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Zehntes Kapitel

Der böse Feind. Die Anforderung. Der Trotz. Feindliches Auftreten. Der Schreckschuß. Vorsicht. Der Herbsttag. Die Verloosung. Der Spazierritt.

 

So waren mehrere Wochen in ungestörter Ruhe und gewohnter reger Arbeitsamkeit verstrichen, und die Indianer waren vollständig aus der Erinnerung der Bürger verschwunden. Da saß eines Nachmittags Rudolph v. Wildhorst bei seiner Braut vor deren Wohnung unter der Verandah, hatte seinen Arm um ihre Schultern gelegt, und beredete mit ihr die für das Frühjahr festgesetzte glückliche Zeit, wo alle ihre Wünsche durch ihre ehrliche Verbindung in Erfüllung gehen sollten.

Und dann gehst Du nicht mehr von mir, mein Rudolph, sagte Ludwina, sich zärtlich an seine Brust schmiegend, und sah mit seelenvoller Innigkeit zu ihm auf.

Nein, dann soll uns Nichts mehr trennen, ich werde mein Land draußen an dem Wallnußbach, wozu mir der Director verholfen hat, mit Baumwolle bepflanzen, werde Viehzucht treiben, und außerdem nur für meine Ludwina leben, erwiederte der glückliche Jüngling.

Du mußt aber auch Schafe anschaffen, sie liefern einen schönen Nutzen, und es kostet Nichts, sie zu erhalten, fuhr Ludwina fort.

Nichts, als die Bewachung, wenn sie in der Weide gehen, denn sonst möchten die Wölfe sie uns bald alle holen, entgegnete Rudolph, der Indianer wegen können wir nun so viel Vieh halten, wie wir wollen.

Wenn nur dieser Kateumsi und seine Anhänger nicht wieder als Feinde gegen uns auftreten, denn man glaubt doch, daß er es war, der den Weltge erschossen hat. Er ist ja nicht zum Friedensschluß gekommen.

Ich verdeute es dem Manne nicht, und weiß nicht, ob ich an seiner Stelle nicht auch weggeblieben wäre; es ist ein Stolz, eine Festigkeit in dem Kerl, die mir gefällt, bemerkte Rudolph.

Aber meuchlings den armen Weltge zu erschießen! fiel Ludwina ein.

Er ist ein wilder Indianer, der das Unrecht, welches ihm die Weißen anthun, in seiner Ohnmacht rächt, wie er kann. Es that mir damals weh, als ich ihn vom Pferde schießen mußte, um unser eignes Leben zu schützen.

Du bist zu gut, Rudolph, und ich glaube, Du gehst zu weit in der Entschuldigung für sein Verfahren, sagte Ludwina wieder, die Weißen thun ihm ja doch Nichts zu Leide.

Sie nehmen ihm das Land, welches er besitzt und welches seine Väter besessen haben; denn jetzt ist die Straße nach Austin eröffnet, und wie lange wird es dauern, so entstehen längs derselben Niederlassungen, bald werden alle die kleinen schönen Thaler zwischen den Bergen urbar gemacht, und Kateumsi muß das Land seiner Väter verlassen, nur irgendwo sich eine neue Heimath zu suchen, entgegnete Rudolph, da wurden dicht hinter dem Hause Nimanskis Pferdetritte laut, und im nächsten Augenblick ritt Kateumsi auf seinem mächtigen Rappen an der Einzäunung vorüber.

Wie ein Blitz schoß es aus seinen dunkeln Augen, als sie denen Rudolphs begegneten, in der nächsten Secunde aber hefteten sie sich hell aufleuchtend auf Ludwina, und sich hoch im Sattel emporrichtend, hielt der Wilde seinen Blick auf sie geheftet, bis die Laube sie ihm entzog.

Dicht hinter dem Häuptling ritten seine Krieger in vollem Waffenschmuck mit dem, Bogen und Pfeile enthaltenden Köcher um ihre nackten Schultern, der langen, mit bunten Federn und rothen Lederstreifen gezierten Lanze in der Hand, der Streitaxt im Gürtel und dem großen runden Lederschild auf dem linken Arm. Schweigend zogen sie vorüber auf ihren prächtigen Rossen, und ihnen nach kamen einige hundert Weiber und Kinder auf Pferden und Maulthieren, und trieben eine große Anzahl von schwer beladenen Packthieren mit sich fort.

