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Die Logik der Frauen

Illustration: Bertall

Sie glauben, ein mit Vernunft begabtes Geschöpf geheiratet zu haben, Sie haben sich schwer getäuscht, mein Freund.

*

Axiom

Die empfindsamen Wesen sind keine vernünftigen Wesen.

*

Gefühl ist nicht Verstand, Verstand ist kein Vergnügen, und Vergnügen ist gewiß kein Verstand.

»Oh, mein Herr!«

Sagen Sie: »Ach!«

Ja, ach! Sie stoßen das Ach aus der Tiefe Ihrer Brusthöhle, gehen wütend davon oder ziehen sich betäubt in Ihr Zimmer zurück.

Warum? Wie? Wer hat Sie besiegt, getötet, niedergeworfen? Die Logik Ihrer Frau, die weder die Logik des Aristoteles ist,

noch die des Ramus,

noch die des Kant,

noch die des Condillac,

noch die des Robespierre,

noch die Napoleons,

die aber all diesen Logiken ähnlich ist und die man die Logik aller Frauen heißen muß, die Logik der englischen Frauen ebenso wie der Italienerinnen, der Normanninnen und der Bretoninnen (ach, die sind unbesiegt!), der Pariserinnen, schließlich der Frauen auf dem Monde, wenn es Frauen in diesem nächtlichen Lande gibt, mit denen sich die irdischen Frauen offenbar verstehen – da sie Engel sind!

 

Das Gespräch hat sich nach dem Frühstück entsponnen. Gespräche können in Haushalten immer nur in diesem Augenblick stattfinden.

Ein Mann könnte, auch wenn er wollte, mit seiner Frau im Bett kein Gespräch führen: sie ist allzusehr im Vorteil gegen ihn und vermag ihn zu leicht zum Schweigen zu bringen.

Ist man jung, so hat man Hunger, wenn man das Ehebett verläßt, in dem eine hübsche Frau liegt. Das Frühstück ist eine ziemlich heitere Mahlzeit, und Heiterkeit klügelt nicht. Kurz, Sie schneiden Ihre Angelegenheit an, nachdem Sie Ihren Sahnekaffee oder Ihren Tee genommen haben.

Sie haben sich z.B. in den Kopf gesetzt, Ihr Kind ins Pensionat zu schicken.

Alle Väter sind unaufrichtig und wollen sich nicht eingestehen, daß Ihnen ihr eigenes Blut sehr im Wege ist, wenn es auf zwei Beinen läuft, seine kecken Hände auf alles legt und im Hause wie eine Kaulquappe herumflitzt.

Ihr Junge bellt, miaut und kräht; er zerbricht, zerschlägt und beschmutzt die Möbel, und die Möbel sind teuer; er macht aus allem einen Säbel, er verlegt Ihre Papiere, er schneidet Küken aus der Zeitung, die Sie noch nicht gelesen haben.

Die Mutter sagt zu ihm: »Nimm es dir!« bei allem, was Ihnen gehört, aber sie sagt: »Gib acht!« bei allem, was ihr gehört.

Die Schlaue erkauft sich ihre Ruhe mit Ihren Sachen. Das schlechte Gewissen einer guten Mutter ist gedeckt durch ihr Kind, das Kind ist ihr Mitschuldiger. Beide sind eines Sinnes gegen Sie wie Robert Macaire und Bertrand gegen einen Aktionär. Das Kind ist eine Axt, mit deren Hilfe man bei Ihnen alles plündert.

Illustration: Bertall

... Und die Möbel sind teuer

Das Kind geht triumphierend oder heimlich wie ein Dieb in Ihr Ankleidezimmer, es erscheint wieder, herausgeputzt mit schmutzigen Unterhosen, es bringt die unaussprechlichsten Dinge der Toilette zum Vorschein. Es schleppt einer Freundin, die Sie schätzen, der eleganten Frau von Fischtaminel, Bauchbinden herbei, Reste von Bartwichse, alte, am Rande verschossene Westen, Fußsocken, die an der Ferse leicht schwarz und an den Zehen gelblich geworden sind. Wie soll man darauf hinweisen, daß dieser Schmutz wirklich vom Leder herstammt?

Ihre Frau lacht und blickt ihre Freundin an, und Sie wagen nicht, sich zu ärgern, Sie lachen auch, doch was für ein Lachen! Die Unglücklichen kennen es.

