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Justus Georg Schottel

Alle Künste und Sprachen sind von den Deutschen aufs sinnreichste und gründlichste hervorgezogen, aber ihrer eigenen Sprache und ihrer selbst ist von ihnen fast vergessen worden. Die Fremdgierigkeit scheinet durch ein hartes Verhängnis sonderlich den Deutschen gar tief angeboren zu sein. Die Ausländer halten die Deutschen, was ihre Sprache betrifft, für grobe brummende Leute, die mit rostigen Worten daher grummen, und mit hartem blinden Geläute von sich knarren: ja, man meinet, die deutsche Sprache hätte nur eintausend Wörter in sich, derer achthundert von Griechen, Hebräern und Lateinern erbettelt, und ungefähr zweihundert grobe deutsche Wörter daselbst vorhanden wären; und hält man diese Hauptsprache als die nicht könne verstanden, noch von anderen erlernet werden. Aber solchen und noch viel gröberen Mißbericht und Lügenwerk von unserer Hauptsprache ahndet man nicht eines; man belüstiget sich gleichfalls hierin also fehlgerichtet und beschimpfet zu sein. Fast alle berühmte Völker haben hierin aus natürlicher Neigung das Widrige rühmlich beliebt, und die Ausbreitung und Werthaltung ihrer Sprachen denen Waffen und Siegen nebengesetzet.

Wie höchstnötig aber der Jugend die gründliche Kündigkeit und Ausübung unserer deutschen Sprache sei, solches ist auch unnötig zu sagen. Kirchen und Schulen, Recht und Gerechtigkeit, Krieg und Friede, Handel und Wandel, Tun und Lassen wird bei uns erhalten, geführet und fortgepflanzet durch die deutsche Sprache; wir treten dadurch zu Gott und in den Himmel, ja, wir erhalten dadurch Leib und Seel. Aber wie gar wenig, wie gar sparsam und erbärmlich die Jugend in ihrer Muttersprache angewiesen, und also darin so wenig geschickt, viel weniger des Sinnes werde, ihre Muttersprache in Beschreibung würdiger, künstlicher und nötiger Sachen reinlich und recht anzuwenden, sondern folgends viele Schwerlichkeit und saure unnütze Mühe vielmehr ausstehen müsse, bedarf gar keines Sagens, sondern nur des Beklagens. Man vermag zu keiner Kunst, Wissenschaft und Erfahrung zu gelangen, es muß vermittelst der fremden Sprachen geschehen, und wird also die beste Jugendzeit nur zu Erlernung solcher Sprachen angewandt, das Gedächtnis gleichsam leer ausgefüllet und der Verstand zu später Unzeit ein wenig angeführet. Wir vermögen nicht den fremden Völkern auch diesen sehr großen Vorteil abzumerken, und unserer Hauptsprache ihr völliges Vermögen, welches sie ja so reichlich hat, durch Anwendung nötiges Fleißes zu geben, und der angehenden Jugend mit den zuwachsenden Jahren auch zeitig viel Gutes und Nötiges mitzuwachsen lassen.

Unsere deutsche Sprache ist weit, räumig, tief, rein und herrlich, voller Kunst und Geheimnissen, und wird, mit nichten nicht schlumpsweis aus dem gemeinen Winde erschnappet, sondern durch viel Fleiß und Arbeit erlernet; läßt sich auch nicht so gar geschwinde zu urteilen, zu meistern, beherrschen und nach Form einer kaltsinnigen Gewohnheit zu rechtfertigen. Es soll und kann keiner nicht über unsere Sprache urteilen, welcher deroselben nicht gewiß und kündig ist: es kann aber niemand deroselben gewiß und kündig sein, er muß sie in ihren Gründen ersehen, ihre himmelbreite Grenze ein wenig mit Fleiße durchwandert und nicht mit blinden Griffen hinein getastet haben; hat er sich aber ein wenig darin umgesehen, und die überreiche Schätze nur von fernen erblicket, so weiß ich sicherlich, er wird mit Andacht und voller Liebe, wie ein Lernender, derselben als einer göttlichen Muttersprache zugetan, und allen denen abhold werden, welche Klüglinge der Sprachen sich schätzen, und doch so bewandert darinnen seyn wie der Esel auf der Lauten. Ei so glaube man auch nun sicherlich, daß die deutsche Sprache, welche in allen Sprachstücken der lateinischen weit vorgehet, gar nicht etwa hinter einer Postillen oder unter einem Bündlein Briefe sich verkrochen habe: nein wahrlich, sie muß an einem andern Ende gehoben werden, so man meinen wollte sie ergriffen zu haben.

Man wird unsere so majestätische und vollkommene Sprache in dem Schulstaube fast nirgends recht aufstöbern können, sie läßt sich so nicht in Formulen-Bündlein binden und in einem rostigen Gehirn verwahren. Ich sage es wahrhaftiglich, daß es eben so unmöglich und närrisch sei, einem angehenden Schulbuben die Freiheit zu lassen, die griechische und lateinische Sprach zu zerzausen, als unmöglich und närrisch es ist, daß ein jeder nach seinem, oftmals spann-langen Gehör und nach dem verfaulten Maße seiner armseligen Kündigkeit die deutsche Sprache will messen, meistern, richten und verwerten. Kein Urteil ist höher als der Verstand: kein Verstand aber oder Wissenschaft wird durch den Wind angewehet. Elende deutsche Sprache! wann du die Zwanggrenze solltest haben, die ein jeder ihm selbst zu seiner vermeinten Notwendigkeit gesetzet; armselige Sprache! wenn deine Stelle, gnüge und prächtige Würde, diese sollte sein, darin sich auch ein jeder Stümpeler hervor brüstet; wohlgeplagte Sprache! so du dich solltest zustücklen, zermarteren und zerpeinigen lassen, wie dich eine jede ungelenkte Zunge hervor stoßet und ausnützet. Nirgends bist du ärmer, als wo du reich sein solltest, nirgends bist du stummer und dümmer, als wo du wie eine liebliche Stimme einherschallen, und dich und deine Lust in die zarten Gemüter der versäumten Jugend einspielen solltest. In den Schulen hat man dich unter die Bank in den Staub gelegt, also daß dich weder Lehrer noch Lernender oftmals zu suchen, zu geschweigen zu finden weiß. Man bläuet sich so viel Jahre, vorn im Griechischen, ein wenig weiter im Lateinischen herum, endlich aber ist es unsere deutsche Sprache, davon man sich ernährt, und die so wohl den Geistlichen als Weltlichen ihr Brot verdienen muß.

