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XII.
Zwischen zwei Heiligen

In dem Register der Weltgeschichte, die darin der Namen so viele eingetragen hat mit unauslöschlichen Zügen, finden wir ernste und erhabene Gestalten, um deren Haupt die Aureole eines heiligen Lebens schwebt, Gottlob nicht allzuselten. Kaiser und Könige wallen daher in dieser heiligen kleinen Schar, deren Namen der Geschichte angehören, doch unter ihnen sehen wir zwei Frauen, rührend in ihrer einfachen, schlichten Frömmigkeit, umflossen von dem Glanze einer Schönheit, die ihren Zauber von innen heraus erhielt durch den Abglanz ihrer reinen makellosen Herzen, die keinen Fehl kannten, in deren Falten keine menschliche Schwäche sich barg.

Die eine ist die heilige Hedwig, Herzogin von Schlesien, die andere die heilige Elisabeth, Landgräfin von Thüringen – zwei Lilien, entsprossen an ein und demselben Zweige, Tante und Nichte, und zwischen ihnen, gleichfalls an demselben Stamme und doch wie von fremder Hand aufokuliert, eine fremdartige Blüte voll berauschenden Duftes, verderblich, wie es heißt, und doch vielleicht nur verkannt – die Mutter der heiligen Elisabeth: Gertrud, Gräfin von Andechs und Prinzessin von Meran, Königin von Ungarn.

Die Grafen von Andechs, die im Mittelalter eine so hervorragende Stellung im Reiche einnahmen, sollen von Herzog Arnulph I., dem Bösen, von Bayern abstammen. Unwahrscheinlich ist diese Annahme nicht, denn Andechs, Diessen und Wolfrathshausen, die als des Geschlechtes Wiege anzusehen sind, bilden einen beträchtlichen Teil von Oberbayern. Razzo, Graf von Diessen, der als des Geschlechtes Ahnherr urkundlich aufgeführt wird, baute das Kloster am Ammersee, unweit des Schlosses Andechs. Sein Sohn, Friedrich I., führte zuerst den Titel eines Grafen von Andechs und muß um das Jahr 1010 gestorben sein. Sein Urenkel Berthold II., wurde 1173 Markgraf von Istrien und dessen Sohn, Graf Berthold III. von Andechs, wurde 1180 Herzog von Dalmatien, nannte sich aber Herzog von Meran nach dem Schlosse Meran in Tirol, das er vornehmlich bewohnte. Dalmatien scheint durch einen Statthalter verwaltet worden zu sein, denn es ist nirgends ersichtlich, daß Herzog Berthold sich je dort aufgehalten – wahrscheinlich war die Belehnung überhaupt nur eine formelle, sozusagen ein Titel ohne Mittel, wie denn der Herzogstitel von Meran auch absolut ohne Konsequenz war auf die Regierung in Tirol, die ein kaiserlicher Statthalter versah, der nicht der Graf von Andechs war. Durch das Markgrafentum von Istrien hingegen hatte derselbe Sitz und Stimme unter den deutschen Fürsten und nicht diese allein, sondern die mächtigsten der ausländischen Potentaten auch, bemühten sich gern, in Familienverbindungen mit dem Hause Andechs zu treten.

Berthold III., Graf von Andechs und Herzog von Meran, mit dessen Familie wir uns hier näher beschäftigen wollen, folgte seinem Vater 1187 in der Regierung. Geboren um 1150, vermählte er sich um 1170 mit Agnes von Wettin, Gräfin von Rochlitz, der jüngsten Tochter Graf Dedos V. von Rochlitz, der ein Sohn des Markgrafen Konrad von Meißen war, und der Gräfin Mechtildis, einer geborenen Gräfin von Heinsberg und Falkenburg. Von den Geschwistern des Herzogs Berthold war der einzige Bruder Bischof von Bamberg, vier seiner Schwestern waren vermählt mit den Grafen von Hohenburg, Eberstein, Henneberg und einem Prinzen von Slavonien, während die jüngste Klosterfrau war, und als Äbtissin von Gerbstadt starb.

Aus der Ehe des Herzogs Berthold III. mit der Gräfin Agnes von Wettin erblühten acht Kinder, von denen namentlich die vier Töchter recht wechselnde Lebensschicksale hatten – drei von ihnen trugen Kronen, doch waren diese reichlich mit Dornen durchflochten, wie es Kronen ja so oft zu sein pflegen.

