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Sechzehntes Kapitel

Die Krieger. Auf der Spur. Der Räuber. List. Das Thal. Die Höhle. Die Gefangene. Die Racheschaar. Die Verwundeten. Aufbruch.

 

Die Nacht verstrich in trostloser Beugung unter das Schicksal, und mit sehnsüchtigem Verlangen sah man dem Erscheinen der Delawaren entgegen. Kaum röthete sich aber der östliche Himmel, als Youngbear an der Spitze einiger achtzig Krieger in der San Sabastraße herangesprengt kam, und vor Nimanski's Wohnung von den dort versammelten Männern mit lautem Jubel begrüßt wurde.

Mit Büchsen, Bogen und Pfeilen bewaffnet, hielt die kampfbereite Schaar vor dem Hause, und auf den Zügen eines jeden der Reiter war es zu lesen, daß sie mit Verlangen einem verhaßten Feinde entgegenzogen.

Youngbear war abgestiegen, und folgte der Spur der Räuber bis in einige Entfernung von dem Hause, dann kam er zurück, reichte dem Director und dem Major zum Abschied mit den Worten die Hand:

Youngbear bringt die weiße Taube zurück, wobei er die Enden des um seinen Nacken gewundenen Seidenshawls, welchen Ludwina ihm geschenkt hatte, emporhob, und rief dann Rudolph zu, sein Roß zu besteigen. Er selbst schwang sich auf das seinige, und im nächsten Augenblick sprengte der ganze Kriegszug auf der Fährte der Comantschen davon.

Es war um diese Zeit, als Kateumsi mit Ludwina vor sich auf seinem Hengste, von über fünfzig Kriegern gefolgt, weit nördlich von Friedrichsburg auf einem Büffelpfad langsam der Höhe eines Berges zuritt, und das an Händen und Füßen gefesselte Mädchen mit seinem gewaltigen Arm umschlungen hielt.

Sein Roß sowie die Pferde seiner Krieger waren mit Schaum bedeckt, und allen sah man es an, daß sie über ihre Kräfte angestrengt worden waren. Schweigend folgten die Reiter hinter einander dem Pfade den Berg hinan, und Kateumsi hielt seinen glänzenden, unheimlich glühenden Blick auf das schöne weiße Mädchen in seinem Arme geheftet.

Fürchte Dich nicht vor Kateumsi, Du Schönste aller Jungfrauen, Kateumsi könnte Dir nichts zu Leide thun, und wenn er zehn Leben darum verlieren mußte, hub der Wilde an, und blickte mit heißer Leidenschaft Ludwina in die halb geschlossenen Augen.

Ungeheuer Du – ich fürchte mich nicht vor Dir, denn Du kannst mir Nichts zu Leide thun, der Tod wird mich gegen Dich schützen und mich aus Deinen ruchlosen Händen befreien, antwortete Ludwina in höchster Verzweiflung, und schloß die Augen wieder.

Du sollst nicht sterben, Du sollst leben, Du schönes Mädchen, und sollst Kateumsi lieben lernen, er will Dein Sklave sein, er will Alles, Alles thun, was Dein Herz wieder froh machen und ihm Deine Liebe zuwenden kann, fuhr der Wilde, durch die Stimme Ludwinas noch mehr in Leidenschaft entflammt, fort, und preßte sie ungestüm an seine kolossale Brust.

Teufel – Raubthier – ich hasse Dich, und will Dich hassen, so lange ich athme! schrie Ludwina wie wahnsinnig, und stieß mit ihren Armen den Häuptling von sich ab.

Kateumsi wird den Haß aus Deinem Herzen nehmen und es mit Liebe füllen, fuhr dieser liebkosend fort, und setzte bittend auf Ludwina schauend, noch hinzu, Kateumsi will ja Alles thun, was Du ihm befiehlst.

So führe mich zurück zu den Meinigen, und ich will Dir vergeben, sagte Ludwina, flehend zu ihm aufblickend, mein armer alter Vater und mein Verlobter werden vor Gram und Schmerz sterben.