 

Daß Etliche vermeinen möchten, man vermöge nicht, oder man vermöge doch so eigentlich nicht die Terminos oder verba artium in deutscher Sprache zu geben, wie sie in griechischer und lateinischer befindlich sind, solches ist nur eine öffentliche Bekenntnis ihrer Unkündigkeit, und deroselben Meinung im Grunde irrig, falsch und nichtig. Wann man wollte einen solchen Schluß machen: diejenige Sprache, welche etliche Wörter, so in einer anderen Sprache vorhanden sind, nicht mit einem Worte kann also nachreden, die ist auch nicht so wortreich und geschickt als jene: zum Exempel, wenn etliche hebräische, griechische oder lateinische Wörter würden herfür gesucht, welche in deutscher Sprache mit einem Worte nicht könnten nachgesprochen werden, so müßte daraus folgen, daß die deutsche Sprache nicht so reich an Worten und geschickt wäre, als jene – wohlan, sage ich, wann solcher Schluß soll gelten, so ist die deutsche Sprache alleinig und unfehlbarlich die allerwortreicheste (wie sie dann ohne das ist) und über alle die vollkommenste. Dann nicht nur etliche, sondern ein tausend oder paar tausend Wörter können ohne Mühe hervor gelegt werden, welche kein Grieche, Hebräer, Lateiner etc. nachreden oder in ihrer Sprache geben wird: und zwar dasselbe kraft unserer deutschen Vorwörter, wie auch der wunderreichsten Arten zu verdoppeln. Aber ein solcher gesetzter Schluß schließt solchermaßen gar nicht, sondern dieses soll und muß das rechte Kennzeichen sein: dieselbe Sprache, welche die Dinge und dero Eigenschaften, auch sonsten das, was Gott und die Natur dem Verstände offenbart hat, kann aufs eigentlichste, deutlichste und reinlichste ausdrücken, aussprechen, ausbilden, dieselbe Sprache ist ohn allen Zweifel die wortreichste und beste: weil sich deroselben Wörter durch Kraft eingepflanzter Schicklichkeit können der Natur gleich strecken, und alles was die Natur wirket in unseren Verstand legen. Dasselbe aber vermag aufs beste, eigentlichste und deutlichste einzig unsere, noch nie gnugsamlich gerühmte, noch bis anhero völlig erkannte deutsche Hauptsprache.

Die deutsche Sprache kann von keinen mächtigern Feinden überfallen, noch von einem giftigeren Unsterne überstrahlet werden, als daß bald einer und ander, so doch noch nicht angefangen ein Lernschüler darin zu werden, gar gebietender maßen ein Richter sein, und das Winkeleisen nach dem Grundsteine abformen, das ist, den Verstand nach seinem Unverstände abmessen will: dadurch denn alle Früchte und die grünende Blüte unserer Muttersprache in ihrer ersten Geburt wird ersticket, also daß sie zu keinem vollen Wachstume geraten kann, sondern ein dörnichtes Gebüsche und zertretenes Gestrütticht verbleiben muß. Schließlich so mangelt es der deutschen Sprache durchaus nicht an einigen Kunstworten, sondern uns am rechten Verstände unserer Sprache: was die Natur uns will verstehen lassen, das können wir der Natur in deutscher Sprache nachreden; and wenn solches durch verdoppelte Wörter geschiehet, so heißen solche gar nicht neugemachte: ja so wenig, als alle griechische Composita neugebackene Wörter seyn. Denn die unbeweglichsten Hauptgründe unserer Sprache befehlen uns also die Wörter zu bilden und die Dinge auszudrücken: ist auch ein deutsches Gemüt also genaturet, daß es solche deutsche Wörter leichtlich vernehmen und kraft derer die tausenderlei Veränderungen des irdischen Wesens in seine Bildung gar vernehmlich bringen kann. Und nicht allein in der Sprachkunst, sondern in anderen Künsten und Wissenschaften überall wird man die Kunstwörter leichtlich und recht deutlich deutsch geben können: wie solches im Niederlande bräuchlich ist.

 

Ich bin der gewissen Meinung, daß die vornehmsten Gründe unserer Hauptsprache nicht allein der Natur gemäß seyn, sondern daß sie auch aus einem strengen Gebot der deutschen Natur herrühren. Und wie Seneca spricht: ein Schluß der Wahrheit ist das, was allen deucht – also schließe ich gleicher Weise, daß in deutscher Sprache dasselbe gleichsam die Wahrheit und die Natur darinnen sei, nicht allein was alle, sondern auch was die vornehmsten deroselben Lehrer zugleich und einmütiglich bewilliget haben.

 

