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Ein heimtückischer Streich

Illustration: Bertall

Ist es ein kleines oder ein großes Übel? Ich weiß nicht; es ist groß für die Schwiegersöhne und Ihre Schwiegertöchter, aber es ist äußerst klein für Sie:

»Klein, das belieben Sie zu sagen, aber ein Kind kostet riesig viel!« ruft ein zehnfach beglückter Ehemann aus, der seinen elften Sprößling taufen läßt, »den kleinen Nachkömmling« – ein Wort, womit die Frauen ihre Familien irreführen.

Was ist dieses Leiden? werden Sie sagen. Gewiß, dieses Leiden ist wie viele kleine Eheleiden: für manch einen ein Glück.

 

Sie haben vor vier Monaten Ihre Tochter verheiratet, der wir den reizenden Namen Karoline geben wollen, um sie zum Typus aller Ehefrauen zu machen.

Karoline ist natürlich eine reizende junge Person, und Sie haben für sie einen Gatten gefunden: einen Anwalt der ersten Instanz oder einen Stabskapitän, vielleicht einen Ingenieur dritter Klasse oder einen stellvertretenden Richter oder etwa einen jungen Grafen; aber wahrscheinlicher noch, was die vernünftigen Familien als Ideal ihrer Wünsche suchen: den einzigen Sohn eines reichen Gutsbesitzers! (Siehe das Vorwort!)

Wir wollen diesen Phönix Adolf nennen, welche Stellung er auch in der Gesellschaft einnehme, welches Alter und welche Haarfarbe er auch haben mag.

Der Anwalt, der Hauptmann, der Ingenieur, der Richter, endlich der Schwiegersohn, Adolf und seine Familie sahen in Fräulein Karoline:

1. Fräulein Karoline,

2. Ihre und Ihrer Frau einzige Tochter.

Hier sind wir genötigt, wie in der Kammer, getrennte Behandlung zu verlangen.

I. Von Ihrer Frau:

Ihre Frau soll von einem Onkel mütterlicherseits, einem alten Podagristen, den sie pflegt, besorgt, verhätschelt und einmummelt, eine Erbschaft machen, abgesehen vom Vermögen ihres Vaters. Karoline hat ihren Onkel immer angebetet, ihren Onkel, der sie auf seinen Knien hüpfen ließ, ihren Onkel, der … ihren Onkel schließlich, dessen Nachlaß auf zweihunderttausend Franken geschätzt wird.

Von Ihrer Frau, einer gut erhaltenen Person, deren Alter jedoch Gegenstand einer reiflichen Überlegung und langer Prüfung seitens der Tanten und Großtanten Ihres Schwiegersohnes war. Nach vielen Scharmützeln zwischen den Schwiegermüttern vertrauten sie sich die kleinen Geheimnisse reifer Frauen an.

»Und Sie, meine Liebe?«

»Ich, Gott sei Dank, schalte aus. Und Sie?«

»Ich hoffe sehr, ich auch«, sagte Ihre Frau.

»Du kannst Karoline heiraten«, sagte Adolfs Mutter zu Ihrem künftigen Schwiegersohn. »Karoline wird ihre Mutter, ihren Onkel und ihren Großvater allein beerben.«

II. Von Ihnen:

der sich noch seines Großvaters mütterlicherseits erfreut, eines guten Alten, dessen Nachlaß Ihnen nicht streitig gemacht werden wird: er ist kindisch geworden und seither unfähig, ein Testament zu machen.

Von Ihnen, einem liebenswerten Manne, der aber in seiner Jugend ein ziemlich freies Leben geführt hat.

»Ach, Sie waren doch einer von uns!« sagte Ihnen der Vater Ihres lieben Adolf.

In der Tat, Sie sind neunundfünfzig Jahre alt, Ihr Kopf ist haarumkränzt wie ein Knie, das eine graue Perücke durchstößt.

 

3. Eine Mitgift von dreihunderttausend Franken.

4. Die einzige Schwester Karolines, ein kleines, kränkliches Dummchen von zwölf Jahren, dessen Knochen gewißlich nicht alt werden.

Illustration: Bertall

»Ach, Sie waren doch einer von uns!«

5. Ihr eigenes Vermögen, Schwiegervater (in einer gewissen Gesellschaft sagt man Schwiegerpapa), zwanzigtausend Pfund Rente, die sich in kurzer Zeit durch eine Erbschaft vermehren werden.

6. Das Vermögen Ihrer Frau, das durch zwei Erbschaften anwachsen soll: Onkel und Großvater.

 

Drei Erbschaften und die Ersparnisse, d.i. 750 000 Fr.
Ihr Vermögen … 250 000 Fr.
Das Vermögen Ihrer Frau … 250 000 Fr.
Zusammen: 1 250 000 Fr.

die nicht entwischen können! …

 

So ist bei genauer Betrachtung der Anblick all der glänzenden Hochzeiten von tanzenden und schmausenden Chören begleitet, in weißen Handschuhen, Blumen im Knopfloch, mit Orangenblütensträußen, Flitter, Schleiern, Wagen und Kutschern; man geht vom Rathaus zur Kirche, von der Kirche zum Bankett, vom Bankett zum Tanz, vom Tanz in die Hochzeitskammer, bei Orchesterklängen und den üblichen Scherzen der zurückbleibenden Dandies; denn gibt es in der Gesellschaft nicht übrigbleibende Dandies, wie es übrigbleibende englische Pferde gibt?