Ludwina war bei dem Blicke des Häuptlings zusammengefahren, und hatte sich erschrocken an Rudolph gedrückt, als dieser halblaut zu ihr sagte:

Das ist Kateumsi, von dem wir so eben sprachen.

Ich fürchte mich vor ihm, er sah uns mit keinem guten Blicke an, sagte Ludwina, ihm nachschauend, als er über das Grasland vor seinem Volke her der San Sabastraße zuritt.

Ich glaube wohl, daß er mir nicht gut ist, weil ich ihn vom Pferde geschossen habe; er erkannte mich augenscheinlich auch eben wieder, versetzte Rudolph, übrigens kommt er in guter Absicht, sonst würde er die Weiber und Kinder nicht bei sich haben. Ich bin wirklich neugierig, was er will.

Dabei war Rudolph aufgestanden, doch Ludwina ergriff seine Hand und sagte bittend:

Ach, gehe nicht hin, Rudolph, der Mensch ist Dir nicht gut, und er könnte sich rächen wollen.

Nein, nein, bestes Mädchen, er kommt sicher, um gleichfalls Frieden zu machen; ich will schnell nach den Vereinsgebäuden laufen, antwortete der Jüngling, küßte Ludwina, und sprang mit seinem Hut davon, worauf diese ihm halb ängstlich nachrief:

Komm bald zurück, Rudolph!

In der Stadt erregte der lange Zug der Indianer große Neugierde, Alles lief herzu, um sie zu betrachten, doch die Wilden schauten nicht Links, nicht Rechts, und zogen schweigend in der Straße hinunter bis vor das Vereinslokal.

Dort waren bereits die Beamten und die Schützen aus dem Thor herausgekommen, und als Kateumsi vor ihnen sein Pferd anhielt, trat der Proviantmeister auf ihn zu, und fragte ihn in nur halb freundlichem Tone, was er wolle.

Kateumsi will die Waffen gegen Euch Weiße begraben und Friede mit Euch machen, antwortete der Häuptling mit ernster Stimme.

Warum bist Du nicht zum Friedensschluß erschienen? fragte Bickel wieder.

Kateumsi war weit von hier, erwiederte der Wilde mit unveränderter Ruhe, der Mond ist wieder rund, der Friede jetzt ist eben so gut, wie bei dem letzten runden Mond.

Der Proviantmeister wußte im Augenblick nicht, was er dem Wilden antworten sollte, und wandte sich zu den andern Beamten, um deren Ansicht zu hören, da trat Burg nahe zu ihm und sagte:

Lassen Sie mich den Kerl herunterschießen, dann sind wir ihn los.

Wo denken Sie hin, Burg, antwortete Bickel unwillig, er kommt ja, um Frieden zu machen.

Dann sah er wieder nach Kateumsi ans und sagte:

Der Director ist nicht hier, wird aber bald kommen. Reitet hinaus nach dem Bach und schlagt Euer Lager auf, wenn der Director zurückkehrt, wird er Euch dort sprechen.

Kateumsi, ohne ein weiteres Wort zu sagen, lenkte sein Pferd in der Straße hin, und war bald mit seinem Gefolge den Blicken der ihm verwundert nachschauenden Menge, die sich bereits vor dem Vereinsgebäude gesammelt hatte, verschwunden.

Sie hätten ihn mich sollen herunter schießen lassen, den Spitzbuben, denn er und kein Anderer hat Weltge ermordet, sagte Burg wieder zu dem Proviantmeister.

Wie können Sie nur so reden, Burg, entgegnete Bickel mit seiner gewohnten Ruhe, erstens ist es ja doch nur eine Vermuthung von uns, daß Kateumsi den Mord begangen habe, und zweitens, was meinen Sie, welches Blutbad seine Bande in der Stadt angerichtet haben würde?

Das hätten wir ihnen wohl vertreiben wollen, fiel Kracke ein, sie sollten von ihren Gäulen herunter gewesen sein, ehe sie zur Besinnung gekommen wären.

