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Zehntes Kapitel

Der Ritt um zu zeichnen, die verlassene Farm, Ben Johnson, die Jagd, die Verwundung, die Hilfe, das Schloß Garcia, die Aufnahme, das Erkennen, Doña Rosa Maria Garcia, der Bischof von Monterey, die Pflege, Auskunft über Werner, dankbare Gefühle, das Erwachen.

 

Versprochenermaßen stellte Albert sich am folgenden Morgen zeitig bei seinem Hauptmann ein, und nachdem sie sich an einer Flasche guten Pulqueweins gelabt hatten, ritten sie zusammen eine kurze Strecke auf der Straße nach Monterey hin, von der sie sich dann auf einem Nebenweg in die Gebirge wandten, um nach der Mühle zu kommen, die sie in ihre Zeichenbücher aufzunehmen beabsichtigten.

Die enge, sehr rohe und mangelhafte Straße führte sie an einer kleinen Farm vorüber, die nur wenige Hundert Schritt zur Seite vor einer Felsschlucht lag, und deren kleine elende Wohnungen dicht von Bananen und Palmen überschattet waren.

»Dies gäbe aber auch ein schönes Bildchen,« sagte Albert, auf die Häuser zeigend; »sehen Sie nur die riesenhaften Blätter, womit die Häuser überdacht sind, und die schönen Formen der Granitfelsen, welche die dunkle Schlucht dahinter bilden. Der Platz scheint verlassen zu sein, die Mericaner haben doch eine rasende Scheu vor unsern Leuten. Zu verdenken ist es ihnen nicht, denn sie sind mitunter schrecklich von ihnen behandelt worden.«

»Nun, die Mexicaner haben es uns reichlich zurückbezahlt; die Amerikaner sind grausam und herzlos mit ihnen umgegangen, das ist wahr, doch solche durchdachte Gräuelthaten haben sie sich nicht zu Schulden kommen lassen, als Jene an ihnen verübt haben. Lassen Sie uns nach den Häusern hinaufreiten, es sind ja nur wenige Schritte, wir können schnell eine Skizze davon machen,« erwiederte Falkland und lenkte seinen Hengst den Pfad hinauf, der nach der Farm führte.

»Ja, der Platz ist verlassen,« fuhr Falkland fort, als er vor den Häusern vom Pferde stieg; »binden Sie Ihren Rappen dort in den Klee, da können sich die Thiere Etwas zu Gute thun, während wir zeichnen; die Eigenthümer haben ja doch keinen Nutzen mehr davon.«

Dies war bald bewerkstelligt, die Freunde hatten ihre Skizzenbücher und Zeichenmaterial aus den Halftern genommen und sahen sich die Gebäude an, um übereinzukommen, von welcher Seite sie dieselben aufnehmen sollten.

»Ich glaube, von dieser Seite aus wird es ein besseres Bild geben, man sieht hier mehr von den Schatten und bekommt eine Einsicht in die Schlucht hinter den Häusern,« sagte Albert und schritt von Falkland gefolgt auf der rechten Seite an den Gebäuden vorüber. Plötzlich blieb er aber erstaunt stehen und sagte:

»Mein Gott, was ist das, sehen Sie den Menschen dort an den Baum angebunden?«

Beide sprangen verwundert hinter das Haus nach einer Cocospalme, an deren Stamm ein von allen Kleidern entblößter Mann mit Stricken befestigt war, und dessen Körper schon von Weitem die Spuren getrockneten Blutes zeigte.

Es war ein Bild des Entsetzens, das sich den Blicken der beiden Freunde darbot. Ueber den ganzen Körper war der Unglückliche mit Messerschnitten, die jedoch nur in klaffenden Hautwunden bestanden, bedeckt, die Ohren waren ihm abgeschnitten, und zwischen die Zähne seines weitgeöffneten Mundes war ihm ein Stück Holz eingeklemmt worden, so daß er denselben in keiner Weise bewegen konnte. Seine Lippen, so wie viele der Wunden, die er an sich trug, waren mit Honig bestrichen, in Folge dessen Tausende von Insekten sich dort versammelt hatten, und sein Mund der Oeffnung eines Bienenstocks glich, vor welcher sich dessen Bewohner zum Schwärmen vorbereiten.

In wenigen Augenblicken hatten Falkland und Albert die Stricke durchschnitten, die den Mann unbeweglich an die Palme festhielten, und hatten ihm das Holz aus dem Munde gerissen, worauf dieser mit schwerem Röcheln neben dem Stamme zusammensank. Seine hohlen Augen, die graue Farbe seines Gesichts, die blauen Lippen zeigten deutlich, daß sein Ende herannahe, und nur mühsam bewegte sich seine Brust noch auf und nieder.

Albert hatte schnell in dem nahen, aus der Felsschlucht hervorrieselnden Bache Wasser in einer Kürbisschale geholt, die neben der Thür des Hauses lag, goß dem Unglücklichen einen Trunk zwischen die trockenen Lippen und benetzte seinen Körper mit der kühlenden Flüssigkeit.

Der Leidende saß wie bewußtlos mit geschlossenen Augen gegen den Stamm gelehnt, doch als das kühle Wasser ihn berührte, fuhr er zusammen, öffnete die Augen und sah, wie ein erlöschendes Licht, dem frisches Oel zufließt, mit wieder sich belebendem Blicke nach seinem Wohlthäter auf.

Die beiden Freunde trugen ihn nun aus der brennenden Sonne in den Schatten des Hauses, gaben ihm wiederholt frisches Wasser und übergossen ihn damit von Zeit zu Zeit.

Unter schweren Seufzern schien er sich wieder zu beleben, sein Athem wurde stärker und sein Mund bewegte sich wie zum Reden, doch machtlos lagen seine Arme noch neben ihm auf der Erde, und sein Kopf ruhte unbeweglich auf dem Steine, gegen welchen ihn die beiden Officiere ausgestreckt hatten.

Wohl eine Stunde war vergangen, als der Kranke aus einem kurzen Schlummer erwachte, zu seinen Pflegern aufblickte und sie in Englischer Sprache mit matter Stimme um Wasser bat.

Dies wurde ihm gereicht, er trank es begierig, und wieder gegen den Stein zurücksinkend dankte er seinen Wohlthätern.