Deinen Vater kennt Kateumsi nicht, Dein Verlobter aber ist sein Feind, er schoß ihn von seinem Rappen, und er zerschmetterte ihm den Arm, der Dich jetzt umfangen hält, und auch Dich müßte Kateumsi bis auf den Tod hassen, wenn er Dich nicht so heiß lieben müßte; denn Du tödtetest seinen Rappen und über fünfzig von seinen Brüdern. Du bist aber zu schön, als daß er Dich hassen könnte, und wenn Du alle Comantschen mit Deiner Donnerbüchse in das Reich ihrer Väter geschickt hättest. Du bist schöner als der Mond, bist schöner, als die Magnolienblume, bist schöner als der Himmel, wenn das Roth des neuen Tages die Nacht verscheucht, Du bist schöner, als die ganze Welt, und Kateumsi möchte nicht mehr leben, wenn Du von ihm genommen würdest!

Ludwina gab ihn- keine Antwort, sie hatte die Augen geschlossen, und war in jene trostlose dumpfe Abgespanntheit versunken, welche der höchsten Verzweiflung folgt.

Die Höhe des Berges war erreicht, und Kateumsi hielt sein Roß an, indem er sich nach seinen Kriegern umwandte, die sich schnell um ihn sammelten. Einige alte Männer waren nahe an den Häuptling herangeritten, als dieser zu ihnen sagte:

Dort unten in dem Thale vor uns erreichen wir nun den Bach, in welchem Kateumsi Euch verlassen will, Ihr aber reitet durch denselben hin, und folgt dem Pfade über die nächsten Berge, derselbe führt Euch noch bei Sonnenlicht zu den Quellen der Llano, dort bringt Eure Pferde in das Gras und ruht Euch bei Euren Feuern aus. Die Weißen können Euch heute so weit nicht folgen, und Morgen, wenn der Tag sich zeigt, brecht auf und zieht an der Llano hinab, bis wo sie sich in den Coloradofluß stürzt, dann seid Ihr nicht weit mehr von Euren Frauen und Kindern, und auch von Kateumsi's Frauen, über die ihr wachen müßt, bis er selbst zu Euch zurückkehrt. Ihr kennt den Felsen, unter welchem er mit dem schönen weißen Mädchen wohnen will, und wo er sicher vor jedem feindlichen Auge ist.

Du denkst nicht an die Delawaren, nahm einer der alten Krieger das Wort, sie sind Deine Feinde, ihre Augen sind so scharf wie die Deinigen, ihre Kugeln reichen weiter, als Deine Pfeile, und ihre Rosse sind flüchtiger und haben längern Athem, als das Deinige. Es ist die Zeit, in der Youngbear die Ufer des Golfs verläßt, und in diese Berge kommt. Du weißt, er ist ein Freund der Bleichgesichter in Friedrichsburg.

Youngbear jagt noch an den Ufern der Medina, der Salado und der Guadelupe, und bis er seine Zelte an den Pierdenales aufschlagen wird, hat der Thau der Nacht, die Sonne und der Wind die Spuren Eurer Rosse verwischt. Meine Spur aber kann er niemals finden, antwortete der Häuptling, und sah nach dem Reiter hin, der zuletzt die Höhe erreicht hatte, und vor welchem ein todter Indianer saß, den er im Arme hielt.

Bringt den Todten zu den Gräbern unsrer Väter, Morgen Abend könnt Ihr dort sein, setzte der Häuptling noch hinzu, wandte dann sein Pferd den Berg hinab, und seine Krieger folgten ihm schweigend nach.

Sie hatten bald das Thal erreicht, und der Pfad, dem Kateumsi folgte, führte nun auch in einen Wiesengrund, durch welchen sich ein rasch strömender Bach schlängelte. Auf dem Ufer dieses Baches hielt der Häuptling einige Augenblicke an, indem er sich nach seinen alten Kriegern umwandte, und sagte:

Schickt mir oft einen Boten, und laßt mich wissen, was unten in unsern Bergen geschieht, und auch, ob die Delawaren sich zeigten. Sollten aber die Bleichgesichter es wagen, Euch so weit zu folgen, so nehmt ihnen, wenn sie schlafen, die Pferde weg; und wenn sie dann zu Fuß in hohem Gras gehen, so zündet es auf allen Seiten um sie an, und laßt sie verbrennen.