Ach –- schwatzen Sie doch nicht solch dummes Zeug, Kracke – warten Sie erst einmal ab, was der Direktor dazu sagt, nahm Bickel wieder das Wort, und fügte, in die Straße hinunter schauend, hinzu:

Es ist recht fatal, daß er gerade jetzt nicht da ist – wenn er nur bald kommt.

Weit ist er nicht, denn er hat keine Büchse mitgenommen, bemerkt Burg, doch es verging beinahe eine Stunde, ehe der Erwartete zurückkehrte.

Noch war Schubbert aber nicht von seinem Pferd gestiegen, als Bickel schon die Ankunft Kateumsis meldete.

Frieden machen? wiederholte der Director, dieser Lump hat gehört, daß die Stämme so reich beschenkt worden sind und kommt jetzt, um sich gleichfalls Geschenke zu holen. – Sie werden sehen, daß ich Recht habe. Uebrigens wollen wir versuchen, so gut wir können, mit ihm fertig zu werden. Lassen Sie sogleich einen fetten Stier in sein Lager treiben und denselben dort erschießen, ich will dann später hinaus gehen, und hören, was Kateumsi angiebt.

Der Befehl wurde sofort ausgeführt, und als der Director eine Stunde später in dem Lager der Wilden erschien, saßen sie schon sämmtlich bei ihren Feuern, und rösteten und brieten Fleisch und Markknochen des Ochsen.

Schubbert trat zu dem Feuer Kateumsis, und dieser, ohne sich von seiner Büffelhaut zu erheben, winkte ihm, sich zu ihm zu setzen.

Warum bist Du nicht zum Friedensschluß gekommen? fragte der Director den Häuptling.

Weit! antwortete derselbe, und winkte mit der Hand nach Norden hin. Dann setzte er sich gerade, sah dem Director fest in die Augen, und sagte: Kateumsi wird jetzt Friede machen, und seine Geschenke mitnehmen.

Die Geschenke, welche zum Friedensschluß hierher gesandt waren, sind sämmtlich an die anwesenden Stämme gegeben worden; Santa Anna selbst hat sie unter sie vertheilt, antwortete der Director, als er aber sah, daß bei dieser Mittheilung die Brauen des Wilden sich finster zusammenzogen, fuhr er fort:

Uebrigens sollst Du nicht ohne Geschenke von hier ziehen, ich werde sie Dir zusenden.

Kateumsi verlangt eben so schöne und eben so viele Geschenke, wie die andern Stämme erhalten haben, hub der Wilde wieder an, und schaute dem Direktor gebietend in die Augen.

Den Friedensschluß mit den Comantschen hat die Regierung gemacht, nicht ich, und wenn ich Dich beschenke, so thue ich es aus eignem gutem Willen; ich brauche Dir gar Nichts zu geben. Wenn Du hättest solche Geschenke haben wollen, wie die andern Comantschen erhielten, so hättest Du zu der festgesetzten Zeit hier sein sollen. Die Delawaren haben Dich zeitig genug eingeladen, Du hast ihnen aber zur Antwort gegeben, Du würdest nicht kommen.

Bei diesen Worten sah der Director dem Wilden eben so fest und entschlossen in die Augen, wie er von ihm angeblickt wurde.

So willst Du mir keine Geschenke geben? fragte Kateumsi nach einer Pause mit erzwungener Ruhe.

Wenn Du als ehrlicher Freund gekommen bist – ja –, wenn Du aber nur gekommen bist, um Geschenke zu erhalten – nein –! versetzte Schubbert mit vollster Bestimmtheit, worauf der Häuptling abermals eine Zeit lang schwieg, dann aber, wie zu einem Entschluß gelangt, sagte: Kateumsi ist gekommen, um ein ehrlicher Freund zu sein, und um schöne Geschenke zu erhalten.

Gut, so bist Du mir willkommen, und Morgen frühzeitig werde ich Dir die Geschenke zusenden; heute ist es zu spät dazu, sagte der Director, reichte Kateumsi im Aufstehen die Hand, und verließ das Lager.