Die Genealogieen der Grafen von Andechs stellen wechselnd einmal die vier Söhne des Herzogs Berthold III., dann wieder seine vier Töchter als seine erstgeborenen Kinder hin. Beides ist unrichtig, denn nach den vorhandenen Daten muß die Reihenfolge eine ganz andere gewesen sein. Man gestatte uns, dieselbe wie nachstehend aufzuführen:

1. Hedwig, geboren 1174, scheint das älteste Kind des Herzogs gewesen zu sein. Sie wurde zehn oder elf Jahre alt, nach damaliger Sitte, mit Herzog Heinrich I., dem Bärtigen, von Schlesien, zu Breslau vermählt, und hat in ihrer neuen Heimat ein Andenken hinterlassen, dessen Segen heut noch nicht erloschen ist. Eine makellose Frau, Mutter und Fürstin, gilt sie nicht nur in Schlesien allein als ein Muster aller weiblichen Tugenden. Fünf Jahre nach ihrem edeln Gemahl starb sie am 15. Oktober 1243 im Geruche der Heiligkeit, schon 1267 wurde sie von der Kirche kanonisiert und wird als Schutzpatronin von Schlesien verehrt.

2. Mechtilde, die zweite Tochter und zugleich das zweitälteste Kind, muß frühzeitig schon den Schleier genommen haben und zwar im Kloster zu Kitzingen, als dessen Äbtissin sie 1254 starb.

3. Als dritter in der Reihe der herzoglichen Geschwister dürfte hier der Prinz Eckbert kommen, weil er schon am 13. Januar 1203 von dem Bamberger Domkapitel zum Bischof von Bamberg gewählt wurde, indes die päpstliche Bestätigung nicht erhielt, weil er noch nicht volljährig war. Indes dürfte er unter 25 Jahren kaum gezählt haben, da er sich nach seiner Verwerfung alsbald nach Rom begab und seine Bestätigung daselbst auch erhielt, was in einem früheren Alter kaum zu erwarten gewesen wäre, da das Bistum Bamberg kein erbliches, wie z. B. Lübeck, Hildesheim u. a., war. Der Bischof Eckbert aber war, wie die meisten Kirchenfürsten jener Zeit, ein gar streitbarer Herr, der sich in weltliche Händel gern einmischte. So hatte er sich schon 1207 vor dem Augsburger Reichstage darüber zu verantworten, mit seinem Schwager, dem Könige von Ungarn, gegen das deutsche Reich verbunden zu haben und als 1208 der römische König Philipp von Otto von Wittelsbach im Schlosse zu Bamberg ermordet wurde, kam Eckbert von Meran in so dringenden Verdacht der Mitwisserschaft, daß Kaiser Otto IV. ihn 1209 in Acht that und Papst Innocenz III. ihn seines bischöflichen Amtes entsetzte. Er begab sich nach Ungarn, wo er bis zum Jahre 1214 blieb und dort auch Zeuge der Tragödie seiner Schwester gewesen sein muß, was wohl auch der Grund war, daß man seinen Namen häufig damit verquickt hat. 1214 wurde die über ihn verhängte Acht aufgehoben und er in seinem Bistum restituiert, doch machte er, um sein voriges Vergehen zu sühnen, den Kreuzzug von 1217 bis 1219 mit. Im Jahre 1227 nahm er seine Nichte, die heilige Landgräfin Elisabeth, auf ihrer Flucht vor ihrem schlimmen Schwager, Heinrich Raspe, auf, und 1234 wurde er Vormund von seines Bruders Kindern und Regent seiner väterlichen Lande. 1236 finden wir den Bischof Eckbert als Feldherrn an der Spitze eines kaiserlichen Heeres im Kampfe gegen den Herzog Friedrich von Österreich. Er schien in dieser Rolle so recht in seinem eigentlichen Element, denn der Chronist ist seines Ruhmes voll über seine Umsicht, Tapferkeit und strategische Klugheit. Am 5. Juni 1235 starb er als kaiserlicher Statthalter zu Wien, er liegt zu Bamberg begraben.

