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Eilftes Kapitel

Der Kriegszug. Die Flucht. Der Sturm. Die Heldin. Der Gefangene. Die Gefeierte. Der Triumphzug. Der dankbare Wilde. Ungestörte Ruhe. Die Vergnügungsreise. Guter Rath. Sorglosigkeit. Reizendes Nachtlager.

 

Während Ludwina nun den Schlangenwindungen, die langsam nach jenem Berge hinaufführten, folgte, bewegte sich, mehrere Meilen weiter nördlich ein langer Reiterzug durch die Gebirge.

Es waren gegen zwei hundert zum Krieg gerüstete Indianer, und an ihrer Spitze ritt Kateumsi auf dem Rappen.

Schweigend zogen sie hintereinander auf dem schmalen Büffelpfade in das Thal hinab, und erst auf dem üppig begrasten Ufer des sich dort hin- und herschlängelnden Baches hielt der Häuptling sein Roß an, und seine wilde Schaar sammelte sich um ihn.

Laßt Eure Pferde grasen, die Sonne steht noch nicht hoch genug, sagte er zu den Kriegern, und stieg selbst von seinem Rappen.

Dann streckte er sich auf das grüne Ufer hin, und seine Leute lagerten sich um ihn her.

Nach einer Weile hub er wieder mit lauter Stimme an: Erst wenn die Sonne hoch steht, sind die Bleichgesichter an ihrer Arbeit, und eine große Zahl von ihnen hat dann die Stadt verlassen; dann ist die Zeit unsrer Rache gekommen, und auch die Zeit, wo wir unsre Geschenke uns selbst nehmen werden. Kateumsi weiß, wo sie liegen. In dem Hause, wo die Weißen die große Donnerbüchse aufgestellt haben, um durch ihren Krach die Herzen der Comantschen mit Angst und Schrecken zu füllen, dort liegen die schönen Geschenke. Die Donnerbüchse aber soll unsre Herzen nicht wieder erschrecken, sie kann uns nichts zu Leide thun, denn es kommt keine Kugel aus ihr geflogen, sie donnert nur; alte Weiber mögen sich vor ihr fürchten!

Hier schwieg Kateumsi, und ließ seinen Falkenblick rund um das Thal wandern, dann fuhr er nach einer kurzen Pause fort:

Ihr folgt mir alle nach dem Hause, wo die Geschenke liegen, und tödtet jedes Bleichgesicht, das Ihr mit Euren Waffen erreichen könnt. In dem Hause wohnen die Häuptlinge der Weißen, und haben wir erst ihre Scalpe und die Geschenke in unseren Händen, dann ziehen wir von Haus zu Haus, tödten die Männer, und nehmen die schönen bleichen Frauen mit uns. Kateumsi giebt sie Euch alle, nur eine behält er für sich selbst. Ihr Auge gleicht dem blauen Himmel, wenn er durch schwarze Wolken schaut, ihre Haut ist weißer, als der Schnee der Gebirge, sie ist lieblicher, als die Mondscheinnacht im heißen Sommer, und schöner, als die Antilope auf der Prairie.

Abermals schwieg der Häuptling und versank in Gedanken, dann schaute er wieder um sich an den Bergen hin, und fuhr nach einer Weile fort:

Ihr werdet reichere Geschenke erhalten, als alle Comantschen zusammen bekommen haben, denn in jedem Hause werdet Ihr solche finden; nur müßt Ihr zuerst die Häuptlinge tödten. Es soll kein Bleichgesicht mehr in diesen Bergen wohnen, und wo ihre Häuser stehen, soll bald der Büffel wieder grasen. Auch in die andere neue Stadt der Amerikaner wird Kateumsi Euch führen, um sie dem Feuergott zu opfern. Dort sind noch schönere Weiber, die Eure Herzen erfreuen werden.

Während Kateumsi so sprach, ließ er seinen Blick fortwährend um sich schweifen, plötzlich aber fuhr er, wie erschrocken auf, hielt die Hand über die Augen, und spähete einige Augenblicke nach dem hohen Berge hin, der zwischen diesem Thale und dem von Friedrichsburg sich erhob.

Alle Krieger hatten ihre Blicke dorthin gerichtet, wo auf der höchsten Höhe jetzt eine Frauengestalt zu Pferde erschien.

Sie hat uns gesehen – sie flieht! rief Kateumsi mit wilder Stimme, vorwärts, sie darf nicht vor uns die Stadt erreichen!

