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Mit der Entwickelung so vieler andern Kenntniße eröffnete sich auch eine neue Ansicht über die Natur des vulkanischen Feuers. Noch nirgend hatte man so lange Reihen von Vulkanen gesehen, wie hier in der Andeskette, wo die Ausbrüche der innen wirkenden Kräfte bald auf dem Rücken derselben statt finden. bald am Fuße der Gebirge, wie in der Central Republik Guatemala. – Ebenfalls wurde man damals aufmerksam auf die Strömungen der Meere, namentlich auf den mehrmals erwähnten Golphstrom, der sich von den Antillen bis nach Norwegen und Ireland erstreckt, und von dem Petrus Martyr de Anghiera in seiner Oceanica eine eben so lebhafte als gründliche Beschreibung giebt.

Ein ganz neuer Himmel zeigte sich dem erstaunten Europäer. Man sah die Magellanischen Wolken, die mit dem Glanz der Milchstraße den südlichen Pol umkreisen, so wie jene schwarzen Flecken, Kohlensäcke, genannt, die zu so mannigfaltigen Hypothesen Anlaß gegeben haben. Aber keine der Constellationen war geeigneter einen lebhaften Eindruck auf die Phantasie zu machen, als das südliche Kreuz, das erst mit der Entdeckung von Amerika den nördlichen Völkern bekannt wurde. – Ich will hierbei der erhabenen Stelle des Dante im Purgatorio [I, 22–27] erwähnen, die von den berühmtesten Commentatoren auf dieses Sternbild bezogen worden:

Io mi folsi a man destra, e puosi mente
   All'altro polo, e vidi quattro stelle
   Non viste mai fuor ch'alla prima gente.
Goder pareva il ciel di lor fiamelle:
   O settentrional vedovo sito,
   Poi che privato se' di mirar quelle!
Ich wandte mich zur Rechten aufmerksam
   dem Pol des Südens zu und sah vier Sterne,
   die niemand seit dem Sündenfall gesehen.
Der Himmel, schien es, freut sich ihres Glanzes.
   Bedauernswertes Menschenland im Norden,
   daß es dir nicht vergönnt ist, sie zu schauen.

Denn obgleich Dante 1321 starb, so konnte er doch durch Venezianische u. Genuesische Schiffer die im arabischen Meerbusen Handel trieben, Nachricht von diesem Sternbilde bekommen haben, das in jenen Gegenden allerdings sichtbar ist.

Wie mächtig die Entdeckung von Amerika auf die Gemüther der Zeitgenossen eingewirkt hat, wie mit nichts anderm vergleichbar der Eindruck gewesen, welchen sie hervorbrachte, davon finden wir die Spuren in allen gleichzeitigen Schriftstellern. Zwei Bücher jedoch sind als besonders reichhaltig anzuführen für denjenigen der sich einen Begriff machen will von den Umwälzungen in den wissenschaftlichen Ansichten, welche als Folge dieser großen Begebenheit zu betrachten sind. Acosta's Naturgeschichte ist für die Geographie besonders wichtig, wogegen Pet. Mart. de Anghiera besonders die klimatischen Verhältnisse berücksichtigt. Letzterer ein Geheimschreiber Carl V hatte den Columbus persönlich gekannt, und von ihm ist uns ein Brief aufbehalten, vom Jan. 1493, in dem er mit gleicher Lebendigkeit und Würde des Ausdrucks den Eindruck schildert, welchen die Nachrichten von dem Umfange u. der Wichtigkeit der großen Entdeckungen, auf ihn und seine Freunde hervorgebracht hatten.