4. Agnes Maria von Meran muß als vierte der Geschwister etwa 1180 geboren sein, denn sie war eine erblühte Jungfrau, als König Philipp II. August von Frankreich sie zur Gemahlin begehrte. Einer der mächtigsten Monarchen Europas – das muß dem Stolze des Herzogs von Meran dermaßen geschmeichelt haben, daß er über manches hinwegsah, was anderen ein unübersteigbares Hindernis erschienen wäre. Zunächst bot König Philipp August einem sorgenden Vater wenig oder gar keine Garantie für das Glück seines Kindes. Nicht allein, daß seine Moral eine sehr lockere war, die Erfahrung, die mit seinen ersten Ehen vorlag, hätte müssen eine drohende Warnung sein. In erster Ehe vermählt mit der Gräfin Elisabeth von Flandern, die ihm den Thronerben, den späteren Vater Ludwigs des Heiligen, schenkte, brach er seiner jungen Gemahlin damals schon das Herz durch seine fortgesetzte Untreue, und als der Tod sie am 15. März 1190 samt ihren eben geborenen Zwillingen, kaum zwanzig Jahre alt, erlöste, wurde das Leben des Königs ein ganz zügelloses. Dann drang der Ruf der Schönheit der Prinzessin Ingeborg von Dänemark, König Waldemars I. Tochter bis zu ihm hin. Er ließ um sie werben und erhielt ihre Hand. Am 14. August 1193 empfing er sie zu Reims als seine Braut und führte sie direkt nach ihrem Eintreffen in den Dom zur Trauung – aber er war enttäuscht, ihre eigenartige Schönheit gefiel ihm nicht. Statt in den Königspalast ließ er sie in ein Kloster bringen, und dort nicht gerade königlich behandeln, und als ihr Stolz sich dagegen empörte, verstieß er sie kurzweg unter der Angabe, daß irgend welche Zeremonie bei der Trauung die Gültigkeit derselben in Frage gestellt hätte. Nur gefolgt von ihrem eigenen Gefolge, verließ die unglückliche Königin – denn das war sie nach Recht und Gesetz – am 4. November 1193, nach kaum drei Monaten, Frankreich wieder und irrte, Schutz und Recht suchend, umher, die Welt erfüllend mit ihrer lauten Klage, mit ihrem Proteste gegen das ihr zugefügte Unrecht. Den König kümmerte das blutwenig – er hatte die Macht und er fühlte sich so frei, daß er sich, unbekümmert um die Verstoßene, umthat nach einer anderen Braut. Die schöne junge Tochter des Herzogs von Meran schien ihm in jeder Weise geeignet, den Platz der Königin neben ihm auszufüllen, nachdem Agnes von Hohenstaufen, die Erbin der Pfalz, seiner Werbung entschiedenen Widerstand entgegengesetzt. Die Stellung der neuen Gemahlin König Philipp Augusts war auch durchaus nicht unanfechtbar, denn trotz der manifestierten Ungültigkeit seiner Trauung mit Ingeborg von Dänemark hatte kein anderer als der Wille des Königs selbst die Ehe gelöst, die doch nun einmal geschlossen war, und ehe der Papst zu Rom die Ehe nicht für Null und Nichtig erklärte, eher durfte sie auch niemand als nicht bestehend betrachten. Doch mit allerhand Spitzfindigkeiten und Sophismen kann man sich die Dinge, die man wünscht, immer zurechtlegen, wie sie einem gerade passen, und so scheint sich auch der Herzog von Meran die blendende Krone für seine Tochter annehmbar gemacht zu haben, trotz der vielen warnenden Stimmen, die sich dagegen erhoben. Im Juni 1196 traf die Prinzessin Agnes Maria von Meran in Paris ein und hatte das Glück, dem König ausnehmend zu gefallen, wenn man das in dem vorliegenden Falle nämlich für ein Glück halten kann. Die Überlieferung schildert die junge Königin als eine wunderbare Schönheit mit goldigem Haar und dunkeln Augen und rühmt ihre Sanftmut, Milde, Herzensgüte und Großmut, so, daß die Liebe und fast ehrfurchtsvolle Verehrung, die den König für sie erfüllte, eine nur zu wohl verdiente Entschädigung erscheint für die kurze Spanne Zeit, die ihr beschieden war. Denn König Waldemar von Dänemark erhob sehr bald Protest gegen diese neue Ehe im Namen seiner Tochter, und da König Philipp August diesen Protest einfach ad acta legte, so wandte sich der König von Dänemark mit seiner Klage an den päpstlichen Stuhl. Papst Innocenz III. nahm nun sofort eine strenge Untersuchung der Angelegenheit vor, und da es sich daraus ergab, daß die Ehe des Königs von Frankreich mit Ingeborg von Dänemark in allen Punkten unanfechtbar sei, so erklärte er die mit Agnes Maria von Meran für ungültig. Auch das nahm Philipp August sehr gleichmütig auf und – ließ es dabei. Der König von Dänemark aber gab sich nicht zufrieden, er bezichtete seinen Schwiegersohn böser Dinge und erneute seine Klage zu Rom. Der Papst aber, der im Guten mit den renitenten allerchristlichsten König nichts ausrichten konnte, griff nun zum letzten Mittel: er belegte den König und sein ganzes Reich mit dem Bann, und damit sah König Philipp August sich geschlagen, denn, was er persönlich vielleicht mit Trotz aufnehmen konnte, das durfte er für sein ganzes Reich nicht thun und mit, wie es scheint, aufrichtiger Trauer, schickte er seine an Leib und Seele gebrochene und vernichtete Gemahlin mit ihren zwei Kindern im Jahre 1200 fort von sich nach dem Schlosse Poissy, das er ihr als künftige Residenz anwies. Am 2. November des nämlichen Jahres erklärte eine päpstliche Bulle die beiden Kinder, Maria und Philipp, für legitimiert, doch die arme Königin Agnes Maria konnte dieser ihr allein bezeugte Achtungsbeweis nicht über das erlittene Leid mehr trösten – gebrochenen Herzens siechte sie dahin in ihrem Gram – für sie war alles ja verloren: Heimat, Eltern, Geschwister, Gemahl, Thron und Ehre, sie war nichts, als ein verstoßenes, gebrandmarktes Weib, und ein Jahr nach ihrer Verbannung nahm der Tod sie am 20. Juli 1201 im Frühling ihres Lebens hinweg aus der Welt, die nichts für sie gewesen, als ein Thal der Thränen. König Philipp August trauerte tief um sie und ließ sie mit den Ehren einer regierenden Königin zu Mante in der Kirche beisetzen, neben der er zu ihrem Gedächtnis ein Kloster erbaute. Erst 1213 entschloß er sich indes, die verstoßene Königin Ingeborg wieder bei sich aufzunehmen – sie hat ihn lange überlebt, und wir wissen nicht, ob die zehnjährige, kinderlose Ehe, die sie noch mit ihm verband, ihr neben der Befriedigung ihres versöhnten Stolzes, auch ein inneres Glück gebracht.

