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Ernst von Wolzogen

Ernst Ludwig Freiherr von Wolzogen wurde am 23. April 1855 in Breslau geboren; er starb am 30. Juli 1934 in Puppling bei Wolfratshausen.

Der aus Tiroler und niederösterreichischem Uradel stammende Autor wurde bis zum Tode seiner Mutter (1863), einer Engländerin, ganz als Engländer erzogen. Von 1876 bis 79 studierte er deutsche Literatur, Philosophie und Kunstgeschichte in Straßburg und Leipzig, war 1879-81 Vorleser des Großherzogs von Sachsen-Weimar, nach seiner Übersiedlung nach Berlin 1882 Verlagslektor, dann freier Schriftsteller. 1893 zog er nach München, kehrte 1899 wieder nach Berlin zurück und betrieb die Gründung einer Kleinkunstbühne (»Das Überbrettl«); nach dem Scheitern des Projekts ging er 1905 nach Darmstadt, 1918 ins bayrische Puppling.


Der Peperl

»Also gengas zu, Frau Oberexpediter, morgen in der Fruah fahr'n mir auf Starnberg mit der ganzen liaben Famülie und Sö schenken uns die Ehr' und san mit von der Partie, gell'ns?«

»Sö san wirkli sehr liebenswürdig, mei liabe Frau Brandl; wenn ma nur mit'm Wetter a biß'l a Sicherheit hätt.«

»Oh, ich bitt' Ihna, Frau Oberexpediter, mir ham an Barometer, der ganz richtig zoag'n tut, und wissen's, der war an ganzen Sommer no net so hoch wie heut.«

»Ja mei, a Barometer! In ganzen heurigen Sommer hat's g'regn't und allweil nix als g'regn't; ob der Barometer heroben oder herunten g'standen is, dös war alles oans. Der kennt sich bei die jetzigen unsichern Zuaständ' des irdischen Jammertals gerad aso wenig aus, wia der Laubfrosch und 's Wettermandl und alle sunstigen Heilinga und Propheten. Aber wissen's was, Frau Brandl, i wer' g'schwind amal bei mein' Schwiegersohn nachschaun, was der Peperl sagt.«

»Was is jetzt dös für a Peperl?«

»Der Peperl? Oh mei, kenna 's an Peperl net? Sö kenna do mein Schwiegersohn? Dös is der Herr Charkutier Gschwendtner – no, an Gschwendtner in der Rotenturmstraß wern's do kenna?«

»No freili. A recht a feiner Mann is dös, dös muaß ma sag'n, und a schens G'schäft haben's a, dö Leit. Aber i moan, dö G'schwendtnerischen hab'n gar koan Buam net?«

»Na – an Buam haben's freili net.«

»Ja, was is denn nacha der Peperl för oaner, Frau Oberexpediter? A Madl kann's do a net sei.«

»Na, Frau Brandl, do haben's recht, a Madl is freili net.«

»Ah, gengas zu, Frau Oberexpediter, dös war do scho was Kurioses! Peperl hoaßt er und koa Bua is net und koa Madl a net. Der Herr Schwiegersohn werd do net am End' gar an Butzi oder 's Mietzl Peperl hoaßen?«

»Na, na, Frau Brandl. Hehe, der Peperl, schaug'n's ... Ja freili, wenn's dö G'schicht vom Peperl net kenna tun ... seg'n's, der Peperl is halt, was ma sagt ... Hehe! I woaß net recht, wia ma's hoaßt.«

»Ja mei, Frau Oberexpediter, Sö werd'n ja ganz rot? Ah, gengas zu, dös is do g'spaßig, so sag'n Sö 's do. Do muaß ma wirkli spitzen. Also was is jetzt mit dem Peperl?«

»Hehe, in an Glaserl sitzt er, hihi! I hab' g'moant, dö G'schicht vom Peperl war in der ganzen Stadt München bekannt; aber wenn Sö 's net wissen ... nacha hören's zua: Seg'n's, mir hab'n so a Freud' g'habt, daß mei Tochter, dö Zenzl, dös Glück hat und den Charkutier dawischt. Dös is a schener Mann und a kräftiger Mann. Im Giesinger Stemmklub hat er an ersten Preis kriagt, wissen's, und mei Madl, dös war a sauber und g'sund. I hab' allwei zu der Zenzl g'sagt: ‹Du Zenzl, hab' i g'sagt, jetzt schau, daß i bald Großmutter werd'. Ös habt's es dazu, 's Geschäft geht guat. Also was wollt's jetzt no länger warten? Brauchst net denka, daß vom Warten d' Kinder besser wer'n.›

‹Zwegen meiner! An mir liegt's net, Muatter!› gibt ma dö Zenzl zur Antwort.

