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Zwölftes Kapitel

Die Entdeckung, der Brief, das Brautpaar, die beglückende Nachricht, festliche Vorbereitungen, die Hochzeit, Abreise nach Galveston, Nachricht von dem Bruder, freudige Aufregung in Montery, die Wiedervereinigung, der Zug nach der Cathedrale, die Trauung, die neue Heimath.

 

Die Nacht war ungewöhnlich warm gewesen, und die schwüle Luft in dem Gemach des Bischofs, welches nach dem Park zeigte, hatte ihn noch früher von seinem Lager verscheucht, als es schon seine Gewohnheit war aufzustehen.

Er war hinaus auf den Balkon getreten, um sich an der Morgenluft zu erquicken, als der laute Hufschlag eines flüchtigen Pferdes seine Aufmerksamkeit erregte, und er im nächsten Augenblick Albert Werner auf seinem Rappen erkannte, der an dem Schloßhof vorüber den Berg hinunter jagte. Fast zu gleicher Zeit wurde sein Blick nach seiner andern Seite durch die Bewegung von etwas Weißem angezogen, welches sich durch die dunkeln Baumgruppen des Parkes dem Schloß näherte. Bald sah er, daß es eine weibliche Gestalt sei, und wenige Minuten später erkannte er seine junge Freundin und Wirthin Señorita Rosa Garcia, die eilig über die Terrasse glitt und an der Fronte des Schlosses vor seinen Augen verschwand.

»Albert Werner, mein braver junger Freund, und Rosa?« sagte der Bischof im höchsten Grade erstaunt zu sich selbst; »ist es möglich, habe ich auch recht gesehen? Doch sicher, sie waren es Beide.« Vor sich hinblickend, die Lippe zwischen den Fingern seiner rechten Hand haltend, stand er eine Zeit lang unbeweglich da, schüttelte und nickte abwechselnd mit dem Kopfe und sagte dann, wie zu einem Entschluß gekommen:

»Nun, der Allmächtige gebe ihnen seinen Segen, sie sind Beide gut und brav und verdienen Beide glücklich zu werden. Doch daß ich gar Nichts davon gemerkt habe, sie thaten noch so fremd beim Abschied, so ergriffen, das konnte doch unmöglich Verstellung sein. Nein, Rosa kann sich nicht verstellen.«

Lange noch ging der ehrwürdige alte Herr unter ähnlichen Selbstgesprächen in dem Zimmer auf und ab, dann sank er vor einem Christusbilde nieder, verrichtete in demüthiger Andacht sein Morgengebet und setzte sich darauf auf den Balkon hinaus, um sich in der frischen Luft an Gottes Allmacht zu erbauen.

Die Frühstückszeit kam herbei, und Linarda bat den Bischof, sich nach dem Speisesaal zu verfügen, wo ihre junge Herrin seiner harre.

»Guten Morgen, liebe Rosa, ich hoffe, daß Sie recht gut geschlafen haben,« sagte der alte Herr, indem er ihr die Hand reichte und sie freundlich, doch forschend anblickte.

Rosa schlug die Augen nieder, und eine leichte Röthe überzog ihre Wangen.

»Haben Sie gut geruht, ehrwürdiger Vater?« fragte sie mit unsicherer Stimme.

»Ja mein Kind, nur war es sehr warm im Zimmer, weshalb ich ungewöhnlich früh aufstand.«

Bei diesen Worten erhöhte sich das Roth auf Rosa's Wangen noch mehr, und da der Bischof ihre Hand festhielt und sie immer noch anblickte, so ließ sie verlegen ihren Kopf sinken.

»Señorita Rosa,« rief der Lieblingsvogel seiner Herrin von deren Stuhllehne zu, auf welcher er saß, und Rosa wollte die Gelegenheit benutzen, sich den Blicken des alten Herrn zu entziehen, indem sie sich nach Gracioso umwandte und sagte:

»Ja, ich komme schon, Gracioso.«

Doch der Bischof hielt ihre Hand fest in der seinigen und sagte mit milder, freundlicher Stimme zu ihr:

»Meine Tochter, wie steht es um Ihr Herz?«

»Albert Werner, Albert Werner!« rief jetzt Gracioso, ungeduldig nach seinem Frühstück verlangend.

Rosa wurde bleich, bebte, sank vor dem Bischof nieder und verbarg schluchzend ihr Gesicht in ihrer Hand.

»Meine Tochter, Sie brauchen sich Ihrer Liebe nicht zu schämen, sie ist Ihrer würdig, und der Allmächtige gebe Ihnen und dem braven jungen Mann seinen Segen.«

Hiermit hob der würdige Geistliche das zitternde Mädchen auf, legte seine Hände segnend auf dessen Scheitel und sagte:

»Gott hat es wohl gefügt, er ist Euch gnädig gewesen, und er hat meinen innigsten Wunsch erfüllt. Meinen Segen gebe ich Ihnen von ganzem Herzen, liebe Rosa.«

Er führte seine junge Freundin darauf nach dem Sopha, setzte sich neben sie und redete so vertrauensvoll, so theilnehmend zu ihr, daß sie ihm offen und unumwunden ihr Verhältniß zu Albert mittheilte und ihm sagte, wie Alles sich zugetragen habe.

»Ich nehme den innigsten, den herzlichsten Antheil an Eurem Glück, Rosa, nur kann ich die Art und Weise nicht billigen, in der Ihr dasselbe genießt. Ich weiß es wohl, Sie haben von Jugend auf immer Ihre eigenen romantischen Wege gehabt, sonst wären Sie nicht Rosa Garcia, nicht die Heldin von Monterey, doch jetzt muß ich Sie zwingen, die gebräuchliche Straße einzuschlagen und Ihren verheimlichten Geliebten der Welt offen als Ihren Bräutigam vorzustellen. Ich werde unsern jungen Freund alsbald hierherbescheiden, um selbst Zeuge Eurer Liebe zu sein. Nun schenken Sie mir meinen Kaffee ein, liebe Rosa, und dann werde ich unserm Lebensretter eine Epistel schreiben.«

Mit der heitersten, glücklichsten Ruhe setzten sich die Beiden am Frühstückstische nieder, der Bischof führte mit großer Redseligkeit die Unterhaltung, sprach sich über die vielen ungewöhnlichen vortrefflichen Eigenschaften Albert's aus, rühmte seine Talente, seine Fähigkeiten und schloß damit, daß er ihn liebe, wie ein Vater seinen Sohn, und sich glücklich fühle, daß Dieser dereinst der Erbe seiner Besitzungen werden würde.

