das feuchte Grau und sah den See blitzen durch die webenden Schleier des sterbenden Morgennebels.

Schwerfällig stieg er aus der Maschine, nahm die Barographen und trottete wie ein Tier zwischen den Bäumen hindurch nach Hause.

Es war noch früh und der Wald wie ausgestorben. Aus der Halle drang das Klingen der Hämmer und das Kreischen der Sägen.

Er ging ins Wohnzimmer und setzte sich an den Frühstückstisch.

Die alte Stine Steffen schlürfte durch die Tür und zog den vertrockneten Kopf ins Genick. Sie lächelte um den schlaffen Mund und brachte den Kaffee.

Paul Welker pfiff und öffnete die Barographen.

154 In der Halle ließ jemand einen Motor anspringen.

Der Tag war aufgewacht. – –

Hans Welker wühlte sich um diese Zeit noch unter seiner seidenen Steppdecke und zog die Knie an den Leib. Am Kopfende des Bettes war ein Telephon angebracht.

Ein dringendes Ferngespräch rüttelte ihn aus dem Schlaf. Vielleicht mußte er heute noch nach Berlin. Oder nach München. Weiß der Teufel!. . . .

Es kam Wind auf in der Fliegerei.

Man munkelte.

Man wurde nervös und ängstlich.

In Speyer fand ein internes Probefliegen statt. Welche Maschinen flogen, wußte man nicht. Eine Abordnung des Luftministeriums sollte dort sein.

Hans Welker zog die neue Luft durch die Nase wie ein Spürhund. Baute man dort Jagdmaschinen? Natürlich! Was war denn das für eine verfluchte Geheimniskrämerei?

Kurt Seeberger ließ die Hosen aufbügeln, zog ein Paar neue Lackstiefel an und fuhr nach Süddeutschland. Im Speisewagen lernte er eine Dame kennen. Selbstverständlich! Er nahm sie mit. Warum denn so kleinlich sein! Sie hatte gefärbtes Haar und ihre dritten Zähne. Aber was man doch für ein Schwein hat! Kannte die doch tatsächlich den Chefpiloten von den Rheinischen Flugzeugwerken. Du kriegst die Motten! Kurt Seeberger schmunzelte und ging in Frankfurt mit ihr in die »Blaue Grotte«. Der Chefpilot hatte geplaudert und renommiert. Der Esel! Kurt Seeberger machte sich Notizen. Er wälzte den Mund, daß die Ohren abstanden und die grauen Augen sich wie Schnecken in die Gesichtsfalten verkrochen.

In Speyer erschien er. Nebensächlich, aber rein zufällig. Wie man doch in dieses gottverlassene Speyer kommt! Harmlos schlenderte er durch die Straßen, den Mützenschirm über die Augen gezogen, mit schlenkernden Schritten und schlotternden Hosenschläuchen. Ging ins Kaffee, aus reiner Langeweile, nur um die gottverdammte Zeit totzuschlagen.

155 Saß da nicht sein Freund, der Hauptmann Berger? Was sagt man doch! Wahrhaftig, da saß der Hauptmann Berger. »Elendes Nest hier, was, Herr Hauptmann? Bin nur auf der Durchfahrt hier und mache, daß ich schleunigst wieder an die frische Luft komme. Was, dienstlich sind Sie hier, Herr Hauptmann? Ach nee! So, so! Sagen Sie mal, können wir hier nicht den Abend zusammen umbringen, auf irgendeine anständige Weise? Man versauert hier ja buchstäblich in diesem Nest.« Es wurde ein recht fideler Abend.

Kurt Seeberger nahm den Nachtzug nach Frankfurt und startete mit dem Frühpostgroßflugzeug nach Berlin. Dort traf er Hans Welker. Er empfing ihn mit den gelben Zähnen.

Es kam Wind auf in der Fliegerei.

Die ausgesetzten Riesenpreise trieben zu einem hitzigen Endsport. Man kam schon bald ins neue Jahr. Die Zeit rückte bedenklich näher. Die Versuchsmaschinen wuchsen wie Pilze aus der Erde. Die Firmen versiegelten ihre Fabriken, schlossen die Zeichnungen in die Kassenschränke und stellten Doppelwachen vor die Versuchsabteilung.

Es wurde von Albatros gemunkelt. Märchen wurden erzählt von sagenhaften Leistungen. Das war alles gelogen, alles Bluff und Reklame.

Hans Welker reiste mit der Internationalen Europäischen Luftlinie nach London und setzte sich unter die englischen Flugzeugindustriellen wie eine Trichine ins Fleisch. Er brachte mehr mit, als er gehofft hatte. Aus Amerika erhielt er Zeichnungen und Stöße von Versuchsergebnissen aus den Massachusetts Institutes of Technology. Pläne, Zeichnungen, Photographien, Neuerungen und Erfindungen schwirrten zu ihm.

Hans Welker aber holte zum großen Schlag aus und baute seine große Jagdmaschine. Mit zwölf Konkurrenzfirmen trat er zum Turnier an.

Unter den zwölfen war auch sein Bruder. – –

Das war Paul Welkers Schicksal. Er war für seinen Beruf nicht lebensfähig. Wie ein Bergmann war er 156 eingeschlossen, fern vom Getriebe der Welt, und fraß sich in das ordnungslose Labyrinth seiner überspannten Pläne. Lebte mehr in der Nacht als am Tage, eingehüllt in eine nebelhafte Daseinsferne und überzeugt von der Romantik seines Berufes, dem die Jagd nach Kapital doch schon längst den stimmungsvollen Schleier vom Gesicht gerissen hatte.

