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XI.
Die Frauen der Tuilerien

Es brachte neulich einmal eine Zeitung – wahrscheinlich weil sie den Raum füllen mußte – die Notiz, die Tuilerien zu Paris sollten wieder aufgebaut werden. Da aber nichts davon verraten wurde, ob die Bourbonen oder die Bonaparte nächstens Aussicht hätten, den Thron von Frankreich wieder zu besteigen, so legte dieser Notiz niemand irgend welche Bedeutung bei, denn daß die französische Republik die Tuilerien, das Wahrzeichen der Monarchie in Frankreich, selbst für ihren Nachfolger wieder aufbauen sollte, das zu glauben war eigentlich, außerhalb der sauren Gurkenzeit, viel verlangt. Aber die thörichte Zeitungsente baute den prächtigen Königspalast doch wieder vor dem geistigen Auge auf mit seiner imposanten, über 300 Meter langen Front, mit seinem Triumphbogen als Einfahrt, mit seinen eleganten fünf Pavillons im elegantesten Stil der französischen Renaissance, – es ist ein Jammer, daß dieser Zeuge einer wunderbar verfeinerten Baukunst der Zerstörungswut eines Pöbels anheimfallen mußte, der wieder da einmal so recht bewiesen hat, wie furchtbar » la bête humaine" werden kann, wenn sie die Schranken der Ordnung durchbricht.

Als der Pariser Pöbel sein Petroleum in die Tuilerien goß und sie anzündete, um die rohe Freude zu haben, sehen zu können, wie es ist, wenn ein Königspalast von diesem Umfange brennt, mögen die Geister aller derer, die ihn einst bewohnt, klagend hinausgeflüchtet sein aus den lohenden Flammen, denn die Volkswut konnte wohl den Palast zerstören, nicht aber das Gedächtnis derer, die ihn 300 Jahre lang bewohnt. Welch ein Stück Weltgeschichte umfassen diese 300 Jahre für Frankreich, welche Wandlungen haben die Mauern der Tuilerien in sich selbst gesehen in den letzten 80 Jahren, die sie stehen durften! Wie oft wurden aus dem Thronsaal die Thronsessel hinausgeschafft und durch andere ersetzt: einmal war der Purpursammet seines Bezuges bestickt mit dem gekrönten » N.", den Adlern der Legionen und den Bienen des Kaiserreichs, dann schmückten ihn wieder die Lilien der Bourbonen und dann das Monogramm » L. P." mit Lorbeeren umrankt, von denen niemand wußte, wo sie gewachsen waren, und zuletzt kam wieder das gekrönte » N." an die Reihe, um mit dem ganzen Palaste schließlich in rauchende Trümmer zu versinken, um welche die Geister der Tuilerien klagend herumzustreichen scheinen, wie einst die Geister des Hades um die rauchende Schale Blutes, mit denen Odysseus sie lockte.

Und unter den Geistern der Tuilerien will es uns scheinen, als ob es die Frauen wären, auf die ein Rückblick sich besonders lohnt. Eine Frau hat den Königspalast erbaut, eine Frau hat in ihm zuletzt residiert, und die anderen Frauen, die zwischen jenen beiden stehen, die den Tuilerien sozusagen als Hausfrauen vorgestanden – von Glück hat keine von ihnen in jenen Mauern sagen können.