Ja, so sehen die verliebtesten Wünsche in Ihrem Innern aus.

Die Mehrzahl der Verwandten hat ihr Sprüchlein zu der Heirat gesagt.

Die des Vermählten:

»Adolf hat eine gute Partie gemacht.«

Die der Vermählten:

»Karoline hat ausgezeichnet geheiratet. Adolf ist einziger Sohn, er wird sechzigtausend Franken Rente haben, heute oder morgen!«

 

Eines Tages kommen der glückliche Richter, der glückliche Ingenieur, der glückliche Hauptmann oder der glückliche Anwalt, der glückliche einzige Sohn eines reichen Gutsbesitzers, kommt endlich Adolf zum Essen zu Ihnen, begleitet von seiner Familie.

Ihre Tochter Karoline ist äußerst stolz auf die etwas gewölbte Form ihrer Taille. Alle Frauen zeigen eine unschuldige Koketterie bei ihrer ersten Schwangerschaft. Ähnlich dem Soldaten, der sich für seine erste Schlacht herausputzt, spielen sie gern die Blasse, die Leidende; sie erheben sich in bestimmter Weise und gehen in anmutigster Geziertheit. Selbst noch Blüten, tragen sie eine Frucht: sie nehmen damit Vorschuß auf ihre Mutterschaft.

All dies Getue ist höchst reizend … das erstemal.

Ihre Frau, die Adolfs Schwiegermutter geworden ist, zwängt sich in ein stark schnürendes Mieder. – Wenn ihre Tochter lacht, so weint sie; wenn ihre Karoline ihr Glück zur Schau trägt, so preßt sie das ihre in sich hinein. Nach dem Essen hat das hellsichtige Auge der Mitschwiegermutter das Werk der finstern Nacht entdeckt!

Ihre Frau ist schwanger! die Neuigkeit platzt heraus, und Adolf sagt, sich gelb lachend, zu seiner Schwiegermutter:

»Hatten Sie das Bett vorgewärmt?«

Sie hoffen auf eine Konsultation, die morgen stattfinden soll. Sie, ein beherzter Mann, erröten, Sie hoffen auf Wassersucht, aber die Ärzte bestätigen die Ankunft eines Nesthäkchens! …

Manche eingeschüchterte Ehemänner gehen dann aufs Land oder unternehmen eine Reise nach Italien. Schließlich herrscht eine seltsame Verwirrung in Ihrem Haushalt, Sie und Ihre Frau sind in einer schiefen Lage.

 

»Was! du alter Schuft schämst dich nicht, zum …«, sagt zu Ihnen auf dem Boulevard ein Freund.

»Nun, mach's mir doch nach«, antworten Sie wütend.

»Was, am Tage, wo deine Tochter … Aber das ist unmoralisch! Und eine alte Frau? Aber das ist eine Schwäche!«

»Wir sind auf eine dreiste Art bestohlen worden«, sagt die Familie Ihres Schwiegersohnes. »Auf eine dreiste Art« ist ein anmutiger Ausdruck für die Schwiegermutter.

Jene Familie hofft, das Kind, das die Hoffnungen auf das Vermögen durchkreuzt, werde wie alle Kinder alter Leute skrofulös, schwächlich, eine Mißgeburt sein. Wird es lebensfähig werden?

Die Familie erwartet die Niederkunft Ihrer Frau mit der Angst, wie sie das Haus Orléans während der Schwangerschaft der Herzogin von Berri hegte: eine zweite Tochter würde ohne die drückenden Juli-Bedingungen den Thron der jüngeren Linie verschaffen; Heinrich V. riß die Krone an sich. Seitdem war das Haus Orléans gezwungen, alles zu wagen. Die Ereignisse brachten ihm den Gewinn.

 

Mutter und Tochter kommen im Abstand von neun Tagen nieder.

Das erstgeborene Kind Karolines ist ein bleiches und mageres Mädchen, das nicht am Leben bleiben wird.

Das letztgeborene Kind ihrer Mutter ist ein prachtvoller Junge von zwölf Pfund mit zwei Zähnen und prächtigem Haar.

Sie haben sich sechzehn Jahre einen Sohn gewünscht. Es ist das einzige Eheübel, das Sie vor Freude toll macht.

Denn Ihre verjüngte Frau erlebt in diesem Wochenbett, was man den Altweibersommer nennt: sie stillt, sie hat Milch! ihr Teint ist frisch, sie ist weiß und rosig.

Mit vierzig Jahren wird sie eine junge Frau, kauft Strümpfchen ein, geht in Begleitung einer Bonne aus, säumt Häubchen, schmückt Mützchen. Alexandrine hat sich dareingefunden, sie belehrt durch ihr Beispiel ihre Tochter; sie ist entzückend, sie ist glücklich.

Und dennoch ist es ein Übel, klein für Sie, groß für Ihren Schwiegersohn. Das Leiden hat zwei Seiten, es betrifft Sie ebenso wie Ihre Frau. Unter solchen Umständen macht die Vaterschaft Sie schließlich sehr stolz, zumal sie unbestreitbar ist, mein lieber Herr!


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