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Siebzehntes Kapitel

Der verliebte Wilde. Der graue Bär. Der Sieger. Die Freunde. Die Gefesselte. Die Leidenschaft. Das Entsetzen. Der Schuß. Gerettet. Die Botschaft. Der Heimritt.

 

In dem Thal, wo Kateumsi sein Lustlager bezogen hatte, war die Dämmerung eingebrochen, und die Indianerinnen waren in die Grasflur vor der Höhle gegangen, um die Pferde, welche dort weideten; nach derselben hinzuführen, Potolick aber saß in deren weitesten Vertiefung bei einem kleinen Feuer, und schmückte seine lange Lanze neu mit Federn und Bändern.

Bei dem großen Feuer in dem Vordergrunde der Höhle lag auf weichen Büffelhäuten Ludwina mit zusammengebundenen Füßen hingestreckt, und verbarg, von ihrem Räuber abgewandt, ihr Antlitz in ihren Händen.

Kateumsi saß neben ihr, und schaute in Gedanken versunken auf seine schöne Beute.

Soll Kateumsi denn den Himmel Deines blauen Auges gar nicht sehen? hub er nach einer Weile mit bittendem Tone an, es ist doch wenig genug von ihm verlangt, und Du solltest seine Liebe darin erkennen.

Ludwina aber schwieg und regte sich nicht, nur ein bebender, krampfhafter schwerer Athemzug entstieg von Zeit zu Zeit ihrer Brust.

Wie gern nähme Dir Kateumsi die Fesseln von Deinen schönen Füßen, fuhr er nach einer Pause, mit glänzendem Blicke auf dieselben schauend, fort, wenn er nur wüßte, daß Du ruhig und geduldig sein wolltest, denn entfliehen kannst Du ja nicht; meine Dienerinnen würden Dich sofort einholen und Dich zurückbringen, auch wenn Kateumsi schlafen sollte.

Ludwina gab ihm wieder keine Antwort, zog aber ihre Füße an sich, und verbarg sie unter ihrem Gewand.

Da kehrten die Indianerinnen mit den Pferden zurück, befestigten sie seitwärts des Einganges zur Höhle an Bäume, und begaben sich dann zu Potolick.

Im Vorüberschreiten rief ihnen Kateumsi mit barscher Stimme zu:

Bereitet das beste Fleisch, damit Eure weiße Herrin hier sich daran erfreuen kann.

Dann wandte er sich wieder mit milden, bittenden Worten zu Ludwina, und flehte sie immer dringender, immer leidenschaftlicher an, ihn in ihre Augen sehen zu lassen, doch mit wachsender Angst verbarg sie ihr Antlitz nur noch tiefer in dem lockigen Haar der Haut, auf der sie lag.

Die Nacht hatte sich über das Thal gelegt, um so heller aber tanzte der rothe Schein des Feuers in dem Vordergrund der Höhle an deren felsiger Wölbung, und zitterte weit in die Schlucht hinaus an den kolossalen Steinblöcken, die dort umherlagen.

Eine Todtenstille herrschte ringsum, nicht einmal die Stimme eines Wolfes ließ sich hören, und wie Geister der Dunkelheit schwirrten die großen Fledermäuse in blitzschnellem Zickzack durch den Lichtschein.

Kateumsi saß mit zusammengezogenen Brauen, und hatte eine Weile seinen finstern Blick auf Ludwina geheftet, da beugte er sich zu ihr hin, legte seine Hand auf ihre Schulter, und sagte:

Kateumsi will sein Herz an Deiner Schönheit erfreuen, er bittet Dich, ihm Deine Augen sehen zu lassen, weil er Dich nicht dazu zwingen mag.

Bei der Berührung zuckte Ludwina, wie von einer Natter gebissen, und ein heftiges Zittern bemächtigte sich ihrer Glieder.

O, Gott, laß mich sterben! stöhnte sie, und zog sich in ihrem Grausen immer krampfhafter zusammen.

Da fuhr Kateumsi plötzlich herum, als habe er Etwas gehört, was ihn erschrecke, er lauschte nach der Schlucht hinaus, seinen Blick stier zwischen den Felsblöcken hin gerichtet, und schoß nun entsetzt und mit dem Rufe empor:

Potolick – ein grauer Bär!