Hiermit stürzte er fort nach seinem Roß, schwang sich auf dessen Rücken, die ganze Schaar that ein Gleiches, und wie vom Sturmwind getragen, stob sie dahin dem Berge zu.

Es war Ludwina, welche die Höhe erreicht hatte, ihr erster Blick war auf die Indianer in dem Thale gefallen, sie hatte gesehen, daß sie von ihnen bemerkt, daß sie alle nach ihren Rossen eilten, und ohne einen Augenblick zu verlieren, wandte sie ihr Pferd auf ihrem Wege zurück, und setzte dasselbe von Angst und Entsetzen gejagt in Galopp den Berg hinab der Stadt zu.

Kaum aber hatte sie die Ebene erreicht, als sie dem Thier den Zügel schießen ließ, es mit der Peitsche zur fliegenden Carriere antrieb, und an ihrer Wohnung vornher in der San Sabastraße hinunter stürmte.

Indianer – Indianer! schrie sie mit aller Macht ihrer Stimme Links und Rechts nach den Häusern hin, und die einzelnen Leute, an denen sie vorüberjagte, flohen schnell in ihre Wohnungen, und verschlossen Thür und Fenster.

Nach wenigen Minuten erreichte Ludwina die Vereinsgebäude, sie sprengte in den Hof hinein, und schrie aus Leibeskräften: Indianer – Indianer! doch Niemand kam ihr dort entgegen, als die Köchin, das weibliche Dienstpersonal, und ein Schneider Namens Zinke, der zitternd den Zügel ihres Pferdes ergriff, während sie selbst aus dem Sattel sprang.

Wo sind die Schützen? rief sie entsetzt, und sah sich um, ob sie nirgends Hülfe erspähen könne.

Sie sind sämtlich in das Feld hinausgegangen, antwortete der Schneider mit bebender Stimme, doch Ludwina besann sich nicht länger, sprang in die Küche, nahm einen Feuerbrand aus dem Kamin, erfaßte mit der Linken den Schneider beim Rock, und zog ihn mit den Worten:

»So kommen Sie mit mir« aus dem Thore und nach der Kanone hin.

Die Kanone muß gelöst werden, damit die Männer kommen, sagte sie zu dem Schneider, Sie müssen sie abfeuern.

Um keine Welt, Fräulein, das kann ich nicht, und wenn es mir das Leben kostet, schrie Zinke entsetzt, Ludwina aber hatte schnell die Lunte aus dem Kasten genommen, sie an dem Feuerbrand angezündet und das Leder von dem Geschütz entfernt.

In diesem Augenblick erschallte am Ende der San Sabastraße das furchtbare Kriegsgeschrei der Indianer, und hoch wirbelten sich die Staubwolken hinter ihnen auf.

Ludwina war schon im Begriff gewesen, die Lunte auf das Zündkraut zu drücken, doch als das wilde Geheul zu ihrem Ohr drang, ergriff sie den Schneider, der entfliehen wollte, beim Rock, und rief mit gebietender Stimme:

Schnell ziehen Sie das Geschütz herum, und richten Sie es gegen die Straße, wobei sie selbst nun Hand anlegte, und mit Hülfe des Mannes die Kanone wandte, so daß ihre Mündung den jetzt heranstürmenden Wilden entgegenzeigte.

Hoch aufgerichtet blieb Ludwina, kalt wie Eis, aber stark wie Eisen allein neben dem Geschütz stehen, und sah fest und entschlossen nach den furchtbaren Reitern hin, die in der Straße zusammengedrängt, Roß an Roß mit Höllengeschrei herangesprengt kamen.

Ludwina zitterte nicht, unbeweglich hielt sie die brennende Lunte über das Pulver und stierte mit weit geöffneten Augen den Barbaren entgegen, bis dieselben kaum noch hundert Schritt von ihr entfernt waren.

Sie erkannte Kateumsi auf dem Rappen an der Spitze des heranrasenden Haufen, sie blickte auf das Geschütz, drückte die Lunte auf das Pulver, sie sah den Blitz, fühlte den Krach, und sank ohnmächtig zu Boden.

