Berthold Auerbach
Auf der Höhe. Dritter Band
Berthold Auerbach

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Vierzehntes Kapitel.

Die Großmutter machte draußen in dem mit einer Blahe überspannten Wagen ein Bett zurecht und sagte zu ihrem Bruder, der den Wagen führte, er solle nur recht stät fahren und nicht so viel knallen; denn der Ohm Peter, genannt das Pechmännlein, stand da draußen und knallte immerwährend vor Freude, daß ihm einmal eine Peitsche und zwei Pferde zu regieren gegeben waren.

»Wer ist denn die Fremde, die so zimpfer thut?« fragte das Pechmännlein, und nahm die Peitschenschnur in den Mund, wie wenn er darauf beißen müßte, um sie nicht laut knallen zu lassen.

»Eine arme Kranke,« sagte Beate. Es wurde ihr schwer, das zu sagen, und doch log sie eigentlich nicht.

Hansei war mit der großen Fuhre schon voran. Endlich hieß es auch bei den Frauen, es sei Zeit zum Aufsteigen. Irma sah jetzt zum erstenmal das Kind Walpurgas, und wie ihr Blick und der des Kindes einander begegneten, jauchzte das Kind hell auf und wollte zu ihr.

»Ei, das ist schön!« riefen Walpurga und die Mutter zugleich. »Sie ist sonst so scheu.«

Irma nahm das Kind auf den Arm und herzte und küßte es. Es war, als ob sie in dem unschuldigen Kinde die eigene Kindschaft, die in ihr gestorben und verdorben war, wieder umfaßte; ihr Blick wechselte zwischen Freude und Trauer, und die Großmutter sagte:

»In dir ist ein gutes, ehrliches Herz, das spüren die Kinder, die wissen das noch. So, jetzt gib aber das Kind der Walpurga und steig auf.«

Für Irma wurde die Lagerstätte auf dem Bett zurecht gemacht, und als die Großmutter aufgestiegen war, nahm sie das Kind zu sich und setzte sich mit ihm in das Innere des Wagens neben Irma. Walpurga und die Gundel saßen vorn und schauten ins Freie, der Ohm ging neben den Pferden her und betrachtete mit Wehmut die Peitsche, mit der er nicht knallen durfte. Niemand sprach ein Wort, nur das Kind lachte und plauderte und wollte immer mit Irma spielen.

»Du mußt jetzt auch schlafen,« sagte die Großmutter und leise ein Lied singend, sang sie das Kind und auch Irma in Schlaf.

»Wer kommt vom Berg herunter?« sagte Walpurga plötzlich zum Ohm.

»Der eine ist ein Landjäger und der andre muß ein herrschaftlicher Bedienter sein.«

Walpurga erschrak, als die beiden Reiter näher und näher kamen, sie erkannte Baum; sie schlüpfte schnell in den Wagen und ließ Gundel allein vorne sitzen.

Die Reiter kamen näher, jetzt hielten sie beim Wagen an; das Kind wachte auf und schrie, auch Irma erwachte. Sie schaute durch die Blahe und erkannte Baum. Nur eine dünne Leinwand trennte sie von ihm. Das Pferd, auf dem Baum saß, blies die Nüstern auf, warf den Kopf hoch und schüttelte und bäumte sich, es war nur schwer im Zügel zu halten. Irma erkannte es, es war Pluto, ihr eigenes Pferd; es ist also eingefangen und zurückgebracht worden. Wenn das Pferd reden könnte, es würde sagen: Hier ist meine Herrin, hier ist sie, die ihr sucht.

Irma hörte, wie Baum den Ohm fragte:

»Ist Euch nicht ein Fräulein in einem blauen Reitgewand begegnet?«

»Nein.«

»Habt Ihr vielleicht durch einen andern von ihr gehört?«

»Kein Sterbenswörtchen.«

»Wen habt Ihr da im Wagen?«

Irma zitterte; Walpurga faßte ihre Hand, sie war kalt; das Kind schrie laut.