Zugleich ergriff er Bogen und Pfeile und die schwere amerikanische Holzaxt, die neben dem Feuer lag, und sprang an die Eiche vor der Höhle.

In demselben Augenblick wurde eine kolossale lebendige dunkle Masse in der Schlucht zwischen dem, vom Feuerschein beleuchteten Gestein sichtbar, die sich langsam mit tiefem brummendem Tone heranbewegte. Es war ein ungeheurer grauer Bär.

Er schritt auf allen Vieren mit vor sich gesenktem Kopf zwischen den Felsblöcken hervor, und hatte die Eiche vor der Höhle bis auf zwanzig Schritte erreicht, da plötzlich hob er mit einem furchtbaren Stoßgebrüll seine Riesengestalt auf die Hinterfüße auf, breitete die kolossalen Arme auseinander, und schritt nun mit weit geöffnetem Rachen auf Kateumsi zu, der seitwärts von der Eiche den Pfeil aus ihn gerichtet hielt.

Das ungeheure Thier hatte aber noch nicht den zweiten Schritt gethan, als das gefiederte Geschoß des Häuptlings ihm in die linke Seite fuhr, und sich bis an die Federn in seiner Brust vergrub.

Mit Donnergebrüll stürzte sich das Ungeheuer seinem Feinde entgegen, doch noch ehe es die Eiche erreichte, flog ihm der zweite Pfeil in die Brust.

Im nächsten Augenblick griff der wüthende Bär um den Baumstamm nach Kateumsi, doch dieser wich ihm um die Eiche aus, und schoß ihm zugleich wieder einen Pfeil in den Riesenleib.

Nach dem Fehlgriff, den der Bär gethan hatte, wandte er sich aber mit rasendem Gebrüll von dem Häuptling ab der Höhle zu, von wo Ludwina mit wildem Entsetzen nach ihm hinstierte, und sich auf eine Hand stützend, die andere abwehrend nach ihm ausstreckte.

Potolick war in diesem Augenblick mit der Lanze in beiden Händen vor sie gesprungen und hielt die lange starke Degenklinge, welche die Spitze der Waffe bildete, dem grimmigen Thiere entgegen, welches nun mit Wuthgeheul auf den Indianer einstürzte.

Kateumsi aber hatte die schwere Axt erfaßt, folgte dem Ungeheuer, und in dem Augenblick, als dasselbe sich auf Potolick werfen wollte, schwang er sie über sich durch die Luft, und schleuderte mit so furchtbarem Schlage das schwere scharfe Eisen in den Hinterkopf des Thieres, daß die Axt in demselben halb vergraben sitzen blieb.

Wie vom Blitz getroffen, stürzte der Bär zu Boden, und zerbrach im Falle den Schaft von Potolicks Lanze, deren Spitze ihm durch die Brust gefahren war.

Der Siegesschrei, den Kateumsi ausstieß, ließ die Höhle erzittern, und wurde rund um in dem Thale von den Bergen wiedergegeben.

Um diese Zeit erreichten die Delawaren mit ihrem Häuptling und Rudolph an ihrer Spitze die enge Felsschlucht, durch welche der Bach seine rauschenden Wellen dem Thale, in dem Kateumsi lagerte, zutrug. Vor derselben auf dem begrasten Ufer des Wassers hielten die Reiter an, und stiegen von ihren Rossen. Schnell wurden nun sämmtliche Pferde an die hohen Büsche und Bäume längs des Ufers befestigt, und mehrere Feuer angezündet.

Youngbear wählte zwanzig seiner besten Krieger aus, die ihn begleiten sollten, und die übrigen lagerten sich um die Feuer in das Gras.

Es war sehr dunkel, doch die Sterne blitzten so hell, daß man die nahen Gegenstände um sich erkennen konnte.

Folge mir nach, sagte Youngbear zu Rudolph, an dem Bache hinschreitend, das Auge des Indianers sieht schärfer durch die Dunkelheit, als das des weißen Mannes.

Mit angsterfülltem und dann wieder in Hoffnung hoch schlagendem Herzen schritt Rudolph dem Häuptling nach, ihm folgten die Krieger in langem Zuge, und bald war der letzte Schein des Lagerfeuers hinter ihnen verschwunden. Sie hatten die Felsschlucht erreicht, wandten sich nun in dem umherliegenden Gestein hin und wieder unter der steilen Wand vorwärts, und kein Wort, kein Laut kam über ihre Lippen. Vorsichtig, die Büchse in der Rechten, suchten sie ihren Weg, um sich vor Straucheln zu bewahren, und gelangten ohne Unfall an den Ausgang des Engpasses in das Thal.