Die Wirkung des Schusses war eine furchtbar verheerende, die Kartätschenladung hatte sich über die ganze Breite der Straße auseinandergetheilt und war in die dicht zusammengedrängte Reiterschaar hineingeschlagen, deren vordere Reihen mit Mann und Roß von dem Eisenhagel getroffen, zusammenstürzten Doch durch den ganzen Zug bis unter die letzten Reiter hatten die Kugeln Tod und Verderben getragen, so daß einige fünfzig Wilde, theils getödtet, theils verwundet, theils ihrer Pferde beraubt worden waren.

Kateumsis Rappe, in die Stirn getroffen, war über Kopfs in den Staub gestürzt, und hatte seinen Reiter weit über sich hingeschleudert, doch dieser, gleichfalls verwundet, hatte sich in seinem Entsetzen emporgerafft, war in den wirren Haufen seiner Gefährten hineingesprungen, und hatte sich auf eines der leeren Pferde geworfen.

Flieht – flieht – rettet Euch! schrie er mit so verzweifelnder Stimme, daß sie die Angst- und Todesschreie der Indianer übertönte, und warf noch einen Blick nach der Dampfwolke zurück, welche das Geschütz seinem Auge verhüllte.

Fort von der Donnerbüchse! schrie er wieder, und spornte sein Pferd in das verworrene Kneuel der Reiterschaar hinein, deren Rosse sich hoch gegeneinander aufbäumten und sich hin und her zusammendrängten, doch für den Augenblick in der Straße wie eingeteilt waren.

Dann aber halten die letzten Reihen sich gewandt, und nun stürmte der ganze Schwarm in zügellosem fliegendem Laufe heulend in der Straße zurück, um diesem Schreckensplatze zu entkommen, während ihm von Links und Rechts aus den Häusern noch einzelne Schüsse nachgefeuert wurden.

Der Pulverdampf war verweht, eine Todtenstille war eingetreten, und neben dem mörderischen Geschütz lag die Heldenjungfrau regungslos auf dem Boden.

Die pferdelosen Indianer, welche sich noch hatten fortbringen können, waren geflohen, und die todten und schwer verwundeten lagen zwischen den, von den Kugeln getroffenen Pferden, deren viele sich im Schmerze krümmten und sich aufzuraffen versuchten.

Niemand aber kam Ludwina zu Hülfe, denn die Weiber und der Schneider in dem Vereinslocale hatten sich versteckt, und erwarteten zitternd und bebend von Augenblick zu Augenblick das Erscheinen der Wilden.

Noch aber waren nicht zehn Minuten nach dem Schuß verstrichen, als die Männer von Friedrichsburg aus dem Felde herangestürmt kamen, und Rudolph an ihrer Spitze an dem Thor des Vereinsgebäudes vorüberrannte, um nach Ludwinas Wohnung zu fliegen.

Ein Blick seitwärts nach dem Geschütz, und er sah seine Braut neben demselben leblos hingestreckt.

Mit einem Schrei des Entsetzens stürzte er zu ihr hin, warf sich neben ihr nieder, und nahm sie bebend und verzweifelnd in seine Arme.

Da hob ein tiefer Athemzug des ohnmächtigen Mädchens Brust, ihre bleichen Lippen bewegten sich, und unter ihren kaum geöffneten langen Wimpern sah ihr matter Blick, wie aus einem Traum erwachend, hervor.

Ludwina – meine Engels Ludwina! rief Rudolph, von Hoffnung durchbebt, und setzte sie in seinem Arme auf, Ludwina aber barg ihr Antlitz an seiner Brust, und schmiegte sich matt und kraftlos in seinen Arm.

Noch waren sie Beide von Niemandem bemerkt worden, denn das Schlachtfeld zog Aller Blicke auf sich, und Pistolen- und Flintenschüsse machten den noch lebenden Indianern und Pferden ein Ende.

Ohne zu fragen, was eigentlich hier sich zugetragen, rannten die jungen Leute davon ihren Wohnungen zu, da kamen die ältern Männer mit den Frauen und Mädchen heran, und Rudolph trat, Ludwina in seinem Arme leitend, um das Vereinsgebäude ihnen entgegen.

In diesem Augenblick eilte der Director mit dem Schneider Zinke aus dem Thore hervor und mit dem Ausruf auf Ludwina zu:

Ist es möglich, Fräulein, Sie – Sie haben uns, haben die ganze Stadt gerettet?

Ludwina aber konnte nicht antworten, ein Anflug von Lächeln kam auf ihre bleichen Züge, und, halb von Rudolph getragen, erreichte sie das Speisezimmer.