Es ist nichts Gemeiners, auch den Kindern nichts Gebräuchlichers, als den Willen mit Worten auszusprechen, und solchen Laut mit Letteren auf ein stummes, doch stetsredendes Papier zu bringen: aber es ist eines der höchsten Wunderwerke der Natur, daß unser Mund so mancherlei Töne und Aussprüche in sich so kürzlich formen, und mit einem deutlichen stets-unterschiedenen Geklange hervor zu geben vermag. Es ist schlecht unmöglich, eine leichtere, gründlichere und wundersamere Art der Buchstaben, als die deutschen sind, aufzubringen: sie sind nicht allein einlautend, die durch einen natürlichen Zufall den gehörigen Laut verursachen, sondern ihr einstimmiger Laut ist so wunderreich, und ihre Zusammenstimmung so überkünstlich, daß die Natur sich hierin völlig und aller dinges ausgearbeitet hat. Denn ein jedes Ding, wie seine Eigenschaft und Wirkung ist, also muß es vermittelst unserer Letteren und kraft derer also zusammengefügten deutschen Wörter aus eines Wohlredenden Munde daher fließen, und nicht anders, als ob es gegenwärtig da wäre, durch des Zuhörers Sinn und Herze dringen. Zum Exempel nehme einer nur diese Wörter: Wasser, fließen, Gesäusel, sanft, stille etc. Wie künstlich ist es, wie gleichsam wesentlich fleußt das Wasser mit stillem Gesäusel von unser Zungen? was kann das Geräusch des fließenden Wassers wesentlicher abbilden? was kann stiller, sanfter und lieblicher uns zu Gemüte gehen, als diese geordnete Letteren: stille, sanft und lieblich? Wohlan, laßt uns ein Gegenexempel nehmen, laßt uns sagen: Donner, Brausen, Krachen, Blitz etc. Man durchsinne doch den kräftigen Ton dieser Wörter, und die Eigenschaft des Dinges, so sie andeuten; Lieber, was bricht mächtiger zu uns herein, als das Donneren und Krachen und Brausen? was fleucht mit einer mehr erschreckenden Schnelligkeit dahin, als der Blitz? Also wenn Opitz sagt: Da alsbald eine siedende Flamme mit solchem Krachen und schrecklichen Getön heraus fuhr – welcher Deutscher vernimmt allhie nicht anfangs ein flammendes siedendes Gemeng, darauf durch die folgende hartbrechende Wörter ein Krachen auf uns losbricht.

Man nehme abermal andere: sausen, klingen, Klang, prasselen, heulen, knallen, brüllen, lispelen, husten, schnarchen, zischen, rültzen etc. Man bedenke doch ein wenig, ob nicht auf das allereigentlichste die deutschen Wörter daher gehen. Und solche Kunst stecket durch und durch in den deutschen Wörtern, welche aus den also von der innersten Natur und unseren Vorfahren geordneten Letteren so lebhaftiglich geboren werden.

Lasset uns doch um der Wahrheit willen unsere deutsche Wörter ein wenig zu Sinnen fassen, dero innerliche Kunst beobachten, etwas Fremdes daneben halten, und doch aus lauterem Zwange der Wahrheit bekennen, daß nie kein grobes barbarisches Wesen, blinde Zufälle und viehisches Geläut, sondern etwas Künstliches und Göttliches vorhanden sei, dessen wir uns durch faule Undankbarkeit unwürdig selbsten machen.

Gleich wie aber die deutschen Buchstaben alle einlautend, ursprünglich und also aus ihrer Natur selbst seyn, eben also sind die ersten Würzelen oder die Stammwörter der deutschen Sprache gleichfalls einsilbig.

Man nehme den Anfang der Natur allhie ab an den Kindern, welche in Formierung der lallenden Zungen erstlich einsilbige Wörter hervorbringen lernen: sintemal auch die Natur selbst näher dem Anfange zu kommen nicht vermögen wird, als durch solche grund-artige Einsilbigkeit. Dieses ist eine rechte künstliche Eigenschaft der Sprache, daß sie den Inhalt des Gedächtnisses ausdrücke; unser Gedächtnis aber ist kurz und schnell, darum ist auch die Erklärung desselben die beste, die kurz und schnell, rein und vernehmlich daher klinget. Also nun hat die mildreiche allgemeine Mutter, die gütige Natur, auch dieses allein den Deutschen verliehen, daß sie durch Behülf der Lippen, Zungen, Zähnen und Kehle unendlich viele einsilbige Wörter können ausreden, darunter auch alle Stammwörter als eines einzigen Dinges einlautende Anzeigungen seyn. Der einsilbigen Stammwörter allein hat Simon Stevin aus dem Deutschen zusammen gelesen bei die 2170, da hergegen deroselben in lateinischer Sprache etwa 163, und in griechischer 265 seyn. In französischer Sprache sind auch viele einlautende Wörter vorhanden, aber alles verdrehet und zerzogen, halb geredt, halb verschwiegen, darin gar nichts befindlich, welches einige Vergleichung der Kunst neben den deutschen Stammwörtern haben könnte. Ein Deutscher gedenke ein wenig um sich: Hand, Haus, Kopf, Welt, Gott, Geist, Mensch, Bein, Leib, Schuh, Tisch, Tier, Wolf, Fuchs, Löw, Salz, Huhn, Hahn, Kuh, Mann, Frau, Weib, Kind, Fleisch, Brot, Wein, Korn.

Die beide gerühmte Stücke der hebräischen Sprache, nämlich eine richtige regulierte Gewißheit, samt gewisser völliger Anzahl kurzer, schöner, deutlicher Stammwörter, sind nach ihrem besten Ruhm in unserer Muttersprache befindlich, gestaltsam ein gebahnter Zutritt, und dero offenbarliche Erkenntnis in dieser Sprachkunst entdeckt ist, wann wir nur erforderten Fleiß doch ferner wollten anwenden, doch nachsinnen, doch durchdenken, beobachten und erkennen, was Gott und die natürliche Neigung von allen Menschen will erkannt haben. Ich meine die verborgene Schätze und Vollkommenheiten unserer Hauptsprache, samt deroselben gebührendem Lobe und Werthaltung.

Was die andere erforderte Eigenschaft betrifft, welche diese ist, daß die Stammwörter Wohllauten, und ihr Ding, dessen Namen sie sind, eigentlich ausdrücken, davon ist in der ersten erklärten Eigenschaft Meldung geschehen, und bedarf bei einem, der sonst deutsche Ohren hat, keines langen Überweisens. Es stelle einer die Dinge, so auszusprechen, seinen Gedanken bedachtlich für, beobachte daneben wohl den Ton, Schall und die Ausbildung der Wörter: ist mir sonst recht, es wird ein Brüllen eines mutigen Ochsen das Schafblöken übertönen, und die hellstimmende Nachtigall das Zwitteren und Gekirre der Waldvögel überschallen: die deutsche Beweglichkeit, meine ich, die prächtige Art, das zwingende Getön der Ausrede wird das fremde Wesen gegen sich danieder legen.