Was sein Bruder in überreichem Maße besaß, das fehlte ihm vollständig: die Erkenntnis der wichtigen Nebensächlichkeiten, der rechte Entschluß im rechten Augenblick, das spekulative Gefühl und die große Kunst, von sich reden zu machen.

Seine Entschlußfähigkeit war träge wie ein schwerer Lastzug und zu philosophisch, zu sehr von Gedanken gebannt. Er hatte zuviel Zweifel totzuschlagen, tappte fortgesetzt in einem schwankenden Dunkel. So waren bei ihm positive Erfolge eine Seltenheit, obwohl er geistig seinem Bruder bei weitem überlegen war.

Er war eine Natur, die sich selbst innerlich zerstörte.

Das war Paul Welkers Schicksal.

Er arbeitete, wenn andere Leute schliefen oder »Reklame tranken«. Er quälte sich mit unnötigen Lösungen, wenn er besser mit einigen, die was zu reden hatten, in eine Weiber-Bar gegangen wäre, und verzweifelte an einem Problem, das die Außenwelt schon längst als überflüssig erkannt und zu den Akten gelegt hatte.

Nur wenige Stunden hatte er für sich.

Da öffnete er feierlich die Tore der Vergangenheit und ließ die Festzüge aus verwelkten Zeiten bei sich einziehen. Empfing sie schweigend und mit einem herben Lächeln . . .

Anneliese hatte den Fischmeister geheiratet. Den Fischmeister drüben am See.

War das ein Märchen? Wer war Anneliese?

Da kam der Hochzeitszug. Bunte Bänder flatterten im Wind. Zwei tannengeschmückte Pferde mit haarigen Beinen und klobigen Schenkeln zogen den grün herausgeputzten Wagen. Hinterher polterte die Jugend. Sie 157 schwangen die Mützen, klapperten mit den Holzpantoffeln und jauchzten wie die Lerchen. Heißa, der Jochen knallt mit der Peitsche, und die Glocken läuten. Paul Welker aber war es, als müßte ihm das Herz springen.

Anneliese, ich hatte dich so sehr geliebt.

Ja, natürlich! Ich habe ja dann keine Zeit mehr gehabt für dich. Ich habe dich ja verkümmern lassen. Verdorren wie ein Blumentöpflein, das auf dem Kachelofen steht.

Anneliese hatte den Fischmeister geheiratet. Den Fischmeister drüben am See.

War das ein Märchen?

Anneliese, willst du eine Stunde mit mir kommen? Nur eine einzige, kleine, jämmerliche Stunde! Ich will zum Grab meiner Eltern. Du sollst mich dabei nicht allein lassen. Du sollst mich stützen. Ich falle. Bei Gott, ich falle!

In solchen Augenblicken war er wie ein kerzenstrahlender Weihnachtsbaum. Wie ein gottbegnadeter Schauspieler trat er auf die Bühne der Vergangenheit. Vom Rampenlicht beleuchtet, spielte er vor einer unbekannten Menge und wuchs zu riesenhafter Größe im Drange seines Herzens . . .

Oft hörte er eine geheime Stimme, der er nicht widerstehen konnte. Er hüllte sich in Pelze und trat vors Haus. Die Bäume bogen die Aeste unter der Schneelast, und der Wind strich um die Mauern.

Er takelte den Schlitten auf und raste über das Eis. Eine tolle Waghalsigkeit faßte ihn, eine Begierde nach Gefahrvollem.

Die Holzplanken stöhnten, und der Mast knirschte unter dem Druck des Segels. In wenigen Minuten jagten er über den See. Er suchte das Licht.

Und fand es.

Es blinzelte wie ein schläfriges Auge durch den Dunst.

Paul Welker drehte in den Wind, kletterte aus dem Schlitten und starrte in das Licht.

Lange stand er in der Kälte und dachte an seine Liebe. Formte sich all das Schöne zurecht, wie es hätte sein 158 können, wenn er nur gewollt hätte. Es war ein buntgeschmücktes Glück, das er durchlebte und zurückholte aus verrauschten Zeiten, ein weites Glück, reich und verschwenderisch, wie Kinderträume.

Aber dann versank alles.

Er suchte das flimmernde Licht, und fand es nicht.

Langsam ging er zum Schlitten und fuhr nach Hause. Setzte sich an den Tisch und rechnete. Ließ ein Armeekorps von Zahlen aufmarschieren und zog trompetenschmetternd ins Gefecht.

Oder er ging in die Halle und ließ mitten in der Nacht einen Motor anspringen, daß die alte Stine Steffen in den Kissen hochfuhr und den zahnlosen Mund aufsperrte.

Plötzlich fiel ihm ein, die Breite seiner Halle abzuschätzen. »Ich sage, sie ist vierzehn Meter lang. Wenn sie nicht mehr als vierzehn Meter ist, fliege ich morgen früh eine gute Höhe.«

Mit dem Zollstab prüfte er es gewissenhaft nach.

Wenn er recht hatte, freute er sich und war innerlich befriedigt und davon überzeugt, daß er morgen eine gute Leistung erzielen würde.

Wenn es nicht stimmte, lächelte er bitter, löschte die Lichter und polterte ins Schlafzimmer.

Das war Paul Welkers Schicksal.

Er paßte nicht in seine Zeit.

Er war steuerlos. 159

 


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