»Sie hören's ja, da ist ein kleines Kind drin,« sagte der Landjäger zu Baum. »Wir wollen weiter.«

Die Reiter ritten davon und Irma sah noch, wie Baum ihren Hut mit der Feder an den Sattelknopf gebunden hatte.

Der Wagen ging langsam bergan: die Reiter sprengten bergab.

Irma küßte das Kind und sagte:

»Du Herzenskind, du hast mich zum zweitenmal gerettet. Ich will auch heraus, ich will gehen.«

Die Mutter wehrte ab und bat, daß sie bei ihr bleibe. Irma willfahrte, und kaum hatte sie sich wieder niedergelegt, als sie einschlief und nichts mehr davon wußte, daß ein Bauernwagen sie über die Berge trug.

Mittag war schon vorüber, als hoch im Gebirge bei einer Ausspanne die Frauen auf Hansei trafen.

»Wir wollen jetzt beisammen bleiben,« sagte er. Sein ganzer Zorn von früher war verflogen und war doppelt freundlich. »Ich mein', wir dürfen nicht so verzettelt in unsrer neuen Heimat ankommen. Ich hab' den Knechten genaue Anweisung gegeben, sie fahren langsam, wir holen sie mit unserm leichten Fuhrwerk immer noch ein und sind dann alle beisammen. Ich komm' mit Frau und Kind und Mutter zugleich auf unserm Hof an.«

»Das ist recht, freut mich, daß du jetzt wieder so aufgeräumt bist. O, ich kenn' dich. Man muß dich, wenn du aufgereizt bist, nur ein wenig allein lassen, da kriegst du bald wieder Heimweh nach den Deinen und nach dem guten Hansei in dir selber, und bist wieder gut. Jetzt komm aber her, ich will dir etwas sagen: heut mußt du die Probe machen, ob du ein wirklicher starker Mann bist; dann will ich mein Lebtag nicht mehr anders denken, als: es ist wahr, die Männer sind stärker als wir.«

»So sag, was ist's denn?«

Sie führte ihn in den Garten am Wirtshause und sagte:

»Du hast gewiß auch oft gehört, es hat in alten Zeiten Wichtelweibl und ???salige Fräulein gegeben, gute, segenbringende, stille Geister, die haben einem Haus immer nur Glück und Wohlstand gebracht, aber da war eine Bedingnis dabei, wenn sie bleiben sollen: man hat sie nie fragen dürfen, wie sie heißen, woher und wer sie sind.«

»Ja, ja, das hab' ich alles gar oft gehört, aber jetzt glaubt niemand mehr dran.«

»Du sollst auch nicht dran glauben, das verlang' ich nicht; aber eine Probe sollst du machen. Schau, die Mutter und ich, wir bringen da drin im Wagen gar ein feines und zartes Geschöpf, sie ist wohl stark und mächtig, aber eben doch besonders, und die wird bei uns bleiben; sie wird uns aber keine Last sein. Jetzt, Hansei, sag, bist du stark genug, daß du nie danach fragst, wer und woher sie sei, und sie überhaupt nie was fragen wirst? Du mußt mir einfach glauben, daß ich sie kenne und weiß, was ich thue, wenn ich sie bei uns behalte. Willst du nun auf das hin gut und getreu und brav gegen sie sein? Sag, kannst du das und willst du das?«

»Soll das die Sach' sein, wo ich die schwere Prob' machen soll, ob ich ein starker Mann bin?«

»Ja, das ist's, weiter nichts.«

»Das kann ich, da hast du meine Hand drauf.«

»Gib sie her!«

»Du wirst sehen, daß ich halt', was ich versprech'. Das ist leicht.«

»Hansei, es ist nicht so leicht, wie du denkst.«

»Um den Preis,« entgegnete Hansei, »daß du dein Leben lang sagen willst, ein Mann ist stärker als eine Frau und kann sich eher etwas auferlegen und festhalten, um den Preis sollst du sehen, was ich vermag. Deine gute Freundin soll auch meine gute Freundin sein. Sie ist doch aber nicht verrückt und beißt nicht?«

»Nein, da kannst du ruhig sein.«

»Gut, abgemacht, kein Wort mehr.«

Walpurga ging mit Hansei an den Wagen, schlug die Blahe zurück und sagte:

»Irmgard! Mein Mann will dir auch Willkommen sagen.«

»Willkommen!« sagte Irma und streckte Hansei die Hand entgegen.