Rosa dagegen war stumm in ihrem Glück, sie drückte wiederholt ihrem väterlichen Freund die Hand, sie preßte ihre Lippen auf dieselbe, und Thränen der Freude stahlen sich unter ihren dunkeln Wimpern hervor.

Nach dem Frühstück begab sich der Bischof in sein Zimmer, schrieb an Albert und sandte den Brief dann sofort durch einen reitenden Boten an denselben ab.

Albert Werner war trotz aller Aufregung, trotz der tausend zauberischen Bilder seines Glücks, die seine Phantasie durchkreuzten, auf seinem Bett in tiefen Schlaf gesunken, nachdem er den Unterofficier bedeutet hatte, daß er ihn nur dann wecken möge, wenn es wirklich nöthig sein sollte.

Branch saß im Schatten der Veranda vor dem Hause Albert's und putzte das Schloß eines seiner Revolver, als ein Mexicaner auf der Straße zu ihm herangeritten kam und ihn in Englischer Sprache nach dem Lieutenant Werner fragte.

»Der ist nicht zu sprechen,« antwortete der Unterofficier kurz und setzte seine Arbeit fort.

»Ich habe einen Brief an ihn, den ich ihm selbst geben muß,« sagte der Reiter.

»Dann müßt Ihr warten, bis er erwacht ist, er schläft und darf nicht geweckt werden.«

»Der Brief hat aber die größte Eile und ist für den Herrn Lieutenant von Wichtigkeit,« bemerkte der Mexicaner.

»Wenn dem so ist, so will ich ihn wecken, habt Ihr aber eine Lüge gesagt, so soll Eure Haut dafür herhalten. Von wo kommt Ihr?« antwortete Branch.

»Von dem Schlosse Garcia,« erwiederte der Bote. Der Unterofficier legte seine Waffe und sein Putzzeug auf die Bank und begab sich in Albert's Zimmer.

»Herr Lieutenant,« sagte er zu dem schlafenden jungen Mann; doch dieser gab ihm keine Antwort, »Herr Lieutenant Werner, es will Sie Jemand eilig sprechen,« sagte Branch, indem er denselben bei der Schulter faßte und ihn rüttelte.

»Was giebt's, Branch?« fragte Albert aufschreckend und sich mit der Hand über die Augen fahrend.

»Ein Kerl wartet draußen auf Sie, um Ihnen einen Brief zu geben.«

»Ei, Ihr hättet ihn sollen warten lassen, ich sagte Euch doch, Ihr solltet mich nicht unnöthig wecken. Er kommt wohl von Monterey?« sagte der Lieutenant ärgerlich und wandte sich auf die Seite, um weiter zu schlafen.

»Von dem Schlosse Garcia kommt er, wie er sagt,« antwortete der Unterofficier.

Mit einem Satze war Albert von seinem Lager aufgesprungen, rannte zum Zimmer hinaus und hatte den Boten schon erreicht, ehe Branch sich nur umwandte, um ihm zu folgen.

»Den Brief, Antonio,« rief er dem Reiter zu, indem er die Hand nach ihm hinhielt; »doch Alles wohl auf dem Schlosse? Nichts vorgefallen?«

»Alles wohl, Herr Lieutenant Werner, und tausend Grüße mit dem Briefe,« erwiederte der Bote, indem er das Schreiben aus der Tasche seiner schwarzen Sammetjacke hervorzog und es Albert hinreichte.

Mit großer Hast riß dieser das Siegel des Briefes auf, entfaltete denselben und las:

»Der glückliche Geliebte Albert Werner wird gebeten, sich alsbald auf dem Schlosse Garcia einzufinden, um sich seinem väterlichen Freunde, dem Bischof von Monterey, als Bräutigam vorzustellen.«

Auf Albert's Wangen war beim Lesen dieser Zeilen die frische Röthe für einen Augenblick verschwunden, dann trat sie aber um so heftiger hervor und stieg bis unter die reichen Locken, die seine Schläfe umwogten. Er stand eine Minute in die Größe seines Glückes vertieft schweigend da und blickte auf das Papier in seiner Hand. Dann sah er entschlossen zu dem Reiter auf und sagte zu ihm: »Reite zurück, Antonio, empfiehl mich Deiner Herrin und dem Bischof und sage ihnen, daß ich der gütigen Einladung bald folgen würde,« worauf der Mexicaner seinen Hut zog, sein Pferd umwandte und eilig auf der Straße zurückritt.

Die Ungewißheit, auf welche Weise der ehrwürdige Geistliche in den Besitz des Geheimnisses der beiden Liebenden gekommen war, machte Albert zwar unruhig und verlegen, doch Dessen so klar und unumwunden ausgesprochene Einwilligung in seine Verbindung mit Rosa beglückte ihn unaussprechlich, da letztere sowohl, als auch er selbst den alten Herrn wie einen zweiten Vater verehrten und liebten.

Des Lieutenants Toilette war bald gemacht, seine Locken geordnet und der Rappe gesattelt, doch diesmal ging der Ritt nicht so rasch von Statten, als am Abend vorher.

Je näher Albert dem Ziel seiner Wünsche kam, desto weniger eilte das Pferd, und desto mehr verwirrende Fragen, was wohl zwischen dem Bischof und seiner Geliebten vorgefallen sein könnte, durchkreuzten des Reiters Gedanken. Doch über den einen, für ihn wesentlichsten Punkt hatte er ja Gewißheit, er hatte keine Hindernisse zu erwarten, im Gegentheil, man wollte ihn nur der Vollkommenheit seines Glücks noch näher bringen.

