Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Elftes Kapitel

Die Genesung, das Leben auf dem Schlosse, der Abschied, die Einsamkeit, die Sehnsucht, Albert Werner in seinem Quartier, Rückkehr nach Garcia, das Lied, Graciosa, das Geständniß, die Liebenden, Rückkehr in das Quartier, die abgelehnte Einladung, die Ungeduld, der Ritt, die Glücklichen.

 

Die Besserung Albert's ging von nun an rasch von Statten, die Wunden heilten, und seine Kräfte nahmen schnell wieder zu. Nach wenigen Tagen konnte er für kurze Zeit das Bett verlassen, er konnte Abends mit Hilfe des Bischofs und seiner jungen Freundin den Balkon erreichen, von dem dort für ihn bereiteten bequemen Sitz die Gebirgswelt zu seinen Füßen überschauen und die reine, stärkende freie Luft, die diese Höhe umwehte, einathmen.

Albert hatte seinen Freund Falkland dem Bischof und Rosa als denjenigen Officier vorgestellt, der ihm während des Sturmes von Monterey in dem Augenblick zu Hilfe geeilt war, als er sie gegen seine eignen Leute beschützte, wodurch auch für ihn bei Beiden die innigsten Dankgefühle erzeugt worden waren. Er war Albert's treuer täglicher Besucher; oft, wenn Dienst ihn des Tages über abgehalten hatte, kam er noch Abends spät nach dem Schlosse gesprengt, um ihm wenigstens eine gute Nacht wünschen zu können, und der Bischof sowohl, als auch Rosa hatten sich so an seine Besuche, an seine muntere Unterhaltung gewöhnt, daß ihnen Etwas zu fehlen schien, wenn einmal ein Tag verstrich, ohne daß der Hauptmann erschienen wäre.

Auch dessen Schimmelhengst hatte sich die vollste Gunst der jungen Herrin erworben, wurde stets für seinen flüchtigen Lauf nach dem Schloß von ihr mit Zucker belohnt und bekam von ihr die Erlaubniß, während des Aufenthalts seines Herren sich in dem wundervollen Park, der sich zu beiden Seiten des Schlosses an dem Berg hinab zog, an dem üppigen Gras und den saftigen Pflanzen zu laben, die dort durch sorgsame Hand gepflegt wurden.

»Und wann werden Sie Ihr Commando denn wieder übernehmen,« fragte Falkland seinen Freund Albert eines Abends lachend, als sie allein zusammen auf dem Balkon saßen; »von solcher Krankheit nimmt man ungern Abschied, und für eine solche Pflege würde ich mich auch einmal von einem Jaguar kratzen lassen.«

»Ich glaube wirklich nicht, daß es mir gut sein würde, wenn ich jetzt schon wieder in Dienst träte, ich fühle mich doch noch recht schwach,« erwiederte Albert.

»Nein, nein, das sollen Sie auch nicht, doch fürchte ich wahrhaftig, ich verliere Sie aus meiner Compagnie. Sie werden am Ende Gouverneur von diesem Schlosse,« sagte Falkland scherzend; »nun Glück auf! Ich habe es Ihnen ja auf dem Schlachtfeld von Palo Alto gesagt, daß Sie noch Vieles gewinnen können.«

»Vielleicht gewinnen, um wieder zu verlieren, durch die Thür in den Himmel zu blicken, damit sie sich wieder vor mir schließe! Nein, lieber Falkland, das Glück hält sich bei mir nicht lange auf,« erwiederte Albert mit einem Seufzer.

»Ja wahrlich, wenn Sie es zurückhalten sollten, würde es sich niemals lange bei Ihnen verweilen, diesmal aber wird es Sie fest halten. Setzen Sie mehr Vertrauen in sich selbst, Ihre Persönlichkeit, Ihre Fähigkeiten berechtigen Sie dazu,« sagte Falkland, indem er seinem gewöhnlichen scherzenden Ton einen ernsteren Ausdruck gab.

Bei dem nächsten Besuch, den Falkland auf dem Schlosse Garcia machte, brachte er seines Freundes Rappen mit und hatte zu Albert's großer Ueberraschung und Freude dessen Sattel mit der wunderschönen Haut des von ihm getödteten Jaguars geschmückt, die er zu diesem Behufe in Monterey hatte zubereiten lassen, denn der Lieutenant war so weit wieder hergestellt, daß er das Pferd besteigen konnte.

Rosa Garcia war, wie alle Mexicanerinnen, eine gute Reiterin und von Kindheit auf gewohnt, auf feuerigen Pferden die Berge zu durchstreifen, sie kannte jeden Weg, jeden Fußsteig in der Umgebung des Schlosses und wußte die schönsten Punkte aufzufinden. Sie war überzeugt, daß es für Albert's Genesung von großem Nutzen sein würde, Morgens oder Abends in der freien Luft sich zu bewegen, und da sie, so wie er leidenschaftlich für Naturschönheiten sich interessirten, so übernahm sie es gern, ihn auf seinen Promenaden zu begleiten und ihm dabei als Führerin zu dienen.

Sie machten nun regelmäßig kurz nach Sonnenaufgang einen Ritt in die paradiesisch schöne Umgegend, oft traulich geistreich sich unterhaltend und eben so oft die Allmacht Gottes bewundernd und preisend, kehrten zur Frühstückszeit nach dem Schlosse zurück, verbrachten den Tag meist in Gesellschaft ihres väterlichen Freundes, des Bischofs, mit Englischer Literatur, womit die Bibliothek der jungen Herrin reich versehen war, und genossen zusammen die wundervollen späten Abende, indem sie in dem Park lustwandelten oder sich an einem seiner kühlen Springbrunnen in traulichem Gespräch niederließen und dessen Plätschern, so wie den süßen Melodieen der Spottvögel lauschten, die aus den immergrünen, dichten dunkeln Blüthenbäumen ihre nächtlichen Lieder ertönen ließen.