‹No, wer is denn nacha schuld? Von dein Schorschl möcht i so eppas schon gar net glaub'n.› Mei Schwiegersohn, der Gschwendtner, schreibt sich nämli mit'm Vornama Schorschl. No und was glauben's daß mei Tochter auf dö vertrauliche Anfrag' für an Antwort hat? Zum lacha hat's ang'fangt und nacha gibt's ma so an Stupfer in d' Seit'n, hebt sich an Arm auf über d' Augen und schiagelt aso recht verschlag'n drunter raus. ‹Geh zua,› sagt der Lump zu mir, ‹in Anbetracht des Schorschels, do feit sich nixn. Im Gegenteil. Mir san uns sogar schon einig drüber, daß er Peperl hoaßen soll.› – ‹Sehr schmeichelhaft für mich, meine Herrschaften,› sag ich – ich hoaß nämlich sölber Pepi, wenn Sös vielleicht net wissen, Frau Brandl – ‹Aber woher wißt's denn ös, meine Herrschaften, daß 's überhaupts a Bua werd'?›

‹No,› sagt mei Tochter, ‹wann's a Madl is nacha hoaßen ma's halt Pepi.›«

»Is doch a rechte Freud', Frau Oberexpediter, wenn ma solchene guate Kinder hat, dö net auf die Ehr' vergessen, wos ihren Eltern schuldig san. Aber jetzt woaß i allwei no net, was dös mit den Peperl für a G'schicht is.«

»Also geb'n's Obacht, mei Liabe, glei werd' der Peperl kemma. Dös dauert oan Jahr und no a Jahr und no a dritt's Jahr, und jedesmal, daß i mei Tochter sieg, frag' ich's: No, Zenzl, wia is mit'm Peperl? und allawei krieg' i koa andre Antwort als grad' nur die gleiche: ‹Nix is, Muatter, nix is.› Und z'letzt is ma dös arme Ding, dö Zenzl, ganz blaß und elend word'n und hat allwei glei zum flenna ang'fangt, bald i kemma bin. Endlich – in letzten Sommer is g'we'n, kommt der Schorschl, der Charkutier, wissen's am Abend no ganz spät um halber zehni zu mir g'rennt und schnauft und schnauft und bringt's endlich amal raus: ‹Frau Schwiegermutter,› sagt er, ‹jetza hammer's! Jetzt kriag'n ma endlich unsern Peperl, auf dem ma so lang schon paßt ham!›

