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Die Ehetarantel

Illustration: Bertall

Dieser Titel ist einem tropischen Zeichen benachbart, doch der gute Geschmack verbietet, mit dessen Namen einen gemeinen und dieses geistreichen Werkes unwürdigen Scherz zu machen. Hier enthüllt sich ein furchtbares kleines Übel, das sinnreich die Ehetarantel genannt wird und von allen Mücken, Moskitos, Fliegen, Flöhen und Skorpionen das lästigste ist, weil kein Moskitonetz hat erfunden werden können, um sich gegen sie zu schützen.

Die Tarantel sticht nicht sofort: sie beginnt um Ihre Ohren zu sausen, und Sie wissen noch nicht, was es ist.

So sagt Karoline ohne alle Veranlassung mit dem natürlichsten Aussehen der Welt: »Frau Deschars hatte ein sehr schönes Kleid an, gestern …«

»Sie hat Geschmack«, antwortet Adolf, ohne etwas zu denken.

»Das hat ihr Mann ihr geschenkt«, erwidert Karoline, die Achseln zuckend.

»Ach!«

»Ja, ein Kleid für vierhundert Franken! Sie hat das schönste, das sich aus Samt herstellen läßt …«

»Vierhundert Franken!« ruft Adolf aus und nimmt die Haltung des Apostels Thomas ein.

»Aber es ist zweimal umgeschlagen und hat ein Mieder …«

»Er kennt sich aus, der Herr Deschars!« antwortet Adolf, indem er sich zu Scherzen flüchtet.

»Nicht alle Männer sind so aufmerksam«, sagt Karoline trocken.

»Wie aufmerksam?«

»Aber, Adolf … an die doppelte Breite und die Korsage zu denken, damit das Kleid noch verwendet werden kann, wenn es ausgeschnitten nicht mehr modern sein wird …«

Adolf sagt bei sich: »Karoline will ein Kleid.«

Der arme Mann! …! …!

Einige Zeit darauf stattet Herr Deschars das Zimmer seiner Frau neu aus.

Dann läßt Herr Deschars die Diamanten seiner Frau nach der neuen Mode umfassen.

Herr Deschars geht niemals ohne seine Frau aus, oder er läßt sie nie gehen, ohne ihr den Arm zu reichen.

Was immer Sie Karoline bringen, es ist nie so gut, wie Herr Deschars es gemacht hat.

Wenn Sie sich die geringste Gebärde, das geringste etwas zu lebhafte Wort erlauben, wenn Sie ein wenig laut reden, so vernehmen Sie die zischende Vipernwendung:

»Herr Deschars würde sich nicht so aufführen! Nimm dir doch Herrn Deschars zum Vorbild.«

Der alberne Herr Deschars erscheint schließlich zu jeder Zeit und bei jedem Anlaß in Ihrem Hause.

Das Wort »Sieh einmal, ob Herr Deschars sich jemals erlaubt …« ist ein Schwert des Damokles oder, was schlimmer ist, eine Nadel; und Ihre Eigenliebe ist das Nadelkissen, in das Ihre Frau fortwährend hineinsticht, die Nadel herauszieht und wieder hineinsticht, unter einer Menge von verschiedenen unerwarteten Vorwänden, doch bedient sie sich übrigens dabei der schmeichelhaftesten Freundschaftsworte und der hübschesten Formen.

Adolf, gestochen, bis er sich von Stichen tätowiert vorkommt, tut schließlich das, was eine gute Polizei, eine Regierung, ein Stratege tut. (Siehe das Werk von Vauban über Angriff und Verteidigung der befestigten Orte.) Er verständigt Frau von Fischtaminel, eine noch junge, elegante, etwas kokette Frau, und er legt sie (der Verbrecher hat sich dies seit langer Zeit vorgenommen) als Pflaster auf Karolines äußerst empfindliche Haut.

O Sie, der Sie oft ausrufen: »Ich weiß nicht, was meine Frau hat«, Sie werden diese Seite höherer Philosophie küssen, denn Sie finden hier den Schlüssel zum Charakter aller Frauen! … Aber sie so gut kennen, wie ich sie kenne, heißt nicht, sie genau kennen: sie kennen sich selbst nicht! Schließlich hat, wie Sie wissen, sogar Gott sich über die Einzige getäuscht, die er zu beherrschen gehabt und die zu erschaffen er sich die Mühe genommen hatte.

Karoline will wohl Adolf zu jeder Frist stechen, doch diese Befugnis, von Zeit zu Zeit eine Wespe auf den Ehegatten (ein gerichtlicher Ausdruck) zu jagen, ist ein ausschließlich der Gattin vorbehaltenes Recht. Adolf wird ein Ungeheuer, wenn er nur eine einzige Fliege auf seine Frau losläßt. Bei Karoline sind es reizende Scherze, ein Spaß, um das Leben zu zweien heiter zu machen, und vor allem von den reinsten Absichten geleitet; während es bei Adolf eine karaibische Grausamkeit ist, eine Unkenntnis des Herzens seiner Frau und ein Plan, ausgeheckt, ihr Kummer zu bereiten. Das ist nichts.

»Sie lieben also wohl Frau von Fischtaminel?« fragt Karoline. »Sind der Geist oder die Manieren dieser Spinne so verführerisch?«

»Aber Karoline …«

»Oh, versuchen Sie nicht, diesen bizarren Geschmack abzuleugnen«, sagt sie und unterbricht Adolf mitten in seiner Verneinung, »ich bemerke lange, daß Sie diesen Besenstiel mir vorziehen (Frau von Fischtaminel ist mager). Gut, gehen Sie nur … Sie werden den Unterschied bald erkennen.«

Verstehen Sie? Sie können Karoline nicht verdächtigen, den geringsten Geschmack an Herrn Deschars zu haben (einem gewöhnlichen, dicken, rotbackigen Mann, ehemaligen Notar), während Sie Frau von Fischtaminel lieben! Und dann wird Karoline, die Karoline, deren Unschuld Ihnen so viel Leid verursacht hat Karoline, die mit der Welt vertraut ist, Karoline wird geistreich: Sie haben zwei Taranteln statt einer.

Am nächsten Tag fragt sie mit der Miene eines braven Kindes: »Wie stehen Sie mit Frau von Fischtaminel?«

Illustration: Bertall

Adolf und Karoline

Wenn Sie ausgehen, sagt sie zu Ihnen: »Geh, mein Freund, geh baden!«

Denn im Zorn gegen eine Rivalin werden alle Frauen, selbst Herzoginnen, ausfällig und versteigen sich bis zu den Redensarten der Markthalle; sie benützen jede Waffe.

Karoline davon überzeugen zu wollen, daß sie irrt, und ihr beweisen, daß Ihnen Frau von Fischtaminel gleichgültig ist, würde Ihnen teuer zu stehen kommen. Eine solche Dummheit begeht ein geistreicher Mann in seiner Ehe nicht: er verliert dadurch seine Macht und macht sich wehrlos.

 

Oh! Adolf, du bist unglücklicherweise in der Jahreszeit angelangt, die man sinnvoll den Altweibersommer der Ehe genannt hat. Sieh, du mußt – eine delikate Angelegenheit! – deine Frau wieder erobern, deine Karoline wieder um die Taille fassen und der beste der Ehemänner werden. Du mußt zu erraten versuchen was ihr gefällt, um zu ihrem Vergnügen zu handeln statt nach deinem Willen. Darin besteht fortan die ganze Frage.


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