Zu Hause angelangt, gab er dem Proviantmeister auf, welche Gegenstände er für den unfreundlichen Gast bereit machen solle, und früh am folgenden Morgen sandte Bickel dieselben an Kateumsi in das Lager.

Die Beamten hatten sich so eben von dem Frühstückstisch nach dem Geschäftslokale begeben, und der Director stand mit dem Proviantmeister noch in dem Thorweg, als Kateumsi, von zwei alten Kriegern gefolgt, mit untergeschlagenen Armen in eine riesige Büffelhaut, deren Ende hinter ihm her auf der Erde schleifte, eingehüllt, stolzen Schrittes herankam, und mit den Worten auf den Direktor zutrat:

Kateumsi will mit Dir reden.

So rede, antwortete Schubbert ihm in demselben kalten unfreundlichen Ton, in welchem der Wilde zu ihm sprach.

Die Geschenke, die Du mir gesandt hast, sind schlecht, es ist kein rothes Tuch und es sind keine Perlen dabei; sie sind zu wenig für Kateumsi selbst; und seine Männer erhalten gar Nichts.

Wie ich Dir schon gesagt habe, ich bin nicht mehr im Besitz solcher Geschenke, wie die Regierung den Comantschen zugetheilt hat, und kann sie Dir daher auch nicht geben, und wenn Du nicht mit dem zufrieden bist, was ich Dir aus eigner Freundschaft sandte, so kann ich Dir nicht helfen, antwortete der Director, unwillig über die Unverschämtheit des Wilden.

So wird Kateumsi keinen Frieden und keine Freundschaft machen, sagte derselbe mit zorniger Stimme, und blickte den Director drohend an, doch diesem ging die Geduld jetzt zu Ende, und er entgegnete mit heftigem Tone:

Ich bin es jetzt müde, mich um Deine Freundschaft zu bemühen, ich werde aber über Dein Betragen an die Regierung berichten, und sie wird Dir ihre Streifschützen senden, um Dich dafür zu bestrafen. Thue nun, was Du willst, lasse Dich aber nicht wieder als Feind hier sehen!

Darauf wandte er Kateumsi den Rücken zu, und dieser ging stolzen Schrittes davon.

Das ist ein miserabeler Kerl, sagte Bickel, am Ende wäre es doch nicht so dumm gewesen, wenn Burg ihn vom Gaul geblasen hätte.

Nein, nein, lieber Bickel, wenn er sieht, daß er im Bösen Nichts ausrichtet, wird er doch noch andern Sinnes. Sie sollen sehen, er macht schließlich dennoch Frieden, entgegnete der Director, und hiermit begaben sich Beide in das Geschäftslokal.

Noch war keine Stunde verstrichen, als Burg plötzlich hereinsprang, und sagte:

Da kommt Kateumsi mit Sack und Pack angeritten.

Der Director, so wie alle Beamten traten in den Thorweg hinaus, und auch die Schützen hatten sich daselbst eingefunden, als Kateumsi mit seinen Kriegern hinter sich und von seinen Weibern und Kindern gefolgt, herangezogen kam, und vor das Vereinsgebäude ritt, während seine Männer sich hinter ihm aufstellten, und die Indianerinnen mit sämmtlichen Packthieren sich um ihn auf dem Platze sammelten.

Die Kerlen haben alle ihre Bogen gespannt, rief Burg dem Director zu.

Was willst Du mit gespanntem Bogen hier-? Rief Schubbert dem Häuptling jetzt zornig entgegen, und trat dabei hinaus nahe an das Pferd des Wilden, während dessen Krieger zu beiden Seiten des Directors aufritten.

Ich will Dich noch einmal fragen, ob Du mir die guten Geschenke geben willst, oder nicht? antwortete Kateumsi barsch.

In diesem Augenblick erfaßte Bickel den Director beim Arm, und zog ihn rasch mit den Worten zwischen den Wilden heraus:

Nehmen Sie sich in Acht, Herr Director, die Kerlen haben nichts Gutes im Sinne.

Da sah dieser den Kanonier, Conrad Wissemann mit der brennenden Lunte an sich vorüberspringen, und rief ihm zu:

Thun Sie keine Kartätschen hinein, feuern Sie den blinden Schuß ab, Conrad!