Außerdem bereitet Ihnen das Kind heiße Angst, wenn Ihre Rasiermesser nicht mehr am Platz sind. Ärgern Sie sich, so lächelt der Spitzbub und zeigt Ihnen zwei Reihen Perlen; schimpfen Sie ihn aus, so weint er. Die Mutter läuft herbei! Und was für eine Mutter! Eine Mutter, die Sie haßt, wenn Sie nicht nachgeben. Es gibt keinen Mittelweg für Frauen: man ist ein Ungeheuer oder der beste der Väter.

In gewissen Augenblicken begreifen Sie Herodes und seinen berühmten Befehl zum Kindermord, der nur von dem Karls X. übertroffen wurde!

Ihre Frau hat sich wieder auf ihr Kanapee begeben, Sie gehen auf und ab, Sie bleiben stehen und sagen klipp und klar:

»Karoline, wir geben Karl unbedingt in ein Pensionat.«

»Karl ist sechs Jahre alt, ein Alter, in dem die Erziehung des Menschen beginnt.«

»Erst mit sieben Jahren«, erwidert sie. »Die Prinzen werden von ihren Erzieherinnen erst mit sieben Jahren den Erziehern übergeben. So sagen das Gesetz und die Propheten. Ich weiß nicht, warum man die Rechte der fürstlichen Kinder nicht auf die bürgerlichen Kinder ausdehnen sollte. Ist dein Kind fortgeschrittener als sie? Der König von Rom …«

»Der König von Rom ist nicht maßgebend.«

»Ist der König von Rom nicht der Sohn des Kaisers? … (Sie gibt dem Gespräch eine andere Wendung.) Das ist wohl etwas anderes? Willst du nicht die Kaiserin anklagen? Sie wurde vom Doktor Dubois entbunden, in Gegenwart von …«

»Davon rede ich nicht …«

»Du läßt mich nie zu Ende reden, Adolf.«

»Ich sage dir, daß der König von Rom, der kaum vier Jahre alt war, als er Frankreich verließ, nicht als Beispiel dienen kann.«

»Das hindert nicht, daß der Herzog von Bordeaux mit sieben Jahren seinem Erzieher, dem Herzog von Rivière, übergeben wurde.« (Ein Effekt der Logik.)

»Was den Herzog von Bordeaux betrifft, so ist es anders.«

»Du gibst also zu, daß man ein Kind vor sieben Jahren nicht in ein Pensionat geben kann?« sagt sie mit Emphase. (Ein andrer Effekt.)

»Das habe ich überhaupt nicht gesagt, meine liebe Freundin. Es ist ein großer Unterschied zwischen öffentlicher Erziehung und privater Erziehung.«

»Darum will ich Karl noch nicht ins Pensionat geben, er muß noch kräftiger werden, um dort einzutreten.«

»Karl ist sehr kräftig für sein Alter.«

»Karl? … Oh, die Männer! Karl ist von sehr schwacher Konstitution, das hat er von Ihnen. (Das »Sie« fängt an.) Wenn Sie Ihren Sohn loswerden wollen, so stecken Sie ihn nur ins Pensionat … Aber ich beobachte schon einige Zeit, daß Sie Ihr Kind satt haben.«

»Nun also! ich habe jetzt mein Kind satt; du bist gut. Wir sind für unsere Kinder verantwortlich gegen sie selbst! Man muß endlich mit der Erziehung Karls beginnen; er nimmt hier schlechte Gewohnheiten an, er gehorcht niemandem, er glaubt, der Herr über alles zu sein: er teilt Schläge aus, und niemand gibt sie ihm zurück. Er soll unter seinesgleichen, sonst wird er den unausstehlichsten Charakter bekommen.«

»Danke, ich erziehe also mein Kind schlecht?«

»Das sage ich nicht; aber Sie werden immer ausgezeichnete Gründe finden, es bei sich zu behalten.«

 

Hier hat das »Sie« gewechselt, und das Gespräch bekommt auf beiden Seiten einen bittern Ton.

Ihre Frau will Sie durch sich selbst kränken, aber sie verletzt sich durch die Rückwirkung.