Für abergläubische Leute sind die Frauen der Tuilerien eine wahre Fundgrube ihrer Theorie, doch auch wer nicht abergläubisch ist, den wird es wie ein Frösteln überkommen, wenn er diese Reihe glänzender Gestalten betrachtet, die einst dort geherrscht: es war, als ob das Schloß verflucht gewesen wäre für die Frauen auf dem Throne Frankreichs! Düster, in ihrem schwarzen, nonnenartigen Gewande, schreitet die Erbauerin der Tuilerien allen voran, wie ein verkörpertes, mahnendes »Zurück«: Katharina von Medici, die Königin von Frankreich. Ihr giftumhauchtes, grausiges Andenken ist heute noch nicht erloschen, – wo jemals sie geweilt, da erzählt man sich heute noch von einem Fluche, der über den Dingen liegt, die sie berührt, der die Mauern vergiftet, zwischen denen sie geatmet hat. Wie das schwarze Verhängnis Frankreichs, steht ihre düstere Gestalt da, umringt von wimmernden Opfern, den Opfern der Bartholomäusnacht, und denen, die insgeheim ihrer Rache oder sonstigen Zwecken weichen mußten. Sie gehört zu denjenigen Gestalten der Geschichte, deren Rehabilitierung in der öffentlichen Meinung zu dem undankbaren Geschäfte der Mohrenwäscherei gehört: Das beste Wasser, die feinste Seife und der kräftigste Schrupper werden sie nicht weißer machen. Es fiel mir neulich ein Buch in die Hand, in welchem der Nachweis geführt wurde, daß Katharina von Medici aus purer Menschenfreundlichkeit ihre Gifte präparierte und die Bluthochzeit eigentlich ein recht vergnügtes Fest war, – nun, chacun à son gout! Katharina von Medici begann den Bau der Tuilerien 1564 auf der Stätte neben dem Louvre, wo einst Ziegelein standen, – die ihren Namen dem Königspalaste gaben. Der Königin-Witwe von Frankreich war das Louvre zu enge geworden, sie hätte es bald mit einer Schwiegertochter teilen müssen, und für zwei königliche Haushaltungen wollte er zu gedrückt erscheinen. Vielleicht auch wollte Katharina in neuen, helleren und luftigeren Räumen unliebsame Erinnerungen loswerden. So zog sie denn als erste ein in die Tuilerien, eine finstere, düstere Erscheinung, aus deren bleichem Gesichte mit den großen schwarzen Augen kein innerer Friede leuchtete. Den hat sie in dem neuen Palaste auch nicht gefunden, denn das Gewissen zog mit ihr aus dem Louvre hinüber. Es quälte und verfolgte sie mit seinem unablässigen Mahnen, es vergiftete ihr jede Lebensstunde, und was sie an Schmerz fühlen konnte, das blieb ihr nicht erspart. Ihre Söhne und Töchter sah sie fast alle vor sich ins Grab sinken, – nur die Königin von Navarra hat sie eigentlich überlebt, denn als Katharina im Januar 1589 ihren schuldbeladenen Geist aushauchte, da war der letzte ihrer Söhne, König Heinrich III., der letzte Valois, schon dem Tode geweiht, der ihn im August desselben Jahres durch den Dolch Clements erreichen sollte. So stand die Erbauung der Tuilerien durch eine fluchbeladene Hand schon unter einem bösen Stern, und es war wirklich fast, als hätte der Geist der Katharina von Medici als ein düsteres Verhängnis über den sämtlichen Frauen der Tuilerien geschwebt. Das zeigte sich schon bei ihren Schwiegertöchtern, die, alle kinderlos und kaum beachtet von ihren Gatten, ein wenig beneidenswertes Leben hinvegetierten, und die Höhe ihrer Lebensstellung teuer genug erkaufen mußten, weil kein Strahl des Glückes kam, ihr einsames Leben zu erhellen. Die Gemahlin von Katharinas ältestem Sohne, König Franz' II., hatte zwar nach dem Tode ihres Gemahls, also vor der Erbauung der Tuilerien, Frankreich verlassen, um in ihr eigenes Königreich zurückzukehren, aber Maria Stuart hatte Frankreich auch keinen Erben geschenkt und der Haß Katharinas folgte ihr nach in ihre nordische Heimat, und stieg mit ihr die Stufen des Schafotts in Fotheringay-Castle empor, weil sie in Frankreich den Schlingen entgangen war, die ihre Schwiegermutter ihr gelegt.

Die zweite Schwiegertochter Katharinas, die neben ihr die Tuilerien bewohnte, König Karls IX. reizende Gemahlin, war Elisabeth von Österreich, die Tochter des deutschen Kaisers Maximilian II., deren muntere Natur aber keinen Wiederhall fand im Herzen ihres jungen Gemahls, dessen verdüsterter Geist nichts sah als die Leichen der Bartholomäusnacht, nichts hörte, als das Wehklagen der Sterbenden, und endlich, kaum 24 Jahre alt, wimmernd unter seinen Gewissensqualen, starb, mit dem letzten Blicke sein zerstörtes Leben von seiner furchtbaren Mutter fordernd. Elisabeth von Österreich hat als Königin von Frankreich ein ganz stilles, anspruchsloses Leben geführt, aber sie war nichts weniger als unbedeutend. Mit klarem Blick sah sie alles, was um sie vorging, studierte sie ihre Umgebung, und ihre Gestalt ist wie ein Lichtstrahl in ihrer düsteren Umrahmung. Irdisches Glück war ihr nicht beschieden, ihr fehlte, was das Leben ausfüllt und verklärt, und unter demselben Manko trauerte auch ihre Schwägerin, Heinrichs III. vernachlässigte Gemahlin, ihr junges Leben dahin. Luise von Lothringen-Mercoeur war, wie Elisabeth von Österreich, sehr anmutig, ohne gerade direkt schön zu sein, aber ihr fehlte, was jene auszeichnete: der Geist. Von diesem Artikel besaß zwar Heinrich III. selbst nicht allzuviel, und sein Fehlen wird das wenigste gewesen sein, das er bei seiner Gemahlin vermißt hat, aber sie war ihm schrecklich gleichgültig, und ob mit oder ohne Geist: das Glück vermißt sich schwer! Vernachlässigt, verlassen, kinderlos, von ihrer Schwiegermutter mit offener Verachtung behandelt, vegetierte Luise von Lothringen ihr Königsleben dahin – die dritte der Frauen der Tuilerien.

