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IV.
Der eiserne Ring

Zu allen ihren Sorgen fügte diese Reise eine neue hinzu. Würde die Kronprinzessin nicht alles versuchen, um ihren Gatten zurückzugewinnen? Mary erhielt wohl zärtliche Briefe, aber sie genügten nicht, um ihre Zweifel zu zerstreuen. Sie wiederholte sich immer von neuem Rudolfs Worte, mit denen er seinen Wunsch ausgedrückt hatte, ihre Geschicke zu vereinen. Doch diese Worte, die in seinem Mund so ausdrucksvoll gewesen waren, so zuversichtlich geklungen hatten, verloren alles Leben, wenn Mary sie in ihrer trüben Einsamkeit vor sich hinsprach. Glanzlos, leblos wie welke Blätter fielen sie zu Boden. Nirgends gab es einen Trost für sie. Denn auch vor der Gräfin hatte Rudolf sie vor seiner Abreise gewarnt.

 

Der Kronprinz kehrte nach vierzehntägiger Abwesenheit liebender zurück, als er jemals gewesen war. Er hatte unter der Trennung von Mary schmerzlich gelitten; ihre jugendliche Frische bildete den einzigen Reiz seines ruhelosen Lebens. Noch waren ihre Beziehungen ganz rein, und doch ersehnte er ihre Gegenwart wie aus einem körperlichen Zwang. Die heitere Unterhaltung dieses so jungen und so schönen Mädchens, ihr Lachen, ihre zärtlichen Liebkosungen gaben seinen müden Nerven eine Entspannung, die er nicht mehr entbehren konnte.

Doch er sah sie zunächst nur einmal von ferne in der Oper, da er, kaum aus Abbazia zurückgekehrt, nach Prag reisen mußte. Erst zwei Tage später, Sonntag, den 13. Januar, brachte es die geschickte Gräfin Larisch zuwege, Mary gegen sieben Uhr abends in die Hofburg zu führen.

Mary war nahe dem Ende ihrer Kräfte. Sie hatte es sich zur Aufgabe gestellt, einem unglücklichen Mann stets nur ihre heitere Miene zu zeigen und ihre Sorgen vor ihm zu verbergen. Aber diesmal waren die Leiden der langen Trennung zu schwer gewesen. Als sie Rudolf gegenüberstand, verlor sie jede Herrschaft über sich. Sie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, und in seine Arme stürzend, schluchzte sie:

»So werde ich immer wieder von dir getrennt werden? Ich ertrage dieses Leben nicht länger!«

Der Klang ihrer Stimme, das erdrückende Bewußtsein der Gefahren, die die zarten Keime ihrer Liebe ständig bedrohten, die Berührung ihres zuckenden, glühenden Körpers raubten ihm die Besinnung. Rudolf vergaß alle seine Vorsätze und Mary, von seiner Glut berauscht, leistete keinen Widerstand.

 

In dieser Stunde wurde sich Rudolf darüber klar, daß er keinen Augenblick mehr verlieren durfte, um ihre gemeinsame Zukunft zu sichern. Und wenn die ganze Welt sich gegen sie verbünden sollte, jetzt konnte ihn nichts mehr von ihr trennen. Die Zeit der Worte war vorbei, er beeilte sich zu handeln.

Noch in der gleichen Nacht schrieb er an den Papst, dem er seine Entfremdung von Stephanie auseinandersetzte und ihr Unvermögen, der Krone einen Erben zu geben. Er schilderte den Ernst ihres Zerwürfnisses, das von einem Tag zum andern zu einem öffentlichen Eklat führen konnte, mochte sie nun nach Belgien zurückkehren oder er selbst das gemeinsame Leben nicht länger ertragen. Er wies darauf hin, daß die Folgen eines solchen gewaltsamen Bruches für das Haus Habsburg, für den Staat und für die Kirche höchst beklagenswerte wären, so daß er sich genötigt sehe, nach dem einzigen versöhnlichen Ausweg zu greifen und Seine Heiligkeit anzuflehen, die Annullierung seiner Ehe mit der Prinzessin Stephanie auszusprechen. –

Dieser eigenhändig geschriebene Brief, der trotz der Erregung, in der sich Rudolf befunden hatte, recht geschickt abgefaßt war, wurde schon am nächsten Morgen durch einen sichern Freund des Kronprinzen, der den Auftrag hatte, ihn dem Papst persönlich zu überreichen, nach Rom gebracht.