Albert's Wunden waren nun bald geheilt, und auf seinen Wangen hatte sich wieder die Farbe frischer Jugend eingestellt, doch mit der Zunahme seiner Kräfte war der Gedanke von Tag zu Tag beunruhigender in ihm aufgestiegen, daß der Augenblick nahe, in welchem er diesen schönen, in so vielfacher Weise ihn fesselnden Aufenthalt verlassen und seinen Freunden daselbst Lebewohl sagen müsse.

Die unendlich liebevolle Behandlung, die ihm durch den ehrwürdigen Geistlichen, so wie durch die reizende, liebenswürdige Rosa zu Theil geworden war, hatte ihn, den plötzlich verwaisten, in der Welt allein und verlassen stehenden Jüngling, wieder mit dem Leben versöhnt und ihm in demselben einen Raum gezeigt, in dem er sich glücklich fühlte, in dem ihm das herbe Geschick, welches ihn in seiner neuen Heimath betroffen hatte, weniger hart erschien. Er sollte wieder aus dieser beglückenden Sphäre hinaus in das für ihn einsame, freudenlose Leben treten, er sollte die neuen Freunde, an deren theilnehmenden, herzlichen Umgang er sich so sehr gewöhnt hatte, verlassen, um abermals mit dem Gram seiner Vergangenheit und der bangen Ungewißheit seiner Zukunft allein dazustehen.

Wie gern hörte Albert Rosa zu ihm sagen, daß er noch so leidend aussähe, daß er noch schwach sei, und daß ihm das Eintreten in den Dienst sicher sehr schaden würde, und wie ungern sah er im Spiegel seine frischen rothen Wangen, wie unangenehm war ihm das Gefühl seiner Kraft bei jedem Tritt, den er that. Er konnte es sich aber selbst nicht mehr länger leugnen, daß er vollkommen hergestellt, daß er jetzt viel kräftiger sei, als jemals vorher, und es war ihm ein unangenehmes drückendes Gefühl, länger die Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, die man dem Kranken mit so viel Theilnahme hatte zukommen lassen.

Er beschloß seinen Freunden Lebewohl zu sagen und zu seinen Kameraden zurückzukehren; doch je näher der Tag des Abschieds heranrückte, desto schwerer wurde es ihm um das Herz, desto schöner schien ihm sein jetziger Aufenthalt, desto lieber und theurer wurde ihm seine junge Freundin Rosa.

Er hatte mit ihr in der Umgegend nach der Natur gezeichnet, sie hatten zusammen auf ihren Spaziergängen und Ritten die schönsten Blumen gesammelt und nach Hause getragen, um sie dort geschmackvoll zu ordnen und zu malen; Albert hatte täglich die Vasen in Rosa's Gemächern mit frischen Blüthen geschmückt, diese hatte ihm vorgelesen, Stunden lang für ihn auf dem Piano gespielt und Abends, wenn ihre kleinen zarten Finger der Mandoline die süßesten Weisen entlockten, ihn mit ihren schmelzenden zauberischen Liedern beglückt. Sie schien fortwährend seine Stimmung überwacht zu haben, um jeden in ihm aufsteigenden traurigen Gedanken zu verscheuchen; oft hatte sie ihn, wenn er allein in Gedanken versunken an einem entlegenen Platze des Parkes verweilte, überrascht und ihn mit liebevollen heitern Worten aus seinen Träumereien geweckt; oft hatte sie ihn zu Pferde in der Umgegend aufgesucht, wenn er einsam in den Bergen umherwanderte, und sich häufig noch spät Abends zu ihm gesetzt, wenn er von der Terrasse vor dem Schlosse gedankenvoll in die Berge zu seinen Füßen hinabblickte.

Auch Rosa hatte sich so sehr an seinen Umgang, an seine zarten Aufmerksamkeiten, an seine geistreiche, lebendige Unterhaltung gewöhnt, daß sie mit bangem Herzen dem Augenblick entgegensah, der sie von ihrem ihr so unendlich lieb gewordenen Freunde trennen würde.

Doch der zu Albert's Abreise festgesetzte Tag erschien, Falkland traf Vormittags auf dem Schlosse ein, um zur Mittagszeit versprochener Maßen bei dem Abschiedsessen zugegen zu sein, Abends seinen Freund mit sich von dannen zu nehmen und ihn seiner Compagnie wieder zuzuführen. So sehr sich Falkland aber auch bemühte, die Stimmung bei Tisch zu beleben, so blieb sie doch traurig und gedrückt; Albert hatte nur wenig Worte, Rosa hatte keine heiter n lebendigen Blicke, und der ehrwürdige Bischof war ernst und niedergeschlagen. Der Nachmittag wurde in noch mehr verstörter Stimmung zugebracht, und als endlich die Pferde der beiden Gäste in den Hof geführt wurden, Albert den Gürtel mit seinen Revolvern umgeschnallt und seine Büchse ergriffen hatte, da wurden die Augen feucht, und Rosa verbarg schluchzend ihr liebliches Gesicht in ihrem Battisttuch.

Der Bischof schloß Albert wiederholt in seine Arme, sagte ihm mit den innigsten Worten der Liebe und Dankbarkeit, daß er ewig sein Freund und sein zu jedem ihm möglichen Dienst bereiter Schuldner bleiben werde, und bat, ihn später in seinem Palast in Monterey zu besuchen, wohin er in einigen Wochen zurückzukehren denke.