Noch war der Director beschäftigt, sie zu beleben, zu stärken, als ihr Vater in höchster Bestürzung in das Zimmer stürmte, sein Kind in seine Arme schloß, und dann seinen Freudenthränen freien Lauf ließ.

Ist es denn wahr, Ludwina, hast Du denn die Stadt gegen diese Ungeheuer beschützt – hast Du denn die Kanone abgefeuert? fragte der Alte mit überströmender Freude.

Ich weiß es kaum selbst noch, antwortete Ludwina, sich ermannend, ich fand hier Niemanden, der die Kanone abfeuern wollte, und darum mußte ich es wohl selbst unternehmen. Die gräßlichen Wilden, Kateumsi an ihrer Spitze, waren schon dicht vor mir, da drückte ich die Lunte auf das Pulver, ich sah noch den Blitz, doch den Donner habe ich nicht mehr gehört.

Du mein braves Mädchen, sagte ihr Vater, und küßte und liebkoste sie.

Sind denn die Wilden geflohen? fuhr Ludwina wieder fort.

Vor solchen Kanonieren würde wohl jede Cavallerie Kehrt machen, antwortete jubelnd der Obrist v. Wildhorst, der eben in das Zimmer getreten war, und die Hand Ludwinas freudig ergriff, so einen Kartätschenschuß habe ich nie in meinem Leben gesehen; liegen doch die Kerle und die Gäule reihenweise da!

Ach, mein Gott, so viele Menschen hätte ich getödtet? fiel Ludwina ihm geängstigt in das Wort, und faltete ihre Hände.

Und uns Alle hast Du damit gerettet, versetzte der Obrist, ganz Friedrichsburg hast Du erhalten, diese Schurken hätten nicht ein Haus stehen lassen.

Ludwina hatte sich bald vollkommen wieder erholt, und erzählte nun zum größten Erstaunen aller Umstehenden den ganzen Hergang der Begebenheit.

Noch wurden immer wieder neue Fragen an sie gerichtet, als Burg die Zimmerthür öffnete und einen Indianer zeigte, den er bei dessen Haarzöpfen festhielt.

Hier bringe ich noch einen von den Spitzbuben, Herr Director, sagte er frohlockend, soll ich ihn kalt machen?

Nein, nein, Burg, lassen Sie ihn festschließen und gut bewachen, doch daß ihm Niemand etwas zu Leide thut; er ist mir von großem Werthe. Ist er verwundet? entgegnete Schubbert.

Ach, nicht viel, versetzte Burg, er hat Eines in den linken Hinterlauf bekommen, der Knochen aber ist noch ganz. Ja, wenn er nicht angeschossen gewesen wäre, so hätte ich ihn nicht kriegen können, der Kerl lief, wie ein Haase.

Dann wandte sich Burg zu seinem Gefangenen, und führte ihn mit den Worten: »Komm, Du rother Halunke«, an dem Zopfe davon.

Ehe Ludwina das Vereinsgebäude verließ, hatte sich die ganze Bevölkerung von Friedrichsburg vor demselben gesammelt, um ihre Retterin zu sehen, zu feiern und ihr zu danken. Alle ihre näheren Bekannten aber drängten sich nach einander zu ihr in das Zimmer, und machten dort den überströmenden Gefühlen ihrer Herzen Luft, während draußen in der Straße die Jubelrufe der Menge nicht verhallten.

Die Blässe war von dem Antlitz des Heldenmädchens verschwunden, ihre Wangen waren mit Purpur übergossen, und Freude und Glück strahlten aus ihren glänzenden Augen, als sie sich erhob, um ihren Heimweg anzutreten.

Ich habe Ihr Pony hier vor die Thür in den Thorweg führen lassen, Fräulein Ludwina, sagte der freundliche Proviantmeister zu ihr, denn zu Fuße würden Sie in der ersten Stunde Ihr Hans nicht erreichen; die Leute lassen Sie nicht los.

Ach, ich gehe lieber, antwortete Ludwina verlegen.

Nein, Fräulein, unser lieber Herr Bickel hat Recht, fiel der Director ihr in das Wort, reiten Sie, Sie sind zu Pferd gekommen, um uns Alle und die Stadt zu retten, und zu Pferd verlassen Sie den Platz, der Zeuge Ihrer hochherzigen That war.