 

»Das sagen Sie schließlich! Sie wollen mir mein Kind fortnehmen, Sie haben bemerkt, daß es zwischen uns steht, Sie sind eifersüchtig auf Ihr Kind, Sie wollen mich nach Belieben tyrannisieren, und Sie opfern Ihren Sohn! Oh, ich bin gescheit genug, Sie zu verstehen.«

»Aber Sie machen aus mir einen Abraham, der zum Messer greift! Werden Sie nicht noch sagen, daß es gar keine Pensionate gibt? Die Pensionate sind leer, niemand gibt seine Kinder ins Pensionat.«

»Sie wollen mich auch zu lächerlich machen«, erwidert sie. »Ich weiß, daß es Pensionate gibt, aber man gibt keine Knaben mit sechs Jahren ins Pensionat, und Karl wird in keines kommen.«

»Aber, meine liebe Freundin, laß dich nicht hinreißen.«

»Als ob ich mich je hinreißen ließe! Ich bin ein Weib und verstehe zu dulden.«

»Ja, ich habe genug von der Unvernunft.«

»Es ist hohe Zeit, daß Karl lesen und schreiben lernt; später würde er Schwierigkeiten haben, die ihn abschrecken.«

 

Hier reden Sie zehn Minuten lang ohne Unterbrechung und schließen mit einem »Nun?«, dessen Betonung ein äußerst gebogenes Fragezeichen vorstellt.

»Ach«, sagt sie, »es ist noch zu früh, Karl ins Pensionat zu geben.«

 

Da ist nichts zu machen.

 

»Aber, meine Liebe, Herr Deschars hat seinen kleinen Jules trotzdem mit sechs Jahren ins Pensionat gegeben. Sieh dir die Pensionate an, du wirst riesig viele Kinder mit sechs Jahren darin finden.«

Sie reden weitere zehn Minuten ohne Unterbrechung, und wenn Sie abermals ein »Nun?« aufwerfen, antwortet sie:

»Der kleine Deschars ist mit Frostbeulen zurückgekommen.«

»Aber Karl hat Frostbeulen zu Hause.«

»Nie«, sagt sie großartig.

Die Frage bleibt nach einer Viertelstunde bei der nebensächlichen Erörterung stecken. »Hat Karl Frostbeulen gehabt oder nicht?«

Sie verweisen einander auf die widersprechendsten Belege, Sie glauben einer dem andern nicht mehr, man muß einen dritten herbeirufen.

*

Axiom

Jeder Haushalt hat seinen Kassationshof, der sich nie mit dem Grund befaßt und der nur nach der Form urteilt.

*

Die Kinderfrau wird gebeten, sie kommt, sie stimmt für Ihre Frau.

Zur Diskussion steht, ob Karl niemals Frostbeulen gehabt hat.

Karoline blickt Sie an, sie triumphiert und sagt zu Ihnen die ungeheuerlichen Worte: »Du siehst also, daß es unmöglich ist, Karl ins Pensionat zu geben.«

Sie gehen außer sich vor Zorn fort. Es gibt kein Mittel, dieser Frau zu beweisen, daß nicht die geringste Beziehung besteht zwischen dem Vorschlag, sein Kind ins Pensionat zu geben, und der Möglichkeit, Frostbeulen zu haben oder nicht.

Am Abend hören Sie, wie dieses abscheuliche Geschöpf nach dem Diner vor zwanzig Personen ihre lange Unterhaltung mit einer Frau folgendermaßen schließt: »Er wollte Karl ins Pensionat geben, hat aber eingesehen, daß man noch warten muß.«

Manche Ehemänner toben unter solchen Umständen vor aller Welt los, sie lassen sich darauf sechs Wochen lang plagen, aber sie gewinnen das Spiel dadurch, daß Karl an dem Tage ins Pensionat geschickt wird, an dem er einen Streich ausführt. Andere geben sich ihrer innern Wut hin und zerschlagen Porzellan. Geschickte Leute sagen nichts und warten ab.

Die Logik des Weibes zeigt sich so in den geringsten Dingen, anläßlich eines Spazierganges, beim Verrücken eines Möbelstücks, bei einem Umzug.

Diese bemerkenswert einfache Logik besteht darin, immer nur den einen Gedanken auszudrücken, der ihren Willen klar ausspricht. Wie alle Dinge der weiblichen Natur kann man dieses System in die beiden algebraischen Benennungen auflösen: Ja – Nein.

Es gibt auch ein Kopfschütteln, das alles ersetzt.


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