Dieses ist allhie noch zu wissen, daß im Fall ein einzeles Stammwort nicht möchte vorhanden sein, in Betracht die Anzahl der einzelnen Dinge fast unendlich in der Natur ist, man dennoch durch Zusammenfügung zweier oder dreier Wörter ein Wort machen, und gründlich und wohllautend ein jedes Ding aussprechen könne, welches nicht kann erwiesen werden, daß es solcher maßen in anderen Sprachen tunlich ist.

 

Es ist wunderlich, daß bei den Deutschen die Zeitstammwörter oder Gebietungsweisen einsilbig sind, anzuzeigen ihre natürliche, lautere, reinliche Abkunft, ihre schöneste Stammwürzelen, die so schön, kurz, saftig und rein sind, daß unser Nachsinnen daselbsten mit Wollust ruhen, und zu reineren, kürzeren Sprachgründen nicht gelangen mag. Es ist dieses gleichsam ein Anfang der natürlichen Rede, daß man einem anderen etwas sage, gebiete, von ihm fordere, ihn bitte, und zwar aufs kürzeste, mit einem Tone oder Laute, wie in dem Kinderlallen auch abzunehmen ist, als: tu, iß, hör, komm, sieh, schlag, lieb, lauf, steh, geh etc., und daß aus einem solchen wesentlichen Laute hernacher in steter Gewißheit so viele Wörter geleitet werden und reich auswachsen, solches ist kein zufälliges barbarisches Wesen, sondern eine von den höchsten Künsten der Sprachnatur.

 

Gleich wie die edle Kunst der Musik nicht aus ungewissen Gründen oder dem Geläute des Pöbels, sondern ex certissimis numerorum musicalium proportionibus earumque demonstrationibus entstehet, also erhebet sich sonderlich die deutsche Sprache aus den gewissesten Gründen, welche Gott und die Natur darin ausgewirket haben, empor: und hält eine gar andere Art der Gewißheit in sich, und erfordert gar andere Augen sich beschauen zu lassen, als mit welchen man das Hebräische, Griechische oder Lateinische durchsehen hat.

Eine rechte, kräftige und nach den kunstmäßigen Gründen geordnete Zusammenkunft der deutschen Wörter, es sei in gebundener oder ungebundener, starker oder gelinder Rede, führet mit sich eine erregende Bewegung, die sich in das Gemüt setzen, unsere Geister einnehmen, Zorn und Neid, Gunst und Liebe, Ja und Nein, wie sie will, darin verlassen kann.

Wenn aber stumpf geschlagene oder ungleich-stimmende Saiten berührt werden, ist die regende Lieblichkeit gleichfalls verstümpfet: also wann die deutschen Wörter verderbet, verkehret und durch den harten groben Laut gestöcket und geblöcket sind, können sie nicht als mit Härtigkeit gehöret oder gelesen werden, wie man solche Bücher hat, da die deutsche Sprache so hartknarrend, schwer, blöckig und knörrig ist, daß sie in Gegenbetracht der ausgezierten lateinischen wohl genennet möchte werden: horrida, aspera, rauca, trux, dura, morosa, barbara. Solches mißbräuchliches Wesen aber entstehet daher, daß man so wohl die einzelen Wörter verrücket und verderbet, als deroselben künstliche Bindungen gar nicht beobachtet, sondern ein Gewerf und Gepolter machet, daß die ganze Ordnung nicht anders als ein unordentlicher wüst-dicker Klumpf ist.

Das Kunstgewächs unserer Hauptsprache vergleichet sich einem ansehenlichen fruchtbaren Baume, welcher seine saftreichen Würzelen tief in den Erdboden, und darin weit und räumig ausgestreckt, also daß er die Feuchtigkeit und das Mark der Erden vermittelst seiner Äderlein an sich zeucht, seine Würzelen durch ein fruchtreiches saftiges Naß durchhärtet und dauerhaft machet, und sich selbst in die Natur einpfropfet: denn die Würzelen und saftige Stammwörter unserer Sprache haben nach obgesetztem Beweistume den Kern und das Mark aus der Vernunft gesogen, und sich auf die Hauptgründe der Natur gestammet; ihren Stamm aber lassen sie hoch empor ragen, ihre Zweige und Reiserlein in unaussäglicher Menge, in steter Gewißheit, wundersamer Mannigfaltigkeit und ansehnlicher Pracht heraus wachsen, also daß die Erlustigung an diesem Wunderstücke könne stets völlig, und die Genießung dero süßesten Früchten unendlich sein.

Gleich wie aber unsere deutsche Letteren und die deutsche Stammwörter alle einsilbig, festes Grundes, reines Ursprunges und eines lieblichen Geläutes sind: also sind gleicher Weise an diesem Sprachbaume alle ausgewachsene Reiser und Nebensprößlein, die durch und durch in dem ganzen Baume von oben bis unten nebenwachsen, nebenstehen, und durch solchen ihren Neben- oder Beistand eine absonderliche schöne Gestalt und Wirkung dem, dabei sie stehen, geben, alle sage ich, einsilbig oder einlautend.

Man nehme das einzige Wörtlein. »Mann« vir, ÜíÞñ???, und besinne sich, wie unbekannt die deutschen künstlichen Sprachstücke in fremden Sprachen seyn: denn wer will ableiten können von vir oder ÜíÞñ, was wir von Mann können, als: Mannschaft, mannbar, mannlich, Männlein, mannhaft, Mannheit, zu geschweigen der Verdoppelung, als: Manngeld, Mannlehn, Mannrecht etc., Kriegsmann, Dorfmann, Spielmann, Bauersmann, Hauptmann etc. samt häufig anderen, davon in den Verdoppelungsarten zu sehen; wahrlich, er muß blind oder eines sandichten Gehirnes sein, der nicht ein fruchtreiches, grünendes lustiges Feld von einem steinichten, saftlosen Boden unterscheiden wollte oder könnte. Der aber sagen wollte, man könnte solche derivata und composita mit anderen Wörtern gar wohl aus anderen Sprachen geben, der saget hiewider noch nichts: denn eben solche andere Wörter können wir Deutschen mit anderen deutschen Wörtern auch geben, und bleibet uns doch dieser Grund, daß die Ausländer die Kraft, Art, Füglichkeit, Begriff und Reichtum der deutschen Wörter nicht fassen, begreifen noch ausreden können.

