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Die Kunst, Opfer zu sein

Illustration: Bertall

Vom achtzehnten Brumaire an ergreift die besiegte Karoline ein höllisches System und bewirkt so, daß Sie fortan den Sieg bedauern. Sie wird die Opposition selbst! … Noch einen Triumph dieser Art, und Adolf wird vor dem Geschworenengericht angeklagt werden, wie Shakespeares Othello seine Frau zwischen zwei Kissen erstickt zu haben. Karoline setzt eine Märtyrerinnenmiene auf, sie ist von einer unerträglichen Unterwürfigkeit. Bei jeder Gelegenheit bringt sie Adolf mit einem »Wie du willst« voll entsetzlicher Sanftmut um. Kein elegischer Dichter könnte es mit Karoline aufnehmen, die eine Elegie nach der andern von sich gibt: Elegien in Taten, Elegien in Worten, Elegien im Lächeln, stumme Elegien, Elegien voll Schwung, Elegien in Gebärden. Es seien hier einige Beispiele wiedergegeben, in denen sich die Eindrücke aller Ehen finden werden.

Nach dem Frühstück

»Karoline, wir wollen heute abend zu den Deschars gehen, ein großes Abendessen, du weißt …«

»Ja, mein Freund.«

Nach dem Mittagessen

»Ja, Karoline, du bist noch nicht angezogen?« sagt Adolf, der prächtig gekleidet aus seinem Zimmer kommt.

Er sieht Karoline in einem Kleid aus schwarzem Stoff, der in der Taille übereinandergeschlagen ist, wie ein altes Prozeßweib. Blumen, mehr gekünstelt als künstlich, überschatten die vom Stubenmädchen schlecht zurechtgemachte Frisur. Karoline hat abgetragene Handschuhe an.

»Ich bin fertig, mein Freund …«

»Und das ist deine Toilette?«

»Ich habe keine andere. Eine neue Toilette würde hundert Taler gekostet haben.«

»Warum hast du es mir nicht gesagt?«

»Ich Ihnen die Hand reichen … nach dem, was geschehen ist!«

»Ich werde allein gehen«, sagt Adolf, der durch seine Frau nicht gedemütigt werden will.

»Ich weiß wohl, daß Ihnen das paßt«, sagt Karoline mit einem scharfen Tönchen, »man sieht das schon an der Art, wie Sie sich angezogen haben.«

Elf Personen sind im Salon, alle von Adolf zum Mittagessen geladen; Karoline ist da, als ob ihr Mann sie eingeladen hätte: sie wartet, daß das Essen aufgetragen wird.

»Gnädiger Herr«, sagt der Kammerdiener leise zu seinem Herrn, »die Köchin weiß nicht, wo ihr der Kopf steht.«

»Warum?«

»Der gnädige Herr hat ihr nichts gesagt; sie hat nur zwei Vorspeisen, Rindfleisch, ein Huhn, einen Salat und Gemüse.«

»Karoline, haben Sie denn nichts befohlen? …«

»Wußte ich, daß du Gesellschaft hast, und kann ich mir übrigens erlauben, hier zu befehlen? … Du hast mir in dieser Hinsicht jede Sorge abgenommen, und ich danke Gott alle Tage dafür.«

 

Frau Fischtaminel erwidert Frau Karoline einen Besuch: sie findet sie hüstelnd und arbeitend, den Rücken über einen Stickrahmen gebeugt.

»Sie sticken da Pantoffeln für Ihren lieben Mann?«

Adolf hat sich patzig vor den Kamin gestellt.

»Nein, Madame, das ist für einen Kaufmann, der sie mir bezahlt; wie den Galeerensträflingen gestattet mir die Arbeit, mir kleine Annehmlichkeiten zu bereiten.«

Adolf wird rot: er kann seine Frau nicht schlagen, und Frau von Fischtaminel blickt ihn an, als wollte sie sagen: Was bedeutet das?

»Sie husten viel, meine liebe Kleine!« sagt Frau von Fischtaminel.

»Oh!« antwortet Karoline, »was liegt mir am Leben!«

 

Karoline sitzt auf ihrem Kanapee mit der Frau eines Ihrer Freunde, an deren guter Meinung Ihnen äußerst gelegen ist. Hinten in einer Fensternische, wo Sie unter Männern plaudern, hören Sie nur aus den Lippenbewegungen die Worte: »Der Herr hat es gewollt!«, ausgesprochen mit dem Ausdruck einer jungen Römerin, die in den Zirkus abgeführt wird. Tief gedemütigt in all Ihrer Eitelkeit, wollen Sie bei diesem Gespräch zugegen sein und zugleich Ihren Gästen zuhören. Sie geben infolgedessen Antworten, auf die man erwidert: »Woran denken Sie?«, denn Sie verlieren den Faden des Gesprächs und kommen nicht von der Stelle, wenn Sie denken: Was sagt sie ihr über mich?