»Sie sind einer von unsern Landsleuten?« sagte Falkland zu ihm, »ein Amerikaner; wie kommen Sie in diese schreckliche Lage?«

»Ich wurde von Mexicanern auf der Straße aufgegriffen, hierhergebracht und vorgestern von ihnen so fürchterlich mißhandelt, worauf dieselben sich entfernten und sich nicht wieder blicken ließen,« antwortete der Mann in langen Pausen mit zitternder Stimme.

»Gehören Sie denn zu unsern Truppen?« fragte Falkland wieder.

»Ich war bei dem Train und fuhr einen Wagen der Armee,« erwiederte der Verstümmelte, sich unter Schmerzen krümmend.

»Wie ist denn Ihr Name, und wo sind Sie zu Hause?« fragte ihn Falkland weiter.

»Ich heiße Ben Johnson und bin an dem Sandiesflusse unweit Victoria in Texas zu Hause,« stöhnte der Angeredete.

»Ben Johnson?« schrie Albert und fuhr, seine erschreckten Blicke auf den Fuhrmann heftend, zurück; »Ben Johnson, der Fuhrmann, der die Familie Werner, meine Eltern und Geschwister, von Indian Point wegfuhr?«

Der Name Werner traf den Verstümmelten wie ein Blitzstrahl, mit weit aufgerissenen Augen und offenem Munde stierte er nach Albert hin, und die Farbe des Todes zog über sein verwelktes Gesicht. Er bewegte seine Arme, als wolle er sich damit vom Boden aufrichten, seine Brust hob sich krampfhaft, er schnappte nach Luft, warf den Kopf wie ein Erstickender hin und her, seine Augen drehten sich nach Oben, so daß nur noch ihr Weißes sichtbar war, und unter heftigem Zittern streckte er seine Glieder aus. Noch wenige Minuten, und Johnson war eine Leiche.

»Ist das Johnson, von dem Sie mir sagten?« fragte Falkland seinen Begleiter, der wie angewurzelt dastand und mit Entsetzen unbeweglich auf den Fuhrmann blickte.

»Es ist derselbe,« antwortete Albert nach einer Weile; »die Gerechtigkeit hat ihn ereilt, denn es ist keinem Zweifel unterworfen, daß er Theil an dem Untergang der Meinigen hatte. Wenigstens hat er deren Hinterlassenschaft gestohlen.«

»Ich glaube es auch, denn das Hören des Namens Werner hat augenscheinlich seinen Tod so schnell herbeigeführt; ich fürchte, er ist mit einer schweren Schuld aus der Welt gegangen.«

»Lassen Sie uns gehen, Falkland, der Anblick des Menschen ist mir fürchterlich, sein Ende war ein ähnliches, wie das seines Bruders gewesen sein muß, von dem ich Ihnen sagte; sie haben in gleicher Weise gesündigt und sind gleich bestraft worden.«

Albert wandte sich bei diesen Worten mit einem Schauder von dem Todten ab, und wenige Minuten später verließen die beiden Freunde diesen Ort des Entsetzens, um durch die wundervolle Natur, die sie umgab, nach und nach wieder das Schreckensbild vor ihren Augen zu verdrängen und mildern wohlthuendern Gefühlen Einlaß in ihr Gemüth zu verschaffen.

Falkland wußte, daß Albert nicht gern über sein und seiner Familie trauriges Schicksal redete, weshalb er schnell die Unterhaltung auf andere Gegenstände lenkte, ihm die wunderbaren hauchähnlichen Purpurtinten der fernen Gebirge und ihrer Eisspitzen, die wie Perlmutter unter dem azurnen Himmel glänzten, zeigte; ihn auf den kühnen schlanken Schwung der Palmenstämme aufmerksam machte, womit diese sich über jähe Abgründe hinneigten; an wild tobenden Sturzbächen anhielt und das glänzend bunte Farbenspiel bewunderte, welches in drei oder vier Regenbogen auf deren fliegendem Wasserstaub zitterte, und die Königsadler um ihren Flug beneidete, die wie schwarze Punkte hoch über den Eiszacken der Cordilleren schwebten.

So erreichten sie auf ihrem wild romantischen schönen Wege die zum Zeichnen auserkorene Mühle und verbrachten den Tag in freundlichem Austausch der Eindrücke, die deren reizende Umgebung auf sie machte, während sie fleißig bemüht waren, ihre Arbeiten in ihren Zeichenbüchern recht sauber auszuführen.

»Morgen Abend statte ich unserm Jaguar einen Besuch ab, der Mond ist voll und sein Licht hell genug, um das Herz des Königs dieser Berge finden zu können,« sagte Albert auf dem Rückwege zu Falkland's Quartier.

»Ja, lassen Sie sich nur nicht von diesem König die Wangen streicheln, es möchte garstige Narben setzen,« antwortete Falkland lachend.

»Hat Nichts zu sagen, ich schieße nicht, wenn ich ihn nicht sicher habe, und müßte ich ihm zehn Mal zu Gefallen gehen.«

»Sie thuen besser, Sie nehmen Einen Ihrer Leute mit, es sind ja meist Männer von der Frontier, die mit diesen Jagden vertraut sind.«

»Und dann hätte ich am Ende die Ehre, das Thier erlegt zu haben, mit ihm zu theilen. Nein, es gehört mir allein, und ich muß es allein besiegen. Im Nothfall habe ich ja meine Revolver.«

»Lieber Freund, so viel Zeit, daß Sie dieselben gebrauchen könnten, läßt Ihnen dieser Bursche nicht. Einen Schuß aus dieser Büchse, vielleicht auch noch der Zweite, dann aber heißt es den Kolben oder das Messer genommen. Ich habe vielen von ihnen die gefleckte Jacke ausgezogen und versichere Sie, daß man rasch und sicher sein muß, will man ohne Kratz davon kommen.«

Die Sonne war noch nicht untergegangen, als die beiden Reiter die Hacienda erreichten, in welcher der Hauptmann mit seiner Compagnie lag, und der Lieutenant ihm die gewöhnliche Meldung machte, daß nichts Neues vorgefallen sei.

Albert blieb zum Abendessen bei Falkland, nachher setzten sie sich auf die hohe Plattform vor dem Gebäude, rauchten ihre Strohcigarren und sahen dem Aufsteigen des Vollmondes zu, als er sich roth und prächtig über den dunkelblauen Gebirgen hinter Monterey erhob und heller und silberner sein Licht über Berg und Thal goß.