Erst als Walpurga ihm die Hand emporhob, reichte er sie Irma dar; er war ganz starr vor Staunen.

Als man nun weiterfuhr und Hansei mit seiner Frau dem Wagen voraus bergan ging, sagte er:

»Weib, wenn's nicht Tag wär und du und die Mutter und unser Kind da ... wenn ich nicht wüßte, daß ich bei Verstand bin und alles das wahr ist – ich thät' glauben, du hättest leibhaftig ein saliges Fräulein da drin im Wagen. Ist sie denn lahm? Kann sie denn nicht gehen?«

»Ganz gut kann sie gehen.«

Walpurga kehrte an den Wagen zurück und rief hinein:

»Irmgard, willst du nicht auch ein wenig aussteigen und mit uns den Berg hinan gehen? Es ist gar so viel schön.«

»Ja, gern!« antwortete es drin.

Irma stieg aus und ging eine Weile mit den beiden. Hansei schielte immer zaghaft nach ihr hin. Die Fremde hinkte, es ist vielleicht doch wahr, die Seejungfrau hat einen Schwanenfuß und kann nicht gut gehen. Er schielte nach ihren Füßen, die waren aber ganz wie die andrer Menschen. Nun wagte er's, sie immer weiter herauf zu betrachten. Sie hat die Kleider seiner Frau an, und schön ist sie, mächtig schön. Er lüftete mehrmals den Hut, der Kopf ward ihm so heiß. Was ist denn wahr auf der Welt und was nicht? Ist denn seine Frau doppelt auf der Welt und hat noch eine andre Gestalt?

Walpurga blieb zurück und ließ die beiden allein miteinander gehen. Irma überlegte, was sie zuerst zu Hansei sagen könne; sie wollte mancherlei beginnen, aber verwarf es wieder. Sie war zum erstenmal in ihrem Leben in demütiger Lage. Wie spricht man da zu einem Niederstehenden? Endlich sagte sie:

»Du bist ein glücklicher Mann, du hast Frau und Kind und Schwiegermutter, wie man sich alles nicht besser auf der Welt wünschen kann.«

»Ja, ja, sie sind schon ordentlich,« sagte Hansei. Er spürte doch etwas von dem gönnerischen Ton, der im Lobe Irmas lag, obgleich sie ihn gar nicht gewollt hatte. Er hatte bestätigend geantwortet und hätte doch eigentlich gern gefragt: kennst du sie denn schon lang? Aber er besann sich, daß er versprochen hatte, nicht zu fragen. Walpurga hat doch recht, das ist eine harte Nuß. Er bewegte die Zunge im Mund hin und her, es war ihm, als ob die Hälfte davon gebunden wäre.

»Hier ist die Gegend rauh; droben, wenn wir in unsre neue Heimat kommen, ist sie wieder linder,« sagte er endlich. Es hatte lang gedauert, bis er das so sagen konnte, denn er hatte fragen wollen, ob die Fremde schon einmal hier in der Gegend gewesen; aber er darf ja nicht fragen, und das Umsetzen dessen, was man fragen will, ist ein schwer Stück Arbeit.

Irma fühlte, daß sie dem Mann etwas Beruhigendes sagen müsse, und sie begann:

»Hansei,« sein Gesicht wurde ganz hell, da sie ihn beim Namen nannte. »Hansei, laß dich dünken, du kennst mich schon lang. Sieh mich nicht als eine Fremde an. Ich bitte sonst nicht gern, aber dich bitt' ich. Ich weiß, du thust's, du hast ein braves Gesicht, und es kann auch nicht anders sein, der Mann von der Walpurga, mit dem sie so glücklich ist, muß ein guter Mann sein. Ich bitt' dich also, hab' keine Sorge, ich will dir nicht zur Ueberlast sein.«