 

Sobald er ruhiger darüber nachdachte, verurteilte aber Rudolf selbst diesen Schritt als einen Akt des Wahnsinns. Am übernächsten Tag sollte er nach Budapest reisen. Am Abend vorher suchte er mit größter Vorsicht seinen Vetter Johann Salvator auf. Seit jener dramatischen Szene, die der Freundschaft dieser zwei Menschen ein Ende gesetzt hatte, waren sie nicht mehr zusammengetroffen. An diesem Tage löschte die alte Zuneigung, die sie füreinander hatten, alle Unstimmigkeiten, die zwischen ihnen aufgetaucht waren. Sie sprachen in herzlichem Freimut miteinander. Wenn politische Fragen gestreift wurden, geschah es nur, weil keiner von ihnen ein unabhängiger Mann war und weil selbst ihr intimstes Leben durch zahllose Fäden mit den Interessen des Staates verknüpft war. Johann Salvator erschrak über die Zerfahrenheit und das bleiche Aussehen seines Vetters, der am Ende seiner Kräfte zu sein schien. Wenn ein neugieriger Lauscher an der Tür gehorcht hätte, wäre er darüber entsetzt gewesen, wie oft das Wort »Tod« in ihrer Unterhaltung wiederkehrte, deren Grundmotiv es zu sein schien. Als Rudolf Abschied nahm, umarmte ihn der Erzherzog und sagte ihm:

»Du allein hältst mich hier zurück. Wenn auch dieses Band zerreißt, dann bleibe ich nicht einen Tag länger in diesem verfluchten Land.«

 

Sonnabend, den neunzehnten Januar, kam Rudolf vormittags aus Budapest zurück. Er hatte Mary zu sich in die Hofburg gebeten. Sie wurde wie stets, von der Gräfin Larisch zu Hause abgeholt und an der gewohnten Stelle der Albrechtsrampe von ihr verlassen. Als Loschek dann von dem ihr schon bekannten Korridor abbog, fiel es Mary auf, daß der alte Kammerdiener sie einen neuen Weg führte.

»Seine Kaiserliche Hoheit erteilt heute Audienzen«, erklärte Loschek auf ihre Frage, »er wünscht die Baronesse in dem Schreibzimmer neben dem Audienzsaal zu empfangen.« Er führte Mary in einen großen Saal, der im Stile Louis XV. weiß und Gold vertäfelt war. Ein antiker Schreibtisch und stoffbespannte Bänke an der Wand bildeten in der einen Hälfte seine nüchterne, zeremonielle Einrichtung. Auf der gegenüberliegenden Seite aber stand ein zweiter moderner Schreibtisch und daneben bildete eine bequeme Sitzgarnitur – Sofa und zwei Fauteuils – einen einladenden Winkel. Dieser Teil des Raumes war von der andern offiziellen Hälfte durch einen großen Wandschirm abgeteilt, der auch eine kleine, in der Vertäfelung kaum sichtbare Türe verbarg.

Der Kronprinz war noch nicht da, aber einige Augenblicke später hörte Mary Stimmen hinter dem Wandschirm, die Türe öffnete sich und Rudolf eilte auf sie zu.