»Nun, übermorgen können Sie die Jaguarhaut bei mir sehen, wenn Sie mich besuchen wollen,« sagte Albert scherzend zu seinem Freunde, als er seinen Rappen nach der Straße lenkte, um nach seinem Quartier zu reiten.

»Rufen Sie nicht eher Häring, als bis Sie ihn beim Schwanze haben,« rief ihm Falkland lachend nach, als er auf der Straße dahinsprengte.

Mit Ungeduld erwartete Albert am folgenden Tage, daß sich die Sonne neige; er hatte seine Büchsflinte mehrere Male abgeschossen, hatte sie sorgfältig von Neuem geladen, auch seine Revolver nachgesehen und die Spitze seines Jagdmessers geschärft. Endlich wurden die Schatten länger, der Abendwind wehte kühlend durch die Berge, und Albert bestieg sein Pferd, um sich nach jenem Platze zu begeben, auf welchem er mit seinem Freunde den Jaguar hatte den Bach überschreiten sehen.

Die Sonne hing noch goldig um die höchsten Kuppen der Gebirge, und das Düster in den Thälern nahm rasch zu, als er sein Ziel erreicht, sein Pferd in der Schlucht angebunden, es einige tausend Schritt zurückgelassen hatte und sich zwischen den Felsstücken am Ufer des wilden Bergwassers einen geeigneten Platz aussuchte, der ihm stromauf und stromab einen weiten Blick gewährte, und von wo er doch gegen das spähende Auge des erwarteten Mexicanischen Tigers gedeckt war.

Alles war still um ihn her, nur der Bach sandte sein monotones Rauschen durch die zu beiden Seiten von wild übereinander aufsteigenden Granitmassen gebildete Schlucht, aus denen hier und dort sich eine stachelige Jucca, eine mächtige Aloe, eine zarte Mimose erhob.

Die Formen und Außenlinien der Felsen, der Bäume und der Büsche wurden unbestimmter, die Schauer der einbrechenden Nacht zitterten durch das enge Thal, und Albert's Blicke hingen unverwandt an dem steilen Abhang, der sich an der andern Seite des Baches nach dessen Ufer herabsenkte.

»Wenn nur das Mondlicht schon auf jene Wand fiel! wenn nur das Thier jetzt noch nicht kommt, es ist zu dunkel zum Schießen,« dachte er, und seine Aufmerksamkeit, seine Spannung steigerte sich von Minute zu Minute. Er blickte und spähte durch das Düster, die Steine an der Wand gegenüber schienen ihm manchmal sich zu bewegen, er glaubte die Form eines Thieres in ihnen zu erkennen, doch dann sah er bald wieder seinen Irrthum ein und suchte in anderer Richtung nach dem erwarteten Jaguar. Derselbe erschien nicht.

Der Mond stieg höher, die Bergwand an der andern Seite des Baches wurde bald hell und glänzend von seinem Scheine beleuchtet, und Albert drückte sich tiefer in den Schatten des Felsstücks, unter welchem er saß, um seine Gegenwart nicht zu verrathen.

Er lauschte, er hörte Nichts, als mitunter das Schlagen einer Forelle, die sich in übermüthigem Sprunge aus den silbernen Wellen des Baches emporschnellte, oder das Fallen und leise Hüpfen eines Steines, der an dem Abhang gegenüber herabrollte.

Plötzlich aber dröhnte das erschütternde Stoßgeheul des erwarteten Herrschers in diesen Bergen durch die Schlucht, und so sehnlich Albert auch nach dem Erscheinen des grimmigen Raubthieres verlangt hatte, so fuhr er doch zusammen, als dessen gewaltige Stimme seine Ohren erreichte.

In demselben Momente hatten seine Blicke die Bewegung des Tigers auf der Höhe der jenseitigen Wand getroffen, er preßte seine Hände fest um seine Büchse, und während er den Athem anhielt, folgte er mit den Augen dem sich annähernden Thier.

Mit lautlosem sicherem Tritt kam der Jaguar, den hellen Schein des Mondlichts glänzend auf seiner schön gefleckten Haut tragend, an der Bergwand herabgeschritten, bis er das Ufer des Baches erreicht hatte und nur einige zwanzig Schritt von Albert entfernt stehen blieb, die mächtige Ruthe hoch durch die Luft schwang, sein geöffnetes furchtbares Gebiß gegen den Himmel hob und abermals mit seinem Stoßgebrüll die Schlucht erfüllte, so daß dessen Echo weit in den Bergen wiederhallte.

Albert hielt die Büchse fest gegen seine Schulter gestemmt und auf die Brust des Raubthieres gerichtet, doch wartete er auf den Augenblick, wo dasselbe die Seite Preis geben würde, damit er dessen Herz nicht verfehlen möge; seine Aufregung aber nahm mit jedem Augenblick zu, seine Hand fing an zu wanken, und sein Herz pochte so laut, daß er sicher glaubte, das Thier müsse dessen Schläge vernehmen.

Mit einem ungeheuren Sprunge schnellte sich der Jaguar plötzlich über den Bach und stand nun. Nur wenige Schritte von Albert entfernt, am diesseitigen Ufer, den Kopf hoch erhoben und mit seinen blitzenden Augen um sich spähend.

Mit festem Blick sah Albert jetzt über den Lauf seines Gewehrs auf das Herz des Thieres, alle seine Nerven waren gespannt, und als könne er der Kugel durch raschen Abzug des Drückers mehr Gewalt geben, zog er denselben kräftig zurück. Das Feuer fuhr aus dem Rohr, doch mit dem Knall hatte das Raubthier Albert erreicht, seine Krallen in dessen Körper geschlagen, und dessen abwehrenden Arm zwischen seinem mörderischen Gebiß fassend, begrub es ihn unter seinem Riesenleib.

Der Todeskampf des Tigers war kurz, krampfhaft zuckend umschloß er mit den ungeheuren Tatzen seinen Feind und sank bewegungslos mit ihm in das Gras.

Das Mondlicht fiel hell und klar auf die in blutiger starrer Umarmung Daliegenden, sie rührten sich nicht, sie athmeten nicht, und das Leben schien aus Beiden gewichen zu sein.

Schon stand der Mond hoch am Himmel, als Albert's Mannschaft vergebens auf seine Rückkehr wartete, und der Unterofficier ungeduldig auf der Straße hinauf blickte, woher derselbe kommen mußte.