5. Berthold IV., Graf von Andechs, das fünfte Kind Herzog Bertholds III. von Meran, widmete sich gleichfalls dem geistlichen Stande und begann seine Laufbahn als Dompropst zu Bamberg. Durch seine Schwester, die Königin von Ungarn, erlangte er das Erzbistum von Kolocsa und behauptete es auch trotz aller gegen ihn gesponnenen Intriguen der ungarischen Magnaten, die eifersüchtig darauf waren, daß die zweithöchste geistliche Würde in Ungarn einem Ausländer verliehen wurde. Doch erst 1213 erlangte er den Titel eines Erzbischofs und schon zwei Jahre zuvor hatte der König ihn zum Ban oder Herrn von Slavonien und Dalmatien ernannt. Das alles war mit eine der größten Ursachen zu der Tragödie seiner Schwester, nach der er das Reich als ein Flüchtling verlassen mußte, die Juwelen der Königin mit sich nehmend, die er jedoch im kommenden Jahre wieder ausgeliefert zu haben scheint, denn er wurde damals zum Woywoden von Siebenbürgen ernannt. 1218 wurde er zum Patriarchen von Aquileja erwählt und am 17. März durch eine päpstliche Bulle bestätigt. Kriegerisch, wie die Zeiten dazumal waren, hat auch er oft genug zu den Waffen greifen müssen, besonders, nachdem er 1237 zum Reichsstatthalter des Herzogtums Österreich ernannt worden war, und seine Heereszüge für Kaiser Friedrich II. brachten ihn sogar unter den päpstlichen Bann, von dem er 1241 wieder befreit wurde. Nach einem rastlos bewegten Leben, das ihm kaum erlaubte, die Waffen aus der Hand zu legen, starb er am 23. Mai 1251 als der letzte seines Stammes, der in der männlichen Linie mit ihm ausstarb.