»Ich bin heute mit Arbeit überhäuft, Liebste«, sprach er. »Entschuldige, daß ich dich hierher gebeten habe, aber ich wollte dich so bald wie möglich sehen. Ich muß noch eine Deputation empfangen, dann bin ich frei … Indessen habe ich hier eine kleine Überraschung für dich.« Er zog einen matten, schön gearbeiteten eisernen Ehering aus seiner Tasche und überreichte ihn Mary. »Schau, was darin steht. Du weißt, ich schwärme für Inschriften.«

Mary las: »13. Jänner 1889. I. L. V. B. I. D. T.«

»Ich verstehe nur das Datum, und das ist mir teuer«, sagte sie mit einem glühenden Blick zu Rudolf empor. »Aber erkläre mir auch das übrige.«

Rudolf sprach mit ernster Stimme:

»In Liebe vereint bis in den Tod.«

Mary schmiegte sich an ihn. Sie konnte nicht sprechen. Seine Worte klangen in ihr nach, erweckten ein Bild in ihr, das sie nicht abschütteln konnte. Würde es der Tod sein, der sie für alle Ewigkeit vereinte? Dadurch, daß Rudolf ihn mit der Liebe verknüpfte, wurde ihr der gefürchtete Tod mit einem Male zu einem fast verlockenden Bild von seltsamer Schönheit.

Sie blickte Rudolf in die Augen, und er schloß sie in seine Arme.

»Ich folge dir, wohin du mich führst, mein Geliebter.«

Ein leichtes Klopfen an der Tür trieb sie auseinander.

»Das ist bloß Loschek«, sagte Rudolf, »ängstige dich nicht.« Der Kammerdiener meldete, daß die Deputation schon wartete. »Es wird nicht lange dauern«, sprach der Kronprinz im Forteilen zu Mary, »nur gerade so viel Zeit, als nötig ist, um den guten Leuten ein paar Phrasen mitzugeben. – Du mußt keine Angst haben, du bist hier in sicherer Hut, Loschek wird auf dich achtgeben.«

Mary Frühjahr 1888

Mary Frühjahr 1888

Mary war allein. Sie fühlte sich wie verwandelt; als hätte sich ihr eine neue Welt erschlossen, fern den Gewittern der Erde, von reiner, stiller Luft erfüllt. Rudolfs Worte hatten ihr den Weg gewiesen. Die Stürme und die Sorgen, die sie gequält hatten, waren von ihr abgeglitten. Hier gab es keine Unruhe, keine Kämpfe, keinen herzzerreißenden Abschied, keine Trennungen mehr. Sie war in ein Reich eingezogen, in dem für ewig Friede herrschte, in dem sie für alle Zeiten mit ihm vereint blieb.

Sie stand versunken in ihre beglückenden Gedanken, als der Klang von Stimmen sie aufschreckte. Sie kamen von der kleinen Türe hinter dem Wandschirm. Sie wurde geöffnet und eine weibliche Stimme sprach:

»Wo sind Sie denn, Loschek? Ich habe Sie schon drüben im kleinen Salon meines Sohnes gesucht.«

Dann hörte Mary, wie Loschek stockend, verwirrt antwortete:

»Ich bitte Eure Majestät untertänigst um Vergebung! Seine Kaiserliche Hoheit erteilt heute hier Audienzen, und ich habe ihn begleitet.«

Mary begann hinter dem Wandschirm vor Schreck zu zittern.

»Wie ist er aus Budapest zurückgekehrt?« Die Stimme klang jetzt näher.

»Seine Kaiserliche Hoheit befindet sich wohl … Er hätte ein wenig Ruhe nötig, aber es ist nichts von Bedeutung.«

Mary, in ihrer Angst, unfähig eine Bewegung zu machen, betete zu Gott, er möge die Kaiserin davon abhalten, in die Nähe des Wandschirms zu treten. Würde es ihr gelingen, sich vor Elisabeth verborgen zu halten?

»Melden Sie ihm, daß ich hier war, um mich nach seinem Befinden zu erkundigen.«

»Seine Kaiserliche Hoheit wird von diesem Beweis der Teilnahme Eurer Majestät tief gerührt sein.«

Es herrschte einige Augenblicke Stille. Schon glaubte Mary erlöst zu sein, als die weibliche Stimme von neuem zu hören war:

»Ich will ihm lieber selbst einige Zeilen hinterlassen.« Ein paar leichte Schritte glitten über das Parkett, und die Kaiserin, die hinter dem Wandschirm hervorgetreten war, um an den kleinen Schreibtisch zu eilen, erblickte Mary, die, zitternd, errötend, in ihrer Verwirrung nicht wußte, wie sie sich benehmen sollte. Kaiserin Elisabeth stutzte einen Augenblick, dann sprach sie mit der ausgesuchtesten Höflichkeit:

»Ich wußte nicht, daß ich hier störe.« Und sich lebhaft zu Loschek umwendend, der ihr gefolgt war und dessen Züge die größte Bestürzung ausdrückten, sprach sie: »Sie hätten mir melden sollen, daß die Dame hier wartet … Jetzt lassen Sie uns allein.«

Loschek zog sich mit einer tiefen Verbeugung zurück.

