Claude Anet
Ariane
Claude Anet

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XXII

Am nächsten Morgen, es war ein grauer Februartag, erwachten sie spät. – Konstantin stand zuerst auf. Erst als er angekleidet war – es war elf Uhr vorbei – entschloß sich Ariane, das Bett zu verlassen.

Sie setzte sich auf einen Sessel, mit dem Rücken zu Konstantin, der vom Hintergrund des Zimmers ihre reizvolle, kindliche Silhouette bewunderte, die sich im dünnen Hemd vom fahlen Licht des Fensters abhob.

Und ganz in ihre Beschäftigung versunken, einen Seidenstrumpf zu untersuchen, an dessen Ende sie ein Loch entdeckt hatte, ohne ihre Stellung zu verändern, mit einer klanglosen Stimme, als bäte sie ihn, dem Zimmermädchen zu läuten, sprach sie zu ihm:

»Was hilft es dir eigentlich, daß du klüger und gebildeter bist als andere? Weißt du es wirklich nicht, daß ich unberührt zu dir kam und mich vorher keinem Mann gegeben hatte?«

Diese Worte fielen in die Stille des Zimmers. Konstantin war es, als setze sein Herz aus, als wäre der Raum, plötzlich von strahlender Glut erleuchtet, ins Unendliche gewachsen. – Er meinte umzusinken. In derselben Sekunde, da er ihre Worte vernahm, verstand er, daß dies endlich die volle Wahrheit sei. Die Erinnerung an ihre erste Nacht leuchtete wie ein Blitz in seinem Gedächtnis auf, er hörte eine kindlich-demütige Stimme zittern: »Aber ich wehre mich ja nicht.« Er erinnerte sich auch des unverständlichen Widerstandes, der roten Spuren auf dem weißen Bett. – Aber er brauchte diese Erinnerung, diese Beweise nicht. Eine höhere Wahrheit hatte sich durchgesetzt und alle Zweifel vertrieben, wie das Licht die Nacht verdrängt. Überwältigt von der Gewalt der Empfindungen, die ihn bestürmten, schwankte er; er vermochte weder zu sprechen, noch Ariane ins Auge zu sehen. Wie sollte er jetzt ihren Blick ertragen? Er brauchte Einsamkeit, freie Luft, Bewegung. Mit Anstrengung nur machte er die wenigen Schritte bis zur Türe und verließ das Zimmer.


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