6. Herzog Otto VI., Bertholds IV. Bruder, folgte seinem Vater 1204 als Herzog von Meran und Dalmatien in der Regierung. Er vermählte sich 1208 mit Beatrix, Pfalzgräfin von Burgund und Erbin dieses Landes und mußte um das Erbe seiner Gemahlin gleich schweren Krieg führen, der sich so fortdauernd erneuerte, daß er die Pfalzgrafschaft Hoch-Burgund oder Franche-Comtè 1227 an den Grafen Theobald von Champagne, späteren König von Navarra, verpfändete. Zu manch anderem Ländertausch und Verkauf zwangen ihn die Zeitläufte oft genug und sein Bruder Berthold, der Patriarch von Aquileja, zwang ihm die Markgrafschaft Istrien auch ab. Gegen den Herzog von Bayern und den Grafen von Tirol führte er ununterbrochen Kriege, und pilgerte auch mit seinem Schwager, dem Könige von Ungarn, ins heilige Land. Er starb am 6. Mai 1234; seine Gemahlin war ihm schon 1231 im Tode vorausgegangen, und sein Sohn und Erbe, Herzog Otto VII., folgte ihm 1248, vierundzwanzig Jahre alt, verlobt mit Blanche, Gräfin von Champagne. Seine fünf Töchter waren sämtlich vermählt und zwar mit den Grasen von Châlons, Orlamünde und Truhendingen, dem Burggrafen Friedrich III. von Nürnberg und Herzog Friedrich II. von Österreich, gegen den ihre Oheime Eckbert und Berthold die schon erwähnten Kriege führten, welche, wie es scheint, auch die Trennung dieser Ehe veranlaßten, die 1243 erfolgte. Sie suchte Schutz in Ungarn und veranlaßte auch einen Einfall der Ungarn in ihres Gemahls Länder. Sie vermählte sich in der Folge nochmals mit dem Herzog Ulrich von Kärnthen und ihr Tod hat dann noch zu großen Erbschaftstreitigkeiten Veranlassung gegeben.

7. Das siebente Kind Herzog Bertholds III. war Heinrich III., der ihm als Markgraf von Istrien in der Regierung folgte und auch Schutzvogt von Tegernsee war. Innig befreundet mit dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, beschuldigt ihn die Geschichte, daß er jenem den üblen Rat zur Rache an dem deutschen König Philipp gegeben. Jedenfalls wurde er als Mitwisser des Königsmordes des Reichslehens beraubt und in Acht und Bann gethan. Er floh zu seiner Schwester nach Ungarn und sicher ist es dieser Bruder, der den Namen herzugeben hatte für die Entwickelung der Tragödie, der sie zum Opfer fiel. Markgraf Heinrich erlangte 1214 die Aufhebung der über ihn verhängten Reichsacht und starb zu Grassau am Chiemsee 1228, ohne Kinder aus seiner wohl erst spät geschlossenen Ehe mit der Erbgräfin Sophie von Weichselberg zu hinterlassen. Seine Witwe überlebte ihn um 28 Jahre. Die älteren Schriftsteller nennen sie die Markgräfin von Andechs, und sie starb als Klosterfrau des Frauenordens zu Admont.

8. Als jüngstes Kind des Herzogs Berthold III. glauben wir die Prinzessin Gertrud annehmen zu dürfen. Sie vermählte sich 1205 mit König Andreas II. von Ungarn und ward schon 1206 Mutter König Belas IV., man irrt wohl daher kaum, wenn man annimmt, daß sie 1190 oder kurz vorher geboren sein muß. Älter dürfte sie kaum gewesen sein, aber sicher auch nicht jünger, das ist schon aus der Thatkraft zu entnehmen, die sie sogleich beim Antritt ihrer neuen Lebensstellung entwickelte. Eine merkwürdige Frau muß sie gewesen sein, wie sie denn auch eine der schönsten ihrer Zeit war, hochbegabt, vielbewundert, und vielgeschmäht und noch ist das Dunkel nicht gelüftet, das einen schwarzen Schleier über sie breitet, über diese Frauengestalt zwischen zwei Heiligen, die Schwester der heiligen Hedwig, die Mutter der heiligen Elisabeth. –