Den Fuß des Berges, auf dem das Schloß stand, hatte er erreicht, und jetzt war alle Bangigkeit, alle Beklommenheit aus Albert's Brust verschwunden, er sollte in wenigen Minuten seine Rosa wiedersehen, er sollte sie offen vor der Welt an sein Herz drücken dürfen, und beide Sporen in die Flanken seines Rosses drückend, sprengte er dem beseligenden Augenblick des Wiedersehens entgegen.

Das eiserne Gitterthor vor dem Schloßhof stand weit offen, ein Paar Secunden brachten Albert bis an die hohe Marmortreppe, wo er an Antonio sein Pferd abgab, er sprang in die Rotunde und mit offenen Armen flog ihm Rosa, dem Bischof vorauseilend, entgegen, warf sich ihm mit dem Ausruf: »Mein Albert!« an die Brust, und der Geistliche trat zu ihnen und legte seine zitternden Hände auf die Häupter der Glücklichen.

»So, meine Kinder,« sagte er mit vor Freude bebender Stimme, »nun habt Ihr das Recht, Euch gegenseitig anzugehören, Ihr dürft stolz auf Eure Liebe sein, Ihr seid einander würdig, der gnädige Gott gebe Euch seinen Segen. Kommt meine Theuren, gönnt Euch jetzt Ruhe, laßt den Sturm Eurer Gefühle sich mildern, Ihr sollt ja für Eure ganze Lebenszeit verbunden sein.«

Mit diesen Worten trat der Bischof zwischen die Liebenden, erfaßte ihre Hände und führte sie hinauf in Rosa's Gemach, wo sie sich in dem Sopha, welches so oft Zeuge ihrer damals noch nicht durch Worte ausgesprochenen gegenseitigen Zuneigung gewesen war, zusammen niederließen, während der Geistliche ihnen gegenüber in dem Armstuhl Platz nahm.

Eine Welt, ein Himmel voll unbegrenzter Seligkeit umgab das junge Paar, weder Albert noch Rosa hatten Worte, um den Andrang der Gefühle, die sich ihrer so unerwartet, so beglückend bemächtigt hatten, einen Ausdruck zu geben; mit freudigem seelenvollem Lächeln hielten sie ihre Hände in einander fest, mit wonnestrahlenden Blicken begegneten sich ihre Augen, und Thränen der Freude glänzten unter deren Wimpern.

Mit dem Ausdruck innigster, wärmster Theilnahme und Zufriedenheit ließ ihr würdiger Freund, der Bischof, feine Blicke auf ihnen ruhen, und es wurde ihm selbst schwer, eine Unterhaltung einzuleiten, da auch seine Gedanken in dem Strom stummen Glücks, der die Liebenden umgab, mit fortgerissen wurden. Er sprach von Nachrichten, die er aus Monterey erhalten, daß dort die Sicherheit der Person und des Eigenthums sich nach und nach wieder einzufinden schien, so daß er bald dorthin zurückkehren könne; von Einrichtungen und Ausbesserungen, die hier auf dem Schlosse gemacht werden müßten; von den politischen wirren Zuständen in der Stadt Mexico; doch immer brach der Faden seiner Unterhaltung wieder ab, und alle Antwort, die er von dem jungen Brautpaar erhielt, waren freundliche Blicke, welche aussprachen, daß sie kaum gehört, was er gesagt hatte.

Plötzlich aber erklangen in dem Hofe die Hufschläge eines Rosses, es kamen Fußtritte über die Treppe herauf, wenige Augenblicke später öffnete sich die Thür, und Falkland trat in das Zimmer.

»Ich werde meinem Lieutenant wohl Jemanden beigeben müssen, der in dessen Verhinderung seinen Dienst versieht; am Liebsten wäre es mir, wenn er sich selbst einen Solchen wählen wollte,« sagte Falkland scherzend, indem er lächelnd auf Rosa blickte.

»Ich bin Ihrem Wunsche schon zuvorgekommen, lieber Falkland, und stelle Ihnen hiermit meine geliebte Braut vor« antwortete Albert, indem er Rosa's Hand ergriff und seine Lippen darauf drückte.

»Glück auf und meine innigsten, meine heißesten Wünsche dazu,« rief der Hauptmann in freudiger Ueberraschung, küßte der schönen, erröthenden Rosa die zarte Hand und schüttelte dann herzlich die seines Freundes.

»So habe ich doch Recht gehabt, Werner, und weiter geblickt, als Sie, wenn ich Ihnen sagte, daß Sie noch Vieles im Leben gewinnen könnten, doch wußte ich damals nicht, daß dies Vieles die Perle, den Stolz Mexico's betreffen würde,« sagte Falkland mit einer Verbeugung gegen Rosa und fuhr dann zu seinem Freunde gewandt fort: »Ich komme aber in der Eigenschaft eines Couriers zu Ihnen, um Ihnen eine eilige Depesche zu überbringen, die ich nach Ihrem Quartier trug und, weil ich Sie dort nicht traf, nun selbst hierher beförderte, um sie Ihnen eigenhändig zu überliefern. Es ist ein Brief aus Galveston in Texas, der mit Depeschen nach Monterey gekommen ist und mir heute früh von unserem Commandeur zugesandt wurde. Hoffentlich bringt er Ihnen frohe Nachrichten.«

Bei diesen Worten hatte der Hauptmann ein Schreiben hervorgezogen und reichte dasselbe Albert hin.

Der Name Galveston und Texas hatte den freudestrahlenden Ausdruck von des Lieutenant's Zügen, verjagt und den des Ernstes und der trüben Erinnerung auf dieselben gedrückt.

Albert nahm schweigend den Brief aus des Freundes Hand, schritt damit zu dem Fenster hin und erbrach zögernd das Siegel.