Hierauf wandte sich Kateumsi von den Kriegern ab, lenkte sein Roß in den Bach hinein, und in dessen Mitte dem Strome folgend, in dem Wasser hin, welches seinem Pferde bis an den Bauch reichte. Die Krieger aber kreuzten den Bach, und folgten auf dem andern Ufer dem Pfade den Bergen zu.

Kateumsi ließ sein Pferd mit aller Vorsicht in der Mitte des Wassers gehen, und folgte demselben über eine Meile weit bis wo der Bach sich zwischen hohen steilen Felsen hindurch über mächtige Steinblöcke stürzte. Dort mußte sein Roß das Ufer ersteigen, und nun ritt er an der Felswand vorüber über das lose Steingeröll, welches die schmale Uferbank bedeckte.

Es war kaum zu glauben, daß ein Pferd, ohne zu stürzen, hier gehen könne, der Fuchs aber strauchelte nicht, und trug seine schwere Bürde, ohne einen Fehltritt zu thun, durch die Bergschlucht, die sich bald öffnete und in ein reiches, mit kleinen Waldgruppen geschmücktes Wiesenthal ausmündete.

Das Thal war rund um von steilen, kahlen Felswänden umgeben, und nur an dessen anderer Seite, wo der Bach dasselbe wieder verließ, flachten sich die Berge nach dem Wasser hin ab, dessen Ufer zwischen ihnen in sumpfigem dicht bewaldetem Grund versanken.

Es war ein reizendes, mit Wild im Ueberfluß versehenes Thal, welches selten von Indianern besucht wurde, weil beide Wege, die zu ihm führten, den Pferden zu große Hindernisse entgegenstellten; denn der sumpfige Wald war noch gefahrvoller zu durchreiten, als der Felsenpaß, durch welchen Kateumsi seinen Weg gewählt hatte. Ja, dies Thal war vielleicht der größeren Zahl der Indianerstämme gar nicht bekannt, keinenfalls aber hatte jemals ein weißer Mann einen Fuß hineingesetzt.

Wohin man schaute, weideten zwischen den kleinen Waldgruppen, die sich in malerischer Schönheit wie Inseln aus der üppigem mit Blumen übersaeten Grasflur erhoben, Rudel von Hirschen und Antilopen so vertrauet und ruhig, als ob es hier gar keine Gefahr für sie gäbe.

Kateumsi schaute, wie das Raubthier, das seine Beute nach seinem Lager trägt, mit siegreichem zufriedenem Blick um sich, und dann wieder auf die schöne Bleiche, die mit geschlossenen Augen in seinen Armen lag.

Er folgte der Felswand zu seiner Linken, um das Thal bis in deren Mitte, wo eine Schlucht in dieselbe hineinführte, über die zu beiden Seiten die Felsschichten vorsprangen, und deren Ende in eine geräumige Höhle auslief. Bis zu dieser Höhle aber war der reich begraste Boden mit großen einzelnen Steinblöcken bedeckt, über denen alte Lebenseichen ihre Riesenkronen ausbreiteten, und zwischen welchen ein Pferd kaum Raum genug hatte, hinzuschreiten. Am Eingang war die Schlucht wohl vierzig Schritte breit, während die Höhle, in welche sie sich zusammenzog, kaum eben so viele Fuße maß. Die Schlucht hob sich nach hinten bergan, so daß man aus der Höhle das Thal überblicken konnte.

Als Kateumsi den Eingang der Schlucht erreichte und sein Roß in dieselbe hineinlenkte, kamen ihm vier Indianerinnen und ein Indianer zwischen den Felsblöcken her entgegengeeilt, und begrüßten ihn, als ob sie auf ihn gewartet hätten.