Da naheten sich in der andern Richtung des Weges die Tritte eines flüchtigen Pferdes, und Falkland kam auf seinem Schimmelhengst zu den Harrenden herangesprengt.

»Nun, hat Euer Lieutenant den Jaguar geschossen?« rief er dem Unterofficier Branch entgegen.

»Er ist noch nicht zurück, wir warten schon seit einiger Zeit auf ihn,« antwortete dieser.

»Noch nicht zurück, sagt Ihr? Dann muß ihm Etwas zugestoßen sein. Ist er denn allein geritten?«

»Ja wohl, er wollte Niemand von uns mitnehmen, obgleich ich es ihm rieth. Er ist noch ein grüner Jäger und hat sein Lehrgeld noch nicht bezahlt,« sagte Branch.

»So lassen Sie schnell zwei Ihrer Leute aufsitzen, damit wir uns nach ihm umsehen, ich kenne den Platz genau, auf dem er den Jaguar erwartet hat. Eilen Sie, ich fürchte, es ist ihm ein Unglück begegnet,« sagte Falkland mit sichtbarer Besorgniß.

In wenigen Minuten hatten zwei der Schützen ihre Pferde bestiegen und sprengten, Falkland voran, in Carrière auf der Straße dahin.

Im fliegenden Lauf hatten sie den Weg bis zu der Felsschlucht in einer halben Stunde zurückgelegt, wandten ihre Pferde in eiligem Schritt über das lose Steingeröll hinauf und wurden Plötzlich durch das freundliche Wiehern von Albert's Rappen angerufen, der seitwärts von dem Bache an einer Mimose angebunden stand.

»Das ist des Lieutenants Pferd. Es ist ihm sicher ein Unglück zugestoßen, der Platz, wo et den Tiger erwartet hat, ist weiter oben am Wasser. Wir müssen eilen,« sagte Falkland in größter Besorgniß und trieb seinen Hengst zum raschesten Schritt an.

»Dort, wo der Felsblock liegt, ist der Wechsel des Jaguars,« fuhr er, nach einem hohen Granitfels hinzeigend, nach einer Weile fort; »dort hat er sich sicher angesetzt.«

In wenigen Minuten hatten die Reiter die bezeichnete Stelle erreicht, Falkland ritt um den Fels, und sein Pferd plötzlich parirend, schrie er laut auf:

»Mein Gott, hier liegen sie beide todt!«

Er war vom Pferd gesprungen, hatte im Augenblick den Jaguar gefaßt, riß ihn von seinem Freunde weg und hob diesen in seine Arme auf; doch derselbe bewegte sich nicht, ließ den Kopf auf die Brust sinken, und seine Arme fielen kraftlos an ihm herab.

»Er ist todt, ich habe es mir gedacht, daß es so kommen würde; ich habe es ihm auch vorhergesagt. Holen Sie sein Pferd, damit wir ihn nach seinem Quartier bringen. O warum ließ ich ihn auch allein reiten,« rief Falkland außer sich vor Schmerz und ließ seinen Freund langsam wieder zurück in das Gras sinken.

Doch in diesem Augenblick entstieg Albert's Lippen ein tiefes Stöhnen, und krampfhaft aufathmend, hob sich seine Brust.

»Er lebt, um Gottes Willen helfen Sie mir ihn dort nach jenem Baum tragen; holen Sie Wasser, vielleicht ist noch Rettung möglich,« rief Falkland, indem er den Arm um seines Freundes Schultern schlang und ihn mit Hilfe eines seiner Begleiter nach dem nahen Baume trug, an dessen Stamm er ihn aufsetzte.

Das helle Licht des Mondes, das auf die bleichen Züge Albert's fiel, zeigte dort Blutspuren, die sich aus dem blonden Lockenhaar herabzogen, und ließ Falkland zugleich erkennen, daß sein Freund viel Blut verloren haben mußte, denn seine Kleidung war an sehr vielen Stellen damit gesättigt.

Falkland war selbst Arzt, untersuchte, so gut es bei dem Licht des Mondes möglich war, die Wunden Albert's und verband sie nothdürftig mit seinem Taschentuch und dem Leinen seines Hemdes, welches er zu diesem Zweck zerriß. Frisches Wasser war aus dem nahen Bach in einem Hut herbeigeschafft, es wurden davon kühlende Umschläge um den Kopf des Verwundeten gemacht, ihm Nacken und Brust damit gewaschen, und nach und nach hob sich sein Puls, das Schlagen seines Herzens wurde wieder fühlbar, und sein Athem wurde freier und kräftiger. Doch blieb er noch ohne alle Zeichen von Besinnung und ohne allen Willen in seinen Bewegungen.

»Wir müssen Anstalt machen, ihn von hier fortzuschaffen,« sagte Falkland zu seinen Begleitern; »ich will ihn vor mich auf mein Pferd nehmen und ihn in meinen Armen halten, Ihr könnt es leiten.«

»Das wird aber langsam gehen, und es ist ein weiter Weg nach unserem Quartier,« bemerkte einer der Schützen.

»Nahe bei, wo die Schlucht in die Straße ausmündet, liegt auf der Höhe der Berge eine große Hacienda, die reichen Leuten gehören muß und nicht verlassen ist. Ich bin vor Kurzem mit dem Lieutenant dort vorübergeritten; könnten wir ihn nicht wenigstens vorläufig dorthin bringen?« sagte der andere Soldat.

»Allerdings, auch ich erinnere mich das Schloß gesehen zu haben, und weit kann es bis dahin nicht sein,« erwiederte Falkland. »Jedenfalls bringen wir ihn für diese Nacht dorthin, morgen können wir schon Anstalten zu seinem Transport treffen.«

Der Hauptmann hob nun mit Hilfe seiner Begleiter den Verwundeten auf seinen frommen klugen Hengst in den Sattel, schwang sich selbst dahinter auf den Rücken des Thieres, hielt Albert im Arm gegen seine Brust und ließ den Einen der Schützen die Zügel seines Pferdes nehmen, während er dem andern zurief:

»Packen Sie den Jaguar auf Ihren Sattel, wenn Ihr Gaul es erlaubt, und leiten Sie des Lieutenants Pferd.«

»Erlaubt? Das wäre nicht gut; ich wollte selbst den Teufel auf ihn packen, wenn ich ihn erlegt hätte,« erwiederte der Soldat, ein an der Frontier erzogener Bursche.

