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IV.
Die Tragödie von Cilly

Zu den vielen verschollenen Sagen von Macht, Größe, Reichtum und Pracht gehört auch die Mär von den Grafen von Cilly, und doch hat die Geschichte ihren Namen eingetragen mit eigener Hand, freilich auch nur, um den Rest bei Seite zu legen in ihre Rumpelkammer: zu dem Übrigen.

Heutzutage ist Cilly eine österreichische Bezirksstadt in Steiermark, gelegen an der Bahn Wien-Triest, und nur noch die Wellen der Sann, die an ihr vorüberrauschen, können erzählen von dem Geschlechte der gefürsteten Grafen von Cilly, die einst hier geherrscht.

Und in dem engsten Rahmen dieses Hauses hat sich dereinst eine Tragödie abgespielt, so leidenschaftdurchbebt, so reich an erschütternder Tragik, daß es Wunder nimmt, wenn noch kein Dichter sich gefunden hat, den Stoff zu einem wirksamen, packenden Bühnenwerke zu verwerten. Vielleicht lag dieses alte, traurige, sündige Liebeslied in einer gar zu fernen Ecke der Rumpelkammer verborgen, um gefunden zu werden. Da geht man eben achtlos vorüber und quält sich indessen ab, Stoffe für Dramen zu ersinnen, die realistisch sein sollen und alle Register menschlicher Leidenschaften ziehen, und dennoch nicht entfernt heranreichen an die tragische Gewalt der Begebenheiten, die nur das Leben selbst erstehen läßt.

Die gefürsteten Grafen von Cilly stammen aus dem alten Geschlechte derer von Sannegg, doch von ihrem Stammschloß an der Sann, die sich nach kurzem Lauf in die Sau ergießt, steht nahe bei Igg nur noch eine kleine Ruine. Schloß Sannegg war aber dereinst eine wahrhaft fürstliche Burg und die hauptsächliche Residenz der Grafen von Cilly, welche mit der gefürsteten Grafschaft 1341 belehnt wurden. Durch Heiraten kamen die Grafschaften Heunburg, Ortenburg und Sternberg an das Haus, doch wurde ihnen das damalige Königreich Bosnien, auf das Graf Hermann I. durch seine Vermählung mit Katherina, der Tochter und Erbin des Königs Stephan von Bosnien Anspruch erhob, durch deren illegitimen Bruder Twartko entrissen.

Die Tragödie im Hause Cilly aber, von der wir erzählen wollen, spielte sich unter der Regierung Graf Hermanns II. ab. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß sämtliche Genealogen in Bezug auf ihn und seinen ältesten Sohn Friedrich denselben eigentümlichen Irrtum begehen, das Geburtsjahr des Sohnes um ein volles Jahr früher zu setzen, als das des Vaters. Selbst in sonst sehr zuverlässigen Quellen ist zu lesen, daß Graf Friedrich II. 1362, sein Vater aber 1363 geboren sei. Da nun aber das Vermählungsjahr des Vaters mit großer Bestimmtheit auf das Jahr 1377 fällt, so liegt, trotz der Behauptung, Graf Friedrich II., der Sohn, sei 1454 neunzig Jahre alt gestorben, der Irrtum offenbar vor, und nicht der Sohn, sondern der Vater erreichte dieses hohe Alter bei seinem im Jahre 1434 am 13. Oktober erfolgten Tode. Danach fiele das Geburtsjahr Graf Hermanns II. in das Jahr 1356, als sein Vater noch Erbgraf, aber bereits mit der Erbtochter des damaligen Bans von Bosnien vermählt war. 1377 vermählte sich der damalige Erbgraf Hermann, wie feststeht, mit der Gräfin Anna von Schauenberg, die 1396 starb und ihm sechs Kinder hinterließ, welche, ohne Gewähr für die Reihenfolge, wie folgt von den Genealogen aufgeführt sind:

1. Friedrich II., wohl geboren 1379, war sicher der älteste und der Held unserer Tragödie. Wir kommen daher erst später ausführlich auf ihn zurück.

2. Hermann III., wird 1407 als Mitregent seines Vaters aufgeführt, starb aber vor diesem den 30. Juli 1426. Seine erste Gemahlin war eine Gräfin von Abensberg, die ihm keine Kinder hinterließ. Die zweite Gemahlin, mit der er sich 1424 vermählte, war Beatrix, die Tochter des Herzogs Ernst von Bayern-München und der Herzogin Elisabeth, Prinzessin Visconti von Mailand. Sie schenkte ihm eine Tochter, Margarethe, welche sich mit dem Herzog Wladislaus von Teschen vermählte und nach dem Erlöschen des Mannesstammes zu Cilly Erbansprüche darauf erhob, aber nicht durchführen konnte.