Hier blieb Youngbear stehen, sammelte seine Krieger nahe um sich, und sagte mit gedämpfter Stimme:

Ihr folgt mir in die Schlucht, die nach der Höhle führt, bleibt aber hinter mir zurück, bis meine Stimme Euch zum Kampfe ruft. Laßt Euren Fuß lautlos. Wie den des Panthers sein, Euer Ohr höre das Fallen des Blattes vom Baume, und Euer Auge gleiche dem des Geyers. Schießt nicht, ohne Youngbears Wort, und wenn ihr dann nach dem Herzen eines Feindes zielt, so haltet Eure Kugel fern von der weißen Jungfrau, die Kateumsi in der Höhle gefangen hält, und welche die Delawaren befreien wollen. Kateumsi wird aber keine Krieger bei sich haben, und für sein Herz reichen die Kugeln Youngbears und seines Freundes hin.

Dann wandte er sich zu Rudolph, und sagte: Gieb Deine Stiefeln an Einen der Krieger und ziehe dessen Mokassins an Deine Füße, damit Dein Tritt lautlos wie der eines Indianers werde.

Rudolph vollführte schnell die Weisung des Häuptlings, und als er sich nun in den leichten weichen Schuhen aufrichtete, fuhr dieser fort:

Youngbear überläßt Dir den ersten Schuß nach unsrem Feinde, doch wenn Deine Kugel neben dessen Herzen hinfliegt, soll er die Büchse des Delawaren hören. Laß Youngbear vor Dir hin schleichen, und lerne von ihm, wie auch das Ohr und das Auge Kateumsis betrogen werden kann. Hat Dein Tritt einen Laut gegeben, so bleibe so regungslos stehen, wie die Steine, durch die wir hinschleichen, damit Kateumsis Ohr sich wieder beruhige, denn sein Auge ist schwerer zu betrügen, und das kann nur ein Delaware thun. Nun laß uns zu seiner Höhle gehen, der große Geist wird uns führen.

Fort schritt nun der Häuptling durch das schon von Thau erweichte Gras, und ihm nach Rudolph und die Krieger. Wie eine Reihe von Schattengestalten zogen sie lautlos durch die Dunkelheit dahin, bis sie die Schlucht erreichten, deren Wände im hellen Feuerlicht, welches aus der Höhle hervorströmte, zu zittern schienen.

Jetzt bückte sich der Häuptling tief, und schritt behutsam seitwärts bis zu der Mitte des Eingangs in die Schlucht, wo die langen Schatten der höchsten Steinblöcke vor der Höhle ihn umgaben. Hier blieb er abermals stehen, zog Rudolph an sich heran, und flüsterte ihm zu:

Suche weder Kateumsi, noch die weiße Taube mit Deinem Blick zu erreichen, sondern lasse immer jenen hohen Felsblock Dir im Wege stehen, denn wenn Dein Auge Kateumsi trifft so erfaßt auch das seinige Dich.

Dann gab er ihm ein Zeichen, ihm wieder zu folgen, und schlich nun, tief in das Gras gebückt, von Stein zu Stein Fuß für Fuß in der Schlucht hinauf, um den hohen Felsblock zu erreichen, der sich keinen dreißig Schritte vor der Höhle erhob, und dessen Schatten sich in der Mitte der Schlucht bis zu ihrem Ausgang hinunter dehnte.

Ludwina hatte während des furchtbaren Kampfes mit dem gräßlichen Thiere ihren starren Blick nicht von der Schreckensscene abwenden können, nachdem Kateumsi aber den Sieg erfochten, dann die Diener in das fernste Ende der Höhle verwiesen hatte, und nun seine Aufmerksamkeit ihr wieder zuwandte, da war sie abermals in sich zusammengesunken, und hatte ihr Antlitz vor seinem entsetzlichen Blick verborgen.

Auf alle seine Bitten, seine schönen Worte hatte sie ihm keine Antwort gegeben, denn sie erkannte es an dem Ton seiner Stimme, daß seit dem Kampf ein wilderer, ein zügelloserer Geist in ihn gefahren war.