Habt Ihr Kateumsi's Befehle ausgeführt? fragte der Häuptling mit barscher Stimme.

Die Höhle ist sauber und rein, Dein Lager ist weich und das Feuer brennt hell, antwortete die älteste der Frauen.

Und das zarteste Wildpret hängt an der Eiche vor der Höhle, fiel ihr der Indianer in das Wort.

Bei diesen fremden Stimmen schlug Ludwina die Augen auf, und schaute auf die Wilden hinab, als sie aber dem Blick des Indianers begegnete, schrak sie mit einem Gefühl, welches an Hoffnung grenzte, zusammen, denn sie erkannte in ihm Potolick, denselben Mann, den Burg, nachdem sie die Kanone abgefeuert, gefangen nahm, und der den Weißen so befreundet die Stadt verlassen hatte.

Er war namentlich Rudolph sehr zugethan gewesen, weil derselbe sich seiner liebevoll angenommen hatte, und mit diesem hatte Ludwina den Indianer oftmals besucht und hatte sich freundlich mit ihm unterhalten.

Sie sah es beim ersten Blick, daß auch er sie wiedererkannte, doch bemerkte sie zugleich, wie er sein Auge aus Scheu vor dem Häuptlinge von ihr abwandte.

Kateumsi nickte dem Manne zu, und lenkte nun sein Pferd zwischen dem Gestein hin und her in der Schlucht hinan bis unter die alte Lebenseiche, die vor der Höhle stand. Dort gab er Potolick einen Wink, dieser sprang neben sein Roß und empfing nun Ludwina in seinen Armen, um sie mit zusammengebundenen Füßen auf den Boden hinabzulassen.

Dann stieg der Häuptling selbst ab, schlang seine Arme um die Gefangene, und trug sie mit den Worten in die Höhle hinein:

Komm, schönes Mädchen, das weichste Lager ist für Dich bereitet, damit die Ruhe Dir wohlthue und Dich stärke.

Darauf legte er sie auf gegerbte Büffelhäute nieder, und schob ihr eine solche aufgerollt unter das Haupt.

Ludwina aber versank abermals in ihre dumpfe Abgespanntheit, in ihr thränenloses Elend mit dem unwandelbaren Entschluß, durch Enthaltung jeder Nahrung ihrem gräßlichen Dasein ein Ende zu machen.

Bergauf, bergab war Youngbear mit Rudolph und seiner kampfbegierigen Schaar der Spur der Comantschen mit Aufbietung aller Kräfte und Ausdauer der an Strapazen gewohnten Rasse gefolgt, und hatte seinen Falkenblick vor sich hin auf den Boden geheftet gehalten, um zu erkennen, ob einer der Feinde Links oder Rechts abgebogen war.

Seine sämmtlichen Krieger, die ihm Einer hinter dem Andern folgten, hatten trotz ihrer Eile ein Gleiches gethan, doch nirgend hatten sie eine abseits führende Fährte entdeckt.

Es war gegen zehn Uhr, als die Reiter von der Höhe hinab dem Bach zuritten, in welchem Kateumsi seine Leute verlassen hatte. Sobald Youngbear das Ufer des Wassers erreichte, hielt er sein Roß an, und schaute sinnend Rechts und Links auf der eilenden Fluth hin. Dann rief er einige seiner Krieger zu sich heran, und sagte zu ihnen:

Folgt dem Bache, der Eine hinauf, der Andere hinab, und spürt, wo das Wasser flach ist, ob Ihr den Huftritt eines Pferdes auf dem sandigen Grunde erkennen könnt, oder ob an der Uferbank eine solche Fährte zu entdecken ist. Folgt weit, denn Kateumsi ist vorsichtig wie der Biber, und schlau wie der Luchs. Wenn Ihr sicher seid, ob seines Pferdes Huf darin steht, oder nicht, so kommt mir nach.

Die beiden Spürer folgten freudig dem Befehl, denn sie sahen eine Auszeichnung in dem Vertrauen, welches ihr Häuptling in sie setzte, und dieser ritt nun mit seinem Gefolge durch das Wasser auf dem Pfade weiter, welchen die Comantschen gezogen waren.

