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Auf einem Acker an der Eisenbahn.

Der Gevattersmann denkt noch mit Freude an einen hellen Sommertag, als er mit dem – nein, er darf seinen Namen nicht nennen, denn er nimmt das übel – also mit einem aufgeweckten und behäbigen Bauer dessen Feldwirthschaft besichtigte; denn es gehört zu dem Erfreulichsten, in ein gesundes, mit Fleiß und Verstand gehaltenes Anwesen hineinzuschauen: der Arbeitende genießt das Glücksgefühl seines Thuns noch einmal in der Freude dessen, dem er es zeigt, und er braucht nicht zu fürchten, daß man das Eitelkeit nennen wird, denn das Schimpfen auf die Eitelkeit ist in vielen Fällen weiter nichts als ein Laufpaß für die Faulheit.

Als wir an ein Ackergebreite längs der Eisenbahn kamen, sagte der Bauer: »Sie können sich gar nicht verstellen, was für Geschrei und Aberglaube überall auf den Dörfern war, als man die Eisenbahn anlegte. Man wird's in hundert Jahren nicht mehr für wahr halten, was man davon fabelte; denn jetzt schon kommt es Einem vor wie ein Traum nach einem Rausch. Noch jetzt, wenn man so am Geländer steht, und der Bahnzug braust daher, ist es Einem als ob der ganze Zug zermalmend auf Einen losfahre; damals aber haben die Leute wirklichen Schwindel davon bekommen. Ich will besten gar nicht gedenken, daß man wirklich und wahrhaftig geglaubt hat, der Teufel allein habe den Bau zu Stande gebracht, und er fahre dahin und käme übers Jahr wieder um seine Opfer zu holen; der jüngste Tag sei von der Thür. Die Leute sagten sogar, das Saatfeld ginge davon zu Grunde, die Bäume sterben ab und die Dörfer werden in Brand gesteckt; und jetzt – sehen Sie, das gehörte zu meinen schlechtesten Aeckern, und Nun ist es einer von den besten. Die Bergwasser die da herunterkommen haben den Boden zum ertrunkenen Lande gemacht, und ich habe meine Nachbarn nicht dazu bringen können, daß wir eine gemeinsame Ableitung anlegten; da hat die Eisenbahn einen Durchlaß gemacht, und wir haben den besten, fetten Boden, der fast gar keinen Dünger braucht. Im Bestellen und Einheimsen der Ackerfrucht ist die Eisenbahn freilich hinderlich, weil die Bahnwärter mit ihrem Staatsdienerstotze keinerlei Rücksicht wollen gelten lassen, aber das wird sich mit der Zeit schon geben. Die Eisenbahn ist jetzt unsre beste Uhr, und es hat doch was Prächtiges, daß man ganz genau weiß, wieviel es an der Zeit ist; die Genauigkeit und Pünktlichkeit, an die man sich durch die Eisenbahn gewöhnen muß, ist in allen Dingen von großem Nutzen, so wenig man das auch noch deutlich bemerkt. Und tagtäglich sieht man, von wie vielen Dingen man noch nichts weiß und das thut auch gut. Besonders die Kinder können sich die Eisenbahn gar nicht aus dem Sinn oder gar nicht hineinbringen. Meine Kinder wollen immer wissen, wie das mit dem Dampfwagen u. s. w. eingerichtet ist, und wie man das macht, und ich selber, wenn ich dastehe, und den Zug vorbeibrausen sehe, und wenn ich mir den Draht da oben betrachte, der sich dahinzieht, muß oft denken: es ist doch eine große Sache, was Menschenverstand zuwege bringt. Ich habe mir drinnen auf der Hauptstation die Gläser und Kolben zeigen lassen mit deren Ausströmung der Draht beständig gespeist wird; ich muß sagen, ich verstehe es doch noch nicht recht, aber das habe ich behalten, was mir der Telegraphenmann sagte: heutigen Tages ist der Mensch so weit gekommen, daß er mit Sonnenstrahlen malt, mit Dampf reist, und mit Blitzen spricht. Und wenn ich mir so denke: jetzt in diesem Augenblick laufen unhörbar und schneller als man's sagen kann, Worte durch den Draht dahin, und ein Land spricht mit einem andern, und ich sehe nichts und merke nichts davon, da macht mich das Geheimniß hier fast andächtig. Vor Zeiten hätte man diese Dinge nicht Geheimnisse, sondern Wunder genannt, aber jetzt wissen wir, daß sie das nicht sind: die Einen verstehen sie und die Anderen nicht; und es wird eine Zeit kommen, wo wiederum Neues offenbar ist. Und ich denke an die großen Geheimnisse, die in der Welt und über ihr noch verborgen sind, und Alles ist so groß, daß ich's nicht fasten und nur erstaunen kann. Ich danke meinem Geschick, daß ich in einer Zeit lebe, in der die Geheimnisse der Welt uns ganz nahe gerückt sind; seit ich das weiß, bin ich viel glücklicher. Ueber meinen Acker hin ziehen unsichtbare Worte, und auch auf meinem Acker steht das große Räthsel der ganzen Welt, zu dem wir in Andacht aufschauen.«

Der Gevattersmann freut sich, daß der, der das gesagt, jetzt auch hier lesen kann, und wenn er ihn bei einem guten Trunk Bier dort in jenem Thalwirthshause wiederfindet, wird er ihm hoffentlich keine Vorwürfe mehr machen. Vielleicht nur den, daß er ihn ein bischen herausgeputzt habe; aber – wer hat auch einen Rock von einem andern Schnitt angehabt als er Geschworner beim Schwurgericht war? Der Mensch darunter bleibt doch derselbe, und die Gedanken bleiben doch dieselben, und gute Gedanken auf einem Acker sind auch ein Segen, wenn man ihn auch nicht im Wagen führt, und mit der Gabel ladet. Beim großen Ausdreschen wird sich's zeigen.


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