Ich frage Dich nochmals, willst Du die Geschenke herausgeben? rief Kateumsi jetzt mit noch drohenderer Stimme, als plötzlich aus der Kanone neben dem Vereinsgebäude das Feuer blitzte, ihr Donner die Luft erschütterte, und die Wolken des Pulverdampfes sich über den Platz zwischen die Wilden rollten.

Wie wenn die Erde sich aufgethan hätte, um sie zu verschlingen, mit solchem Entsetzen stoben die Indianer durcheinander hin; die Pferde und Maulthiere bäumten sich hoch, sie rannten gegen einander, sie warfen ihre Ladungen ab, hier hing ein Weib, ein Kind an der Mähne eines der Thiere, um nicht zurückgelassen zu werden, und ein Zetergeschrei stieg aus dem wirren Haufen auf, als sei der jüngste Tag angebrochen.

Doch nach wenigen Augenblicken entrollte sich der verworrene Knäuel, aus dem Pulverdampf hervor sprengten die zu Tode entsetzten Wilden, und fort, ohne zurückzuschauen, stoben sie unter den Eichen hin, Männer, Weiber und Kinder, und hinter ihnen her die losen Pferde und Maulthiere, als jage sie der böse Geist von hinnen.

Die kommen so bald nicht wieder, rief Bickel, in das stürmische Gelächter einstimmend, welches um ihn erschallte und lange Zeit jedes Wort übertönte, bis endlich der Director ihm Einhalt that, indem er sagte:

Ich fürchte, wir sehen sie zu bald schon wieder und wir mögen wohl auf unserer Hut sein, sollen sie uns nicht großes Unglück bereiten.

Der Kanonenschuß hatte alle Männer nach ihren Wohnungen gerufen, und mit den Waffen in der Hand kamen sie nach dem Vereinslokal gestürmt, wo sie nun hörten, was sich begeben hatte. Der Director benutzte die Gelegenheit, sie auf die Gefahr aufmerksam zu machen, die der Stadt jetzt von Seiten dieser Feinde drohe, und auf das Allerdringendste rieth er nun, nie ohne Waffen zu gehen. Zum Schluß aber ertheilte er den Schützen den Auftrag, Kateumsi niederzuschießen, sobald sie seiner wieder ansichtig würden.

Kateumsi aber ließ sich nicht blicken, eben so wenig, wie irgend ein anderer Indianer, es war, als wären dieselben in dieser Gegend ausgestorben.

Die unzähligen, ungeheuern Heerden der Büffel wanderten jetzt in den nördlichen endlosen Prairien, und dorthin waren ihnen die südlichen Indianerstämme gefolgt, um von ihrem Fleisch und Fett in Ueberfluß zu leben und Wintervorräthe davon zu sammeln, so wie Häute zum Verfertigen von Zeiten und zu mannigfachem Gebrauche zu gewinnen.

Die Friedrichsburger aber waren vorsichtiger geworden, und verließen die Stadt nicht mehr unbewaffnet, und wenn sie sich weit von ihr entfernen mußten, wie es oft der Fall war, wenn ihre Kühe sich verlaufen hatten, so gingen ihrer immer mehrere zusammen hinaus. Namentlich aber hatte Jedermann seine Waffen in besten Stand gesetzt und zum augenblicklichen Gebrauch bereit gemacht, so wie Vorrath von Munition dafür angeschafft.

Auch die Vereinsschützen gebrauchten mehr Vorsicht, denn statt daß sonst Morgens, wenn sie ihre Pferde einige Meilen weit von der Stadt in die Weide trieben, nur zwei Mann mit denselben geritten waren, zogen jetzt immer acht bis zehn Mann mit den Thieren hinaus, und ihre nächtlichen Wachen hielten sie jetzt mit viel größerer Pünktlichkeit, als früher.

Auch die Kanone stand nicht mehr blind geladen da, sie war mit einem vollen Pulverschuß und mit Kartätschen versehen.

Doch die Ruhe und die Sicherheit wurden durch Nichts gestört, die Stadt vergrößerte sich fortwährend, denn es verging keine Woche, ohne daß neue Emigranten von Braunfels eintrafen, und die ältern Bewohner derselben benutzten diese Zeit nach der Ernte, um ihre Wohnungen, ihre Gärten in bessern Stand zu setzen.