Auch Rudolph, namentlich aber dessen Vater bestanden darauf, daß sie reiten solle, und letzterer sagte begeistert:

Es geziemt und gebührt Dir von rechtswegen, Deinen Triumphzug zu Roß zu halten, wir werden Dir als Ehrenwache dabei dienen.

So sehr Ludwina nun mit dem Entschluß zögerte, sich vor der, ihrer draußen harrenden Menge zu zeigen, namentlich aber hoch zu Pferd, so führte man sie doch endlich hinaus in den Thorweg, und hob sie dort auf das Pony.

Kaum aber wurden die Leute in der Straße ihrer ansichtig, als sie in einen Sturm von Freudenrufen ausbrachen und sich vor das Thor zusammendrängten, denn ein Jeder wollte der Erste sein, der sie begrüßte, der ihr seinen Dank zurief.

Da hielt Ludwina vor der jauchzenden Menge, Worte hatte sie nicht, aber Thränen der Freude unzählige, und während dieselben wie Kristallperlen von ihren langen Wimpern fielen, ließ sie ihren wonnetrunkenen Blick von Auge zu Auge wandern, und winkte mit beiden Händen ihre Grüße, ihren Dank nach ihren Mitbürgern hin.

Lange Zeit blieben alle Bemühungen der Ihrigen und der Beamten vergebens, ihr einen Weg durch die Volksmenge zu bahnen, bis endlich der Director selbst ihr voranschritt, und sie nun unter den Jubellauten und Lebehochs, die ihr zu beiden Seiten folgten, ihren Heimzug antrat.

Die Leichen der Indianer hatte man aus der Straße entfernt, doch deren Blut hatte den Boden gefärbt, über welchen die Siegerin hinritt, und mit Wehmuth schaute sie auf die rothen Spuren und auf die vielen todten Pferde nieder, zwischen welchen ihr Weg sie hinführte.

Fort wogte der Zug in der San Sabastraße hinauf, Alt und Jung drängte sich in ihm vorwärts, um dem gefeierten Mädchen nahe zu bleiben, und unter donnerndem Lebehoch nahm man Abschied von ihr, als sie schließlich mit den Ihrigen in ihre Wohnung eintrat.

Das tragische Ereigniß war für Friedrichsburg von der größten Bedeutung, denn sein gefährlichster Feind hatte dadurch eine solche Lehre bekommen, daß er sicher niemals wieder daran denken würde, mit offener Gewalt einen Angriff auf die Stadt zu wagen. Freilich konnte man voraussetzen, daß sein Haß gegen die Bewohner derselben jetzt noch viel grimmiger, noch viel tödtlicher entflammt sein würde, und daß der Einzelne um so mehr vor ihm auf seiner Hut sein müsse, doch der gesammten Einwohnerschaft konnte nun von Kateumsis Seite her keine Gefahr mehr drohen.

Um aber noch einen Versuch zu machen, den feindseligen Häuptling milder zu stimmen, beschloß der Director, dessen gefangenen Krieger als Werkzeug zu gebrauchen.

Obgleich er ihn gefesselt und aufs Strengste bewacht hielt, so sorgte er doch zugleich für dessen beste Verpflegung und gütigste, freundlichste Behandlung. Er selbst verband täglich dessen Wunde, er ließ ihm die beste Nahrung reichen, unterhielt sich oftmals lange Zeit mit ihm, und sagte ihm, daß er ein Freund aller Comantschen sei, und daß Kateumsi in keiner Weise eine Ursache habe, so feindlich gegen ihn zu bleiben.

Der Indianer, dessen Name Potolick war, wurde von Tag zu Tag zutraulicher und freundlicher, und als ihn der Director nach einigen Wochen vollkommen hergestellt hatte, gab er ihm Bogen und Pfeile nebst Messer und Beil von einem seiner getödteten Kameraden, ließ ihm eine Menge von Geschenken, sowie Lebensmittel reichen, und versah ihn schließlich noch mit einem Maulthier, auf welchem er die Reise zu seinem Stamme ausführen konnte.

Mit dankbarem Herzen nahm der Wilde Abschied, und ritt mit der Versicherung davon, daß er niemals wieder die Waffen gegen ein Bleichgesicht gebrauchen würde.