Aus dem Schreiben fiel ein zweites in Albert's Hände, welches er umkehrte, um dessen Aufschrift zu lesen.

»Alle Heiligen!« schrie ergötzlich, »Mathilden's Handschrift!« riß das Siegel des Papiers auf und entfaltete es mit zitternden Händen.

»Gerechter Gott, es ist von Mathilden, von meiner theuern, meiner geliebten Schwester,« schrie er gänzlich außer sich und warf sich schluchzend, sein Gesicht in dem Papierblatt verbergend, in das Sopha.

Rosa war zu ihm hingeeilt, hatte ihren Arm um seinen Nacken geschlungen und ließ ihre Thränen gleichfalls auf das Papier fallen, welches diesen Sturm in den Gefühlen ihres Geliebten hervorgebracht hatte.

Auch der Bischof war hinzugetreten, legte seine Hand freundlich auf Albert's Schulter und sagte mit ruhiger, theilnahmsvoller Stimme zu ihm: »Mein junger Freund, weder von der Freude, noch von dem Leid dürfen wir uns so überwältigen lassen, seien Sie stark und tragen Sie, wie es dem Manne geziemt, was auch der Brief enthalten möge.«

»Es ist Glück, höchstes, unaussprechlichstes Glück, was mir zu Theil geworden ist, meine Schwester, meine gute, meine liebe Mathilde, die ich todt geglaubt, und die ich mit blutendem Herzen betrauert habe, sie lebt!« sagte Albert weinend und schluchzend und wischte die Thränen von seinen Augen, um die geliebten Schriftzüge erkennen zu können, doch umsonst, die Thränen strömten unaufhaltsam unter seinen Wimpern hervor, und er hielt das Schreiben noch lange in seiner Hand, ehe es ihm möglich war, dessen Inhalt zu lesen.

Der Brief war wirklich von Mathilden; Stein hatte ihn in den seinigen an Albert eingeschlossen und ihn nach Monterey an dessen Regiment gesandt.

Mathilde theilte Albert darin mit, auf welche Weise die Vorsehung sie erhalten und den guten Harmuth's zugeführt habe, sagte ihm, wie unendlich viel Freundschaft und Wohlthaten diese Leute ihr erzeigt, und machte ihn mit dem Glück bekannt, welches sie in der Liebe ihres alten gemeinschaftlichen Freundes Stein gefunden habe, dessen Frau sie nun bald zu werden hoffe.

»Mathilde lebt, Gott, wie verdiene ich so viel Gutes, so viel Gnade!« sagte Albert, seine Hände zusammenschlagend und seine thränenfeuchten Blicke nach Oben hebend. »Hier gesegnet mit der Liebe des besten, des süßesten Mädchens,« fuhr er fort, indem er seinen Arm um Rosa legte, »und nun auch mit meiner längst todt geglaubten, lieben Schwester wieder beschenkt! O Allmächtiger! Deine Barmherzigkeit, Deine Liebe ist unendlich!«

»Im Glück dankbar und nicht übermüthig und im Unglück vertrauend und unverzagt, ist eine goldene Regel, mein junger Freund,« sagte der Bischof zu Albert, und Falkland hatte schweigend des jungen Mannes Hand ergriffen, drückte sie ihm herzinnig und sagte ihm durch seinen Blick, wie sehr auch er Antheil an dieser frohen Botschaft nehme.

Während in dem hohen, prachtvollen Schlosse Garcia Glück und Freude lebte und sich auf den Zügen eines Jeden seiner Bewohner kund that, war auch die heitere stille Ruhe, die stets in der bescheidenen, ländlichen Wohnung Harmuth's heimisch gewesen war, durch ein regeres, geschäftigeres Treiben verdrängt worden, welches sich in den rührigen Bewegungen der Mitglieder dieser Familie äußerte und durch deren freudestrahlende Mienen als die Folge eines glücklichen Ereignisses bezeichnet wurde.

Das zwar stets saubere Haus war von dem Boden bis in den Keller auf's Neue gereinigt und seine Zimmer mit den besten Vorhängen decorirt worden, in dem Parlour waren die schützenden weißen, baumwollenen Ueberzüge von den Möbeln abgenommen, damit dieselben ihr Paradekleid sehen lassen möchten, die Spiegel waren hell und klar geputzt, und alle Gemächer waren mit den schönsten Blumen geschmückt.

Die Küche prangte mit ihren blitzenden und funkelnden Kochgeschirren, das Feuer auf der blanken Eisenplatte des Heerdes flackerte lustig; Madame Harmuth, Auguste, sowie auch Mathilde waren mit den guten Hauskleidern angethan und hatten blendend weiße Schürzen mit gestickten Rändern vorgebunden.

Die würdige Hausfrau, an deren kräftigen Armen die Aermel zurückgeschlagen waren, stand beschäftigt, in einem großen Napf Teig zu bereiten, und gab von Zeit zu Zeit den beiden Mädchen ihre Befehle und Winke, nach welcher Richtung hin dieselben ihre Thätigkeit verwenden sollten; es wurden Kuchen aus dem Ofen genommen, andere hineingeschoben, wieder andere mit Zucker überstreut und aus der Küche nach einem der Zimmer getragen, wo auf einem Tische schon eine Menge des herrlichsten Gebäcks aufgestellt war.

Die ältesten Söhne Harmuth's beschäftigten sich in der Nähe des Flusses hinter dem Hause damit, zwei feiste Hirsche zu zerwirken und die Braten davon recht sauber und nett zuzuschneiden, während die jüngern einige stolze wilde Welschen von ihren Federn befreiten und sie für die Küche zubereiteten.

Der alte Harmuth ging mit seiner Pfeife im Munde und den Händen in den weiten Rocktaschen mit glücklich zufriedener Miene unter der Veranda auf und ab und blickte von Zeit zu Zeit auf der Straße hin, die nach Victoria führte. Morgen sollte Mathilden's Hochzeit sein. Stein, der Bräutigam, wurde von Stunde zu Stunde erwartet.