Rosa reichte Albert tief bewegt und schweigend ihre bebende schneeige Hand zum Abschied hin, die derselbe an seine Lippen drückte und mit den seinen Augen entrollenden Thränen benetzte.

Die Entfernung bis zu Albert's Station war ja nicht sehr groß und gewährte den Scheidenden Gelegenheit, sich oft wiederzusehen, dennoch war der Gedanke an diese Unterbrechung ihres glücklichen häuslichen Zusammenseins für sie schmerzlich und wies sie auf eine bevorstehende, vielleicht ewige Trennung hin.

»Kommen Sie Werner, wir haben ja flüchtige Pferde, und der Weg hierher ist ja nicht weit,« sagte Falkland, die heftige Aufregung seiner Freunde bemerkend, und zog Albert bei der Hand nach der Thür hin, als Gracioso, Rosa's Liebling, ein purpurrother Indianischer Rabe, dem Albert seinen Namen deutlich aussprechen gelehrt hatte, aus der Ecke des Zimmers rief:

»Albert Werner, Albert Werner,« worauf dieser zu ihm hintrat, um auch ihm Lebewohl zu sagen und ihn nochmals zu liebkosen.

Wenige Minuten später hatten die beiden Freunde ihre Rosse bestiegen und sprengten, den Zurückbleibenden ihre Abschiedsgrüße zuwinkend, auf der Straße dahin.

»Wir haben unsere Schuld bei diesem edlen jungen Mann nur um sehr Weniges verkleinert,« sagte der Bischof zu Rosa, als er sie an seinem Arm zurück in das Zimmer führte; »denn was wir für ihn thaten, würden wir keinem Andern in seiner Lage verweigert haben. Wenn ich nur wüßte, auf welche Weise man ihm einen wirklichen Dienst erzeigen könnte. Er ist schwer vom Schicksal verfolgt worden, steht so allein in der Welt und fühlt sich zu Zeiten recht unglücklich. Ich habe mit ihm über seine Zukunft gesprochen, habe ihm gerathen, sich in unserm Lande niederzulassen, und ihm meine Hilfe angeboten, doch er wich mir immer aus und lehnte mit einem gewissen Stolz alle meine Anerbietungen ab. Er meinte, der Krieg würde bald wieder ausbrechen, und dann hoffe er die Carrière zu machen, die er am meisten wünsche. Er sucht den Tod, Rosa, darüber bin ich nicht mehr im Zweifel, das Leben ist ihm gleichgültig, ja ich glaube, es ist ihm eine Last. Er thut mir sehr leid, denn er ist ein Jüngling, wie man deren heut zu Tage wenige findet.«

Rosa hatte schweigend auf dem Sopha Platz genommen und sah nach dem Armstuhl hin, in welchem sie gewohnt war, Albert neben sich sitzen zu sehen. Eine Thräne glänzte unter ihren schwarzen Wimpern, sie wandte sich nach dem Balkonfenster, um den Bischof die Bewegung nicht erkennen zu lassen, die ihre Brust beengte, sie sah die Gluth an dem fernen Abendhimmel, vor der sich die riesigen Zacken der Cordilleren golden erhoben, sie dachte daran, wie oft sie mit Albert ihre Blicke an jenen Höhen geweidet hatte, und die Thräne fiel wie eine krystallene Perle in ihren Schooß.

»Ich gebe es jedoch noch nicht auf, ihn zu etwas Anderem zu bestimmen,« fuhr der geistliche Herr nach einer Weile fort; »ich habe mir die Sache überlegt: ich werde ihm eins meiner Güter pachtweise anbieten, und geht er darauf ein, dann soll er mir nicht entkommen, meinen Dank aus vollen Händen zu empfangen.«

»O, er wird es sicher thun, ehrwürdiger Vater, denn er schwärmt für dieses Land und setzt unbedingtes Vertrauen in Sie. Er wird uns gewiß bald besuchen, und dann reden Sie ihm zu; wir müssen ihn belohnen für das, was er für uns gethan,« erwiederte Rosa leidenschaftlich. »Wir danken ihm ja unser Leben,« fügte sie noch hinzu, indem sie den Geistlichen bittend ansah.

Der Abend kam Beiden recht still und einsam vor, sie hatten sich hinaus auf den Balkon gesetzt, dem fliehenden Tageslichte nachgeblickt und den Mond ernst und feierlich am Himmel aufsteigen sehen, ohne wie sonst sich über die einzelnen Schönheiten des sich schnell ändernden Colorits der Landschaft zu ihren Füßen auszusprechen, ohne mit ihren Blicken dem Flug der Königsadler zu folgen, die in weiten Kreisen zur Erde herniederstiegen, ohne sich gegenseitig die Sterne zu zeigen, wie sie einer nach dem andern zu funkeln und zu blitzen begannen. Auch das Abendessen wollte ihnen nicht munden, denn Rosa konnte Albert nicht mehr, wie sie es gewohnt war, diese oder jene Speise, die sie für ihn besonders hatte bereiten lassen, anempfehlen, die Blumen in den Vasen auf dem Tische waren nicht durch ihn gepflückt und geordnet, und es fehlte seine Aufmerksamkeit überall, mit der er sich ihr, so wie dem Bischof stets dienlich zu machen gesucht hatte.

Der Geistliche zog sich früh in sein Gemach zurück, und Rosa ging, ohne es zu wollen, nach dem großen Saal, durch dessen offene Fenster die Nachtluft kühlend einströmte, setzte sich vor das dort stehende Piano und schlug düstere, schwermüthige Accorde an, wie sie mit ihren augenblicklichen Gefühlen übereinstimmten, um ihrem Herzen dadurch Luft zu machen, was ihr durch Worte zu thun nicht vergönnt war.