Wiederholt hatte er mit verschränkten Armen die Höhle auf und nieder gemessen und mit finsterm unheimlichem Blick nach Ludwina geschaut, er hatte, wie im Ausbruch rasender Leidenschaft, laut aufgelacht, und dabei seinen Fuß auf den todten Bären gestampft, und dann hatte er sich wieder neben die Gefangene auf das Lager geworfen, und in stürmischen Worten von seiner Liebe zu ihr gesprochen.

Ludwina lag in sich zusammengekauert, wie das Lamm, das den Sprung des Tigers erwartet, und eisig kalte Schauer liefen ihr durch die Glieder; warum konnte sie selbst den Tod nicht zur Hülfe gegen dieses menschliche Ungeheuer herbeirufen!

Der Häuptling erkannte sehr wohl den Abscheu, mit welchem Ludwina sich von ihm wandte, er blieb plötzlich in seinem Auf- und Abschreiten stehen, heftete seinen wild aufflammenden Blick auf die Gefangene, und sagte mit entschlossenem Tone:

Du hörst nicht auf Kateumsis Bitten, nicht auf sein Flehen, Du dankst ihm nicht dafür, daß er diesem Bären sein eignes Leben vorwarf damit derselbe Dich nicht zerreißen möchte, und Du erfreust den Sieger nicht mit Deinem Blick; Kateumsis Geduld wird zu Ende gehen.

In dem Ton dieser letzten Worte fühlte es Ludwina deutlich, welchen innern Sturm der Wilde ihr durch Dämpfen seiner Stimme zu verbergen suche, und in der Angst ihres Herzens blickte sie sich nach ihm um, denn es war ihr, als fühle sie sich schon von ihm erfaßt.

Ihr Blick, so entsetzt und verzweifelnd er auch war, zündete wie ein Blitzstrahl in dem Indianer, er zuckte zusammen, die finstre Wolke auf seinen Zügen verschwand, seine Augen glänzten mit unheimlichem Lächeln ihr entgegen, und mit gewaltsam verhaltener Stimme sagte er:

Dein Auge ist mächtiger, als Kateumsis Zorn, Dein Blick hat sein Herz wieder erfreut, und hat es mit Liebe für Dich gefüllt. Nun sollen Deine schönen Füße auch nicht länger zusammengebunden bleiben, Du sollst frei und ungefesselt Kateumsis Wohnung verschönern, und ihn durch Deine Nähe beglücken.

Seine ganze Erscheinung verrieth den Aufruhr, der sich seines Innern bemächtigt hatte, die Freundlichkeit in seinem Blick glich dem Lächeln eines bösen Geistes.

Du schönes Mädchen! sagte er mit zitternder Stimme, indem er sich auf sein Knie neben Ludwina niederließ, seinen glühend strahlenden Blick auf ihre Füße heftete, als wolle er sie mit den Augen verschlingen, Und sich nun zu ihnen hinbeugend, die Fessel von ihnen löste, und seine Hände dann erbebend um sie legte.

Gott, steh mir bei! schrie Ludwina bei der Berührung durch den Wilden, zuckte krampfhaft mit ihren Füßen, warf sich auf, und suchte ihn mit beiden Händen von sich abzuwehren, doch Kateumsi hielt mit der Linken ihren Fuß fest, und wollte nun seinen rechten Arm zärtlich um ihren Nacken schlingen, da raffte sie alle Kräfte zusammen, und stieß ihn mit der Gewalt der Verzweiflung so plötzlich von sich, daß er rücklings zu Boden stürzte.

Mit Blitzes Schnelle sprang sie auf, und wollte entfliehen, der Wilde aber fing sie noch bei ihrem Gewande, riß sie mit höllischem Gelächter zu sich zurück, und rief mit entfesselter, stürmischer Leidenschaft:

Komm, schönes Bleichgesicht, jetzt sollst Du Kateumsis Herz beglücken, jetzt sollen Deine blauen Augen und Deine weiße Haut ihn erfreuen! und damit erfaßte er ihre Hand und wollte sie auf sein Lager niederziehen, da blitzte es hinter dem nahen Felsstück hervor, der Donner eines Büchsenschusses erschütterte die Höhle, und Kateumsi preßte, zurückfallend, die Linke auf seine Brust.