Die Augen der Kaiserin wandten sich wieder zu Mary, die sich so weit gefaßt hatte, daß sie jetzt in einen tiefen Hofknix versank.

»Ich wollte hören, wie es Rudolf geht. Ich werde ihm trotzdem ein paar Zeilen schreiben …«

Sie nahm an dem Schreibtisch Platz, legte ihren Fächer hin, suchte eine Feder und einen Bogen Papier. Dann blickte sie Mary von neuem an.

»Sie haben meinen Sohn heute morgen gesehen?«

»Ja, Eure Majestät«, antwortete Mary mit kaum vernehmbarer Stimme und versank wieder in eine tiefe Verbeugung.

»Sieht er wenigstens gut aus?«

»Er schien ein wenig müde.«

»Der arme Junge!« sprach die Kaiserin vor sich hin, während sie sich erhob. »Das Schicksal ist blind, und seine Fügungen regelt der Zufall. Er war für das Leben, das ich ihm gegeben habe, nicht geschaffen.«

Ihre Stimme, ihre Art, einzelne Worte hervorzuheben, und selbst der Sinn ihrer Worte erinnerten Mary so lebhaft an Rudolf, daß ihre Furcht verschwand und nur noch eine tiefe Ergriffenheit in ihr zurückblieb.

Die Kaiserin nahm ihren Fächer wieder auf. Sie machte einige Schritte gegen den Wandschirm. Würde sie schon gehen? Jetzt wünschte Mary fast, daß sie noch bliebe. Sie fühlte in dieser feindlichen Umgebung, daß ihr die Kaiserin vielleicht eine Verbündete werden konnte.

Elisabeth schien sich nach kaum merklichem Zögern anders zu besinnen. Sie kam zu Mary zurück und sprach:

»Ich gehe nicht mehr aus, Sie sind mir noch niemals begegnet, ich weiß aber trotzdem, wer Sie sind. Unsere Wege hätten sich nicht kreuzen dürfen; da uns ein Zufall aber doch zusammengeführt hat, will ich diesen Augenblick nicht vorbeigehen lassen. – Nehmen Sie Platz.« Sie wies auf einen Fauteuil und setzte sich selbst auf das Sofa. Dann fächelte sie sich einige Augenblicke und betrachtete Mary. »Sie sind noch reizender, als man mir berichtet hat. Und wie jung Sie noch sind! Sie darf man wohl noch nach dem Alter fragen?«

»Ich bin siebzehn Jahre, Eure Majestät.«

»Siebzehn Jahre!« wiederholte die Kaiserin. »Kann man wirklich siebzehn Jahre alt sein?« Sie schwieg einen Augenblick und dann sprach sie wieder vor sich hin, als hätte sie Mary ganz vergessen: »Mit siebzehn Jahren war ich schon verheiratet und schon unglücklich. – Und doch war ich ebenso jung und ebenso schön wie Sie!«

Mary hatte den Mut, einzuwerfen:

»Eure Majestät sind immer noch schön.«

»Wie eine alte Frau.« Die Kaiserin hatte diese Worte hervorgestoßen, als fielen sie wie Meißelschläge auf den Grabstein, unter dem seit langem ihre Jugend eingesargt war.

