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Vorwort

siehe Bildunterschrift

Königin Luise. Nach einem Gemälde von Grassi

Königin Luise

ist unzählige Male in Biographien, Romanen, Dramen und Gedichten von ganz verschiedenen Gesichtspunkten aus und je nach der politischen Auffassung der Verfasser dargestellt worden. Man kennt sie und kennt sie doch nicht richtig. Gerade in unserer Zeit steht uns ihre Persönlichkeit lebendiger denn je vor Augen. Aber nur aus einer vollkommenen Kenntnis der Gestalt Napoleons und seiner Geschichte heraus kann eine getreue Darstellung des Lebens und Leidens dieser deutschen Fürstin erwachsen. Ohne die Politik ihres großen Gegenspielers ist Luise als die Trägerin des nationalen Widerstands- und Auferstehungsgedankens nicht zu verstehen. In ihr lebte der Geist ihrer Zeit. Ihr Anteil an der preußischen Politik war für Deutschlands Zukunft grundlegend, wenn auch ihre politischen Ratschläge und Antriebe damals Preußen nicht zum Vorteil gereichten. Aber aus seinen Trümmern baute sich Deutschlands Größe und Einigkeit auf.

Luises Leben war, abgesehen von den ersten Jahren ihrer wolkenlosen, friedlichen Ehe mit Friedrich Wilhelm III., Leid und Kummer. Die Folgen ihres Einmischens in die Politik waren geradezu tragisch für sie und ihr Land. Sie erlebte Dinge, denen weder die Romantik noch das furchtbarste Verhängnis mangelt. Vom Idyllischen ihrer Jugend bis zur erschütternden Stunde ihres frühen Todes ist alles in ihrem Leben einzig und bewegend. Nur wenige Jahre war sie im Glück. Ganz jung schon erfuhr sie die Leiden des Lebens. Aus ihrer Hauptstadt vertrieben, ihrer Staaten beraubt, erduldete sie Not und Entbehrungen in der Verbannung. Bittere Enttäuschungen über Menschen, die sie am meisten liebte und verehrte, Unglück in der Politik waren ihr Los. Krank im Innersten und mit dem Todeskeim in der Brust, kehrte sie nach schweren Sorgen in ihre Hauptstadt zurück. An der Schwelle einer kommenden besseren Zeit, zu der sie indirekt beigetragen hatte, mußte sie aus dem Leben scheiden, vielleicht mit dem Bewußtsein, daß sie nicht ganz schuldlos an dem Elend ihres Landes und ihres Volkes gewesen war. Sie erlebte ja nicht die Früchte ihres Strebens. Sie erlebte nicht den Umschwung der Politik gegen Napoleon, nicht seine Niederlagen, aus denen Deutschlands Freiheit hervorging, nicht den Untergang ihres Todfeindes!

Es sind der bedeutenden Momente im Leben Luises so viele: Ihre erste für sie so bedeutungsvolle Begegnung mit dem Zaren, ihr Anteil am Kriege 1806, ihre Anwesenheit beim Heere, die aufregende Flucht nach Memel, die Zusammenkunft mit Napoleon in Tilsit, die Reise an den prachtstrotzenden Zarenhof, ihr Verhältnis zum Freiherrn vom Stein, zu Hardenberg, die Rückkehr nach Berlin und ihr tragisches Ende in Hohenzieritz.

Das alles zu schildern, unparteiisch, ohne Voreingenommenheit gegen die Person der Königin, aber auch ohne höfische Einstellung, an der Hand aller vorhandenen Quellen, besonders an der Hand der darüber geschriebenen Tagebücher, Memoiren, Briefe und politischen Dokumente der Zeit, ihres und ihres Mannes eigenen Briefwechsel mit Verwandten, Fürstlichkeiten, Diplomaten und Geistesgrößen, besonders aber des Briefwechsels Luises mit dem Kaiser Alexander, der ihr zum Verhängnis wurde, ist der Zweck dieses Buches. Es will außerdem die Königin Luise in ihren bezaubernden weiblichen und menschlichen Eigenschaften, in der wahren Größe zeigen, die sie als Frau Schwachköpfen gegenüber im Laufe ihrer schweren und leidensvollen Aufgabe bewies. Nur in dem, was Fürsten tun oder nicht tun, sind sie zu verstehen. Manche bisherige Ansicht wird in diesem Buche umgestoßen, ohne der Gerechtigkeit damit zu schaden. Luises Verhängnis war, neben dem Zaren, ihr Mann. Vielleicht hätte sie sich nie in die Staatsgeschäfte gemischt, wenn Friedrich Wilhelm III. selbst energisch und tatkräftig die Politik geleitet hätte. Ihrem ganz weiblichen Charakter nach eignete Luise sich wenig zu Geschäften, die den Kopf eines genialen Staatsmannes erforderten. Erst als sie sah, daß der König, selbst ein Schwächling, sich von schwachen Ministern hin und her treiben ließ, griff sie ein. Alexander I., von dem Napoleon sagte, daß man nicht wissen konnte, ob die Gefühle, die er zeigte, aufrichtig waren, oder ob er nur aus Eitelkeit sich anders geben wollte, als seine Stellung es ihm vorschrieb; dieser Alexander war Luises Verderben. Denn auch um ihm, den sie so sehr bewunderte, zu gefallen, ließ sie sich zur politischen Betätigung hinreißen.

An der Hand eines genauen Verzeichnisses aller benutzten Quellen im Anhang ist zu ersehen, daß dieses Buch aufs sorgfältigste dokumentiert ist.

Gertrude Aretz.


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