Oft kam Mathilde mit einer Frage zu dem alten Harmuth auf die Veranda und sah, während sie zu ihm sprach, verlangend auf der Straße hin, von woher der biedere, geliebte Stein kommen sollte, doch die Sonne hatte sich schon hinter den hohen Bäumen am Flusse versteckt, und der Ersehnte war noch nicht erschienen.

Die Frauenzimmer beschäftigten sich in der Dämmerung noch in der Küche, um die gebrauchten Geschirre wieder zu säubern und an ihre Plätze zu bringen, als plötzlich das Krachen von Büchsen, Flinten und Pistolen das Haus erschütterte, der jubelnde Ton einiger Hifthörner dazwischen tönte und ein lautes Hurrah vor dem Gebäude erscholl. Es war ein Freudengruß, den die jungen Harmuth's dem nahenden Bräutigam entgegensandten, und wenige Minuten später stieg Stein vor der Einzäunung von seinem großen Virginier und eilte seiner ihm entgegenkommenden Braut in die Arme. – Harmuth's bewillkommneten ihn darauf sämmtlich in gleicher herzinniger Weise, wobei manche Thräne des Glücks vergossen wurde. Alle ohne Unterschied bemühten sich, ihm ihre Freude über seine Ankunft zu bezeugen, Jedes wollte seine Hand wieder drücken, und um ihn gedrängt, führte man ihn in das Gesellschaftszimmer, wo er an der Seite Mathilden's den Ehrenplatz im Sopha einnehmen mußte. Hier wurden nun die unbedeutenden Ereignisse, die beide Theile während ihres Getrenntseins betroffen hatten, ausgetauscht, und bald trat Madame Harmuth ein, um zu dem Abendessen einzuladen.

Das Speisezimmer war festlich geschmückt, die herrlichsten Blumen prangten auf dem Tische und über dem Kamin, und die Tafel war reich mit duftenden Speisen besetzt. Deutscher Wein perlte in den Gläsern, und zu Ende des Mahles holte der alte Harmuth zur Ueberraschung der Anwesenden noch Champagner herbei, den er heimlich hatte kommen lassen. Freude und Fröhlichkeit herrschte in dieser glücklich zufriedenen Versammlung, und gegen die früher nie gestörte Hausregel war es nach Mitternacht geworden, ehe Madame Harmuth sich erhob und daran erinnerte, daß es Zeit sei, sich zur Ruhe zu begeben.

Der Morgen, der für die ganze Familie einen wahren Festtag brachte, erschien heiter und wolkenlos; in froher festlicher Stimmung begrüßten sich unter einander deren Mitglieder und ihr geliebter Gast. Obgleich sie sämmtlich freudig und vergnügt gestimmt erschienen, so war doch eine ernste Feierlichkeit an ihnen nicht zu verkennen, die sich mit dem Vorschreiten des Tages steigerte, und mit liebevoller, mütterlicher Zärtlichkeit nahm Madame Harmuth nach dem Frühstück Mathilden mit sich in ihr Zimmer, um sie mit Hilfe Augusten's für die nahe Trauung zu schmücken.

Gegen zehn Uhr kam ein zweirädriger leichter Wagen mit hohem Verdeck, der nur Raum für eine Person hatte, vor das Haus gefahren; Herr Brighton, der Friedensrichter aus der Nachbarschaft, stieg aus demselben hervor und wurde von dem alten Harmuth auf das Herzlichste bewillkommnet.

»Es ist das erste Mal, mein Freund Brighton, daß Sie in Amt und Würden in meinem Hause erscheinen,« sagte Harmuth, den Squire nach dem Gesellschaftszimmer führend; »möge es immer nur bei solch erfreulichen Gelegenheiten der Fall sein, wie es die heutige ist.«

»Der Bräutigam glücklich angekommen?« fragte der Squire, indem er die weiße Halsbinde in die Höhe und die gleichfarbige Weste nach Unten zog; »gestern Vormittag war er noch nicht erschienen, wie mir mein Sohn sagte, der, einige meiner Milchkühe nach Hause treibend, hier einen Augenblick anhielt, um Ihren Söhnen einen guten Morgen zu wünschen.«

»Er kam gestern Abend wohlbehalten hier an, und was das glücklich anbetrifft, so braucht man nur seine liebe Braut zu kennen, um darüber sicher zu sein,« antwortete Harmuth, führte seinen Freund und Nachbar zu dem Credenztisch und sagte:

»Was trinken Sie? Hier ist Portwein, Madeira und Brandy. Wir wollen auf das Glück der jungen Leute trinken.«

»Ich halte es mit Ihrem Portwein, den müssen Sie aus guter Quelle haben.«

»Ein Geschenk von meinem Freund Stein, und der hat für seine Freunde immer nur das Beste,« antwortete Harmuth, indem er für sich selbst einen Schluck des alten Cognac's in das Glas goß und Wasser hinzufügte.

Nachdem die beiden Freunde mit einer Verbeugung gegen einander ihre Gläser geleert hatten, reichte Harmuth dem Friedensrichter eine Cigarre, bat ihn, an dem Fenster Platz zu nehmen, und in kurzer Zeit war ihre Unterhaltung über ihre Ländereien, ihre Gärten, ihr Vieh und Pferde in vollem Gange, so daß sie nicht bemerkten, daß Stein zu ihnen getreten war, bis dieser dem Squire, den er bei seinem ersten Aufenthalt hier kennen gelernt hatte, guten Morgen bot und ihm freundlich die Hand reichte.