Friede und Ruhe schienen jetzt der Stadt Friedrichsburg gesichert zu sein, man sah und hörte während einiger Monate Nichts von Indianern. Auf der Straße nach Braunfels wanderte man sorglos heraus und hinab, zu Wagen, zu Pferd und zu Fuß, Niemand wurde beunruhigt, und auch der Weg nach Austin belebte sich täglich mehr. Es wurden Güter aller Art von dorther bezogen, man trieb Schlachtvieh auf dieser Straße heran, und es war etwas Gewöhnliches, einzelne Reiter des Weges kommen zu sehen.

Kateumsi, durch dessen Gebiet die Straße führte, mußte dasselbe verlassen haben, oder er war endlich zu dem Entschluß gekommen, Frieden mit den Weißen zu machen, denn er ließ alle Reisenden ungestört durch seine Berge ziehen.

Es war in den ersten Tagen des Decembers, als Rudolph von dem Director den Auftrag erhielt, eine eilige Depesche nach Braunfels zu bringen, welche er keinem Andern anvertrauen wollte.

Die Besorgniß, von der Ludwina früher stets bei diesen Ritten ihres Geliebten befallen wurde, war durch den jetzt regen, ungestörten Verkehr mit jener Stadt gänzlich verschwunden, und da es ein schöner Morgen war, als Rudolph die Reise antrat, so gaben ihm Ludwina und ihr Vater das Geleit bis an die Pierdenales.

Mittags nach dem Essen saß Nimanski mit seiner Tochter vor dem Hause unter der Verandah beim Kaffee, und sie berechneten die Zeit, wann Rudolph wohl zurückkehren würde, als sie dessen Vater über die Grasfläche auf ihre Wohnung zuschreiten sahen. Beide gingen ihm entgegen, begrüßten ihn freudig, und führten ihn zu sich an den Kaffeetisch, wo Ludwina sofort eine Tasse für ihn füllte, und ihn dann mit einer Cigarre versorgte.

Ich komme, um Dir die Oberaufsicht über mein Schloß für einige Tage zu übertragen, hub der Obrist an, nachdem er seine Cigarre gehörig in Brand gebracht hatte, ich reite nach Austin, und kann Dir vielleicht dort gleichfalls das Eine, oder Andere besorgen.

Nach Austin? versetzte der Major überrascht, wie kommst Du dazu?

Ich hörte soeben, daß der frühere hannövrische Lieutenant Kalden und der Kaufmann Krebs dorthin reiten und einen Vereinsschützen mit sich nehmen wollen, und da ich vielerlei Gegenstände, namentlich Zucker, Kaffee, Cigarren und Toback anzuschaffen habe, so dachte ich, ich fände in Austin doch eine bessere Auswahl und vernünftigere Preise, als hier. Da nun Rudolph auch nicht zu Hause ist, so mußt Du die Vertheidigung meiner Veste übernehmen, im Fall die Indianer stürmen sollten, antwortete der Obrist heiter, strich seinen Schnurrbart zur Seite, und schob die Cigarre wieder zwischen seine Lippen.

Nimm Du Dich nur in Acht, Du alter Kriegskamerad, daß die Indianer keinen Sturm auf Dich unternehmen, hier hat es Nichts mehr zu sagen, fuhr Nimanski fort, und wandte sich dann zu Ludwina, nicht wahr, mein Mädchen, Du hast ihnen die Lust dazu genommen.

Ei, der Weg nach Austin wird ja jetzt fast täglich bereist, und seit Monaten ist Niemand auf demselben behelligt worden, versetzte Wildhorst. Außerdem hat es Nichts zu sagen, es sind unserer Viere, und noch obendrein können die Indianer meinen Scalp nicht gebrauchen, es ist ja beinahe kein Haar mehr darauf, und vor weißem Haar sollen sie Ehrfurcht haben.

Ja, darauf hin möchte ich ihnen den meinigen denn doch nicht anvertrauen, der Kukuk könnte sein Spiel haben und ihnen Lust machen; der Geschmack ist verschieden, fiel der Major lachend ein. Doch, ernstlich gesprochen, Wildhorst, ich würde mich einer möglichen Gefahr wirklich nicht aussetzen Du kannst Deine Aufträge ja dem Kaufmann Krebs geben, und wenn Du ihm auch ein Paar Dollars mehr zahlen mußt. Es ist ein langer, angreifender Ritt.

Das ist mir gerade erwünscht, ich muß einmal wieder ordentlich Pferdefleisch unter mir haben, ich komme ganz aus der Gewohnheit. Auch hat mir unser damaliger Ritt nach Austin so viel Vergnügen gemacht, daß ich mich immer nach einer Gelegenheit gesehnt habe, ihn zu wiederholen.