Das Wasser war tief und günstig, wenn Kateumsi den Tritt seines Pferdes hat verbergen wollen, um Euch Weiße von seiner Fährte abzuführen; an die Augen der Delawaren hat er aber nicht gedacht, sagte Youngbear zu Rudolph im Vorwärtsreiten.

Sollte er aber nicht lieber bei seinen Kriegern bleiben wollen? fragte Rudolph in der Angst, die ihn folterte.

Das glaube ich nicht, sein Pferd muß sicher auch mit ihm die weiße Taube tragen, und so gut und edel das Thier auch ist, so reichen seine Kräfte doch nicht hin, die doppelte Last noch viel weiter zu bringen. Auch fürchtet Kateumsi Dich und Eure Schützen, und seine Krieger können noch weit reiten, antwortete der Häuptling, und spähete nun wieder schweigend auf die Spuren vor sich.

Noch hatten sie das Thal nicht verlassen, als Youngbear abermals, zu Rudolph gewandt, anhub:

Die Pferde der Comantschen sind müde, ihre Tritte sind kürzer geworden, und sie haben ihre Hufe hier nicht hoch von der Erde aufgehoben, ich glaube, Kateumsi hat seine Krieger verlassen. Auch sind sie hier neben einander geritten und haben miteinander geredet, weil der Häuptling nicht mehr bei ihnen war. Die Rosse der Delawaren werden dann erst schnell, wenn die der Comantschen Kopf und Schweif hängen lassen.

Dann sprach der Häuptling seinem Pferde zu und mit abermals vermehrter Eile zog die Schaar dahin.

Die Sonne hatte schon lange ihren Höhepunkt überschritten, als Youngbear mit seinen Reitern um eine Felswand bog und der Spur der Feinde einen Hügel hinan folgte. Er hatte die Höhe aber noch nicht halb erreicht, als von ihr her ein gellender Schrei ertönte, und der Häuptling über derselben noch den Kopf eines fliehenden Mannes gewahrte.

In demselben Augenblick aber ließ Youngbear das Kriegsgeschrei der Delawaren erschallen, wie des Sturmes Heulen tönte es ihm von den Lippen seiner Streiter nach, und die Sporn in den Flanken der Rosse vergrabend, stürmte die ganze Schaar in fliegender Carriere über den Hügel hin und in das Wiesenthal an dessen anderer Seite hinab.

Dort lagerten die Comantschen. Bei dem Schrei ihres auf dem Hügel ausgestellten Wachtpostens aber waren sie aufgesprungen, und hatten ihre Waffen ergriffen, um die heranziehenden Weißen mit ihren Pfeilen zu empfangen. Beim ersten Tone jedoch, der Youngbears Kehle entstieg, erkannten sie den furchtbaren Feind, der sich ihnen nahete, und von Entsetzen ergriffen, rannten sie in wilder Flucht an dem Ufer des Baches hin, um den nicht fernen Wald zu erreichen.

Die Delawaren aber stoben ihnen bis auf Schußweite nach, parirten ihre Rosse auf dem Fleck, sprangen ab, und sandten nun ihr mörderisches Feuer unter die Fliehenden, von denen einige zwanzig getroffen zu Boden stürzten. Im nächsten Augenblick saßen die Delawaren wieder in ihren Sätteln, und Bogen und Pfeile aus den Köchern ziehend, wollten sie abermals den Fliehenden folgen, doch Youngbear hielt sie zurück, indem er ihnen zurief:

Laßt sie laufen, die Weiber, Kateumsi ist nicht unter ihnen, und unnöthig soll kein Delaware von ihren Pfeilen getroffen werden. Die Pferde sind sämmtlich Eure Beute, und Keiner dieser Elenden kann Kateumsi Nachricht bringen, ehe die Delawaren ihn finden. Tragt die Verwundeten zu den Feuern, Youngbear will sehen, ob ein Schurke unter ihnen ist, der seinen Häuptling verräth.