Kurz vor elf Uhr, als sie lange Zeit ohne noch zu spielen still in sich gekehrt vor dem Instrument gesessen hatte, erhob sie sich und trat hinaus auf den Balkon.

Es war eine Nacht, so schön, so mild, so silberhell und so sternfunkelnd, wie eine Tropennacht nur sein kann, eine Nacht, wie sie ein sich verlassen und krank fühlendes Herz, wie das Rosa's in der That war, liebt; eine Nacht, wo jeder Lufthauch der Brust einen Seufzer, ein Trostwort bringt und von ihr mit sich fortnimmt, wo jeder Stern die Sehnsucht hin- und herträgt, wo die Blicke getrennter Liebenden im Monde zusammentreffen, und wo der Mensch glaubt, seinen Körper mit seinem Geiste davon fliegen lassen zu können.

In duftigem Perlenweiß und dunklem Blau lag die Gebirgsgegend in heiliger feierlicher Stille vor Rosa ausgebreitet, wie eine silberne Schlange wand sich der Fluß hin und her durch das tiefe dunkele Thal, und still und glänzend spiegelte sich das Bild des Mondes in dem nahen Weiher des Parks am Fuß des Berges, auf dem das Schloß stand. Doch der Blick der schönen Mexicanerin hing nur an jenem fernen Berge auf dem Wege nach Monterey; Albert hatte ihr die Kuppe oft gezeigt und ihr gesagt, daß an dessen Fuß sein Stationsort gelegen sei.

Rosa konnte noch nicht zur Ruhe gehen, ihr Herz war so voll, sie fühlte sich so beklommen, sie mußte ihren Gefühlen Worte geben, sie nahm die Mandoline, hielt Gracioso, ihrem Liebling, die Hand hin und trug ihn mit sich hinunter auf die Terrasse, wo sich an deren kunstvoll gearbeitete steinerne Brüstung der Park anlehnte. Den Lieblingsvogel hatte sie neben sich auf die Brüstung gesetzt und sich selbst auf einer Marmorbank dabei niedergelassen, dann ließ sie der Mandoline süße Accorde klingen, rauschend schwirrten sie bald klagend, bald stürmisch durch die stille Nacht, und mit ihnen zogen Rosa's Lieder über Berg und Thal jener Kuppe zu, die sie so hell im Mondlicht glänzen sah.

Auch Falkland und Albert, als sie das Schloß verlassen hatten, waren stumm eine Zeitlang neben einander dahingeritten, da brach Ersterer das Schweigen und sagte:

»Man hat Sie auf dem Schlosse sehr lieb gewonnen, Werner, der alte Bischof behandelt Sie wie seinen Liebling, und der schönen Señorita Garcia sitzen Sie tief im Herzen. Einen Andern würde ich um diesen Platz beneiden. Das war kein Abschied, wie man ihn von einem Freunde nimmt.«

»Doch, doch, lieber Falkland, nur Freundschaft auf mein Wort, wir hatten uns aber so an einander gewöhnt,« –

»Daß Keins von Euch Beiden es gewahr worden ist, als die Liebe die Freundschaft zum Fenster hinausgeworfen hat. Lehrt mich Freundschaft von Liebe unterscheiden,« rief Falkland lachend und drückte seinem Hengst die Sporen ein. »Vorwärts, lassen Sie uns ein Wenig ausgreifen, die Bewegung wird Ihnen das Herz leichter machen und Ihnen die Soldatenmiene wiedergeben. Sie sind mir dort oben rein zum Schäfer geworden, und ich fürchtete alle Tage zu sehen, daß Sie die Büchse gegen den Hirtenstab vertauschen würden. Lassen Sie mir den Kopf nicht so hängen, ich habe es auch früher mitunter gethan und dadurch viel Schönes unbeachtet an mir vorüberziehen lassen. Geben Sie Ihrem Rappen die Zügel, der Kerl ist zu mastig geworden und hat die Schultern nicht mehr wie sonst. Sehen Sie dort, wie der Himmel glüht, die Sonne geht schon unter, und ich habe noch ein tüchtiges Stück weiter zu reiten, als Sie. Ich glaube wirklich, auch Ihrem Rappen wird es schwer, sich von der Nähe des Schlosses zu trennen.«

»Wen sollte auch solch' liebevolle Behandlung, wie wir Beide dort genossen haben, nicht fesseln?« erwiderte Albert mit Seufzen.

»So ist es Recht, Freund, wenn Sie es nur eingestehen wollen, daß Liebe dabei im Spiel ist, dann werden Sie auch die Heilmittel gegen die Krankheit Ihres Herzens nicht verschmähen. Sie wissen, ich bin Arzt und kann Ihnen ein Specisicum nennen, was Sie sicher heilen wird. Bieten Sie Ihrer schönen Mexicanerin Ihre Hand an, und bald werden Sie Beide genesen, denn auch sie leidet au derselben Krankheit.«

»Lieber Falkland, Sie irren sich sehr in Rosa, es war nichts Anderes, als inniges Dankgefühl für meinen kleinen Dienst, welches sie mich so freundlich behandeln ließ. Ich bin nicht eitel genug, um zu glauben, daß ich mehr werth sei, und mein bisheriges Schicksal berechtigt mich nicht, auf ein solches Glück zu hoffen.«