Nun, ich muß Dir gestehen, alter Freund, ich glaube, wir Beiden schlafen doch viel angenehmer in unsern guten Betten, als im Grase unter Gottes freiem Himmel, bemerkte Nimanski lachend, und setzte dann ernst hinzu:

Folge Du meinem Rath, Wildhorst, und bleibe hier, dann erkältest Du Dich nicht, und läufst auch keine Gefahr, Deinen Scalp zu verlieren.

Ach, Thorheit – antwortete der Obrist, Gefahr ist nicht mehr vorhanden, und bekommen wird mir der Ritt ganz vortrefflich. Kann ich Dir nun irgend Etwas dort besorgen, so thue ich es mit Freuden.

Ja, was meinst Du, Ludwina, etwas Kaffee und Zucker könnten wir wohl auch gebrauchen? sagte Nimanski zu seiner Tochter.

Nun, wißt Ihr was, überdenkt Euch, was Ihr nöthig habt, und Ludwina schreibt es mir auf einen Zettel, dann vergesse ich nichts. Komm in etwa einer Stunde hinüber nach meinem Hause, wir reiten erst gegen Abend. Jetzt habe ich noch Verschiedenes zu besorgen.

Bei diesen Worten war der Obrist aufgestanden, küßte Ludwina zum Abschied, reichte dem Major die Hand, und eilte mit jugendlichem Schritt fort in die San Sabastraße und nach dem Vereinsgebäude.

Als er in das Geschäftslokal eintrat, kam ihm der Director mit den Worten entgegen:

Ist es wirklich wahr, lieber Herr Obrist, daß Sie nach Austin reiten wollen?

Ich habe mich dazu entschlossen, Herr Director, unser damaliger Ritt hat mir gar zu gut gefallen. Haben Sie vielleicht irgend einen Auftrag für mich, so wird es mir ein Vergnügen sein, ihn auszuführen, antwortete der Obrist.

Nur mit einigen Briefen werde ich Sie zu beschweren mir erlauben, versetzte Schubbert, und fuhr denn fort:

Wie ich höre, reitet Calden und Krebs mit Ihnen, und Beide haben mich ersucht, ihnen noch einen meiner Schützen mitzugeben. Versehen Sie sich nur ordentlich mit Waffen.

Ich nehme meine beiden Revolver mit, mehr Schüsse werden wir hoffentlich nicht bedürfen, bemerkte der Obrist.

Und keine Büchse? fiel der Director verwundert ein.

Sie ist mir zu unbequem beim Reiten, entgegnete Wildhorst.

Ei was, unbequem, sagte Schubbert, damals erschien sie Ihnen wahrhaftig bequem genug, als uns Kateumsi mit seiner Schaar angriff; nehmen Sie Ihre Büchse mit. Mir könnten Sie Alles bieten, ich sollte, nur mit Revolvern bewaffnet, nach Austin reiten, ich würde mich dafür bedanken.

Ach, es denkt ja kein Mensch mehr an Indianer, es kommen und gehen so viele Reisende auf dieser Straße, entgegnete der Obrist, und bat dann den Director nochmals, ihm alle seine Aufträge mitzugeben.

Wir werden gegen fünf Uhr reiten, so daß wir bei den Mormonen übernachten, sagte er, sich verabschiedend, und bemerkte, daß er vorsprechen werde, um die Briefe und etwaige sonstige Aufträge abzuholen

Es war um die festgesetzte Zeit, als Obrist von Wildhorst, sein Roß am Zügel hinter sich herleitend, mit Nimanski und dessen Tochter das Vereinsgebäude erreichte, wo seine Reisegefährten bereits im Gespräch mit dem Director und dem Proviantmeister seiner harrten.

Nun, also wirklich keine Büchse? rief Schubbert dem Obristen zu, ich versichere es Sie im vollsten Ernste, daß es sehr unvorsichtig von Ihnen ist. Schlechter bewaffnet habe ich niemals Reiter in die Wildniß ziehen sehen. Herr Lieutenant Calden hat nur eine einfache Büchse, Herr Krebs führt eine Vogelflinte, als ginge es auf die Hühnerjagd, und Sie, verehrter Herr Obrist, tragen nur Revolver mit sich, als ritten Sie zum Scheibenschießen aus. Mein Schütz Kracke ist der Einzige unter Ihnen, der ausgerüstet ist, wie es sich gehört

Habe ich nicht zwölf Schuß bei mir, mit denen ich auf fünfzig Schritt so gut treffe, wie mit einer Büchse? sagte der Obrist lachend.