Was ist unter den Geheimnissen der göttlichen Gaben, welche das menschliche Gemüt besitzet, wohl herrlicher als die innerste Erkenntnis der Sprachen? worin kann ein gelahrter Sinn, ja die Tugend selbst eine mehr erquickende Ergetzlichkeit antreffen, als in den süßen Geheimnissen der Sprachen? Alles Irdische gehet wie ein Gewitter dahin, und verliert sich der Genuß desselben in seinem Ekel selbst: aber in den Sprachen, in deroselben rechter Kündigkeit, und folgends in dero Genuß, stecket ein weit anderes und ein ganz Überirdisches verborgen, welches nicht unseren Leib, sondern die Seele einnimmt und belustiget. Also läßt Gott der Herr seinen Willen, die großen Geheimnissen aus der Ewigkeit, wie auch das wundersamste Wesen der natürlichen Dingen, und sonst alles, was man Kunst und Wissenschaft nennet, und durch menschlichen Witz erfunden worden, uns Menschen so reichlich wissen und verstehen doch nur durch Hülfe und Handbietung der Sprachen.

Die Sprachen sind die Scheiden, sagt Lutherus, darin die Schwerter des Geistes verborgen stecken.

Gleich wie das große Weltmeer seine Grenze um und durch den Erdboden gezogen, und von den starken Winden bald hie, bald dort kräftiglich erreget und fortgetrieben wird, daß die Menschen die ganze Erde umschiffen, die entfernesten Länder durchsuchen, und dasselbige, was nur an einem Orte der Welt vorhanden, durch die ganze Welt bekanntlich machen und dessen genießen lassen können: also hat Gott gleichfalls alle Natur durch die Kunst der Sprachen umgrenzet, ja die Sprachen sind durch alle Geheimnissen der Natur gezogen: also daß, wer der Sprachen recht kündig wird, zugleich dadurch die Natur durchwandern, die Künsten ihm recht entdecken, und die Wissenschaften offenbaren, mit allen berühmten Leuten, so vormals gewesen und annoch seyn, ja mit Gott selbst reden und sich besprechen kann.

In was für einen Stand der Vortrefflichkeit aber unsere deutsche Hauptsprache gesetzet, und vor anderen erhaben sei, solches soll allhie eröffnet werden, so viel nämlich die Verdoppelung, als das vornehmste Stück einer jeden Sprache, betreffen wird. Denn dieses muß gestanden werden, daß eine jede Sprache eine gewisse, und nur eine wenige Anzahl Stammwörter habe, gegen der großen Menge der Dinge, so da unterschiedlich zu benamen seyn; zu dem, weil die Stammwörter durch und in sich allein fast keine, oder gar eine geringe Rede machen können, als muß ihnen die hülfliche Hand stets geboten werden von ihren abgeleiteten und verdoppelten Wörtern.

Die Verdoppelung ist und geschiehet demnach in deutscher Sprache entweder wann zwei, drei oder vier Stammwörter zusammengefügt, und, um ein einziges Wort zu machen, verdoppelt und verbunden werden: oder, wann zwei oder drei Stammwörter mit einer oder anderen Hauptendung der abgeleiteten verdoppelt und zusammen in ein Wort gebracht werden. Ist ferner zu wissen, daß ein jedes verdoppeltes Wort, es sei von welcher Art es wolle, lang oder kurz, abgeteilet werde in zwei Glieder oder Stücke; das eine heißet Grund, das andere beifügig, also daß aus einem Grundworte, und aus einem oder mehr beigefügten die Verdoppelung in deutscher Sprache geschehen muß. Der Grund des verdoppelten Wortes ist allezeit dasselbige Wort, auf welches Deutung vornehmlich und absonderlich unser Sinn und Gedanken sich lenken, und welches in der Verdoppelung als ein Hauptsinn oder Hauptdeutung wird behalten, und allezeit die Hinterstelle des Wortes einnimmt. Also, wann ich dieses Buch nenne die »Sprachkunst«, allhie ist das Nachsinnen gerichtet vornehmlich auf eine Kunst; was es aber für eine Kunst sei, und wovon sie handele, solches wird klar und benenntlich gemacht durch das vorgefügte Wort »Sprache«, daher ein Deutscher stracks vernehmen kann, daß es eine solche Kunst oder kunstmäßige Lehre sei, die von einer Sprache, dieselbe künstlich und recht zu wissen, handele.

Aus diesem nun entstehet anfänglich die Gewißheit und liebliche Art zu verdoppeln in unserer deutschen Sprache, daß man nämlich zuerst und sonderlich auf den Grund oder das Grundwort Achtung geben, und nach Anleitung der beigefügten Wörter, jenes Andeutung recht vernehmen müsse: welches dann einem Deutschen gar nicht schwer noch undeutlich, sondern angeboren und mit der Muttermilch eingeflößet ist. Solches Grundwort, wie erwiesen, muß allezeit zuletzt stehen: daheraus auch ursprünglich dieses fließt, daß man in deutscher Sprache ein Adjectivum niemals muß hinten ansetzen. Denn, weil auch das Substantivum das Grundwort ist, als muß es bis zum letzten Ausspruche, und gleichsam zum Schlusse des Verstandes gesparet werden, und zwar aus strengem Geheiße der natürlichen Eigenschaft unserer Hauptsprache.