Bald darauf setzte sich der Zug langsam in Bewegung durch den unsichern Grund in der Schlucht hinunter, doch war es hell genug, um größeren Steinen und Baumstämmen aus dem Wege zu gehen, die Reiter erreichten glücklich die Straße und schlugen nun die entgegengesetzte Richtung von der ein, in welcher sie gekommen waren.

»Der Weg zur Hacienda verläßt die Straße nur eine halbe Meile von hier, ich kenne ihn genau, es ist ein guter breiter Fahrweg,« sagte einer der Schützen, während sie in dem hellen Mondlicht, das sie auf weite Entfernung Gegenstände erkennen ließ, dahinzogen.

Bald erreichten sie auch wirklich den Nebenweg, auf dessen Schlangenwindungen sie der Höhe des Berges zuwanderten und endlich dort vor dem großen Schlosse anhielten, welches, mit seinen Thürmen und Vorbauten ihnen die Schattenseite zukehrend, eine schwere schwarze Steinmasse vor ihnen stand.

Eine eiserne Gitterthür verwehrte ihnen den Eingang in den geräumigen Hof, der, von einer hohen Mauer eingefaßt, das Gebäude umgab; sie war verschlossen, und obgleich der eine der Schützen an dem Thore stark rüttelte, daß es prasselnd durch den Hof tönte, so ließ sich doch kein lebendes Wesen sehen und keine Antwort auf diese ungestüme Frage hören.

»Halloh!« riefen jetzt die Soldaten mit aller Kraft ihrer Stimmen. Keine Antwort erfolgte.

»Verdammt das Volk,« sagte der eine Soldat, »vielleicht kennen sie unsere Sprache von Monterey besser,« zog seinen Revolver hervor und feuerte ihn nach dem Gebäude hin ab; »wenn sie das nicht hören wollen, so geht es an ihre Fensterscheiben.«

Der Knall des Schusses schien doch die Bewohner des Schlosses zu beleben, denn bald darauf zeigte sich Licht in der Thür über der hohen Treppe, ein alter Mexicaner mit weißem Haupt trat hervor und eilte zu dem Thor, um die Ursache der nächtlichen Störung zu erforschen.

Falkland redete ihn höflich an, sagte ihm, daß sie einen verwundeten Officier hierher geleitet hätten, und daß sie für ihn ein Unterkommen für diese Nacht erbäten, da es zu weit sei, um ihn nach seiner Station zu bringen.

»Ich will meine Herrschaft davon benachrichtigen,« sagte der alte Mann theilnehmend, indem er nach dem Schloß zurückging, worauf kurze Zeit nachher mehrere Personen mit Lichtern in dem Eingange des Schlosses erschienen, der alte Mann zu dem Thor zurückkehrte und dasselbe öffnete.

»Meine Herrin bittet Sie, ihr Haus zu Ihrer Heimath zu machen,« sagte er zu den Harrenden; »führen Sie den Verwundeten herein.«

Die Reiter zogen nun vor die Schloßtreppe, Albert wurde vom Pferd gehoben, in das Gebäude getragen und dort in der mit Säulen umgebenen Rotunde auf den marmornen Fußboden gelegt.

Eine Menge Diener drängten sich mit Lichtern um die Fremden und beleuchteten den Verwundeten, der bleich mit zerrissener, blutiger Kleidung und mit geschlossenen Augen vor ihnen lag.

Falkland war neben ihm niedergekniet und hielt dessen Kopf in seinen Armen, als eine hohe, in Weiß gekleidete Frauengestalt, von einem alten Herrn in schwarzer Tracht gefolgt, in die Rotunde trat, die Diener mit Ehrerbietung vor ihr zur Seite wichen, und dieselbe auf die Gäste zuschritt, um sie in ihrem Hause willkommen zu heißen.

»Ich bedauere die Veranlassung, der ich Ihren Besuch unter meinem Dache verdanke, doch doppelt lieb ist es mir, als mir neben der Genugthuung, Amerikanische Officiere zu bewirthen, noch das Glück zu Theil wird, Menschenpflicht gegen einen Leidenden ausüben zu können. Ist der Kranke schwer verwundet,« fragte sie in gutem Englisch, trat zu Albert hin und hielt den silbernen Armleuchter, den sie in ihrer kleinen Rechten trug, über denselben empor. »Jesus Maria, es ist unser Retter!« rief die Dame, beide Hände zitternd um den Leuchter pressend und sich über Albert niederbeugend; »ja, er ist es, ich kenne ihn an seinen blonden Locken; sehen Sie selbst, ehrwürdiger Vater!« fuhr sie nach einigen Augenblicken in höchster Aufregung fort, indem sie sich nach dem alten Herrn umwandte, den Leuchter auf den Fußboden stellte, neben Albert niederkniete und ihre zarten Finger auf den Puls an seinem Arme drückte.

»Gott sei mir gnädig und lasse mich ihn retten, damit ich ihm einen Theil unserer Schuld zahle. Schnell Leute, helft den Officier hinauftragen, in mein eignes Zimmer, schnell, vorsichtig, daß Ihr seine Wunden nicht berührt!«

Mit diesen Worten hatte Doña Rosa Maria Garcia, denn diese war es, die in Begleitung ihres Oheims, des ehrwürdigen Bischofs von Monterey, so viel Antheil an dem armen Albert nahm, den Leuchter wieder erfaßt und schritt, ihre Blicke nicht von dem immer noch bewußtlosen Kranken wendend, neben ihm her, als Falkland und die Diener denselben aufgehoben hatten und ihn über die breite Marmortreppe hinauf durch einen langen hoch gewölbten Corridor nach einem geräumigen Gemach trugen, in welchem sie ihn auf einem kostbaren, reich verzierten Bett niederlegten. Die Diener hatten ein Kästchen mit Arzeneien in das Zimmer gebracht, auf dem schön geschnitzten, vergoldeten und mit einer Marmortafel bedeckten Tische zwischen zwei hohen Wandspiegeln niedergesetzt, und der Bischof hatte dasselbe geöffnet und einige Gläschen daraus genommen, als Falkland zu ihm trat, ihm sagte, daß er zwar Soldat, aber auch Arzt sei, und um seinen Beistand bat, den Verwundeten zu verbinden.

Die schöne Mexicanerin Rosa Garcia stand während dieser Zeit neben dem Bett bei Albert, hatte das Tuch von dessen Haupt genommen, wusch seine Schläfe und Stirn mit kühlem Wasser und befreite seine reichen blonden Locken von dem Blut, welches aus einer weitklaffenden Wunde seines Kopfes geflossen war.