Eine kaum eben erst erblühte Jungfrau, wurde sie von Andreas II., der den Thron auch kürzlich erst bestiegen hatte, zur Königin begehrt und gleichzeitig mit ihm gekrönt. Auch er muß ein seltsamer Mensch gewesen sein. Als jüngerer Sohn, König Belas III., um 1180 geboren, führte er den Titel eines Herzogs von Slavonien, und notorisch ist es, daß er seinem Bruder, dem König Emerich, der 1196 zur Regierung kam, durch fortwährende Unruhstiftung viel zu schaffen machte, und diese Unruhen bezweckten nichts anderes, als sein eigenes Gelüste nach dem Throne und den Sturz seines Halbbruders. Auch als nach dessen Tode sein Neffe Ladislaus III., ein zarter Knabe, den Thron bestieg, versuchte er es, denselben zu verdrängen, und als Ladislaus am 7. Mai 1205, dreizehn Jahre alt, starb, wollte die Fama wissen, daß Andreas II. seine Hand dabei im Spiele gehabt und viele Chronisten haben das Gerücht wiederholt, doch die Beweise für diese Behauptung sind nirgends zu finden, was wohl auch kaum zu erwarten ist, denn wenn sie existierten, sind sie sicher vernichtet worden. Als Andreas II. aber den so heiß erstrebten und ersehnten Thron bestiegen hatte, wurde er seltsam lässig in der Wahrnehmung der Regierungsgeschäfte und kümmerte sich sozusagen um nichts. Hier griff die Königin nun mit seltener Energie ein und bald liefen alle Fäden der Regierung in ihren Händen zusammen. Ihren zwei Kindern, dem späteren König Bela IV. und der Prinzessin Elisabeth, der Heiligen, soll sie eine zärtliche und weise Mutter gewesen sein; der Entschluß, das zarte, vierjährige Kind, nachdem es mit dem Sohne des Landgrafen Hermann von Thüringen verlobt worden war, zur Erziehung und damit auf Nimmerwiedersehen an den Hof ihres künftigen Gatten ziehen zu lassen, muß ihr demnach ein Stück ihres Herzens gekostet haben, wenn es ja für die damaligen Zeiten auch ganz üblich war, die Töchter im zartesten Alter zur Erziehung an ihre Schwiegereltern hinzugeben. Alles, was die Königin Gertrud im Reiche und nach außen anordnete, wird von ihren Biographen als klug, wohlüberlegt und gut beurteilt, dennoch aber wuchs gegen sie ein Feind empor, den sie nicht erkannt zu haben scheint, dem gegenüber sie blind schien und es war niemand da, der ihr die Augen geöffnet hätte über die drohende Gefahr, die über ihr schwebte, ohne daß sie dieselbe geahnt haben muß. Es ist aber auch möglich, daß sie den Feind sah, ihn unterschätzte, oder ihm trotzte in dem Bewußtsein ihrer Macht; das ist bei einem Charakter, wie dem ihrigen, sicherlich keine fehlgegriffene Annahme. Der Feind aber, den wir meinen, waren die ungarischen Magnaten, die es zwar guthießen, daß die Königin dem Handel und dem Ackerbau eine Aufmerkmerksamkeit schenkte, die beide entschieden in die Höhe brachten, die es auch noch ohne Neid sahen, daß die Königin für sich und ihre Kinder große Besitztümer an Landgütern, Gold und Juwelen sammelte, um so mehr, als sie mit königlichen Geschenken an ihre Umgebung durchaus nicht kargte, die aber mit steigender Unzufriedenheit, Mißgunst und Eifersucht zusahen, wie die Königin Ausländer und darunter vornehmlich ihre eigenen Landsleute nach Ungarn zog und ihnen da die wichtigsten und vornehmsten Ämter verlieh, wie z. B. ihrem Bruder, dem Prinzen Berthold, wie schon erwähnt, das Erzbistum Koloesa. Dazu kam, daß sie zwei ihrer anderen Brüder, dem Bischof Eckbert von Bamberg und dem Markgrafen Heinrich, als diese unter der Reichsacht standen, ein Asyl in Ungarn bot; »fremde Bettler würden ihnen aufgebürdet«, klagten die Ungarn. Namentlich aber war es die Verleihung des Erzbistums Kolocsa an den Prinzen Berthold, die wie ein zündender Blitz unter die Magnaten fuhr. Es war dies die zweithöchste kirchliche Ehrenstelle im Reiche und der Wunsch, daß dieselbe einem Angehörigen des Königreiches verliehen werden möchte, sicher wohlberechtigt. Aber was ihre Familie anbetraf, scheint die Königin ihre Staatsklugheit im Stiche gelassen zu haben, oder sie glaubte, der Eifersucht der Magnaten erfolgreich trotzen zu können. Das war der große Irrtum ihres Lebens, denn wo Nationalstolz und Eigenliebe zugleich verletzt werden, sind die schwersten Konsequenzen in unmittelbarer Nähe zu suchen. Und die Krisis kam, denn Kolocsa brachte sie zum Ausbruch und ein Aufstand der ungarischen Großen war die unmittelbare Folge davon. Dennoch wurde der Aufstand, wie man sagt, hauptsächlich durch die Klugheit der Königin unterdrückt und äußerlich herrschte wieder Frieden. Das geschah im Sommer des Jahres 1213. Kaum, daß der Frieden im Innern wieder hergestellt war, wurde der König Andreas, der bei allem bisher ein ganz passiver Zuschauer war, genötigt, sich an die Spitze seines Heeres zu stellen zu einem Feldzuge gegen Halicz. Er ernannte die Königin zur Regentin unter Assistenz des Reichspalatins und zog hinweg. Das war das Signal zur That der Verschwörer, die ihren Haß nun nicht mehr bändigen konnten.