»Ihre Persönlichkeit aber giebt Ihnen das Recht dazu. Sie setzen kein Vertrauen in sich selbst und kennen das schöne Geschlecht noch zu wenig. Glauben Sie mir, ich sehe weiter, als Sie, und müßte mich sehr irren, wenn Sie mich nicht noch als Herr von Garcia dort bewirthen sollten.«

»Scherz, Scherz, Falkland, solche Luftschlösser haben in meinem Hirn keinen Raum,« erwiederte Albert und suchte der Unterhaltung eine andere Richtung zu geben, indem er sagte: »Jetzt trabt aber mein Rappe tüchtig aus, wie er aber auch schon warm ist!«

»Ungewohnte Arbeit,« erwiederte Falkland, »doch wird er nun bald wieder in Gang kommen. Der Weg nach dem Schlosse wird Ihnen manches Paar Hufeisen und dem Rappen manchen Tropfen Schweiß kosten.«

Albert wurde wortkarger, die Pferde flüchtiger, und der Mond stieg über den dunkeln Gebirgen auf, als die beiden Reiter das Quartier des Lieutenants erreichten, Falkland den bisher dort stationirten Officier mit sich fortnahm und, seinem Freunde angenehme Ruhe und rosige Träume wünschend, davon ritt.

Der Rappe war abgesattelt, in sein Nachtquartier geführt, und Albert saß unter der Veranda vor seiner Wohnung mit dem Kinn auf seine Hand gestützt und schaute in Gedanken tief versunken unbeweglich nach der Richtung hin, von welcher er gekommen war.

Der Mond stieg höher, sein Licht wurde heller, und die Gebirgsmassen in der Umgebung des Schlosses Garcia traten deutlicher gegen den besternten Himmel hervor. Albert fühlte sich so allein, so verlassen, es war noch so früh, wie sollte er die ganze lange Nachthinbringen? Er sah sich in Gedanken im Lehnstuhl und Rosa neben sich im Sopha sitzen, er sah sich mit ihr an dem plätschernden Springbrunnen des Parkes stehen, er träumte sich neben ihr auf der Terrasse und glaubte den Silberklang ihrer Stimme und das süße Rauschen ihrer Laute zu hören; plötzlich sprang er auf, rief dem Unterofficier zu, seinen Gaul sogleich satteln zu lassen, schnallte seine Revolver um, und ehe zehn Minuten vergingen, sprengte er den Rappen auf der Straße nach dem Schlosse Garcia zurück, daß Stein und Funken unter dessen flüchtigen Hufen flogen.

Berg auf Berg ab ging es vorwärts durch das helle Mondlicht, Meile auf Meile wurde zurückgelassen, ohne daß des Rappen Schnelligkeit sich gemindert hätte, und weiß mit Schaum bedeckt wurde das aufgeregte Thier kurz vor elf Uhr an der Mauer des Parkes, der sich nach dem Schlosse Garcia hinaufzog, von seinem Reiter angehalten.

Albert schlang eilig den Zügel des Pferdes an einen Baum, schwang sich über die Mauer in den Park hinein und eilte mit stürmisch schlagendem Herzen auf dessen vertrauten schattigen Wegen der Terrasse zu. Schon sah er die Brüstung derselben im Mondlicht glänzen, schon erkannte er die Fenster im Schlosse, die den Gemächern seiner Freundin angehörten, als plötzlich die süße, wohlbekannte Stimme Rosa's melodisch und zauberisch durch die stille Nacht zu ihm herüberwogte. »Wenn nur Sehnsucht Flügel hätte,« hörte Albert sie singen; es war sein Lieblingslied, dasselbe, womit sie ihn so oft beglückt hatte.

Er stand wie angewurzelt und lauschte; niemals vorher hatte er sie so lieblich, so bezaubernd hinreißend singen hören, niemals vorher hatten die Saiten der Mandoline so stürmisch, so schmelzend getönt!

Das Lied verklang, die letzten Accorde der Laute rauschten ihm nach, und die feierliche Ruhe der Nacht herrschte wieder ungestört um Albert, der jetzt nur noch die Schläge seines eignen Herzens hörte. Leisen Trittes schlich er näher zu der Terrasse hin, von woher das Lied erklungen, er erreichte die Säulenreihe, aus der die Brüstung bestand, und durch sie hinspähend, fielen seine Blicke auf den Gegenstand seiner Sehnsucht, auf die theuere Freundin, auf Rosa Garcia.

Erschrocken, als habe er ein Unrecht begangen, sank er geräuschlos au der Brüstung nieder und suchte das Athmen seiner heftig bewegten Brust zu unterdrücken, da rief Gracioso, der Lieblingsvogel, zu ihm von der Mauer herabblickend laut und deutlich:

»Albert Werner, Albert Werner.«

»O, Gracioso, gutes, schönes Thier, Du weißt wohl, was mir fehlt, Du weißt es wohl, wie theuer er meinem Herzen ist. Ach, warum konnte er mich denn verlassen!« sagte Rosa, indem sie ihren Alabasterarm auf die Brüstung legte und dem Vogel mit ihrer kleinen Hand über das glänzende Gefieder strich.

Doch Gracioso beugte seinen Kopf abermals an der Mauer hinab und rief wieder:

»Albert Werner, Albert Werner.«

»Ach, Albert denkt nicht an uns, Gracioso, er freut sich, jetzt wieder mit seinen Kameraden zusammen zu sein, er lacht und scherzt mit ihnen und weiß nicht, wie traurig, wie verlassen ich mich fühle, er kennt nicht die Sehnsucht der innigsten Liebe, mit der mein Herz mich so unwiderstehlich zu ihm hinzieht!« sagte Rosa mit beklommener Stimme, hob ihre großen schwarzen Augen nach Oben und senkte dann ihren kleinen Kopf auf ihren Arm.