Sie war eine schlanke, schöne, edle Gestalt, mit glänzend schwarzem, reichem Haar, großen, von langen Wimpern überschatteten dunklen Augen, durchsichtig alabasterweißer Haut und regelmäßig schönem, reizend lieblichem Gesicht. Ihre Haltung, ihre Bewegungen waren gemessen und graziös, doch ungezwungen und natürlich, wie es diesen Südländerinnen von edlem altspanischem Blute eigen ist, und es umschwebte sie ein Liebreiz, ein anspruchsloser Zauber, der Jedermann unwillkürlich zu ihr hinzog und ihn zu ihrem Freunde machte.

»Señorita Rosa, Sie müssen uns unseren Retter auf kurze Zeit allein überlassen,« sagte der Bischof freundlich zu ihr, indem er ihre schöne Hand ergriff, um sie aus dem Zimmer zu geleiten.

»Ach, kann ich Ihnen denn nicht behilflich sein? ich möchte so gern selbst Etwas für unsern unglücklichen Freund thun,« erwiederte sie zögernd und mit thränenfeuchten Blicken auf Albert sehend.

»Sie sollen noch Viel für ihn thun; wenn er verbunden ist, soll er ganz Ihrer Pflege überlassen bleiben,« sagte der Bischof mit seiner milden, freundlichen Stimme und geleitete Rosa nach dem Corridor.

Die Wunden Albert's wurden nun genau untersucht, sie waren bedeutend, waren zerrissen, und ihre Ränder mußten meist mit der Nadel vereinigt werden. Doch der Kranke schien unempfindlich gegen den dadurch verursachten Schmerz zu sein, er lag bewußtlos da, und nur bei dem Verband seines durch das Gebiß des Raubthiers verletzten Armes zuckte er manchmal leise, und seine Brauen zogen sich über den geschlossenen Augen zusammen. Endlich waren sämmtliche Wunden verbunden, der Geistliche hatte sich entfernt, Albert ruhte auf dem bequemen, kühlen Bette, die Fenster waren geöffnet, und die angenehm erquickende Nachtluft erfrischte das Zimmer, da trat der Bischof mit der schönen Rosa an der Hand wieder in das Gemach und sagte zu ihr:

»Nun können Sie das Ihrige thun, ich hoffe, daß unser Freund unter Ihrer Pflege bald genesen wird, denn seine Wunden sind nicht gefährlich, der große Blutverlust hat hauptsächlich seinen jetzigen Zustand veranlaßt. Der brave junge Mann ist Katholik, sehen Sie das Kreuz auf seiner Brust liegen,« fügte der Bischof noch leise hinzu, beugte sich über den Kranken und sprach, seine Hände faltend, ein Gebet über ihn.

Dann wandte er sich mit den Worten zu Falkland:

»Nun, Capitain, kommen Sie mit mir nach dem Speisesaal, damit Sie Sich von Ihrer Anstrengung erholen, Ihre beiden Begleiter erwarten uns dort. Unsern jungen Freund dürfen wir schon der Pflege der Señorita anvertrauen.«

Während der Bischof sich mit Falkland entfernte, erneuerte Rosa sorgsam die kalten Umschläge auf des Kranken Stirn, wehte ihm mit ihrem Fächer Kühlung zu und lauschte, sich nahe über ihn beugend, aufmerksam seinem Athem. Ihre Augen blieben aber bei allen ihren Bewegungen unveränderlich mit liebevollem theilnehmendem Blick auf seine bleichen Züge geheftet, in Gedanken versunken spielte sie mit ihrer kleinen Hand in seinen blonden Locken, die um seinen Kopf auf das Kissen zurück gefallen waren, und betrachtete von Zeit zu Zeit das Kreuz, das einzige Andenken von seiner geliebten Mutter, welches an schwarzem Bande um seinen Nacken hing.

Manchmal, wenn der Kranke ganz ruhig zu schlummern schien, erhob sie sich und ging nach dem offnen Fenster, als fühle sie sich beklommen in der Zimmerluft, als triebe sie eine heimliche Unruhe dorthin, um hinunter in die im bleichen Mondlicht schwimmenden, nebelgefüllten tiefen Thäler zu blicken, dann wieder ihre großen Augen zu dem Mond zu erheben und ihrem beklommenen Herzen durch einen Seufzer Luft zu machen. Doch schnell kehrte sie dann wieder zu dem Kranken zurück, um ihre Pflege, ihre Sorgfalt für ihn zu verdoppeln.

Nach einiger Zeit erschien der Bischof abermals mit Falkland in dem Krankenzimmer, Beide untersuchten den Puls Albert's, sprachen ihre Zufriedenheit über dessen Zunahme an Stärke und Regelmäßigkeit aus und erboten sich Beide, den Rest der Nacht bei dem Verwundeten zuzubringen; doch Rosa wollte sich ihr Recht, ihn zu pflegen, durchaus nicht nehmen lassen, und so kamen sie dahin überein, daß der Bischof ihr Gesellschaft leisten und Falkland sich zur Ruhe begeben solle.

Die wenigen Stunden, in denen der Mond noch am Himmel herrschte, verstrichen ohne Störung, ein bleiches Roth färbte den östlichen Horizont, das Dämmerlicht des nahenden Morgens verbreitete sich rasch über die Gebirge, und groß und herrlich, stieg die Sonne, neues Leben über die Welt gießend, am Himmel auf.

Weit und unbegrenzt lag die Gebirgslandschaft im goldnen Morgenlicht vor dem Schlosse der jungen Herrin Rosa Garcia, die Bergrücken und ihre eisgekrönten Kuppen glänzten in dessen heiterem Schein aus dem Nebelmeer hervor, das noch durch die tiefen Thäler wogte, und aus dem hier ein Felsstück, dort eine schlanke Palme oder hohe Cypresse hervorragte, während des Aethers durchsichtig blaues Gewölbe nirgends eine Wolke sehen ließ.

Rosa hatte sich nach ihrer nächtlichen Wache erfrischt, hatte ihre Morgentoilette gemacht und trat mit dem Bischof, der Albert noch nicht verlassen hatte, aus einer der Glasthüren hinaus auf den Balkon, um sich der erquickenden Morgenluft zu erfreuen.