Es war in der Nacht vom 28. zum 29. September, als die Königin auf ihrem Lager emporfuhr – sie hatte im Vorzimmer Sporenklirren gehört, dumpfes, drohendes Geflüster und ein leises Rasseln von Waffen. Noch ehe sie die Hand ausstrecken konnte nach der Glocke, die ihre Frauen herbeirufen sollte, war das Schlafgemach schon voll von Männergestallen, in denen die Königin ohne Mühe bei dem Scheine der Ampel die leitenden Mitglieder der Magnaten erkannten, deren Aufstand erst kürzlich unterdrückt worden war. Sie that keinen Schrei, denn Gertrud von Meran kannte keine Furcht.

»Was wollt ihr hier? Wie könnt ihr wagen, nachts in das Gemach eurer Königin zu dringen?herrschte sie die Männer an, die mit haßerfülltem Blick, die Hand an den Waffen, stetig gegen ihr Lager vorschritten.

Da trat der Obergespan von Bacs, Peter von Wardein vor, und faßte mit der rechten Faust an seinen Gurt, dann hob er den Arm, und ehe die Königin den ihrigen noch abwehrend ihm entgegenstrecken konnte, hatte er ihr den Dolch bis ans Heft ins Herz gestoßen. – Mit einem Schmerzenslaute sank sie zurück – noch ein Zucken, und Gertrud von Meran war tot.

Die Mörder suchten ihr Verbrechen nicht zu verheimlichen. Ohne Hast und ohne Heimlichkeit verließen sie die Königsburg und begaben sich nach dem anderen Teile des Palastes, um dort ihr blutiges Werk fortzusetzen und reinen Tisch zu machen mit allen Ausländern. Von diesen aber hatte man die Brüder der Königin gewarnt, während die Mörder im Königsbau ihr Werk thaten, und beide entkamen zur Not den Verschwörern, die unter dem ausländischen Gefolge der Königin nun ein Blutbad anrichteten.

Ehe noch der König auf die Schreckenskunde von dem Tode seiner Gemahlin, zurückeilen konnte, ward diese schon im Kloster Pilis begraben, doch in derselben Nacht wurde auch Peter von Wardein von einem Anhänger der Königin erschlagen.

Andreas II. kehrte zurück, ernst, trauernd, in sich gekehrt, und die Verschwörer dachten nicht daran, zu leugnen, sondern rühmten sich, in der Königin Gertrud eine lasterhafte Frau und Regentin gerichtet zu haben. Man legte ihr die abstoßende Rolle zur Last, die sie in der Liebestragödie ihres Bruders Heinrich gespielt haben soll – sie ist bekannt durch Grillparzers Drama: »Ein treuer Diener seines Herrn«. – Doch wer kann sagen, ob die Verleumdung jene Geschichte ersonnen, oder ob die Königin wirklich schuldig war?

Wer nun auf ein nachsichtsloses, furchtbares Gericht gerechnet hatte, mußte verwundert sehen, wie der König nicht nur ruhig jene monströsen Anklagen gegen die Tote anhörte, sondern auch keinem der Ankläger zu nahe trat. Er ordnete nicht einmal eine Untersuchung des Falles an, er bestrafte keinen der Mörder, denn Mörder waren sie, die Verschworenen alle, wenn Peter von Wardein auch seine Hand ihrem Entschlüsse geliehen hatte. Dies seltsame Benehmen hat nicht wenig, ja alles dazu beigetragen, um über die Gestalt der Königin jenen dunkeln Schleier zu breiten, der ihren Ruf als Frau so schwer belastet. Im Volke glaubte man nicht an die Wahrheit der Beschuldigungen, welche die Mörder als Erklärung für ihre That vorbrachten, aber wer weiß es nicht, daß ein rollender Schneeball zur Lawine werden kann?