Die vierte, Heinrichs IV. erste Gemahlin, Margarethe von Valois, hat in den Tuilerien nichts weniger als Glück gefunden. Die unter Strömen Blutes zusammengefügte Ehe war eher in der Hölle geschlossen worden, als im Himmel; sie lebte, von dem Gemahl getrennt, meist in der Auvergne, wo sie keinen musterhaften Lebenswandel führte. Geistsprühend, graziös, unterhaltend war sie, aber dabei verderbt im tiefsten Kern. Heinrich IV. ließ sich 1599 definitiv von ihr scheiden und führte 1600 eine andere Königin ein in die Tuilerien, die schöne, stolze, kluge Maria von Medici, die Tochter des Großherzogs Franz von Toscana, der ihr in der berühmten Venetianerin, Bianca Capello, eine sehr unerwünschte Stiefmutter gegeben. Die Ehe Marias von Medici war, trotz der Flatterhaftigkeit Heinrichs IV., des ersten Bourbonen auf dem französischen Thron, bekanntlich eine sehr glückliche. Das Unglück kam erst für die Königin, als sie nach der Ermordung des Königs für ihren Sohn, Ludwig XIII., die Regentschaft führte, und Frankreich dabei fast ruinierte. Verbannt nach Blois, entkam sie dort und kehrte in die Tuilerien zurück, doch Richelieu wand ihr endlich die Macht aus den Händen und setzte ihre Verbannung nach Moulins durch, von wo sie 1631 nach Belgien entfloh, um endlich 1642 zu Cöln in Armut und Verlassenheit zu sterben. Welch ein Geschick für eine Königin!