»Albert Werner ist der Name unsers jungen Freundes, und er ist in Deutschland geboren und erzogen, wie mir der Capitain mittheilte. Er soll mit seiner Familie vor nicht langer Zeit nach Texas ausgewandert sein, hat dort das schreckliche Schicksal gehabt, die Seinigen sämmtlich auf eine elende, entsetzliche Weise durch den Tod zu verlieren, und ist in seiner Verzweiflung zu der Amerikanischen Armee gegangen, um seinem Leben in den Schlachten ein Ende zu machen. Der Capitain sagt mir, er sei ein wissenschaftlich gebildeter, talentvoller junger Mann von großer Herzensgüte,« sagte der Geistliche zu seiner schönen Gefährtin.

»Von Letzterem hat er uns den besten Beweis gegeben, denn er erhielt unser Leben und zwar mit der Gefahr, sein eignes zu verlieren. Die Vorsehung hat ihn uns zugeführt in dem Augenblick, als er der Hilfe bedurfte, damit auch wir ihm ein Zeichen von der Güte unserer Herzen geben möchten. Gott sei Dank, daß er auf dem Wege der Besserung ist. Sie dürfen mich aber nicht verlassen, ehrwürdiger Vater; Sie wissen, ich bin hier allein mit meiner Dienerschaft.«

»Die Heldin von Monterey fürchtet sich vor einem kranken Soldaten und trotzte dem Kugelregen ganzer Regimenter,« antwortete der Geistliche lächelnd; »nun ja doch, ich bleibe bei Ihnen, gute Rosa, ich weiß ja noch gar nicht, ob ich Ihnen oder dem jungen Manne mein Leben zu danken habe; Ihre Augen haben ihn vielleicht mehr dazu veranlaßt, uns zu vertheidigen, als mein Rock.«

»Nein, mein Vater, ich hörte ihn dem zu Hilfe kommenden Kameraden zurufen: »Helfen Sie mir den Geistlichen schützen; ich bin Katholik.«

»Ja doch, liebe Rosa, geben Sie Sich zufrieden, auch ich habe dies gehört, doch nannte er gleichfalls die Damen. Der Hauptmann wird uns heute verlassen, um nach seinem Quartier zurückzureiten, und sprach davon, den Kranken, so bald es thunlich sei, nach Monterey zu fahren, doch ich habe ihn bedeutet, daß wir denselben nicht früher aus unsern Händen geben würden, als bis er ganz vollkommen hergestellt sei und sich vollständig erholt habe. Ich glaubte in Ihrem Sinne zu handeln, als ich ihm dies sagte,«, bemerkte der Geistliche, indem sein liebevoll zutraulicher Blick den dunklen Augen des Mädchens begegnete.

Rosa antwortete nicht gleich, ihre sonst bleichen Wangen überflog eine leichte Röthe, sie hob ihr Battisttuch zu ihren frischen Lippen, hustete und blickte über den Balkon hinab in den jähen tiefen Abgrund, über dem das Schloß stand.

»Nein, er darf uns nicht verlassen, ehe er ganz hergestellt ist, wir würden ja nur halb unserer Verpflichtung gegen ihn nachkommen, wenn wir es früher zugäben,« erwiederte sie nach kurzem Schweigen, immer noch in die Tiefe blickend. »Geben Sie aber, guter Vater, und ruhen Sie Sich noch einige Stunden aus, die ungewohnte Anstrengung möchte Ihnen schaden,« fügte sie dann bittenden Tones hinzu, indem sie des Geistlichen Hand ergriff und ihn in das Zimmer zurückführte.

»Während man Gutes thut, kann man Viel ertragen, doch ich will Ihrem Wunsche folgen und mich noch bis zum Frühstück niederlegen,« antwortete der Bischof und ließ seine junge Freundin bei dem Kranken zurück.

Rosa war wieder zu Albert's Lager getreten, hatte den Fächer ergriffen und hielt, denselben leise über ihm bewegend, ihre Blicke unverwandt auf den schönen Jüngling geheftet. Et schien sanft zu schlummern, seine Brust athmete ruhig auf und nieder wogend, das schwarze Band, an dem das goldene Kreuz hing, hob das blendende Weiß seines Nackens, und auf seinen Wangen hatte sich wieder ein Hauch seiner jugendlichen, sonst so frischen gesunden Farbe eingestellt.

Rosa war tief in Gedanken versunken, mit ihrem regungslosen Blick schien sich ihre ganze Seele ihrem Retter zugewandt zu haben, und den Fächer in ihrer Hand vergessend, hatte sie denselben auf die seidene Bettdecke sinken lassen, als Albert, wie aus einem Traume erwachend, seine großen blauen Augen öffnete und verwundert auf die hohe Gestalt der Mexicanerin blickte.

Erschrocken fuhr Rosa zurück, obgleich sie so sehnlichst nach diesem Augenblicke verlangt hatte; dann wollte sie zu ihm reden, sie wollte ihn trösten, sie wollte ihm sagen, daß sie die eine jener drei Personen sei, denen er während des blutigen Kampfes in Monterey das Leben gerettet habe; doch die Worte dazu konnte sie nicht finden, sie sah, daß ihm eine Frage auf den Lippen schwebte, sie fürchtete, daß ihm das Reden schaden würde, und wünschte, daß er die schönen blauen Augen wieder schließen möchte. In ihrer Besorgniß hatte sie seine Hand ergriffen, legte die zarten Finger ihrer anderen an seine Lippen und sagte leise zu ihm:

»Reden Sie nicht, Herr Werner, es möchte Ihnen schaden.«

Der Augenblick des Erwachens war für Albert immer noch ein Traum, er war zu schwach, um die wirkliche Gegenwart erfassen zu können, sein verwunderter Blick wurde matter, und seine müden Lider schließend, sank er in die Arme des stärkenden Schlafes zurück.