»No, i sag' Ihna, Frau Brandl, was dö Leut' für a Freud' g'habt ham, net zum glauben is! Dö Zenzl hat glei mit der Kindswasch ang'fangt und sich acht Tag' lang a Stöhrnäherin ins Haus g'setzt. So schöne Hemerln und Kitterln hab'n's herg'richt' und auf jed's Windl sogar ham's J. G. naufg'stickt – dös hat nacha nach Belieben Josef oder Josefine Gschwendtner hoaßn kenna. Und der Schorschl, dös is wirklich an erbaulich's Muster von an zünftigen Ehemann g'we'n. Dö Zenzl hat nimmer im Laden stehn derfa, nur daß 's sich koan Schad'n net tuat, an extriga Bedienung hat er ihr ang'nomma und a Fräul'n für'n Laden no obendrei! Nix is eam z'teuer g'we'n, wann dö Zenzl an Gusto nach epps kriagt hat. A Leb'n hat's führ'n derfa, wia a Gnädige, sag' i Eahna! Aber was hat's g'holfa? Nixen. Im vierten Monat is es Zenzl ganga, da fallt's richtig d' Stiegen nunter – und nacha war's gar mit der Freud'! I sag' Eahna, Frau Brandt, rein zum Derbarmen war's, wia dös arme Hascherl in sein Bett g'leg'n is und der Schorschl hat g'flennt um sein Peperl und daß der sei' Zeit net hat abwarten mög'n. – Jetzt hat sich dös g'rad' aso troffa, daß um diesölbe Zeit mei zwoate Tochter in d' Wochen kemma is, und i hab' müessen nach Ingolstadt fahr'n, zur Pfleg', wissen's. Um dö Zenzl hab' i ma weiters keine großen Sorgen g'macht, denn der Schorschl hat an rechten guaten Dokter g'habt und hat ma's in d' Hand versprochen, daß er's an nix fehl'n lasset. Über vier Wochen bin i erst wieder hoam kemma na München, und mei erster Gang, dös kennas Ihna denken, war zu mein' Charkütier Schwiegersohn. Mei' Tochter, mei' Zenzl, dö is scho wieder ganz beinand g'we'n, a biß'l blaß halt no, aber sunst ganz graupig. Z'erst hat's ma an Kaffee vorg'setzt und sölber backene Nudeln und dernoh hat's mich bei der Hand g'nomma, so recht feierlich und geheimnisvoll, und hat mich in ihr Schlafzimmer g'führt. Denken's Eahna, Frau Brandl, dö Überraschung! No, i sag' Eahna, Sö hätt'n Eahna grad' aso derschrocken, wia i. Im Eck beim Fenster, just neben dem Waschtisch hab'n's a vergold'te Konsol' aufg'nagelt und auf dera Konsol' san zwoa lange dünne Firmkerzen mit weiße Atlasschleifen in so silberne Glasleuchter g'standen und zwoa kloane Vaserln mit künstliche Blumen und in der Mitten – So werd'n Eahna denka a Heilingabüld, a kloane Lourdmadonna oder so was – – dös hab' i z'erscht a g'moant. Ich hab' an Glassturz g'seg'n und was drunter. Dös hat grad' ausg'schaut, wia so a schen g'malner heiliger Verehrungsgegenstand. Aber wia i näher hinschaug – Herrgott im Himmel, do hat's mi glei ganz g'rissen! I hab' an lauten Schroa to – a so hab' i mi derschrock'n. ‹Jessas, Jessas, Zenzl,› hab' i geschrian, ‹was is denn jetzt dös in den Glasl do?› ‹Dös is der Peperl, Muatter,› hat's gesagt. ‹Schau, über drei Jahr' ham mir aufn Peperl paßt und ham a solchene Freud' g'habt, daß mir'n endlich kriageten, und – wia nacha dös große Unglück über uns kemma is, do hat mei Schorschl ganz hoamlich dös arme Hascherl wies ganga und g'stand'n is auf d' Seiten bracht und hat der Frau Gigl vorg'log'n, er hätt's scho eingrab'n. Nacha ham ma's in an doppelt g'reinigten Spiritus g'setzt in dös Einmachglas und der Schorschl hat a Schweinsblas'n recht fest drüber bunden. Woaßt, der Schorschl moant, in dem Zustand haltet er sich für d' Ewigkeit. Schaug'n an, Muatter, den armen Hascher, war dös net a rechter herziger Schneck worn, wann er sich nur d' Zeit lassen hätt'? O, du mein zuckriger Peperl du!›«

»Jessas, Maria und Joseph! Frau Oberexpediter, i moan, dös war scho sündhaft, mit dö Kerzeln und was alles g'sagt ham. Dös hoaßt ma an Götzendienst treib'n. So was hätt' i meiner Tochter net erlaubt.«

»Ja, mei liabe Frau Brandl, dös is scho recht; ich gib Eahna dö Versicherung, mir is üb'l word'n im ersten Augenblick. Aber nacha, wia i g'seg'n hab', daß dö Leut'ln an solchen Trost g'schöpft hab'n aus dem Einmachglasl, nacha hab' i ma denkt: Wenn's unsern Herrgott eppa net recht is, nacha werd' er scho Mittel und Weg' finden, den mißliebigen Gegenstand zu beseitinga.«