Albert hörte deutlich die Worte, die das schöne Mädchen halblaut zu ihrem Liebling sagte, er hörte Rosa's tiefes Athmen, seine Brust war wie zusammengeschnürt, er preßte beide Hände auf sein Herz, um dessen Pochen zu unterdrücken, seine Lippen bebten, um ihren Namen zu stammeln; doch das Wort erstarb in seinem Munde, und zu ihr aufblickend, drückte er seine glühende Wange an die kühle Marmorsäule der Brüstung.

»Ach Albert,« seufzte Rosa wieder, zu dem Sternenhimmel aufsehend.

»Rosa, himmlische, geliebte Rosa!« rief Albert aufspringend, schwang sich über die Brüstung hin und lag im nächsten Augenblick zu des Mädchens Füßen. Er ergriff ihre zitternde Hand, preßte sie stürmisch an seine brennenden Lippen, und seine blonden Locken fielen um dieselbe in ihren Schooß.

Die Gewalt des Augenblicks hatte Rosa übermannt, bleich und bebend war sie zurück gegen die Brüstung gesunken, drückte ihre Hand auf ihren wogenden Busen und blickte zum Monde auf, als rufe sie ihn zum Zeugen dieses Augenblicks an.

»Rosa, geliebte Rosa!« stammelte Albert wieder, sein Blick begegnete dem ihrigen, er sah Thränen unter ihren dunkeln Wimpern glänzen, ihr Haupt fiel auf seine Schulter, und im wonnigen Taumel der ersten Liebe hielt er die schöne Mexicanerin in seinen Armen, an seiner Brust, seine Lippen brannten auf den ihrigen, Beider Thränen flossen zusammen, ihre Herzen schlugen gegen einander, die Welt um sie war für sie verschwunden, sie schwelgten in einem Himmel von Seligkeit, und der Mond, als wolle er ihr Glück der neidischen Welt verheimlichen, verbarg schon sein stilles Antlitz hinter den eisgekrönten Anden, als Gracioso die Liebenden aus ihrem Wonnetraume weckte und laut ausrief:

»Albert Werner, Albert Werner!«

Die Glücklichen waren der Welt wiedergegeben, ein bleicher Streif an dem fernen Himmelsrande im Osten erschien als Vorbote des nahenden neuen Tages und mahnte die Liebenden, ihrem seligen Zusammensein ein Ziel zu setzen.

»O kehre nicht bei dem Lichte der Sonne zu mir zurück, mein Albert, der Mond ist unserer Liebe günstiger, bei der Sonne blendendem Schein konntest Du mich verlassen, der Mond hat Dich zu mir zurückgeführt. Komm, wenn die Welt wieder zur Ruhe gegangen ist, wenn nur die Liebe noch wacht und unsere Gedanken, unsere Blicke nur uns allein angehören,« sagte die glückliche Rosa, ihren Geliebten in ihren Schwanenarmen zurückhaltend.

»Ich sattle, wenn der letzte rosige Schimmer auf jenen Höhen verbleicht, und harre Deiner, wenn des Mondes Licht in Deine Fenster dringt; wo soll ich Dich finden, himmlisches Mädchen?«

»Dort unten an dem Weiher, mein Geliebter, dort unter den Felsen, wo Deine Lippen meine Hand zum ersten Male berührten, dort, wo Du mir damals sagtest, daß Du Dich glücklich in meiner Nähe fühltest.«

»So lebe wohl, mein Alles! sieh, wie der Berge Spitzen sich schon röthen, der ewig lange Tag bricht an, noch einen Kuß, mein Leben!«

»Noch blinken die Sterne so hell, Albert, mußt Du mich schon verlassen?«

»Der Morgen kommt, man könnte Dich im Schloß vermissen, süßester Engel; laß mich noch einmal in Deine Himmelsaugen schauen, und nun lebe wohl,« sagte Albert, schlang nochmals seinen Arm um die Geliebte, schwang sich über die Brüstung in den Park und verschwand schnell vor den Blicken des ihm nachsehenden liebenden Mädchens.

Das Dämmerlicht des Morgens zitterte durch die Gebirge, als der überglückliche Albert auf seinem flüchtigen Roß die Straße entlang nach seiner Station zurückjagte, und die Sonne hatte die Höhen im Osten noch nicht überstiegen, als er seine Wohnung erreichte, seinem Pferd den Sattel abnahm, denselben auf die Veranda warf und das erhitzte Thier nach der Einzäunung hinter dem Hause führte.

»Der Rappe ist sehr warm, Lieutenant Werner, ich will ihn tüchtig abreiben lassen,« sagte Branch, der Unterofficier, indem er an seine Mütze griff; »er darf in den ersten zwei Stunden noch kein Maiskorn bekommen; Sie müssen scharf geritten sein.«

»Lassen Sie ihn gut besorgen, Branch, Sie wissen, das Pferd ist mir sehr viel werth,« sagte Albert zu dem Soldaten.

»Ein besseres bekommen Sie auch nicht wieder. Ich sehe Sie noch, als Sie bei Resaca des Hauptmanns Schimmel zurückbrachten, das hätten Sie auf keinem andern Gaul gekonnt.«

»Ich lege mich schlafen, Branch; lassen Sie mich nicht wecken, wenn es nicht nöthig ist,« sagte Albert und ging in sein Zimmer, doch nicht um zu schlafen, sondern nur um in Gedanken ungestört mit Rosa allein zu sein.