Das heißt, wenn Sie nach einer Scheibe schießen, Herr Obrist, nicht aber, wenn Sie einen Wilden treffen sollen, dem es nach Ihrem Scalp gelüstet, Und der Ihnen auf hundert Schritt seinen Pfeil durch den Leib schießt. Nehmen Sie eine Doppelbüchse von einem meiner Schützen mit, wenn ich Ihnen rathen darf, versetzte der Director mit ernstem Tone.

Wahrhaftig, Herr Director, es ist mir zu unbequem, ich will meinen Scalp einmal daran wagen, und im Nothfall mache ich einen regelmäßigen Kavalierieangriff, Sie haben meinen Säbel nicht bemerkt; den brauche ich nicht zu laden und er geht jedesmal los, antwortete Wildhorst in wirklich jugendlicher Laune, und schlug an den Palasch, den er unter seinem Rocke hängen hatte.

Wenn Sie die Pfeile damit pariren können, so will ich es gelten lassen, denn ein Indianer wird sich höflichst dafür bedanken, mit der Klinge in nähere Berührung zu gerathen, bemerkte der Director, und behändigte nun dem Obristen die Briefe an verschiedene Kaufleute in Austin mit der Bitte, dieselben an ihre Adressen gelangen zu lassen.

Darauf nahm der Obrist Abschied von seinem Freunde Nimanski und von Ludwina, empfahl sich dem Director und den Beamten, und bestieg sein Roß, welches er in Galopp setzte, um seine Reisegefährten einzuholen, die bereits einige hundert Schritt Vorsprung vor ihm gewonnen hatten.

Es war schon dämmerig, als die Reiter die Mormonenstadt erreichten und ganz in der Nähe der Mühle sich auf dem grünen Ufer der Pierdenales häuslich niederließen, denn der Abend war so mild und reizend, daß Keiner von ihnen das sternbedeckte Himmelszelt gegen ein Obdach, von Menschenhänden gebaut, vertauscht haben würde.

Die Sichel des neuen Mondes warf schon ihr bleiches Licht auf die wild vorüberbrausenden Wellen des Stromes und zauberte eine tanzende Brillantensaat auf die schäumende Fluth, während das rothglühende Lagerfeuer lustig aufflackerte und knisternd seinen Funkenregen um sich sprühte.

Es wurde Kaffee gekocht, das mitgenommene Abendbrod verzehrt, und dann sich mit brennender Pfeife, oder Cigarre um das Feuer gelagert und in heiterer Unterhaltung sich der herrlichen Nacht gefreut.

Der ununterbrochene Aufenthalt in der freien Luft wirkt wahrhaft verjüngend auf einen alten, durch Strapazen mitgenommenen Körper, wie der meinige ist, sagte der Obrist, sich behaglich vor dem Feuer hinstreckend, ich habe in Deutschland mich in den letzten Jahren niemals so wohl und kräftig gefühlt, wie hier, wo ich beinahe immer mich im Freien aufhalte. Es ist wirklich ein herrliches Land. Die dichtgeschlossenen Häuser in Deutschland bringen ihre Bewohner um Gesundheit, Frohsinn und einen großen Theil der Lebensdauer, die ihnen eigentlich bestimmt ist.

Wie könnte man aber bei dem veränderlichen kalten und feuchten Wetter in Deutschland in solchen offenen Wohnungen, wie die hiesigen, leben – der Wind bläst ja durch alle Fugen, versetzte Lieutenant Calden, ein schöner junger Mann von vornehmem Aeußern.

Freilich, es ist dies wunderbar schöne Klima, welches beinahe jede Wohnung unnöthig macht, sagte der Obrist um sich schauend, eine solche Nacht kennt man in Deutschland nicht.

Dabei spielte die laue Luft mit den Flammen des Feuers und säuselte in den Blättern der umstehenden Bäume, und das Rauschen und Brausen des nahen Wasserfalles tönte durch die stille, mondhelle Nacht.

Die Lichter in der nahen Mormonenstadt erloschen, die Pferde der vier Friedrichsburger thaten sich im hohen Grase nieder, und diese selbst sanken, die Augen schließend, auf ihre Sättel zurück.


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