»Herzlich willkommen, Verehrtester Freund,« sagte Brighton zu Stein, »und meine allerbesten Wünsche zu ihrem nahe bevorstehenden Glück. Sie haben Etwas auf sich warten lassen.«

»Die Sonne war gar zu heiß, um in der Mittagszeit zu reiten,« antwortete Stein, »doch habe ich mich wohl vorgesehen, daß ich noch bei guter Zeit ankam.«

Er hatte sich zu Harmuth und dem Squire gesetzt, und wohl eine halbe Stunde war in traulicher Unterhaltung verflossen, als die Thür sich öffnete und Mathilde in ihrem Brautschmuck, von Madame Harmuth und Augusten geführt, schön, herrlich und liebreizend in das Zimmer trat.

Sie trug ein weißes Kleid mit gleichfarbigen Atlasschleifen und schönen Spitzen besetzt, doch die Farbe desselben verblich gegen die blendend weiße zarte Haut ihres Nackens und ihrer Arme, welche mit einem werthvollen Schmuck von hellblauen Steinen geziert waren. Aus dem durchsichtigen Besatz über ihrem vollen Busen blickte bescheiden ein Myrthensträußchen hervor und wurde von den reichen blonden Locken umwogt, die zu beiden Seiten ihres lieblichen Gesichts seidenartig glänzend herabfielen, während der Scheitel ihres schönen goldigen Haares mit einem Myrthenkranz umschlungen war.

Mit überströmend innigen Gefühlen wurde sie von ihrem Bräutigam begrüßt; Vater Harmuth drückte mit feuchten Augen seine Lippen auf der Pflegetochter schöne Stirn, der Squire nahte sich ihr staunend und überrascht, als er sie bewillkommnete, und die Söhne Harmuth's, die sich nun gleichfalls eingefunden hatten, konnten ihre Blicke nicht von ihr abwenden.

Nach allgemeiner herzlicher Begrüßung sollte zur Trauung geschritten werden. Mathilde schlug bebend und erröthend ihre großen himmelblauen Augen nieder; als Madame Harmuth sie vor den weißgedeckten Tisch führte, während Vater Harmuth mit Stein an ihre Seite trat und der Squire sich mit dem Gesetzbuch in der Hand ihnen gegenüber stellte.

Die Söhne Harmuth's hatten sich ihnen angereiht und einige Neger, das Eigenthum der Familie, standen sauber gekleidet mit glücklich frohen Mienen in einiger Entfernung, um der Trauung der auch von ihnen geliebten Mathilde beizuwohnen.

Der Squire las den Verlobten nun die Trauungsformel vor, fragte sie, ob sie einander als Mann und Frau angehören wollten, und als Beide die Frage mit Ja beantwortet hatten, erklärte er sie im Namen des Gesetzes für verheirathet. Die Ringe wurden gewechselt, der glückliche Stein schloß seine eben so glückliche junge Frau in seine Arme und dann sanken sie, so wie alle Anwesenden auf die Kniee und folgten andächtig dem Gebet, welches Squire Brighton mit vieler Feierlichkeit hersagte.

Madame Harmuth drückte die junge Frau zuerst an ihr mütterliches Herz, indem sie ihren Segen und ihre heißesten Glückwünsche aussprach, dann empfing sie Vater Harmuth in seinen Armen, und so ging sie von Brust zu Brust durch die ganze Familie, bis sie der glückliche Stein wieder an sein ehrliches braves Herz schloß. Es war ein Augenblick tiefster Bewegung und seelenvollster Rührung, womit die guten Harmuth's von der Tochter, von der Schwester Abschied nahmen, um sie aus dem Schutz, aus der liebevollen Fürsorge, die sie auf die Verwaiste so unbegrenzt verwandt hatten, zu entlassen und der Sorge eines ihr jetzt näherstehenden Herzens zu überweisen. Doch die Thränen der Rührung waren auch Freudenthränen, die bald trockneten und Heiterkeit und Frohsinn auf den Zügen derer, die sie vergossen hatten, zurückließen.

Fröhlichkeit und Scherz trat an die Stelle des Ernstes, der alte Harmuth meinte binnen Jahresfrist einer Einladung Stein's nach Galveston folgen zu müssen, der älteste Sohn erwähnte seines Rechtes, der jungen Frau nach dem Abendbrod das Strumpfband zu rauben, und unter Lachen und Jubeln wurde das junge Ehepaar geneckt.

Gegen Mittag trabte eine mächtige alte Stute mit einem Mann, einer Frau und einem kleinen Mädchen auf ihrem breiten Rücken zu der Farm heran und hielt vor dem Eingang der Einzäunung still. Es war dies eine Harmuth's befreundete Nachbarfamilie, die deren Einladung, mit ihnen zu speisen, Folge zu leisten kam. Noch andere Freunde aus der Umgegend fanden sich bald zu gleichem Zwecke ein, und kaum konnte der große, schwer beladene Eßtisch alle die Gäste fassen, die sich in frohster Stimmung um ihn reihten.

Mit Stolz blickte Madame Harmuth auf die kostbaren Gerichte, die herrlichen Braten, die schön gerathnen Kuchen, die nach und nach aufgetragen wurden, und freute sich, wie es ihren Gästen so vortrefflich schmeckte. Der Wein wurde nicht gespart, und der schäumende Champagner, welches Getränk die Meisten der Anwesenden bisher nur dem Namen nach gekannt hatten, versetzte die ganze Gesellschaft in eine übersprudelnd lustige Stimmung.

Nach Tisch wurde unter der Veranda Kaffee getrunken, dann wurde eine Promenade in den Garten und am Fluß hin gemacht, und Abends waren Alle wieder um den Eßtisch versammelt, um abermals der Kochkunst der Hausfrau Ehre anzuthun.

Erst nach elf Uhr bestiegen die Gäste aus der Nachbarschaft ihre Reitthiere und zogen umnebelt von den Freuden dieses herrlichen Tages ihrer Heimath zu; Madame Harmuth begleitete die junge Frau mit innigster Rührung nach dem festlich geschmückten Brautgemach, auch war bald das letzte Licht in der friedlichen Wohnung verschwunden, und die Engel der Ruhe und der Liebe schwebten durch ihre Gemächer.