Der Herbst war herangekommen, und es war Zeit, daß das große Feld in einzelnen Stücken unter die Bürger, welche dasselbe geschaffen hatten, vertheilt wurde. Der Director ließ es in die erforderliche Zahl von Abtheilungen vermessen, und der Tag erschien, wo dieselben unter die Berechtigten verloost werden sollten.

Es war einer dieser südlichen schönen Herbstmorgen, wo die ganze Schöpfung erfrischt und gestärkt erscheint, und der Mensch, von übersprudelnder Lebenskraft durchströmt, hinaus in das Freie, in den Wald, in die Berge gezogen wird.

Noch prangte die saftig grüne Flur in vollem Blüthenschmuck, noch waren die steinigen Höhen der Berge mit leuchtenden, glühend farbigen Blumen, wie mit Edelsteinen geziert, und noch waren die Wälder des dichten Laubdachs und ihres heimlichen Dunkels nicht beraubt, doch die zartere Pflanzenwelt, die Ranken- und Schlinggewächse hatten ihre Blätter gefärbt, und wie goldne und purpurne Arabesken hing das leicht und graziös geschwungene Gewinde der Lianen von Ast zu Ast, von Baum zu Baum, und wiegte sich in der frischen Morgenluft.

Der Himmel hatte sein tiefstes, durchsichtigstes Blau angelegt, und die Sonne, statt zu sengen, vergoldete nur mit ihren Strahlen Berg und Thal, Wald und Flur.

Es war ein Festtag der Schöpfung, und ein Festtag für die Friedrichsburger. Alt und Jung war dem Director hinaus nach dem Vereinsfelde gefolgt, um dort der Verloosung beizuwohnen, bei deren Entscheidung die größte Zahl der Familien betheiligt war.

Auch Major Nimanski hatte der Ueberredung seines Freundes Wildhorst und dem schönen Morgen nicht widerstehen können, und war, mit der langen Pfeife versehen, Arm in Arm mit dem Obristen hinaus nach dem Felde gewandert, und zwar Beide mit Revolvern bewaffnet.

Du solltest auch mitgehen, Ludwina, es ist so herrlich draußen, sagte der Major zu seiner Tochter, ehe er sie verließ, um seinen Freund Wildhorst abzuholen.

Das Feld ist nicht schön, lieber Vater, und die vielen Menschen, die nur an die Verloosung denken, stehen mit der festlichen Stimmung der Natur nicht in Einklang, antwortete Ludwina mit freundlich bittendem Ausdruck, ich möchte mich gern so recht des Morgens erfreuen, und zwar in den Bergen, wo man weit über unser Thal hinaus die blaue Ferne sieht; ach, es ist so reizend schön dort Oben, und ich bin lange nicht hin gekommen.

Du wirst doch wohl nicht zu Fuße gehen wollen, mein Mädchen? fragte der Major.

Nein, mein bester Vater, ich will es Dir nur gestehen, ich habe Dein Pony bereits hinter dem Hause festgebunden, und werde es satteln und reiten. Bitte, aber sage Rudolph Nichts davon, Du weißt, wie er ist, er hat gleich tausend Aengste.

Bei diesen Worten hatte Ludwina ihren Arm um ihres Vaters Nacken geschlungen, und reichte ihm zärtlich ihren Mund zum Kusse.

Nun, so reite in Gottes Namen, sei aber hübsch vorsichtig, mein Kind, und bleibe nicht zu lange aus, versetzte Nimanski, und eilte nun fort zu dem Obristen, mit welchem er dann den Weg nach dem Felde antrat.

Kaum aber hatte er das Hans verlassen, als Ludwina dasselbe verschloß, das Pferd sattelte, und von ihrem großen Hund begleitet, davon ritt.

Ihr Ziel war einer der höchsten Punkte, kaum eine halbe Meile nördlich von der Stadt, von welchem aus man eine endlose Fernsicht um sich hatte, und sowohl in das südlich zu Füßen liegende Thal von Friedrichsburg, wie auch in ein solches weiter nördlich gelegenes blicken konnte.


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