Sein Herz war so voll, er hätte die ganze Welt umarmen und Jedermann sein Glück mittheilen mögen, und doch hatte das Geheimniß, welches seine Liebe umschwebte, einen unendlichen Zauber für ihn, er sah sein ganzes Glück in seinem Herzen eingeschlossen, dort war es vor den Augen der mißgünstigen Welt versteckt, und Niemand konnte störend darnach greifen, selbst vor dem Schicksal, das ihm früher so feindlich gewesen war, glaubte er es dort verbergen zu können.

Er ging im Zimmer auf und ab, er warf sich auf sein Lager, er sah aus dem Fenster nach der aufsteigenden Sonne hin und dachte an die vielen langen Stunden, die er noch in Ungeduld zu harren hatte, bis sie das Ende ihrer Bahn erreicht und dem ersehnten Mond das Himmelsfeld eingeräumt haben würde.

Albert konnte nirgends lange verweilen, eine glückselige Unruhe trieb ihn hin und wieder, doch wo er auch hinblickte, allenthalben stand das süße Bild seiner Liebe vor seinem Geist, allenthalben blickten ihn die großen, schönen Augen seiner Rosa so innig, so seelenvoll an. Plötzlich hörte er die Tritte eines flüchtigen Pferdes auf der Straße von Monterey her, er dachte an Falkland; der feste, sichere Tritt des Rosses war ihm bekannt, er sah aus dem Fenster und richtig, wie er gedacht hatte, es war der Hauptmann. Albert war erschrocken, der Athem stockte ihm einen Augenblick, und die Frage, ob er dem biedern Freunde sein Geheimniß verschweigen dürfe, drängte sich seinen Gedanken auf. Viel hätte er darum gegeben, wäre Falkland nur heute nicht zu ihm gekommen. Doch derselbe war schon vom Pferd gesprungen und trat zu Albert in das Zimmer, ehe dieser darüber noch zu einem Entschluß gekommen war.

»Guten Morgen, Werner, ich hoffe, Sie haben in Ihrem neuen oder alten Quartier gut geschlafen,« sagte er, Albert die Hand schüttelnd; »wenigstens frisch genug sehen Sie aus. Ich dachte, ich müßte zeitig kommen, um Sie zu Hause zu treffen, da Ihr Rappe wahrscheinlich große Sehnsucht nach Garcia hat, und heute müssen Sie mir gehören. Unsere alten Kameraden von Monterey kommen Ihnen zu Ehren heute Abend zu mir in mein Quartier, und da wollen wir auf Ihre Genesung etwas guten Pulquewein, den ich mir zugelegt habe, vertilgen. Sie reiten nach dem Frühstück mit mir, essen bei mir zu Mittag, und Abends sind wir vergnügt zusammen.«

Während Falkland diese Worte sprach, trat einer der Schützen in das Zimmer und sagte zu Albert: »Der Unterofficier läßt Sie fragen, ob er Ihrem Pferde wohl schon Korn geben dürfe, es sei noch immer sehr heiß von dem Ritte.«

»Soll es noch eine halbe Stunde stehen lassen. Ich würde selbst herauskommen und darnach sehen,« antwortete Albert dem Soldaten mit großer Verlegenheit und winkte ihm, sich zu entfernen.

»Ihr Pferd noch warm von dem Ritt? zum Teufel auch, was für ein Ritt?« fragte Falkland, seinen Freund Werner erstaunt ansehend, da ihm die Befangenheit nicht entging, die sich auf dessen Zügen spiegelte; »Sie sind wohl wieder auf der Jaguarjagd gewesen?«

»Ich konnte nicht recht schlafen, da habe ich früh einen kleinen Ritt gemacht,« antwortete Albert mit noch größerer Verwirrung, in die ihn das Gefühl des Unrechts, seinem Freunde eine Unwahrheit zu sagen, versetzte.

»Wahrscheinlich dort oben nach der Höhe hin, von wo aus man den Blick nach Garcia hat. Daß die Freundschaft doch so schlaflose Nächte erzeugen kann! Nun, ich verdenke es Ihnen nicht, Werner, Sie wissen, meine Wünsche begleiten Sie auf solchen Ritten. Lassen Sie aber dem Rappen Korn geben, denn nach dem Frühstück wollen wir reiten.«

»Sie müssen mich entschuldigen, lieber Falkland, es ist mir unmöglich, Sie heute zu besuchen,« antwortete Albert verlegen.

»Wie, Sie wollten alle unsere Kameraden im Stiche lassen, die Ihretwegen zu mir kommen? Das kann nur Ihr Scherz sein.«

»Ich sage Ihnen die Wahrheit, Falkland, es ist mir unmöglich, und wenn der alte Taylor mich selbst commandirte, so würde ich nicht kommen. Die Ursache warum kann ich Ihnen nicht sagen,« antwortete Albert mit großer Bestimmtheit und fügte dann noch hinzu: »Sie wissen, wie gern ich bei Ihnen bin, und wie ich mich freuen würde, mit unsern Freunden zusammen zu sein, aber es geht nicht.«

»Nach Garcia können Sie ja jeden andern Tag reiten,« sagte der Hauptmann halb verdrießlich.

»Ich werde das Haus hier den ganzen Tag nicht verlassen, Falkland, darauf mein Wort.«

»Nun, ich will nicht in Ihr Geheimniß eindringen, aber leid ist mir Ihre abschlägige Antwort. Ich werde einen meiner Leute nach Monterey senden, um es unsern Freunden wissen zu lassen, damit wir die Zusammenkunft auf ein ander Mal verschieben.«

Das Frühstück wurde aufgetragen, und nach Beendigung desselben bestieg der Hauptmann sein Pferd, reichte Albert die Hand und sagte: »Ich hoffe, Sie werden in kommender Nacht besser schlafen, so daß Sie Ihren Rappen nicht wieder auf einem Frühritt abzuhetzen brauchen.« Dann winkte er ihm noch einmal einen freundlichen Gruß zu und eilte nach seinem Quartier zurück.