Zugleich aber riß er mit seiner Rechten das Messer aus seinem Gürtel, schoß mit einem Wuthgebrüll von dem Lager auf, und stürzte Ludwina nach, die mit geltendem Angstschrei in die Tiefe der Höhle floh. Den zweiten Sprung aber hatte er noch nicht gethan, als noch ein Schuß aus der Schlucht her fiel, und der Wilde, abermals getroffen, wankte, dennoch, wie mit der letzten Kraft, Ludwina erreichte, und den blitzenden Stahl nach ihrer Brust stieß.

Potolick aber hatte sich zwischen sie und Kateumsi geworfen und fing dessen Hand in der seinigen auf.

In demselben Augenblick erreichte Rudolph den Comantschehäuptling, erfaßte ihn bei dem Haar und schlenderte ihn mit solcher Gewalt zurück, daß er durch die Höhle taumelte, zu Boden stürzte, und sich in seinem Blute rollte.

Nur ein Freudenschrei aus tiefster Seele, und Ludwina lag an der Brust des Geliebten. Worte hatten sie nicht; Weinen und Schluchzen war ihre Sprache, und fest und stürmisch umschlungen hielten sie bebend einander in den Armen; die Welt um sich hatten sie vergessen.

Youngbear stand mit einem Himmel voll Wonne auf seinen Zügen, und schaute auf die beiden Glücklichen, auch er hatte Alles um sich her vergessen, und ließ die Seligkeit der Beiden in sein eignes Herz einziehen.

Während sie so vom Glück überwältigt da standen, hatten sich die Delawaren lautlos genaht, und schauten mit glänzenden Blicken bald auf ihren Häuptling und auf das selige Paar, bald aber wieder sahen sie triumphirend auf den verhaßten Feind, auf Kateumsi, der mit dem Tode rang.

Wie ein sterbendes Raubthier rollte derselbe seine mit Blut unterlaufene Augen nach ihnen hin, und stieß unzusammenhängende Flüche gegen die Delawaren aus. Sein Leben floh aber schnell, und noch ehe der Freudensturm der drei Glücklichen verwogte, und ihre Seelen sich ihrer Umgebung wieder zuwandten, entquoll ein Blutstrom Kateumsis Munde, in krampfhaftem Zucken schlug er noch einmal mit seinen Gliedern, und er war eine Leiche.

Kaum aber war Rudolph wieder Herr seiner selbst geworden, als er sich Youngbear an die Brust warf, und ihm schluchzend seinen Dank für die Rettung seiner Braut stammelte.

Youngbear der Freund des jungen Adlers und der Freund der weißen Taube, sagte der Delaware in dem überströmenden Gefühle seines Glücks, da trat Ludwina zu ihm hin, öffnete ihre Arme, und schlang sie mit den Worten um den Nacken des Indianers:

Ja, Du bist der treuste Freund, den diese Erde je besessen, Du lieber, Du guter Youngbear!

Dabei preßte sie ihn an ihre Brust, und drückte ihre Lippen in innigem Kusse auf die seinigen.

Dank, Dank, ewigen Dank, Du bester aller Freunde, war Alles, was sie, ihm die Hand schüttelnd, noch hervorbringen konnte, denn ihre Thränen erstickten ihre Stimme.

Youngbear war Dein Schuldner, Youngbear hat Nichts gethan, als was Dein Freund, Dein Schuldner thun mußte, sagte der Häuptling in seinem Glücksrausche, und zeigte auf den rothen Seidenshawl, der um seinen Nacken geschlungen hing und die Worte kamen aus seiner tiefsten Seele, denn der Indianer kennt nichts Gemeineres, nichts Ehrloseres, nichts Verworfeneres, als Verrath an einem Freunde.

Nun aber wandte sich Ludwina und zugleich Rudolph nach Potolick, der in einiger Entfernung von ihnen unbeweglich stand, und mit stiller Freude auf seinen Zügen seinen Blick auf sie geheftet hielt. Mit heißen, herzinnigen Worten dankten sie ihm dafür, daß er Kateumsi's Messerstich von Ludwina abgewehrt hatte, und baten ihn, mit nach Friedrichsburg zu reiten, damit sie ihn für seine gute That belohnen könnten. Potolick aber zeigte auf seinen todten Häuptling, und sagte:

Kateumsi muß mit nur reiten, damit ich ihn bei seinen Vätern begraben kann. Potolick will aber bald nach Friedrichsburg kommen, um seine vielen weißen Freunde wieder zu sehen.