Ein Dutzend der verwundeten Comantschen wurden nun zu den Lagerfeuern gebracht, und Youngbear trat mit finsterem Blick vor sie hin und sagte:

Ihr könnt Euer Leben retten, wenn Ihr mir sagt, wo Kateumsi ist; wenn Ihr es nicht thut, so läßt Youngbear Euch sofort erschießen.

Dabei winkte er seine Krieger zu sich, und befahl ihnen, den Verwundeten eine Kugel durch den Kopf zu jagen, wenn sie den Aufenthalt ihres Häuptlings nicht verriethen.

Ein alter Krieger lag, in das Bein getroffen, unter den verwundeten Comantschen, er richtete sich auf seinem Arme empor, sah Youngbear strafend in die Augen, und sagte:

Du hast Dich versprochen, Youngbear, Du wolltest den Befehl geben, den von uns zu erschießen, der seinen Häuptling verriethe. Laß Deine Krieger ihrer Wege gehen, es ist Keiner unter uns, der so schlecht wäre, so wenig wie unter den Delawaren sich Einer befinden wird, der Youngbear verrathen könnte.

Dann ließ der Alte sich wieder auf die Büffelhaut niedersinken, und schloß die Augen, Youngbear aber fuhr fort:

Du hast recht und gut geredet, Alter, aber dennoch soll Einer von Euch es sagen, wo Kateumsi ist, ich muß, soll und werde er- wissen. Alle rothen Männer kennen Youngbear als einen weichherzigen, friedlichen Häuptling, Heute aber ist er es nicht, und er gelobt es bei dem Gott der Jagd, daß er Euch Allen die Haut vom Leibe ziehen, und Euch dann mit glühenden Kohlen bewerfen lassen wird, wenn Ihr Kateumsis Aufenthalt nicht nennet. Youngbear muß ihn wissen, aber nicht für sich selbst, sondern für seine Freunde, deren ganzes Lebensglück Kateumsi vernichtet hat. Glaubt meiner Stimme nun, ich rede nicht mit doppelter Zunge, und Du, Alter, sollst der Erste sein, den ich abziehen lasse wie eine Otter.

Bei diesen Worten flammten Youngbears Augen in wildem Feuer auf, und er wandte sich nach seinen Kriegern hin, um den Befehl zum Beginn der Folter zu geben, da erkannte sein Blick über dem Hügel die beiden Spürer, die er in dem Bache abgesandt hatte, und die jetzt in Galopp herangeeilt kamen.

Mit schnellen Schritten ging er ihnen entgegen, da ritt der eine Spürer nahe zu ihm heran, und sagte mit leiser Stimme:

Der Huftritt von Kateumsis Hengst steht auf dem Grunde des Baches bis vor die Felsschlucht, die in das Thal führt, wo Youngbear vor zwei Jahren den grauen Bären tödtete; Kateumsi will gewiß in der kommenden Nacht in der Höhle des Bären schlafen.

So soll er in derselben Höhle sterben, wo Youngbear den grauen Bären besiegte, sagte der Häuptling mit freudig glänzendem Blick, und fügte, die Ruhe auf seinen Zügen wieder herstellend hinzu:

Schweige!

Dann ging er zu den Verwundeten zurück, gebot seinen Leuten, dieselben zu verbinden, und nahm nun Rudolph mit sich zu einem andern Feuer, wo er sich mit ihm in das Gras legte, indem er sagte:

Noch in dieser Nacht giebt Youngbear seinem Freunde, dem jungen Adler, die weiße Taube zurück!

Dann ergriff er mit den Worten:

Sei ruhig, daß die Comantschen nicht in Dein Herz sehen, Rudolphs Hand, zog ihn näher zu sich heran und fuhr fort:

Kateumsi hat sich ein Thal zu seinem Lager gewählt, wo ihn die wenigsten Indianer finden könnten, und er wohnt dort in der Höhle der grauen Bären, wo Youngbear vor zwei Jahren einen solchen besiegte, und wo seine Vorfahren schon diese grimmigen Thiere aufsuchten. Dort soll Kateumsi in dieser Nacht zu seinen Vätern gehen.