Ein neues Schweigen entstand. Mary wagte nicht, die Augen zu erheben. Sie hörte nur das leise Rascheln des Fächers. Dann nahm die Kaiserin wieder das Wort:

»Welche strahlende Jugend, welche Anmut! Wie vergeblich wehren wir uns gegen die Jahre. Diese kindlichen, glatten Wangen, dieses Feuer der Augen, dieser Zauber der Jugend – alles ist unwiederbringlich, was einmal entschwunden ist … Nur die Jugend ist schön, nur die Jugend hat immer recht. Die Jungen täuschen sich nicht. Alles, was sie tun, ist gut … Die Welt gehört ihnen. Man müßte jung sterben …« Sie hing einen Augenblick ihren Gedanken nach und sprach dann in verändertem Ton weiter: »Ich träume ganz laut vor mich hin, wie eben jemand, der seit langem in der Einsamkeit lebt … Ich will jetzt gehen. Mein Sohn darf uns nicht zusammen finden. Aber es freut mich, daß ich Sie gesehen habe. Jetzt freut es mich, da ich weiß, daß Sie schön und gut sind. Es ist kein Falsch an Ihnen … Wie gern würde ich meinen Sohn glücklich sehen. Die Jahre sind kurz, in denen man glücklich sein kann, und doch sind es die einzigen, die zählen … Aber für einen Fürsten ist es noch schwieriger, das Glück zu erreichen. Oft habe ich Mitleid mit ihm … Ich sage ihm nichts davon, diese Sentimentalitäten führen zu nichts Gutem … Wir leben zwischen düsteren Mauern … Sie erscheinen hier wie eine Blume. Sie sollten nicht wiederkommen. Die Luft hier ist nicht zuträglich. Blumen welken schnell bei uns … Lassen Sie sich umarmen, mein Kind, Sie stehen meinem Herzen sehr nahe.« Sie erhob sich, zog Marys Kopf an sich und küßte sie auf die Stirn. Dann schritt sie mit hocherhobenem Haupt sehr schnell aus dem Saal. Die Schleppe ihres schwarzen Seidenkleides rauschte über den Boden.

Mary sank erschüttert auf das Sofa, vergrub ihr Gesicht in den Händen und weinte leise vor sich hin. Indessen öffnete sich, ohne daß sie es bemerkte, die große doppelflügelige Tür des Audienzsaales, Rudolf stand auf der Schwelle und verabschiedete sich von der Deputation: »Ich danke Ihnen, meine Herren, auf Wiedersehen.« Die Tür schloß sich hinter ihm, er trat näher und sah Mary, auf das Sofa gesunken, wie ein kleines Kind weinen. Er trat rasch zu ihr hin, streichelte sie und fragte nach dem Grund ihrer Tränen. Mary erzählte ihm, was sie erlebt hatte.

»Ich war so erschrocken, daß ich kein Wort hervorbringen konnte. Ich hatte Angst, aber grundlose Angst. Bald fühlte ich, daß wenigstens sie uns nicht trennen wollte. Aber … etwas umschwebt die Kaiserin  … Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, eine Größe … ein Fernsein … auch etwas Geheimnisvolles, als wüßte sie um Dinge, die uns andern unbekannt sind … Die Worte, die sie spricht, sind ganz einfach, und doch liegt ein tiefer Sinn in ihnen. Glaube nicht, daß sie mir Furcht machen wollte. Im Gegenteil, sie war sehr gut zu mir, sogar zärtlich. Sie hat mich geküßt … Aber es schien mir fast, als würde sie tiefer blicken, als ich zu sehen vermag, als hätte sie Mitleid mit mir, mit uns beiden, als würde uns ein großes Unglück bedrohen … Sie hat natürlich nichts dergleichen gesagt … aber ich fühlte es aus ihrem ganzen Wesen, aus ihrer Art, mich anzusehen, aus ihrem Verstummen … Das hat mich so verwirrt, daß ich meine Tränen nicht zurückhalten konnte, als sie fortging; wie ein dummes Kind, ganz ohne Grund mußte ich weinen … Und dabei bin ich doch so glücklich, Rudolf«, sie schlang ihre Arme um seinen Hals und fuhr fort: »Es könnte nur ein wirkliches Unglück für mich geben: die Trennung von dir; aber der Ring, den du mir heute geschenkt hast, verscheucht diese Sorge.«


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