Jetzt erst gedachten die Wiedervereinigten des Bären, welcher vor dem Feuer lag, und Ludwina erzählte nun mit wenigen Worten, auf welche Weise das schreckliche Thier dorthin gekommen sei.

Potolick hatte unterdessen das an der Eiche aufgehangene Wildpret zu dem Feuer getragen und die Indianerinnen herbeigerufen, damit sie dasselbe zum Essen zubereiteten.

Ludwina ließ sich nun mit höchster Seligkeit im Herzen bei dem Feuer auf dem Lager nieder, auf welchem sie sich noch vor so kurzer Zeit den Tod gewünscht hatte, und zu ihren beiden Seiten setzten sich Rudolph und Youngbear hin.

Ach, wenn nur mein guter Vater schon die Nachricht von meiner Rettung hätte, sagte Ludwina, ihre Hände faltend, der arme unglückliche Mann wird vor Angst vergehen!

Der beste Reiter und das beste Pferd der Delawaren sollen ihm die Angst aus dem Herzen nehmen, fiel Youngbear freudig ein, und begab sich schnell zu seinen Kriegern, die vor der Höhle ein Feuer angezündet hatten, und um dasselbe lagernd, gleichfalls begannen, Wildpret zu rösten.

Sofort stand Einer derselben auf, nahm seine Waffen und eilte durch die Schlucht davon.

Wir werden ihn reich belohnen, sagten Ludwina und Rudolph zugleich zu dem Häuptling, als derselbe zu ihnen zurückkehrte, und dankten ihm wieder für seine endlose Liebe und Freundschaft.

Morgen, ehe die Sonne über uns steht, schlägt das Herz Deines Vaters in Freude und Glück, entgegnete Youngbear, sich neben Ludwina niedersetzend, und nun begann diese ihre Leidensgeschichte zu erzählen, wobei manche Thräne ihren Augen entquoll, und mancher schwere Athemzug ihrer Brust entstieg.

Bald aber machte die Natur ihre Rechte geltend, und der großen langen Aufregung folgte die tiefste Ermüdung. Ludwina war kaum noch im Stande, ein wenig geröstetes Wildpret zu sich zu nehmen, als ihr die Augen zufielen, sie mit einem glückseligen Lächeln Rudolph und dem Häuptling ihre Hände reichte, und einschlafend auf das Lager niedersank.

Jetzt brauche ich Dir nicht zu sagen, Du mußtest schlafen wollen, Du würdest auch gegen Deinen Willen einschlafen, sagte Youngbear lächelnd zu Rudolph, und dieser, so wie auch der Häuptling ruhten bald darauf in den Armen der Träume.

Auch die Krieger lagen regungslos um ihr Feuer, nur einer von ihnen hielt Wache.

Die Sonne schaute schon in die Höhle herein, als am folgenden Morgen Ludwina zum Erstenmale wieder die Augen aufschlug, denn ihre Begleiter hatten sie nicht wecken wollen. Nun aber wurde in aller Eile gefrühstückt, und dann sich zum Aufbruch bereit gemacht.

Ludwina und Rudolph ließen sich nochmals von Potolick das Versprechen geben, recht bald zu ihnen nach Friedrichsburg zu kommen, dann nahmen sie mit den innigsten Danksagungen Abschied von ihm, und nun traten sie mit Youngbear und den Kriegern den Weg nach der Felsschlucht an, ließen aber das Roß Kateumsis für Ludwina nachleiten. Der Engpaß bot freilich bei Tage dem Fußgänger wenig Schwierigkeiten, und ohne Aufenthalt gelangten sie in das Lager der übrigen Delawaren.

Schnell wurde sich dort nun zur Abreise gerüstet, auf dem Sattel von Kateumsis Roß wurde noch eine Büffelhaut zusammengelegt, Ludwina hinaufgehoben, und ehe eine halbe Stunde vergangen war, ritt sie zwischen Rudolph und dem Häuptling auf dem grünen Ufer des Baches dahin, und die Krieger mit den erbeuteten Pferden folgten ihnen in langem Zuge nach. Bald hatten sie den Platz erreicht, wo Kateumsi mit seiner schönen Beute sich von seinen Kriegern getrennt hatte, und verfolgten nun mit möglichster Eile ihren Rückweg durch die Berge.


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