Einige Wochen noch verweilte Stein mit seiner jungen Frau in glücklicher Zufriedenheit bei den biedern Harmuth's, dann wurde auf baldiges Wiedersehen Abschied genommen, die jungen Eheleute traten ihre Reise nach Galveston über Houston an, wohin Conrad Harmuth sie im Wagen beförderte, und von dort trug sie dann das Dampfboot wohlbehalten bis zu dem Ziel ihrer Reise.

Jetzt erst begann Stein's eigentliches Glück, es schien sich mit jeder Stunde seines Zusammenlebens mit der vortrefflichen Mathilde zu mehren, und er sah seine wüste, einsame Junggesellenwohnung in ein kleines Paradies umgewandelt, in welchem ihn nach vollbrachter Tagesarbeit seine engelsüße junge Frau die Welt außerhalb desselben vergessen ließ. Beider Glück sollte nach kurzer Zeit noch durch den Empfang eines Briefes von Albert erhöht werden, worin derselbe seine namenlos beseligenden Gefühle über die Rettung Mathilden's aussprach und den jungen Eheleuten seine bevorstehende Verbindung mit Rosa anzeigte, welcher beizuwohnen er sie dringend einlud.

In Monterey hatte die Kunde von der Verlobung Albert's mit der schönen reichen Rosa, dem Liebling des Volkes, außerordentlich viel Aufsehen gemacht und sowohl unter den Mexicanern, als auch unter den Amerikanern große Theilnahme erregt. Wenn auch die Gefühle der Erstern dem Namen eines Amerikanischen Soldaten leidenschaftlich wiederstrebten, so hingen diese Leute doch mit solcher Liebe, mit solcher Hingebung an der gefeierten Rosa, daß sie den tief eingewurzelten Haß gegen den Fremdling in ihrem Herzen unterdrückten, zumal, da er als Retter ihrer Heldin dastand, mit ihnen einen Glauben hatte und namentlich kein geborener Amerikaner, sondern ein Deutscher war.

Die Amerikaner dagegen sahen darin einen neuen Sieg, einen neuen Triumph über die Mexicaner, daß einer ihrer Officiere das hochstehende reiche Mädchen, auf welches das Volk mit höchstem Stolz, mit wahrer Verehrung blickte, zur Gemahlin bekommen sollte.

Der Bischof war in seinen Palast in Monterey zurückgekehrt, Rosa hatte gleichfalls ihre prachtvolle Wohnung daselbst bezogen, und Albert war auf Veranlassung Falkland's auch nach dieser Stadt verlegt worden.

Die öffentliche Trauung dieser beiden Glücklichen sollte in der Kürze Statt finden, und die Vorbereitungen zu derselben wurden eifrigst betrieben. Es war ein großer Festtag, dem man durch diesen kirchlichen Akt in Monterey entgegensah, und Jedermann bereitete sich vor, denselben feierlich und durch persönliche Teilnahme zu begehen.

Der Tag vor dem zur Trauung bestimmten neigte sich, die Sonne hatte einen glühenden Abschiedsgruß über die goldbesäumten Gebirge auf die Stadt gesandt, und Rosa saß mit ihrem Geliebten auf dem Balkon ihres Palastes und blickte dem scheidenden Gestirn, dessen Wiedererscheinen den glücklichsten Tag ihres Lebens bringen sollte, feierlich und tief bewegt nach.

Da kamen zwei Personen, eine junge Frau am Arme eines Mannes, die der Kleidung und ihren umherwandernden Blicken nach Fremde sein mußten, in der breiten Straße dahergeschritten, indem sie einem Mexicaner folgten, der sichtbarlich ihnen vorausging, um sie an das gewünschte Ziel zu führen.

Sie hatten das Haus Rosa's bis auf kurze Entfernung erreicht, als der Führer sich zu ihnen umwandte und, zu ihnen redend, mit der Hand nach demselben hindeutete. Die fremde Dame richtete ihre Blicke nach Rosa's Wohnung, sah nach dem Balkon hinauf, riß sich mit einem Freudenschrei von ihrem Begleiter los, Albert erkannte in ihr seine Schwester Mathilde, stürzte ihr entgegen und preßte sie wenige Augenblicke später an sein stürmisch schlagendes Herz. In ihren Armen verschlungen, weinend und schluchzend standen sie in dem Eingang des Hauses, ohne Worte, ohne Blicke, ohne Gefühl für ihre Umgebung, als Stein und Rosa tief ergriffen zu ihnen getreten waren, sie durch Theilnahme an ihrem überwältigenden Glücke beruhigten und sie hinauf in die Gemächer des Hauses führten.

Das Glück der vier jungen Leute kannte keine Grenzen, wieder und wieder fielen sie sich weinend in die Arme, und einem Jeden von ihnen strömte das Herz in freudigen wonnigen Gefühlen über.

Noch spät saßen sie auf dem luftigen Balkon im glücklichen Verein zusammen, sahen den vollen Mond groß und majestätisch über den dunkeln Gebirgen aufsteigen, und Rosa und Albert blickten sich bei dessen Erscheinen bedeutsam an, als wollten sie gegenseitig ihre Erinnerung auf diesen ihren Freund lenken.