»O, davon ist kein' Red', wir haben's ja, gottlob. Eine Kuh mehr im Stall und ein Mensch mehr im Haus, das verträgt's schon, da sei du,« er stotterte doch bei diesem Worte, »da sei du ganz ohne Sorge und ... wir haben auch einen Auszügler übernommen und ... was du nicht sagen willst, das will ich nicht wissen, und wenn dir jemand auf der Welt was anthun will, ruf nur mich, ich bin dein Annehmer und steh mit Leib und Leben für dich ein. Du bist aber allem Anschein nach noch nicht viel in den Bergen gegangen. Ich will dir einen Rat geben. Beim Bergsteigen heißt es: immer stat vorwärts und nie stehen bleiben.«

Die beiden warteten auf den Wagen. Hansei verschnaufte nach seiner langen Rede; er war mit sich zufrieden und schaute froh drein.

Irma setzte sich an den Wegrain. Sie war jetzt auf den Höhen, die sie gestern im Abendrot erglühen und im weißlichen Nebelhauch hatte sterben sehen. Die Riesenhäupter der Berge, die sie aus der Ferne geschaut, traten ihr jetzt nahe und erschienen noch gewaltiger. Zwischen den Wäldern war da und dort ein heller Ausschnitt von Wiese und Feld, und manchmal zeigte sich ein Haus. Drunten schäumte der Waldbach und da und dort sah man Wasser aufblinken, aber man hörte kaum sein Brausen, so tief und weit ab war es.

Hansei stand bei Irma und redete kein Wort.

Der Wagen kam heran, Irma stieg wieder ein, Hansei half ihr sehr manierlich dabei; er war fast daran, seinen Hut abzuziehen, als sie ihm mit freundlichem Blick und Wort dankte.

»Das ist eine ganz anständige Person,« sagte Hansei zu seiner Frau. »Und ein schön Stüble für sie haben wir auch, wenn sie sich nicht vor dem alten Auszügler fürchtet.«

Walpurga war glücklich, daß das Schwerste gelungen war.

Da Hansei mit der Fremden gesprochen hatte, glaubte auch das Pechmännlein sich berechtigt, laut zu geben; als erstes Zeichen seines Willensentschlusses knallte er mit der Peitsche, daß es im Thal und von den Höhen wiederhallte.

»Ich hab dir ja gesagt, du sollst ruhig sein!« rief die Großmutter.

»Die – die – ist ja wieder gesund,« erwiderte das Pechmännlein. »Nicht wahr,« wendete er sich an Irma, »nicht wahr, das Knallen thut nicht weh?«

Irma sagte, er solle sich keinen Zwang anthun, und keck gemacht, fragte das Pechmännlein:

»Wie heißt man dich denn?«

»Irmgard.«

»So? So hat meine Frau auch geheißen, und wenn dir's recht ist, heirat' ich noch einmal eine Irmgard! Ich hab' ein halbes Häuschen und eine ganze Ziege; aufs Häuschen bin ich noch schuldig, aber die Ziege ist bezahlt. Sag, willst du mich?«

»Mach keine solche Possen, Peter!« rief Beate; es war ihr aber doch lieb, daß etwas Scherzhaftes gesprochen wurde.

Das Pechmännlein lachte laut und war sehr zufrieden mit sich. Ja, der Hansei, der ist freilich jetzt der Freihofbauer, aber so mit den Menschen reden kann er doch nicht. Das Pechmännlein war gar unterhaltsam, und als er nichts mehr zu reden wußte, brach er Erdbeeren, die am Wege standen und hier oben erst so spät reif wurden, und brachte sie auf ein Haselnußblatt gelegt Irma dar. Ja, gute Lebensart hat der Peter, das sieht er an den Mienen seiner Schwester ab, die ihm jetzt zulächelt.

Die Reise zur neuen Heimat ging ohne weitere Fährlichkeiten vor sich. Als man des Heimatortes ansichtig wurde, vor der Gemarkung, bat die Großmutter, daß man anhalte. Sie stieg ab, ging in den Wald hinein, kniete nieder, legte das Antlitz auf den Boden und rief:

»Gottlob, daß ich dich wieder habe! Trag mich noch lange gut und laß mich und die Meinen gesunde Tage leben auf dir, und nimm mich gut auf, wenn meine Stunde kommt!«

Sie ging wieder zum Wagen zurück und sagte: »Grüß Gott miteinander! Jetzt sind wir daheim. Schau, dort oben das Haus mit der großen Linde, das ist der Freihof, dort bleiben wir.«

Auch Gundel mit dem Kind stieg ab, nur Irma blieb im Wagen, die andern alle wanderten zu Fuß dahin.