Eine andere Art der verdoppelten deutschen Wörter ist, wann durch die Vorwörter die Verdoppelung geschiehet. Den mannigfaltigen Reichtum, die überreiche Lieblichkeit und wundersame verständliche Füglichkeit, die sich gleichfalls in dieser Verdoppelungs-Art ereignet und einem Sprachkündigen dahero so mildiglich an die Hand gehet, kann ich ja so wenig mit kurzen Worten allhie abbilden und nach Gebühr heraus streichen, so ungläublich es einem oder anderen, der sich niemals weiter in seiner Muttersprache umgesehen, als was ihm täglich im Hause vorkommt, anfangs scheinen möchte. Es ist die Anzahl der deutschen Vorwörter weit größer als der Griechen oder Lateiner, und lassen sie sich mit einer sonderlichen Füglichkeit fast bei alle und jede Zeitwörter, wie auch viele Nennwörter solcher maßen setzen, daß dahero eine Verdoppelung oder verdoppeltes Wort entstehet; da dann ein jeder leichtlich den Schluß machen kann, was für eine übergroße unglaubliche Menge solcher gedoppelten Wörter in deutscher Sprache müssen vorhanden sein, daß man gar leichtlich nur zur Probe vier- oder fünftausend könnte hervorlegen, wie denn allein von dem Stammzeitworte »Lauf« über die hundert nur durch die Praepositiones verdoppelte Wörter ich hervorgebracht. Es kann aber einer in dieser so großen Menge gar leichtlich, und mit Lust sich finden; ja, sie nach seinem Gefallen und Willen haben, wann er nur die rechten Hauptgründe der deutschen Vorwörter ihm recht eingebildet, und dieselbe in seinem Verstande würzelfest wachsen lasset. Über das ist nicht allein die Anzahl solcher verdoppelten Wörter in unserer Sprache so trefflich groß, und gewißlich die aller größeste; sondern, welches das vornehmste ist, die Andeutung deroselben begreift in sich eine solche ungemeine wunderkünstliche Art und Kraft, die Händel der Natur und die Veränderungen des menschlichen Wesens abzubilden, vorzustellen, auszudrücken und also aus den innersten Geheimnissen der Sprachen mit uns zu reden, daß ein Deutscher, der es verstehet, sich nicht gnugsam über diese deutsche Wörterlein verwundern, und in Gegenstellung der anderen Sprachen einen lauteren Mangel daselbst erspüren kann. Es nehme einer zum Exempel nur diese Vorwörter: er, ge, un, ver, zer, be, beobachte wohl die dahero fließende Composita, versuche dabeneben, wie wenig ein Grieche oder Lateiner den kräftigen Inhalt deroselben doch begreifen und nachsprechen können möchte. Meine Meinung ist diese, daß sie nicht allein diesen deutschen Wörtern so schicklich, gehörig und gründlich nicht vermögen nachzureden, sondern daß auch die Natur unseren deutschen Praepositionibus ein noch anderes, Höheres und den Fremden gar Unbekanntes habe eingepflanzet, welches sie nur wie die Kuh ein Saitenspiel anhören, aber mit keinem Worte den deutschen Verstand erreichen mögen. Zum Exempel versuche man, quomodo alia lingua conceptus germanicos sequentium verborum assequi possit: erheiraten, daherprangen, Gezisch, Gebrumm, abliegen, Gesäusel, erwetten, erschmeicheln, bespinnen, verkrümmen, verschleichen. Solcher aber und derogleichen ist die ganze Sprache voll: denn wie ein jeder vernimmt, entstehen sie von den Würzelen der Vorwörter, welche saftreich und kraftvoll seyn, sich erstreckend weit und breit, und ihre eingepflanzete Wirkung und Eigenschaft alle denen Wörtern mitteilend, welche vermög des deutschen und deutlichen Verstandes ihnen können beigepflanzet werden.

Ferner, es kann bei ein Stammwort nicht allein nur ein einziges Vorwort, sondern zwei, drei, ja vier deroselben gesetzet, und dennoch ein einiges verdoppeltes daraus gemacht werden, als: setzen, ersetzen, wiederersetzen, unwiederersetzlich; Mund, Vormund, bevormunden, unbevormundet; denken, gedenken, eingedenk, wiedereingedenk, unwiedereingedenk.

Es ist unsere deutsche Sprache der griechischen, was die Kunst und Glück zu doppelen betrifft, vollbürtige Schwester, ja redet noch wohl reichlicher in vielen von sich, wie sie denn auch an Menge der Vor- und Stammwörter jener wohl zuvorgehet: warum sollte denn nicht vergönnet, oder vielmehr rühmlich sein einem Deutschen, denen leitenden Kräften und grundrichtigem Vermögen seiner Mutter-Sprache klüglich und vernünftig nachzuforschen, nachzufolgen, wohl darin zu schürfen, wohl zu sauberen, und die verborgene Schätze helfen bekannt zu machen, damit auch jede Kunst, und jedes Stücke der Wissenschaften gemählig auf Deutsch bekannt werden möchte. Wenn demnach mit Legung der Gründen in deutscher Sprache also richtig erst verfahren, die Deutungen und das Vermögen der Wörter recht erkläret, und ein jedes in seine natürliche Gewißheit gepflanzet würde, alsdenn würde ohn Zweifel wegen der Menge und Fülle derselben, was man Sprachstücke, Sprachgründe und Sprachvermögen nennet, die notwendige Folge zu machen sein, daß kein Teil der Künsten und Wissenschaften der deutschen Sinn-Begriffe entfliegen und entwachsen könnte: wo man sonst aus vielem Holze noch ein Haus richten, und aus Eisenstücken dienliche Nägel schmieden könnte.

Die Anzahl der Stammwörter, so wohl in deutscher, als jeder fremden Sprache, ist wohl nicht der hundertste Teil in gleichgeltender Gegenzahl der mannigfaltigen Dinge und dero Zufällen, so da sind unter sich unterschiedlich, und dannenhero mit unterschiedlichen Namen zu nennen. Sollte und müßte man aber die Vielheit der Dinge, welche mit einzelen richtigen Wörtern nicht auszusprechen seyn, allemal unbeschreiblich, und mit handvoll Wörtern andeuten, würde man bei oftmaliger deroselben nötigen Zusammenkunft eine weit umschweifige Rede, und ellenlange Redarten machen müssen. Derowegen billig eine sonderbare Kraft derselben Sprache zu geben, und wegen künstlicher Füglichkeit zu rühmen ist, welche mit lieblicher Kürze und williger Darbietung der Natur an die Hand gehet, und also künstlich, kürzlich und deutlich doppelen läßt, daß man fast jedes und alles mit einem deutlichen Worte anzeigen könne. In welchem Betracht der deutschen Doppelkunst nicht unbillig wohl der erste Stand zuzueignen ist.