Rosa stand unbeweglich da; das beseligende Gefühl, ihren Wohlthäter, ihren Retter dem Leben wiedergegeben zu sehen, hielt sie in stummer Anschauung des Genesenden auf der Stelle wo sie stand, und so sehr war sie in ihre glücklichen Betrachtungen vertieft, daß sie das Herzutreten des Bischofs nicht bemerkte, bis er seine Hand auf ihren Arm legte und sagte:

»Nun, was macht Ihr Patient?«

»Er erholt sich, guter Vater,« antwortete Rosa mit überströmender Freude; »er hat vor einer halben Stunde die Augen geöffnet, sie sind blau wie der Himmel, und wie man sie in diesem Lande selten sieht.«

»Gottlob, so haben wir, wenn auch nicht Viel, doch Etwas für ihn gethan. Hätte ihn dieser unglückliche Zufall nicht zu uns gebracht, so würden wir ihm wohl niemals, selbst nicht mit Worten für seine Hilfe haben danken können, denn alle unsere Nachforschungen nach ihm blieben ja vergebens. Ich komme Sie zum Frühstück zu rufen, liebe Rosa, Sie müssen diesmal dabei als Dame vom Haus erscheinen, die Amerikaner halten Viel auf diese Sitte, Unser junger Freund ruht so sanft, daß er unserer während dieser kurzen Zeit nicht bedürfen wird.«

»Mein Mädchen Linarda kann so lange hier im Zimmer bleiben und sich hinter das Bett setzen, damit sie ihn nicht stört,« bemerkte Rosa, verließ mit dem Bischof das Gemach und beorderte, ehe sie zum Frühstück ging, ihre Dienerin, Wache bei dem Kranken zu halten.

In dem reich decorirten Speisesaal empfing Rosa ihre Gäste, den Capitain mit seinen beiden Schützen, auf's Freundlichste und sagte, nachdem sie Platz am Frühstückstisch genommen hatten, zu Ersterem:

»Wir behalten aber Ihren Lieutenant hier bei uns, bis er ganz vollkommen wieder genesen ist, und ich hoffe, daß Sie während dieser Zeit uns recht oft mit Ihrem angenehmen Besuch erfreuen und dem Kranken Geduld für sein Hierbleiben einsprechen werden.«

»Für die Erlaubniß, Ihr Haus besuchen zu dürfen, bin ich Ihnen unendlich verbunden, schöne Señorita, was aber das Geduld-Einsprechen betrifft, so wird es wohl nicht nöthig sein; wohl eher werde ich ihn daran erinnern müssen, daß er wieder seinen Dienst antrete,« erwiederte Falkland und fügte noch lächelnd hinzu: »wir werden ihn wohl lange auf der Krankenliste behalten.«

Während die Gäste dem ungewohnt guten Frühstück fleißig zusprachen, war Albert wieder aus seinem Schlummer, und zwar mehr gestärkt, erwacht; er blickte um sich, Alles war ihm fremd, er konnte keinen Augenblick in seiner Erinnerung zurückrufen, der ihm klar gemacht hätte, auf welche Weise er hierhergekommen war. Doch bei der ersten Bewegung zeigte ihm der Schmerz, der ihn ergriff, daß er verwundet sei, und wie im Traum sah er den buntgefleckten Jaguar, so wie er in der Schlucht vor ihm gestanden hatte, nach ihm hinblicken. Doch bald trat ein anderes lieblicheres Bild vor seine Seele, er sah eine hohe schöne Frauengestalt mit schwarzen Locken und großen dunkeln Augen sich freundlich zu ihm niederbeugen, er glaubte, er müsse sie früher schon gesehen haben, doch je mehr er sein Gedächtniß anstrengte, desto undeutlicher und verworrener wurden die Bilder seiner Phantasie, er sah abermals den Jaguar, sah den Blitz aus seiner Büchse fahren, die Augen fielen ihm zu, und bald hielt ihn wieder ein ruhiger Schlaf umfangen.

Der Tag neigte sich, und die letzten Strahlen der scheidenden Sonne vergoldeten die Wände des Gemachs, in welchem der Lieutenant ruhte, neben ihm saß der ehrwürdige Bischof und hielt des Kranken Hand in der seinigen, und am Ende des Bettes stand Rosa an dessen, Pfosten angelehnt, als Albert abermals erwachte.

Mit Erstaunen blickte er nach der Mexicanerin auf, er erkannte sie wieder, er wußte, daß sie es war, die sich liebevoll zu ihm niedergebeugt hatte, und es zog wieder ein Ahnen durch seine Erinnerung, als ob er sie früher schon gesehen hätte.

»Wo bin ich hier?« fragte er mit matter Stimme; doch der Bischof war aufgestanden, drückte ihm leise die Hand und sagte zu ihm:

»Reden Sie nicht, theurer Freund, es möchte Ihnen schaden, ich will Ihnen Alles mittheilen, was Ihnen augenblicklich unerklärlich scheint.«

Albert sah den Geistlichen verwundert an, auch ihn meinte er schon gesehen zu haben, seine Gestalt, sein weißes Haar, seine Gesichtszüge waren ihm bekannt.

»Sie erkennen mich wieder, lieber junger Freund, die Augenblicke aus unserm Leben, in denen wir Gutes gethan haben, bleiben unauslöschlich in unserer Erinnerung stehen, wenn auch die Zeit Freuden und Leiden leichter aus derselben verwischt. Ja wir haben uns gesehen, Albert Werner, in einem Augenblick, in welchem die mörderischen Waffen auf das Herz dieser jungen Dame und auf das meinige gerichtet waren, und es würde unser letzter gewesen sein, hätten Sie Sich unserer nicht angenommen und uns mit Ihrem eignen Körper gegen die Rasenden geschützt. Es war aber nicht allein die Liebe für Ihre Nebenmenschen, die Sie zu so edler That antrieb, es war die Liebe zu Ihrem Gott und zu seiner Kirche, die Sie begeisterte und seinem demüthigen Diener zu Hilfe eilen hieß. Des Allmächtigen Segen ruht auf Ihnen, er hat Sie aus den Krallen des Jaguars gerissen und hat Sie hierher zu Ihren Freunden geleitet, damit Ihnen deren heißester, ewiger Dank zukommen möge. Gott sei gepriesen für die Gnade, für die Liebe, die er über Sie braven jungen Mann und über uns, Ihre großen Schuldner, ausgeschüttet hat; lassen Sie uns ihm, dem Spender alles Guten, dafür danken.«

Bei diesen Worten war der Bischof vor dem Bette Albert's auf die Kniee gesunken, richtete seine gefalteten Hände und sein ehrwürdiges Antlitz nach Oben und flehte mit inbrünstigem Gebet um Gottes ferneren Beistand und Segen für den Kranken. Auch Rosa war auf die Kniee gesunken und vereinigte ihre heißesten Bitten mit denen des Geistlichen, während Albert die Hände um seiner Mutter Kreuz auf seiner Brust gefaltet hatte und sein Dankgebet zum Himmel sandte.


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