Man kam durch das Dorf im Thal, von dem der Freihof fast noch eine Stunde entfernt war. Bei der Einfahrt ins Dorf knallte das Pechmännlein laut; alle Leute sollen sehen, mit welcher Verwandtschaft und mit wie vielem Besitztum er nun einzieht. Man kam an einem kleinen Häuschen vorüber.

»Da bin ich geboren,« sagte die Großmutter zu Hansei.

»Vor dem Haus zieh' ich den Hut ab,« erwiderte Hansei, und that, wie er sagte.

Am Wirtshaus, nicht weit vom Rathaus und der Kirche, hielten die Wagen, die vorausgefahren waren; die Leute hatten sich versammelt, um den neuen Freihofbauer und die Seinen zu sehen. Das Pechmännlein als Oberzeremonienmeister zeigte Walpurga die Bürgermeisterin. Walpurga ging auf sie zu und auch Beate war glücklich, denn die Mutter der Bürgermeisterin war auch da, in deren Hause sie damals, als sie noch in die Schule ging, bereits als Kindermagd gedient hatte; sie fragte nach dem Knaben, den sie damals gewartet. »Der ist gestorben,« hieß es, »aber da steht sein Sohn.« Ein baumstarker Bursche ward herbeigerufen, aber er wußte kein Wort zu sagen, als Beate erzählte, sie habe dessen Vater, als er noch ein kleines Kind war, gehütet.

Das halbe Dorf umstand die Ankömmlinge, man plauderte lange.

Irma lag im Wagen, hier auf offenem Markt, und die Menschen, denen sie sich angeschlossen, vergaßen ihrer. Die Großmutter war die erste, die sich ihrer wieder erinnerte; sie kam zu ihr und sagte: »Verzeih, daß wir so dein vergessen, aber es geht jetzt bald weiter und heim.«

Irma entgegnete, daß man sich nicht um sie kümmern solle. Die Großmutter verstand nicht ganz, was im Tone Irmas lag.

Hier auf offener Straße in dem bedeckten Bauernwagen, beim lauten Gerede der vielen Menschen, hatte eine Wehmut sie durchzuckt, daß sie der Mildthätigkeit anheim gegeben, sie, der einst alles gehuldigt, so vergessen war; aber schnell gewann sie die Kraft ihres Wesens wieder. Besser so, dann bist du allein.

Man fuhr endlich davon. Wieder ging es bergauf. Die Großmutter war ganz glückselig und grüßte alles. Die Pflaumenbäume standen so voll und die Aepfelbäume an der neuen Straße, die sie hier in ihrer Jugend hatte pflanzen sehen, waren jetzt so groß und breit und beugten sich unter der Last ihrer rotwangigen Früchte. Die Großmutter sagte oft:

»Ich hab' mir's gar nicht mehr so weit gedacht. Nein, ich hab' sagen wollen, ich hab' mir's weiter gedacht – o Gott, wie red' ich denn? Ich mein', die Welt wär zusammengeschnurrt. Kinder, ich sag' euch, ihr werdet Großes erleben, Gutes, Schönes. Komm, gib mir das Kind,« rief sie zu Gundel und nahm Burgei auf den Arm; ihr Antlitz strahlte.

»Burgei, da wirst du singen und da hab' ich gesungen, und da hab' ich deine Mutter auf dem Arm getragen, wie jetzt dich. Da! So! Gib das dem Vogel.«

Sie hatte Brot aus der Tasche geholt und gab dem Kinde Brosamen, sie den Vögeln am Weg zu streuen, und sie selbst warf immer kleine Brotstücke nach rechts und links.

Sie sprach kein Wort mehr, aber ihre Lippen bewegten sich leise.


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