Daß um dieselbe Zeit die ergraute scholastisch-dogmatische Philosophie, welche jeder freieren Untersuchung die lähmendsten Fesseln angelegt hatte, einer reineren Naturanschauung weichen mußte, ist unstreitig mehr dem fortrückenden Geist der Zeit als dem Einflusse einzelner Männer zuzuschreiben. Doch verdienen hier 3 derselben genannt zu werden, deren Werken und Schriften von dem entschiedensten Einflusse waren. 1.  Giordano Bruno, ein Pantheist, der sich zuerst das copernikanische System aneignete, zu London, Paris und Wittenberg Naturwissenschaften lehrte, und das sonderbare Schicksal hatte, von Calvin verketzert und von der Inquisition in Venedig verbrannt zu werden. 2. der Kanzler Baco von Verulam einer der ausgezeichnetsten Geister, deren ein Zeitalter sich zu rühmen hat, der es fühlte und darthat, daß in allen Zweigen der positiven Wissenschaft, der einzige Weg zur Wahrheit die Beobachtung der Natur sey. 3. der Italiener Campanella der durch Beobachtungen und Versuche sich um die Wissenschaft ganz besonders verdient gemacht hat.

Die 5te Epoche von 1590–1643 ist durch die Entdeckungen neuer physikalischer Instrumente bezeichnet, welche der sinnlichen Beobachtung, (mit der natürlichen Stärke unserer Sinne) geschärftere Organe hinzufügt. Wir heben hier insbesondere 4 Werkzeuge heraus, welche die Fortschritte der Wissenschaft merkwürdig gefördert haben: das Fernrohr, das Thermometer, das Barometer, und wenn es erlaubt ist eine der schönsten Entdeckungen ein Organ zu nennen, die Infinitesimal-Rechnung. – Das Fernrohr wurde 1590 von Janssen in Middelburg erfunden, und bis zum Jahre 1611 waren schon die wichtigsten Entdeckungen damit gemacht. Die Jupiterstrabanten waren aufgefunden, die Phasen der Venus beobachtet, und somit ein neuer Beweis für die Richtigkeit des Copernikanischen Weltsystems geführt. Das nebliche Ansehen der Milchstraße hatte vor dem Fernrohr sich in unendliche Sterne aufgelöst; der Ring des Saturn war entdeckt, und die Berge des Mondes wurden gemessen. Die Sonnenflecke führten auf die Kenntniß der Rotation des großen Weltkörpers, so wie die Anwendung des Fernrohrs bei astronomischen Winkelmessungen, eine früher stets mangelnde Genauigkeit erreichen ließ.

Das Thermometer 1660 von Drebbel in Alkmar erfunden, machte aufmerksam auf die Verschiedenheit der Klimate, und ihren Einfluß auf die allgemeinen Vegetationsverhältnisse. Doch erst als Réaumur hundert Jahre später dies Instrument durch die Bestimmung der beiden festen Punkte comparabel gemacht hatte, konnte man sich desselben bei klimatischen Untersuchungen mit Nutzen bedienen.

1643 erfand der große Torricelli das Barometer und der geistreiche Philosoph Pascal wandte dasselbe auf die Messung der Berghöhen an. Es ist augenscheinlich daß das Barometer sehr viel zu einer genaueren Kenntniß der Erdoberfläche beigetragen hat, indem insbesondere die Anwendung dieses Instruments zu Höhenbestimmungen, uns mit der Lage vieler Länder und Städte bekannt gemacht hat, was durch trigonometrische Messungen weder so schnell, noch in diesem Umfange zu erreichen gewesen wäre. So z. B. können wir mittelst des Barometers schnell bestimmen, daß München auf einem weiten plateau 1200 Fuß über dem Meere gelegen ist, wogegen dieselbe Bestimmung durch Nivellement bis zum Meeresufer großen Kosten und Zeit Aufwand, erfordern würde.

Das einflußreichste Organ aber ist unstreitig die Analysis des Unendlichen, zu gleicher Zeit entdeckt von Newton und Leibnitz. Die Anwendung derselben auf Physik und Astronomie war von der entscheidendsten Wichtigkeit, und erscheint als eine der größten Begebenheiten in der Geschichte der physikalischen Wissenschaft, die von nun an, da auch die Beobachtungen sich immer mehr häuften, mit Riesenschritten vorwärts ging.