»Ja, war's denn jetzt wirklich a Bua?«

»Wissen's, Frau Brandt, für g'wiß möcht' i dös net sag'n, aber dö Leut'ln, dö Gschwendtnerischen, ham sich halt aso auf a Buam g'spitzt, daß s' nacha g'moant ham, dös Ding war amal a Bua worn und wer dös net seg'n könnt', daß dös a Bua war, der kunt sich nur högstens mit mangelhafte Kenntnis in der Naturg'schicht entschuldinga. S' ham'n an halt Peperl g'nennt, und so is dös ganze Haus und dö Famülie allmählich dro g'wöhnt worn und mir ham alle vom Peperl g'redt, wie wann er lebig umanand hupfet. Und wann's Zenzl zu mir auf B'such kemma is, nacha hab' i allawei z'erscht g'fragt: No, Zenzl, wia geht's an Peperl? Immer so schen staat weiter?

No, und denkas Eahna, Frau Brandl, eines Tags amal, dös muaß in letzten Herbst g'we'n sei, da kommt dö Zenzl ganz aufg'regt zu mir und sagt: ‹Muatter, i muaß der was sag'n; i woaß net, was mit'm Peperl is! Er schaugt so dumm! Der Schorschl hat g'moant, mir sollt'n amal an Dokter frag'n.› – No, wissen's, Frau Brandl, i hab' mei Zenzl net kränken woll'n, aber da hab' ich do lacha müass'n. An Dokter holen, um so a Menscherl, so a verunglückt's, in Spiritus, i bitt' Eahna!«

»O mei, o mei! Was für närrische Menschen laufen bloß auf der Welt umanander! Ja sag'n's, Frau Oberexpediter, ham's denn wirklich an Dokter g'holt?«

»Ja, dös glaub'n's! Der Schorschl ist halt a seltsamer Mensch. Dem hat's koa Ruh' net lass'n, daß sei Peperl so dumm zum Schaug'n ang'fangen hat. Er is richtig zum Dokter in d' Sprechstund' ganga mit sei'm Haferlbuam und der Herr Dokter hat sich müass'n den Ding beaug'nscheininga. Dö Zenzl hat ma's nacha alles erzählen müess'n. A Mordsgaudi hat der Dokter g'habt und g'lacht hat er, daß eahm der Bauch g'wackelt hat, und nacha hat er eahna den Zustand fein ausananderklaubt: Indem, daß nämlich die Feuchtigkeit in der Luft dö Gefäße des Peperls ausdehnt, wohingegen bei eintretender Trockenheit dieselbigen sich wieder zusammenzieheten und überhaupt der auf die Schweinsblasn ausgeübte Luftdruck, seg'n S' – no – und so weiter, Ganz genau hab' i dö G'schicht sölber net verstand'n, aber jedenfalls hat er eine wissenschaftliche Erklärung für dö sichtbare Veränderung in den G'sichtszügen des Peperl abgeb'n. No, und wia dös meine Leut' amal bewußt worn san, daß der Peperl allemal aso dumm schaugt, wann scheen's Wetter wird, hingegen, wann's eppa regne will, sei Gorscherl bis zu dö Ohrwascheln auffaziagt, wia wenn er lachet, – no, so haben's 'n halt als Barometer ang'stellt. Und seg'n's, Frau Brandt, der Peperl hat uns no nia net falsch bericht'. I gib was aufm Peperl seine Sprüch'! Es is ja a net weiters merkwürdig; denn seg'n S', der Peperl war halt doch beinah' a menschlich's Wesen worn und dö andern Barometer san doch nur aus Glas und totem Metall z'sammg'macht. Also, mei liabe Frau Brandt, jetzt schaug ich, wia g'sagt, amal nei zu dö Gschwendtnerischen und wann der Peperl grad' recht schö' saudumm schaugt, nacha fahr' i morg'n mit Eahna auf Starnberg. Pfüat Eahna Gott, Frau Brandl! Hab' die Ehr'.«

*

Aus: Vom Peperl und von andern Raritäten. Erschienen 1921.

 

 


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