Für Albert war der Tag erschrecklich lang, die Sonne schien ihm so träge auf ihrer Bahn vorzuschreiten, die Zeiger auf seiner Uhr wollten nicht weiter rücken, und die Schatten wollten sich gar nicht verlängern. Gern wäre er hinaus in die Berge gegangen, um seine Schritte seiner Ungeduld anzupassen, und sein übervolles Herz an den Wundern der Landschaft zu laben und zu beruhigen; doch die seinem Freunde gegebene Versicherung, daß er während des Tags zu Hause bleiben würde, hielt ihn zurück.

Das Glück, welches ihn so gänzlich unerwartet überrascht hatte, war zu groß, zu unermeßlich, als daß er dessen Umfang hätte übersehen können, es schien ihm eine ganze Welt von Seligkeit die Brust zu füllen, in der noch gestern sein Herz traurig und kleinmüthig geschlagen hatte. Wie ein Traum stand die verwichene Nacht vor seiner Seele, doch das heftige Pochen seiner Pulse beantwortete die Frage, ob es wirklich Wahrheit sei, daß das lieblichste, das reizendste Mädchen, welches je seine Augen erblickt, ihn liebe.

Immer noch blendete die Sonne seine Augen, wenn er durch das Fenster blickte, immer noch schwebten die eisigen Spitzen der fernen Berge über deren im Purpurhauch verschwimmenden Außenlinien wie silberne Gestirne am blauen Aether, sie wollten sich immer noch nicht in die Gluth tauchen, deren Erbleichen sein Herz so sehnsüchtig erwartete, deren letzter mattrother Schimmer seiner Geliebten sagen sollte, daß er seinen Rappen bestiegen habe, daß er ihrem Herzen zueile.

Wieder und wieder ging er hinaus zu seinem Pferde, brachte ihm Brot und Zucker, strich seinen glänzend schwarzen Rücken, klopfte seinen steinfesten breiten Hals, sah ihm freundlich in die großen Augen und drückte es liebkosend mit den weiten rothen Nüstern gegen seine Brust. Er hatte das brave Thier nie vorher so lieb gehabt, als jetzt; sollte es ihn doch seinem Glück entgegen tragen!

Endlich hatte die Sonne die fernen Höhen erreicht, feuriger und brennender färbte sich der Himmel über ihnen, und mit seiner Gluth mehrte sich die Aufregung, die Sehnsucht in Albert's Brust. Den Sattel hatte er zurecht gelegt; den Zaum daneben an die Säule der Veranda gehangen, den Gürtel mit den Revolvern hatte er umgeschnallt, bleicher und matter glühten die Spitzen der Berge, der Himmel wurde dunkel, und die Sterne singen an zu blitzen. Fort trug er Sattel und Zaum auf den scharrenden Rappen, zog die Gurten an, schwang sich auf des Thieres breiten Rücken, und Nichts in der Welt hätte ihn eine Secunde länger zurückgehalten.

In fliegendem Lauf sauste er auf der Straße dahin, mit dem Blick auf die erbleichenden fernen Höhen, an denen auch Rosa's Augen jetzt sicher verlangend hingen.

Der traute Mond stieg auf, das Roß schnaubte, die Schaumflocken fielen von seinen Lippen auf die Straße, und den hellen Klang der Eisen unter seinen Hufen gab das Echo in den Bergen wieder, weiter und weiter zog der Reiter auf dem flüchtigen Pferde durch die stille Nacht, seine Locken wehten im leichten kühlen Winde, doch mit seiner Sehnsucht konnte das edle Thier nicht gleichen Schritt halten. Endlich stieg das Schloß Garcia in dunklem Umriß vor Albert's spähenden Blicken auf. »Nur noch den Berg hinan, mein Rappe!« rief er dem beschäumten Liebling zu, des Parkes hohe dunkle Baumgruppen wurden sichtbar, und seine Mauer war erreicht.

Mit bebender Hand schlang der liebende Jüngling den Zügel um den Ast eines Baumes, schwang sich in den Park hinein, stürmte durch die zitternden Schatten der Bäume und blickte hinunter auf den dunkeln Spiegel des Weihers, in dessen Mitte des Mondes helle Scheibe glänzte. Weiß wie ein Nebelhauch eilte es ihm entgegen, zarte Arme öffneten sich vor ihm, und in trunkener Seligkeit lag Albert an Rosa's Herzen. Im Schatten von Magnolien und Palmen ließen sich die Glücklichen am Weiher nieder, ihren beglückenden himmlischen Gefühlen hingegeben, gab es keine andere Welt, keine Sorgen, keinen Kummer mehr für sie, kein anderer Wunsch lebte mehr in ihren Herzen, als liebend sich geliebt zu wissen, sie schwelgten in der Seligkeit reinster Liebe, und ihre Zukunft erschien ihnen eine Ewigkeit voll Wonne und unnennbaren Glücks. Lange schon hatten sich die Kuppen der Gebirge geröthet, die Vögel zwitscherten erwachend ihr Morgenlied, und das neue Tageslicht strich durch den Park, als die Liebenden aus ihren Träumen aufschreckten, ihre Lippen sich den Abschiedskuß reichten, und Albert zu seinem Pferde eilte, um am Schloßhof vorübersprengend seinen Heimweg anzutreten.


 << zurück weiter >>