Die nächste Königin von Frankreich, die in die Tuilerien einzog, war Anna von Österreich, die junge Gemahlin des jungen Königs Ludwig XIII., die kaum den Kinderschuhen entwachsen war, als sie schon die schwere Krone tragen mußte. Stolz, bezaubernd schön, aber kalt und unzugänglich, war sie nicht beliebt und fand auch kein Glück in ihrer Ehe, die erst nach 23 Jahren mit dem ersten Kinde, dem späteren König Ludwig XIV. gesegnet wurde. Die offenkundige Feindschaft, in der sie mit dem ersten Minister, dem großen Kardinal Richelieu lebte, verbitterte ihre Tage zudem, und als sie sich 1643 als Regentin von Frankreich sah, waren es die Bürgerkriege der Fronde, die ihr die Freiheit trübten. Und diese relative Freiheit gab sie schließlich thörichterweise auch noch hin, indem sie eine heimliche Ehe einging mit ihrem ersten Minister, dem schlauen Kardinal Mazarin, eine Ehe, von der niemand flüstern durfte, die sie ganz zur Sklavin machte. Noch ehe Anna von Österreich unter furchtbaren Schmerzen infolge eines innerlichen Leidens starb, zog eine neue junge Königin ein in die Tuilerien, als Gemahlin des schönen Sonnenkönigs, Ludwigs XIV., die hübsche, blonde, unbedeutende Marie Therese von Spanien. Doch unbedeutend wie sie immer sein mochte, ihr gutes Herz hat es doch hart und bitter empfunden, daß sie nichts war, als ein Schatten im Leben ihres Gemahls, den sie schwärmerisch liebte, der ihr von dieser Liebe auch nicht ein Titelchen zurückgab und ihre heiligsten Gefühle als Gattin verletzend, nichts für sie übrig hatte, als eine höchst flüchtige »Achtung«, von der es sich aber ohne einen Strahl von Liebe so sehr schlecht leben läßt und die dazu noch verzweifelt gänzlicher Nichtachtung ähnlich sah! Zu den Frauen der Tuilerien muß man wohl auch die beiden Gemahlinnen des Sohnes und Enkels Ludwigs XIV. rechnen, die Dauphine Maria Anna von Bayern und die Herzogin von Burgund, Maria Adelaide von Savoyen. Beide starben sie in der Blüte ihrer Jahre – dunkle unerwiesene Gerüchte sprechen von einem unnatürlichen Tode dieser beiden holden Fürstentöchter. Und wieder zog in der Gemahlin Ludwigs XV., in der sanften, anmutigen und frommen Prinzessin Maria Leszinska von Polen eine neue Königin ein in die Tuilerien – der gleiche Leidensweg, wie der der Königin Marie Therese, erwartete sie – ihr Herz hatte den gleichen Kreuzweg in diesem Thale der Thränen zurückzulegen und beide waren sie nicht charakterstark genug, der offenen Verhöhnung ihrer Würde als Königin und als Gattin energisch entgegenzutreten, wenn ihnen zugemutet wurde, die Freundinnen des Königs zu empfangen. Auch die Schwiegertöchter der Königin Maria Lesczinska, die beiden Gemahlinnen ihres Sohnes, des Dauphin, der in der Vollkraft seiner Jahre sterben mußte, sie gingen jung dahin. Des Dauphins erste Gemahlin, Marie Therese von Spanien, starb schon ein Jahr nach ihrer Vermählung, die zweite, Maria Josepha von Sachsen, Friedrich August II. von Polen, Kurfürsts von Sachsen Tochter, kam mit gebrochenem Herzen in ihre neue Heimat, aber sie wurde die Mutter zahlreicher Kinder, von denen drei Könige von Frankreich werden sollten. Der älteste ihrer Söhne wurde als Ludwig XVI. der Nachfolger seines Großvaters. Auf sein unschuldiges Haupt entlud sich die Strafe für die Sünden seiner Väter – der Tag, da er, ein Opfer der großen Revolution, sein Haupt unter die Guillotine legen mußte, bleibt ein Tag der Schmach für Frankreich in alle Ewigkeit. Und unvergessen wird auch sie stets bleiben, die ihm als Königin zur Seite stand, die schöne, liebreizende Marie Antoinette von Österreich, die ein sorglos heiteres Wesen im Leben, zu ungeahnter Größe des Charakters und des Herzens sich im Unglück erhob. Wie furchtbar hat sie den Fluch, der auf den Tuilerien lastete, büßen müssen, als der blinde Fanatismus auch ihr gekröntes Haupt auf das Schafott brachte!

Und als die letzten wüsten Klänge der Carmagnole verklungen waren, da kam das erste Kaiserreich und mit ihm als erste Kaiserin der Franzosen, Napoleons I. angebetete Gemahlin, die anmutige, graziöse Kaiserin Josephine Tascher de la Pagerie, die Witwe des Vicomte Alexander Beauharnais, die dem Blutbade der Revolution nur wie durch ein Wunder entronnen. Aber trotz des Glückes in ihrer Ehe sollte auch sie nicht glücklich sein und bleiben in den Tuilerien, denn sie schenkte dem Throne keinen Erben und wurde darum verstoßen, wenn auch nicht aus dem Herzen Napoleons, so doch von seiner Seite und von dem Throne. Weinend, die Seele zerrissen von den bittersten Schmerzen, hat sie die Tuilerien verlassen müssen, um in Malmaison, ihrem lieblichen Exil, zu sterben, nachdem sie den ersten tiefen Sturz Napoleons zu beklagen hatte.

Doch auch für Marie Louise von Österreich, die Kaiserstochter, Napoleons I. zweite Gemahlin, war des Bleibens nicht in den Tuilerien, die sie als eine Flüchtige verlassen mußte, sich zugleich von dem separierend, der ihr trotz allem ein stets liebevoller Gatte gewesen. Sie zu gewinnen, hatte er die geliebte Josephine verstoßen, und sie verließ ihn willig, als sein Glück zusammenbrach.