 

Die Natur ist wunderreich, und spielet überkünstlich in dem mannigfaltigen Unterschiede der Farben: dennoch meine ich soll die Kunst unserer deutschen Sprache der Natur hierin nichts bevorgeben, sondern die hunderterlei Arten der Farben alle nachreden, und zwar kürzlich, lieblich und gründlich. Es komme ein Sprachkundiger, und rede der Natur, und uns Deutschen, die wir der Natur am nächsten gehen, eins diese Farbnamen nach: die ich nicht alle, sondern die vornehmsten aus deutscher Sprache anhero setzen will, neben einer Anweisung, dadurch jede übrige und andere Farbe in deutscher Kunst kann benamset werden. Ist derowegen zu wissen:

Daß außer den Namen der Hauptfarben, als weiß, schwarz, rot etc., welche andere Sprache mit uns gemein haben, man könne eine jede Farbe durch den Namen eines gleichfarbigen Dinges zierlich ausreden, und zwar entweder mit Beisetzung des Nennwortes »Farbe«, »schön«, oder des absonderlichen Farbwortes, die man ausreden will, welches erst und wohl zu merken, als: himmelblau, himmelschön, Himmelfarbe; lilienweiß, lilienschön, Lilienfarbe; rosenschön, purpurschön; Goldfarbe, Flammenfarbe, Corallenfarbe; flachsfarbig, aschenfarbig; silberweiß, castanienbraun, kohlschwarz; grasgrün, meergrün, wassergrün, saftgrün; dottergelb, schwefelgelb, safrangelb, wachsgelb, goldgelb; feuerrot, rosenrot, ziegelrot, kirschenrot, lichtrot.

Die Mittelfarben werden ausgesprochen durch ein Wort, so von den zweien vermischten Farben verdoppelt wird, und alsdenn ist das letzte Wort Grund, und das vorderste beifügig, welches gar wohl zu merken ist, als: braunrot, dunkelrot, gelbrot, grünrot, schwarzgelb, bleichgelb, blaßweiß, fahlweiß, rötlichweiß, dunkelgrün, lichtbraun, dunkelbraun, schwarzbraun, braunschwarz, schwarzblau, dunkelblau.

Also können auch die glänzenden, hellscheinenden Farben durch »blank« oder »hell« ausgesprochen werden, als: weißblank, das ist eine glitzernde weiße Farbe, wie das auspolierte klare Silber. Schwarzblank, wann eine andere hellere Farbe durch die überstrichene Schwärze scheinet, oder wenn der schwarzen Farbe durch andere Materi ein Glanz wird gegeben. Also auch: grünblank, braunblank, blaublank, rotblank, wann nämlich solche Farbe über die güldene oder silberne Farbe gestrichen wird, doch daß die unterste durchleuchtet.

Abzubilden oder zu nennen eine etwa halbscheinende Farbe, oder etwa eine Vergleichung des Dinges mit einer Farbe, kann man nur die Hauptendung »lich« hinzusetzen, oder das Nennwort »Farbe« verändern in »färbig«, als: bräunlich, rötlich, grünlich, weißlich, schwärzlich, gelblich; braunfärbig, rotfärbig, grünfärbig; braunschwärzlich, dunkelgrünlich, safrangelbig, purpurfärbig.

Endlich können auch diese Wörter: flammig, striemig, sprenklich, schimmlich etc., gar füglich und fein an die Farbnamen gesetzet, und die also gestaltete Farbe ausgedeutet werden, als: schwarzsprenklich, gelbflammig, rotsprenklich, braunstriemig, rotflammig, sandschimmlich, sandstriemig, blausprenklich etc. Und also von allen, wodurch ein Deutscher, wie gesagt, der Natur kann nachgehen, und dieselbe, wie sie auch spielet und sich menget, gar wohl und vernehmlich abbilden.

Unsere Hauptsprache tritt mit der Natur einher, ist rein und klar, hell, deutlich, ihr eigen und unvermengt: wird, wie sie ist, geredt, wird, wie sie ist, geschrieben: die sie mißbrauchen, mißbrauchen sie ihnen selbst, sie muß deswegen in ihren Gründen ungemißbrauchet verbleiben. Ickelsamer und andere alte Deutschen haben schon längst darüber geklagt, daß wir Deutschen so genau und achtsam, wie billig, auf die hebräische, griechische, lateinische Sprache seyn, und deroselben Letteren, Silben und Wörter verständlich zu Sinnen fassen; aber in unserer eigenen angebornen, allernützlichsten Hauptsprache gehen wir sogar stolpern und tappen, lassen einem jeden zu, nach allen Einfällen und Träumen mit den Wörtern umzugehen, und dummer Weise etwas hinzuschreiben, wie sich nur ein Ton aus seinem Gehirne spinnet. Daß aber ein solches, wann man die Wahrheit lieben, und sie am rechten Ende heben wollte, leichtlich abzubringen, und der Mißbrauch zu entdecken wäre, ist gar und zwar so gewiß, so gewiß die deutsche Sprache ihre gewisseste Gründe hat.

Ich halte dieses bei mir für eine feste Hauptregul: daß, wie unsere deutsche Sprache in sich rein, reinlich, klar und unterschieden ist, wir sie auch rein, reinlich, klärlich und deutlich nach ihren unterschiedenen Letteren, Silben und Wörtern reden und schreiben müssen.

 

Oftmals hat sich der Geist unserer Sprache recht zu regen und zu erheben angefangen, aber so viel fremdes Wesens, das Kriegesgewirr, und der Kitzel undeutsch zu sein hat den freien Gang, ja die freie Luft und Odem genommen, daß sie auch gleichsam in ihrem Eigentume entfremdet und verwildet worden. Darum, weil der Rache dieser Zeit so ekelhaft und der Sinn so neugierig worden, möchte man dieses wohl ein Schweres und Gefährliches nennen, etwas also zu machen, das jedem verwöhntem Maule schmecken würde.