Rudolph weinte und lachte zugleich, er zitterte am ganzen Körper, und nur die ernste Ermahnung des Häuptlings hielt ihn davon ab, dem Sturm seiner Gefühle Luft zu machen.

Youngbear drückte ihn bei der Hand im Grase nieder, und fuhr fort:

Unsre Rosse müssen sich erholen, und dann tragen sie uns noch in dieser Nacht in die Nähe der Höhle, wo Kateumsi ruht. Er wird bei einem hellen Feuer liegen, so daß wir sein Herz finden können. Die erste Kugel muß sein Leben mit sich nehmen, damit er der weißen Taube kein Leides zufüge; sein Herz ist das eines grauen Bären, der sein eignes Junges zerreißt, wenn er wüthend wird.

Youngbear ließ sich nun von seinen Leuten getrocknetes Fleisch reichen, und theilte dasselbe mit Rudolph, während welcher Zeit die Delawaren ihre Pferde in das Gras gebunden hatten, und sich dann auch niederlegten, um ihre Mahlzeit zu halten.

Bald aber lagen die Krieger, außer einem Wachtposten sämmtlich mit ihren Büchsen im Arm im Grase hingestreckt und schliefen, und Youngbear sagte nun zu Rudolph:

Lege Dich nieder, und ruhe Deinen Körper, damit Deine Hand nicht wieder wankt, wie in der Nacht auf der Höhe bei Friedrichsburg, als Du Kateumsis Herz treffen wolltest und Deine Kugel in seinen Arm flog. Ihr Weißen handelt zu viel mit Eurem Geiste, und dabei wird Euer Körper ohnmächtig; wir Indianer denken nur einmal, und lassen dann den Körper handeln. Darum ist auch unser Wille stärker, als der Eurige, und unsere Körperkraft dauernder. Du mußt jetzt schlafen wollen, und dann wirst Du schlafen; wenn der Indianer will, so kann er schlafen, und wenn der Feind den Pfeil auf sein Herz gerichtet hat. Schlafe.

Hiermit senkte Youngbear sein Ohr auf seine Hand zum Zeichen, daß Rudolph sich niederlegen möge, streckte sich dann in das Gras hin, und war augenscheinlich nach wenigen Minuten im Reiche der Träume.

Rudolph legte sich auch nieder, und schloß die Augen, doch Ruhe kam nicht in seine Seele, denn das gräßliche Bild seiner jammernden Ludwina in der Gewalt jenes Unmenschen stand vor seinem Geiste.

Die Sonne neigte sich den fernen Gebirgen zu, als der Wachtposten die Schlafenden weckte, und Alle aufsprangen und nach ihren Rossen eilten. In wenigen Minuten waren dieselben gesattelt und bestiegen, die Krieger nahmen die erbeuteten Pferde der Comantschen an die Hand, und Youngbear wandte sich zum Abschied noch an die Verwundeten, und sagte:

Eure Kameraden werden Euch zu Hülfe kommen und Euch pflegen, sobald die Delawaren verschwunden sind, sagt ihnen, daß Youngbear Euch das Leben geschenkt habe.

Du hast uns das Leben geschenkt, weil Du weißt, wo das Leben Kateumsis zu findest ist; mag dessen Pfeil schneller sein, als Deine Kugel, antwortete der alte Comantsche, und rief, als Youngbear keine Antwort darauf gab und mit Rudolph an die Spitze seiner Leute ritt, ihm noch nach:

Möge Dein Pferd auf dem steinigen Pfad stürzen, und Dich unter sich tödten!

Gut, daß die Comantschen kein Pferd behalten haben, sonst würde Kateumsi die Nachricht über die Delawaren bald erreichen, sagte der Häuptling zu Rudolph, indem sie in scharfem Trabe auf dem Wege zurückritten, den sie gekommen waren. Wo das Land eben lag, setzte die Schaar ihre Rasse in Galopp, so daß mit fliegender Schnelligkeit Meile auf Meile hinter ihr zurück blieb.


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