 

Adolf ist bei den Deschars zu Tisch, bei einem Mittagessen von zwölf Personen, und Karoline sitzt neben einem hübschen jungen Manne namens Ferdinand, einem Vetter Adolfs. Zwischen dem ersten und dem zweiten Gang spricht man vom ehelichen Glück.

»Nichts ist für eine Frau leichter, als glücklich zu sein«, sagt Karoline zu einer Frau, die sich beklagt.

»Verraten Sie uns Ihr Geheimnis, gnädige Frau«, sagt angenehm Herr von Fischtaminel.

»Eine Frau hat sich in nichts einzumischen, sich als ersten Dienstboten des Hauses anzusehen oder als Sklavin, deren Herr für alles sorgt, sie darf keinen Willen haben und keine Beobachtung machen: dann geht alles gut.«

Das wird mit bitterm Tone und Tränen in den Augen vorgetragen und setzt Adolf, der starr auf seine Frau blickt, in Schrecken.

»Meine Liebe, Sie vergessen das Glück, sein Glück zu erklären«, antwortet er mit einem Blick, der eines Melodramen-Tyrannen würdig wäre.

Karoline hat gezeigt, daß sie heimlich gequält wurde und noch wird, sie wendet befriedigt den Kopf, trocknet heimlich eine Träne und sagt: »Man erklärt das Glück nicht.«

 

Der Vorfall hat, wie man in der Kammer sagt, keine Folgen, doch Ferdinand hat seine Kusine wie einen geopferten Engel angesehen.

 

Man spricht von der erschreckenden Anzahl der fieberartigen und unbekannten Krankheiten, an denen junge Frauen sterben.

»Sie sind zu glücklich!« sagt Karoline, als wollte sie ihr Sterbeprogramm machen.

 

Adolfs Schwiegermutter besucht ihre Tochter. Karoline sagt: »Der Salon des Herrn! Das Zimmer des Herrn!« Alles gehört bei ihr dem Herrn.

»Ach, was ist denn geschehen, meine Kinder«, fragt die Schwiegermutter; »man möchte denken, daß ihr alle beide auf Kriegsfuß steht.«

»Ach, mein Gott«, sagt Adolf, »geschehen ist, daß Karoline das Regiment im Hause gehabt hat und nicht verstand, damit fertig zu werden.«

»Sie hat Schulden gemacht?«

»Ja, meine liebe Mama.«

»Hören Sie, Adolf«, sagt die Schwiegermutter, nachdem sie gewartet hat, bis ihre Tochter sie mit dem Schwiegersohn allein gelassen, »hätten Sie lieber, daß meine Tochter wunderschön angezogen wäre, daß alles bei Ihnen wunderbar zuginge und daß Sie das nichts kostete?«

Versuchen Sie sich das Gesicht Adolfs vorzustellen, als er diese Erklärung der Frauenrechte vernahm.

 

Karoline trägt erst ein klägliches Kleid und dann ein glänzendes. Sie ist bei den Deschars: alles beglückwünscht sie zu ihrem Geschmack, zu dem Reichtum an Stoff, zu den Spitzen, zu den Juwelen.

»Ah! Sie haben einen reizenden Gatten!« sagt Frau Deschars.

Adolf wirft sich in die Brust und blickt Karoline an.

»Mein Gatte, gnädige Frau! … Ich koste meinen Mann, Gott sei Dank, nichts! Das alles habe ich von meiner Mutter.«

Adolf wendet sich schroff ab und beginnt mit Frau von Fischtaminel zu plaudern.

Nach einem Jahr absoluter Herrschaft sagt Karoline eines Morgens sanftmütig:

»Mein Freund, wieviel hast du in diesem Jahr ausgegeben?«

»Ich weiß nicht.«

»Rechne ab.«

Adolf findet ein Drittel mehr als in dem schlimmsten Jahre Karolines.

»Und ich habe dich mit meiner Toilette nichts gekostet«, sagt sie.

 

Karoline spielt Melodien von Schubert. Adolf hat Genuß davon, da die Musik wunderbar ausgeführt wird; er steht auf, um Karoline zu beglückwünschen: sie zerfließt in Tränen.

»Was hast du?«

»Nichts; ich bin nervös.«

»Aber ich habe dieses Leiden an dir nicht gekannt.«

»Oh! Adolf, du willst nichts sehen … Schau her, die Ringe halten mir nicht mehr an den Fingern, du liebst mich nicht mehr, ich bin dir eine Last …«

Sie weint, sie hört nichts, sie weint bei jedem Worte Adolfs von neuem.

»Willst du den Haushalt wieder übernehmen?«

»Ah!« ruft sie, sich in ganzer Gestalt aufrichtend wie eine Überraschte, »jetzt, da du genug hast an deinen Experimenten? … Danke! Will ich Geld? Sonderbare Art, ein verwundetes Herz zu verbinden … Nein, laß mich …«

»Nun gut, wie du willst, Karoline.«

 

Dieses »wie du willst« ist das erste Wort der Gleichgültigkeit gegenüber der legitimen Frau; und Karoline bemerkt einen Abgrund, auf den sie von selbst zugeschritten ist.


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