 

Dieweil unsere Hauptsprache nichts Gemeines mit den Griechen oder Römern, sondern in allen ihr Eigenes hat, als können wir dieselbige nach der fremden Lehrsätzen nicht meisteren noch bilden lassen. Wir müssen sie aus ihr selbst erheben, sie in ihre eigene Landart kleiden, und die lieblichste Göttinnen der Poesis, welche in dem Deutschlande allen Geschmack und Gehör der Griechen verloren, mit deutscher Zierlichkeit an uns locken. Dazu haben wir unsere so herrliche, prächtige Sprache, reich an Milde, reich an Güte, voll Donner, voll Blitzens, voll Lachens, voll Weinens, voll Grausens und Brausens, voll lieblicher Härte, männliches Geläutes, fließender Süßigkeit.

Wann ein Deutscher, der den Verstand in seiner Muttersprache ein wenig ausgeschärfet hat, etwa ein Probstücke zu beweisen, und einen deutschen Schauplatz zu bekleiden willens wäre, oder werden möchte, selbiger hat gar nicht zu hoffen auf das Handgekläpper der Griechen oder Römer. Ja es ist vielmehr ein schändliches Wesen, unserer Sprache ihre Zähne, wie Lutherus redt, auszubrechen, und sie zwingen wollen, den Fremden nachzumumlen: sie bricht sich freier los, sie wohnet gar unter einem anderen Himmel, sie reizet auf eine andere Art die deutschen Gemüter, sie zücket viel anders ihre liebliche Gewalt, uns zu bereden oder abzuhalten, und ist sie nimmer härter, rauher, unlustiger und verkehrter, als wann sie in ein ausländisches Joch gespannet ist. Warum soll uns ein gezärtelter Grieche den Zaum einlegen? warum soll uns der arme Römermann zirkelweis umgrenzen? warum soll ein gestümmeltes Gelispel der anderen Ausländer unser Lehrmeister sein? Wollen wir uns denn endlich nicht eins über die Sprache erbarmen, die sich so mildiglich unser erbarmen, und die Schande der Undankbarkeit uns benehmen wollte? die mit beiden Händen zwangsweis uns umkehret? die unseren groben Irrtum aufdecket, in uns die fremde Sprachsucht schamrot machet? die durch den Glanz ihrer Schönheit, und durch die Macht ihres Reichtums der Deutschen so eiferige Liebe auch auf sich gernest wenden wollte? Schnee und Wind ist es, wenn jener Undeutscher geschrieben, daß der Schnee in Deutschland zu dicke, und die Luft zu kalt wäre für diese so zarte göttliche Jungfräulein. Ich wollte dieses versicherlich wohl zusagen, daß in keinem keine Hindernis noch Anstoß, sondern eine liebliche Ebene durch und durch vorhanden, denen genannten süßen Musen bei uns ebener maßen ihre Lustwege und Wohnungen zu zeigen, als sie jemals unter einem wärmeren Himmel gefunden haben. Aber ein jeder kann nicht Wegweiser sein; diese liebselige Nymphen haben zu zarte und sammetweiche Händelein, die nicht ein jeder Ungeschickter mit baurmäßigen Griffen erhaschen, und sie mit sich durch dick und dünne trecken kann: nein, sie folgen gern, aber ungezwungen; sie kommen, aber ungebeten; sie wohnen bei uns, aber nicht wider ihren Willen; sie spielen, aber aus Liebe; sie bleiben, aber bei demselben, dem sie wohlwollen und dazu gewürdiget, und erkennen diesen für ihren Lehrer, den sie selbst gelehret haben.

 

Wenn man die europäischen Landschaften samt den Änderungen, so denenselbigen zu seiner Zeit kraft vorhandenen Geschichten vielfaltiglich zugehangen, überdenken und das Sprachwesen zugleich mitbeobachten wird, alsdann soll sich das freie uralte Deutschland allein finden, welches von fremder Macht unbezwungen und von fremden Sprachen unverworren geblieben. Welches denn, nämlich das unvermengte Eigentum der Sprache, annoch die gewisseste Überzeugung ist dessen, was schon Tacitus vor 1500 Jahren von den Deutschen also gesagt: Ipsos Germanos indigenas crediderim, minimeque aliarum gentium adventibus et hospitiis mixtos. Da es hingegen, wenn man Welschland, Spanien, Frankreich, Engelland, Griechenland, auch Klein-Asien und Afrika betrachten würde, gar anders, und ein verändertes Sprachwesen daselbst befindlich ist. Es haben unsere Vorfahren festiglich und aufs genaueste in acht genommen ihre Muttersprache, dieselbe frei und reinlich ihre Kinder gelehrt, mit nichten nicht von ihren Feinden ihre Rede erbettelt, sondern vielmehr im Gegenteile haben alle europäischen Sprachen viele Würzelen, Wörter, Saft, Kraft und Geist aus dieser reinen uralten Hauptsprache der Deutschen.

 

Das einzige Band menschlicher Einigkeit, das Mittel zum Guten, zur Tugend und zur Seligkeit, und die höchste Zier des vernünftigen Menschen sind die Sprachen. Nachdem nun aber die eine vor den anderen reich, voll, künstlich, dringend und füglich ist, darnach kann sie auch ihre Wirkungen den Menschen austeilen, und desto höheren Stand der Vortrefflichkeit einnehmen. Solches aber bestehet vornehmlich und fast gänzlich in modis et aptitudine varia componendi, darum die griechische Sprache sich sonderlich hervortut, und weit und breit die hülfliche künstliche Hand beut. Unsere deutsche Sprache aber, welches ich sicherlich setze, und zuversichtlich hoffe zu behaupten, tritt noch weiter voraus, pranget mit noch reicher Fülle einher, öffnet sich milder ihre unerschöpfte Kunstquellen, zeiget nach Wunsch die Lustwege zu ihr, hat sich, so zu reden, mit der Natur verschwestert, alles uns Deutschen, was die Natur will, ausreden zu lehren.


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