Die beiden nächstfolgenden Könige von Frankreich, die Brüder des unglücklichen Ludwig XVI., Ludwigs XVIII. und Karls X., waren Witwer von zwei Schwestern, als sie den Thron bestiegen. Marie Louise und Marie Therese von Savoyen, die beiden schönen Schwestern, Töchter des Königs Viktor Amadeus III. von Sardinien, waren 1805, beziehungsweise 1810 gestorben – sie sollten die Krone von Frankreich nicht mehr tragen. Dagegen zogen zwei andere Frauen an ihrer Statt ein in die Tuilerien, das waren die Herzogin von Angoulême, die Gemahlin des Thronerben Karls X., und ihre Schwägerin, die Herzogin von Berry, deren Sohn, der Graf von Chambord, so lange der Träger der Thronprätendentschaft der vertriebenen Bourbonen war. Marie Therese von Bourbon, die Tochter Ludwigs XVI. und der Königin Marie Antoinette, war dem grauenvollen Schicksal ihrer königlichen Eltern und ihres unglücklichen Bruders mit genauer Not entgangen, dann war sie, 24 Jahre alt, mit ihrem Cousin, dem Herzog von Angoulême, vermählt worden, der auf kurze Zeit Dauphin von Frankreich war, solange sein Vater die Krone trug. Aber ihre Ehe blieb kinderlos, ihr Gemüt verfinstert, verbittert von dem Erlittenen und Erlebten, und auch der Schmerz, abermals vertrieben zu werden und als eine Verbannte ihres eigenen Vaterlandes wiederum die Tuilerien verlassen zu müssen, blieb ihr nicht erspart und kehrte ihren verfinsterten Charakter ganz zu Stein.

Mit ihr vertrieben, fand auch ihre Schwägerin, die Herzogin von Berry keine Heimstätte des Glückes und des Friedens in den Tuilerien. Karoline von Bourbon, die Tochter König Franz' I. von Sizilien war, als sie dem Herzog von Berry vermählt wurde, ein schönes, geist- und lebensprühendes Mädchen von achtzehn Jahren, unruhig, lebenslustig, unternehmend, mutig! Die Gefahren, die sie bei ihrer Flucht aus Frankreich zu bestehen hatte, haben sie ganz auf dem Platze gefunden. Mit zweiundzwanzig Jahren Witwe, sehnte sich ihr junges Herz nach neuem Glück, das sie in den Tuilerien nicht gefunden, und sie vermählte sich 1831 nochmals mit Hektor Lucchesi, dem Herzoge della Grazia, den sie indes auch überlebte.

Mit dem Hause Orléans kamen abermals zwei Frauen in die Tuilerien, um in ihnen vorübergehend zu residieren, denn der Boden brannte dort und litt es nicht, wenn ein König kam, dauernd in ihnen zu wohnen.

Die Gemahlin des Königs Louis Philipp, die ehrwürdige Königin Marie Amelie, Prinzessin von Sizilien, schützte ihr weißes Haar nicht davor, als eine Vertriebene die Tuilerien 1848 verlassen zu müssen! Es war gebleicht im Schmerz um den jähen Tod ihres ältesten Sohnes, des Herzogs von Orléans, dessen geliebte Gemahlin, die Herzogin Hélène, jene edle mecklenburgische Fürstentochter, als eine gramgebeugte Witwe den Tuilerien angehörte und mit ihrem Hause die Schwelle derselben als eine Verbannte verlassen mußte.

Und noch eine, die letzte der Frauen der Tuilerien bleibt übrig, das ist die Kaiserin Eugenie, Napoleons III. Gemahlin, die wie ein schöner Frühlingstraum, wie eine Märchenprinzessin einzog in dem Königsschlosse, das für seine Frauen kein Glück in seinen Mauern bergen wollte. Die Tuilerien sahen die Kaiserin Eugenie im Vollbesitz ihrer wunderbaren Schönheit, auf der Höhe ihrer glänzenden Stellung und ihrer Macht – und als sie den Palast am 3. September 1870 verließ für immer, da war sie eine Flüchtige, die nur zur Not der Wut der Empörer entrann, die unter der Maske einer Kranken Frankreich verließ, in England dann ein Heim fand, das der aus der höchsten Höhe zur tiefsten Tiefe Gestürzten noch raubte, was sie allein in der Welt besaß, den Gatten und den Sohn, das einzige Kind.

Nach ihr gingen die Tuilerien in Flammen auf und sind Trümmer geblieben bis auf den heutigen Tag, um die es seltsam flüstert, weht und klagt: das sind die Geister der königlichen Frauen, die dort gewohnt. Eine nach der anderen, ziehen sie in langer, geisterhafter Prozession durch die brandgeschwärzten Trümmer, voran der böse Geist der Königin Katharina von Medici, die sie geschaffen mit fluchbeladenem Geist und blutbefleckten Händen – zuletzt die blonde, glänzende, brillante Kaiserin Eugenie, die schönste Frau ihres Jahrhunderts, die, fern im Exil, eine Greisin, träumt von ihren toten Lieben und von der Vergänglichkeit irdischer Größe.

Sic transit gloria mundi. Und welche von den Frauen der Tuilerien das nicht auch noch erfahren mußte, sie hat es sich sicher in die trostlosen Worte variiert: » Omnia vanitas". –


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