In Thüringen und in Breslau hat man Gertrud von Meran nicht für eine Märtyrerin gehalten, und es laut ausgesprochen, daß, wenn sie nicht in die Hölle gekommen sei, ihre arme Seele dies nur der Fürbitte der beiden heiligen Frauen, Hedwig und Elisabeth, zu danken habe. Ein Zug nach dem heiligen Lande, den der König Andreas zwei Jahre nach dem Tode seiner Gemahlin, in Gesellschaft seines Schwagers Heinrich unternahm, und der ihm den Beinamen »der Jerusalemer« einbrachte, wird auch als eine Pilgerfahrt zum Seelenheile der Königin Gertrud bezeichnet; was aber konnte das dem Gerüchte gegenüber helfen, das der König in keiner Weise verstummen zu machen suchte, das er im Gegenteil nur genährt hat durch sein passives Verhalten vor den Mördern, die er nicht einmal zum Schein zur Rechenschaft zog? Dennoch haben sich Stimmen genug zu Gunsten der Königin gesunden. Der älteste Biograph der heiligen Landgräfin Elisabeth, Theodor, trat auch für sie ein. In seiner » Vita 8. Elisabetliae« sagt er: » Erat autem Andreas rex vir quietus et bonus; Regina vera mulier virtuosa et fortisquae femininae cogitationi virilem animum inferens regni tractabat negotia filiaeque transmittendae procurabat necessaria. – Transmisit quoque cum filia vasa aurea et argentea magna multa et varia – non sunt allata nec visa talia et tarn pulchra pretiosaque ac multa in Thuringia qualia transmisit cum filia.« –

Auch viele andere Schriftsteller wissen von der Königin Gertrud nur, daß sie eine ungewöhnliche, kluge und tugendhafte Frau war; und doch ist das Verhalten des Königs wiederum ein schrecklicher, stummer Ankläger gegen sie. Und wer könnte das Dunkel lichten? Fast 700 Jahre liegen zurück, seit jene grause That geschah – wer vermöchte da noch eine Quelle zu finden, aus der die Wahrheit zu schöpfen ist! Die Sage, die hinter der Geschichte einherschreitet mit ihrem leichten Schritt, und über verfallene Mauern ihr undurchdringliches Netz von Epheu und Dornrosen spinnt, sie hat ihr Werk längst schon gethan, und was damals in der Königsburg zu Ofen geschah, ist kaum mehr zu erkennen. Vielleicht findet sich aber dennoch ein kühner Ritter, wenn auch kein Königssohn, der durch die Dornenhecke dringt und der Königin Gertrud den schwarzen Schleier nimmt, um ihn durch den weißen, fleckenlosen zu ersetzen, wie er der Mutter der heiligen Elisabeth gebührte.

Zur Sage schon sind sie im Laufe der Zeit auch fast geworden, die Grafen von Andechs und Herzoge von Meran, und nur, wer sich versenkt hat in die Blätter jener längst verklungenen Tage, der sieht ihn träumend vor seinen Augen, den letzten, verdorrten Ast dieses großen Hauses, der noch vor seinem Erlöschen so wunderbare Blüten getrieben: den Rittersporn, die knorrige Eiche und den spärlichen Lorbeer, das sind die letzten Grafen von Andechs, das Schwert in der Rechten, in der Linken den Krummstab. –

Und zwischen diesen die letzten Frauen ihres Stammes, Mütter im Mannesstamme erloschener Geschlechter, Blüten, deren Duft längst verwehte. Und mitten unter ihnen die frommen Veilchen Mechtild, Äbtissin von Kitzingen und Agnes Maria, Königin von Frankreich, die reine, fleckenlose Rose Hedwig, Herzogin von Schlesien, und die fremdartige Blume Gertrud, Königin von Ungarn, von deren berauschendem Duft niemand sagen kann, ob er nicht giftig ist, aus deren Herzen aber der Lilien reinste erblühte, die lieblichste der deutschen Fürstinnen und Stammmutter des hessischen Geschlechtes: Elisabeth von Ungarn, Landgräfin von Thüringen, die heilige Frau.

 


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