Je mehr wir uns aber der neueren Zeit nähern, um so schwerer wird es ein klares Bild von dem Vorschreiten in der Einsicht des Naturganzen zu unterwerfen, indem die Beobachtungen und Erfahrungen immer zahlreicher und wichtiger wurden. Wenn wir uns aber streng daran binden, das Gleichartige unter einem Gesichtspunkt zu vereinigen, so werden wir nicht anstehen, mit den Weltreisen Cook's die 6te Epoche, oder den letzten Ruhepunkt zu bezeichnen. Durch diese erste große nautische Expedition, die nicht bloß auf Entdeckungen berechnet war, wurde die geographische Kunde des Erdkörpers in großen Massen vollendet. Neu Holland wurde zwar nicht zuerst entdeckt, aber doch ein großer Theil desselben umschifft und geographisch bestimmt. Die magnetischen Linien wurden nicht allein nach ihrer Declination, sondern auch nach ihrer Inclination genauer gezogen. Die Temperatur des Meeres, seine Tiefe und abnehmende Wärme wurde untersucht und festgestellt, und der jüngere Forster lieferte eine geistreiche Beschreibung, eben so der Sitten verschiedener Völker, als des phisiognomischen Anblicks der Pflanzen, und ihm gebührt das Verdienst alle diese Beobachtungen philosophisch zusammengefaßt, und in ein Naturbild vereinigt zu haben.

Was die Landreisen betrifft, so sind dieselben in den neusten Zeiten nicht so ausgedehnt gewesen, als im Mittelalter. Damals gehörte es nicht zu den Seltenheiten, wenn ein Europäer die äußerste Gränze von China erreichte, und von dort über Timbouctu nach Cordova gelangte: allein der Nutzen der neueren eingeschränkteren Landreisen ist ungleich bedeutender, schon in Rücksicht auf die zur Beobachtung geschärften Organe. Für Asien will ich nur insbesondere nennen Gmelin, Niebuhr und Pallas; für Europa Saussure; für das Cap d. gut. Hoffnung Barrow u. Lichtenstein. Durch die neueren Expeditionen in das Innere von Afrika von Hornemann, Burckhard, Denham und Clapperton sollten mehr geographische, als eigentlich physikalische Zwecke erreicht werden.

Die Gründung der Geognosie als Wissenschaft ist einzig das Ergebniß von Forschungen der neuesten Zeit. Durch die Verbindung der Zoologie und vergleichenden Anatomie mit der Geognosie, durch die Entdeckung der geognostischen Reisen, der relativen Folge der Erdschichten, ist man dahin gekommen die Gebirgsformationen mit Sicherheit zu bestimmen.

Den raumdurchdringenden Instrumenten von Herschel und Frauenhofer danken wir die Erweiterung unserer Ideen vom Weltbau, der täglich durch neue Entdeckungen in unserer Erkenntniß an räumlicher Ausdehnung gewinnt.

Die physikalischen Entdeckungen häufen sich in dem Maaße, daß es unmöglich wird hier auch nur einen allgemeinen Ueberblick derselben zu geben. Doch will ich der einflußreichen Voltaschen Säule erwähnen, einer der größten Entdeckungen des Jahrhunderts, die noch wichtiger wird, durch die Anwendung davon, welche Davy und Berzelius auf die Zerlegung der sonst einfach genannten Stoffe gemacht haben. Eben so will ich nur anführen, daß Oerstädt die Identität der electrischen und magnetischen Kraft nachgewiesen, und daß Malus und Arago uns zugleich mit der Polarisation des farbigen und unfarbigen Lichtes bekannt gemacht, und dadurch in den Stand gesetzt haben, die physikalische Beschaffenheit der entferntesten Weltkörper zu untersuchen.


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