Die Glocken von sämmtlichen Kirchen Monterey's verkündeten beim anbrechenden Morgen dessen Bewohnern, daß der ersehnte Festtag erschienen sei. Heiter und golden stieg die Sonne auf, kein Wölkchen zeigte sich am durchsichtig blauen Aether, und eine erquickend bewegte Luft zog durch die Stadt, die sich ungewöhnlich früh belebt hatte. Die Straßen auf dem Wege von dem Palaste Rosa Garcia's nach der Cathedrale waren es namentlich, wo sich schon früh viele Leute eingefunden hatten, theils beschäftigt, dieselben zu reinigen, theils aber neugierig zusehend oder ihre Blicke nach den Fenstern der Häuser richtend, aus denen die reichsten kostbarsten Teppiche hervorgehangen wurden, vor denen Riesenguirlanden von den wundervollsten Blumen erschienen, und die über die Straße hin durch Laubgewinde verbunden wurden. Jedermann, dem man begegnete, zeigte durch seine Kleidung sowohl, als auch durch seine Miene, daß es heute Festtag war, und in den Fensteröffnungen, so wie auf den unzähligen Balkons zeigten sich allenthalben reich geschmückte Damen. Das Leben in den Straßen nahm von Viertelstunde zu Viertelstunde zu, das Gedränge wurde immer größer, und bald war es nur eine hin- und herwogende Menschenmasse, die den Weg füllte. Reich und Arm, in Sammet und Seide gekleidet, in armseliger, doch reinlicher Tracht, Alt und Jung, kräftige und gebrechliche Personen, drängten sich durcheinander hin, doch ein feierliches Schweigen ruhte auf der versammelten Menge, nirgends wurde ein lautes Wort gehört, und wallend und wogend zogen die mächtig ergreifenden Klänge der Glocken über sie hin.

Vor dem Palast des Bischofs hatte sich die zahlreiche Geistlichkeit der Stadt, mit den reichsten Stoffen und Gewändern angethan, versammelt, die Heiligenbilder hoben sich feierlich aus ihren Reihen empor, und die Chorknaben schwangen die silbernen Gefäße, aus denen der süße Weihrauch sich durch die Straße verbreitete.

Aller Augen waren auf den Eingang des Palastes gerichtet, als nach zehn Uhr der ehrwürdige Bischof im reichsten Ornate daraus hervortrat und seinen Platz unter den harrenden Amtsgenossen einnahm.

Der Zug setzte sich in Bewegung, das Volk schloß sich ihm an, und in ernstem gemessenem Schritt erreichte er den Palast von Rosa Garcia. Kopf an Kopf preßte sich die dort harrende Menschenmasse zusammen, um dem Zug Raum zu geben und doch einen Blick auf die hohe Marmortreppe vor dem Hause zu behalten, wo nun der Liebling, der Stolz des Volkes, die verehrte, die geliebte Rosa erscheinen sollte.

Da trat aus dem weiten Eingang die Ersehnte hehr und strahlend, von stolzer majestätischer Würde umgeben, hervor, geführt von der andern Heldin Monterey's, der gleichfalls vom Volke gefeierten, edlen Señorita Doña Maria Josefa Zozago. Ein staunendes bewunderndes Geräusch, ein Gemurmel des Beifalls lief von Mund zu Mund, und tausend Blicke hingen unbewegt an der hohen Braut und ihrer edlen Führerin, die jetzt zusammen von der Treppe herabschritten, und tausend Augen hefteten sich auf den schönen blondgelockten Jüngling Albert Werner, der, von seinem Freunde Falkland geleitet, ihnen nachfolgte, um sich in den Zug zu begeben und der Cathedrale zuzuwandern. Diesen folgte Stein und seine Gattin.

Viele Hunderte in Weiß gekleidete junge Mädchen schritten denselben voraus, bestreuten den Weg mit Blumen, ein Blüthenregen fiel aus den Fenstern der Häuser, an denen das Brautpaar vorüberschritt, auf dasselbe herab, und wie eine bunte Wolke wehten die Tücher und reichen Shawls in den Händen schöner Mexicanerinnen aus den Fensteröffnungen, von den Balkons und von den platten Dächern der Gebäude.

Unter dem lauten wogenden Glockengeläute hatte der Zug die wundervolle Cathedrale erreicht, die Geistlichkeit hatte bei dem Altar ihre Plätze eingenommen, das Brautpaar war von denselben geführt worden, und von dem Chor tönten feierliche himmlische Melodien durch das Haus Gottes, als der ehrwürdige Bischof den Trauungsact mit einer feierlichen Anrede, bei der kein Auge thränenlos blieb, an das Brautpaar begann. Nun folgte die Trauung selbst. Auf die an den Bräutigam und die Braut gerichteten Fragen, ob sie sich gegenseitig zum Gemahl nehmen wollten, erfolgten von Beiden die sehr vernehmbaren und festen Antworten: »Ich will.« Darauf ließ der Bischof die Trauringe sich reichen, segnete sie und steckte sie den Neuvermählten an die Finger. Nach dem Ringwechsel wurden dem Paare die beiden rechten Hände in einander gelegt, die der Bischof mit der Stola bedeckte und von ihm den Neuvermählten das Ehegelöbniß abgenommen, hierauf sprach der hochwürdige Herr mit bebenden Händen den Segen über Albert Werner und Rosa Garcia, die vor ihm knieten, und es sank die ungemein zahlreiche Versammlung, die die Kirche füllte, auf die Kniee, um die Gnade des Allmächtigen für die beiden Glücklichen zu erflehen.

Die Trauung war vorüber, und Albert trat mit seiner jungen Gattin am Arm in die Straße hinaus, da brach der Jubel des Volkes laut und stürmisch los.

Alles drängte sich dem glücklichen Paare und dem ihm folgenden Bischof mit seinen Geistlichen nach, und unter schallenden, donnernden Vivats wurde es nach seiner Wohnung geleitet.

Gracioso, der Lieblingsvogel, empfing die junge Frau mit dem Rufe: »Señorita Rosa Garcia,« doch diese strich ihm lächelnd das purpurglänzende Gefieder, drückte ihre Granatlippen auf seinen Kopf und sagte: »Deine Herrin ist nicht mehr Señorita, lieber Gracioso, sie ist Señora geworden.«

Stein zog wenige Zeit später mit seiner Mathilde nach Monterey, wo er sich etablirte. Albert wohnte, noch oft mit Liebe und Anhänglichkeit seiner alten Deutschen Heimath gedenkend, mit seiner theuern Rosa auf dem Schlosse Garcia; beide Familien lebten im glücklichsten Verein, der treue Freund Falkland aber war in dem Strome seines Wanderlebens weiter gezogen. –

 

Ende


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