3. Ludwig, starb 1417 unvermählt.

4. Elisabeth, vermählt 1407 mit Heinrich, Grafen von Görtz, starb 1425.

5. Anna, vermählt vor 1408 mit Nikolaus, Grafen von Gara, Palatin von Ungarn.

6. Barbara, geboren 1390, vermählte sich 1408 mit Siegismund von Luxemburg, deutschem Kaiser, König von Ungarn und Böhmen, als dessen zweite Gemahlin. Sie war eine sehr schöne Frau, hat sich aber den traurigen Ruhm erworben, die »Messalina Deutschlands« genannt zu werden. Der Chronist von Cilly giebt einen pathetischen Bericht von ihr, wie sie, um ihrem eigenen Gewissen zu entrinnen, sich allen möglichen Sekten angeschlossen, welche ein Jenseits leugneten, – wie sie, von ihrem Gemahl in strenge Haft gethan, es immer wieder verstanden, ihn zu versöhnen, und über den Lebenden hinüber sich frevelnd mit ihrem Buhlen vermählt, der auch ein mächtiger König gewesen, und Intriguen gesponnen zum Sturze und zur Verdrängung ihres eigenen Schwiegersohnes. Dann ihre Haft, ihre Achterklärung und ihr grausiger Tod an der Pest zu Königgrätz am 1. Juli 1451 – es ist ein abstoßendes Bild, ein Kapitel traurigster Sittenlosigkeit, ohne einen versöhnenden Zug.

Graf Hermann II. hatte noch einen illegitimen Sohn, Hermann, der 1412 Bischof von Freising wurde und den Ruf eines würdigen und trefflichen Kirchenfürsten genoß.

Graf Friedrich II. wurde von seinem Vater schon sehr jung zu den Regierungsgeschäften zugezogen und 17 Jahre alt mit der Gräfin Elisabeth von Frangipani, Modrusch, Veglia und Zeng vermählt. Wahrscheinlich war die Braut damals noch ein Kind, wie es so üblich war in den fürstlichen Häusern, und da ihre Schwiegermutter, die Gräfin von Cilly, 1396, also in dem Vermählungsjahre, starb, so darf angenommen werden, daß die Gräfin Elisabeth im elterlichen Hause ihre Erziehung erhielt, bis sie alt genug war, um ihren Einzug als Gräfin von Cilly zu halten.

Dies dürfte vor 1405 kaum der Fall gewesen sein, Graf Ulrich II., der einzige, später vielgenannte Sohn des Paares muß zwischen diesem Jahre und 1410 geboren worden sein.

Daß die Ehe des Grafen Friedrich kein Herzensbündnis war, ist klar, doch daß die Gräfin Elisabeth die Achtung, die ihr sicherlich gebührte, ganz darin vermissen mußte, die Schuld trifft den Grafen Friedrich allein. Er wird als ein schöner Mann geschildert von herkulischem Körperbau, voll der besten Anlagen und Fähigkeiten, doch leider auch beherrscht von einem seltsamen Gemisch von Frömmigkeit, einem Hange für das Übernatürliche und einer Sinnlichkeit, die seiner edlen Gemahlin die Ehe mit ihm zu einem wahren Kreuzwege machte. Dennoch erfolgte keine Katastrophe bis zum Jahre 1414, in welchem er das wunderschöne Fräulein Veronica von Teschnitz kennen lernte. Vermutlich war dieselbe als Ehrenfräulein der Gräfin von Cilly nach Schloß Sannegg gekommen, vielleicht auch hatte er sie in einem anderen Hause zuerst gesehen – es fehlen darüber bestimmte Nachrichten. Zweifellos steht fest dagegen, daß Graf Friedrich sogleich eine Liebe zu der jungen Dame faßte, die so stark und mächtig war, daß sie ihn ja allerdings alle Schranken durchbrechen ließ und zum Verbrechen führte, die aber doch so echt und so wahr gewesen sein muß, daß sie wie ein versöhnendes Licht über den grausigen Abgrund dieser Tragödie strahlt. Graf Friedrich stand damals in der Vollkraft seines Lebens, – nicht er, sondern sein Vater war jener »Sechziger«, von dem der Chronist spricht in seltsamer Verwechslung der Person. Ob die schöne Veronika ihn mit der gleichen Liebe wieder liebte, dafür liegen Beweise nicht vor, doch es kann fast angenommen werden, da sie sich gleichfalls über alle Gesetze der Moral und der feststehenden Schranken hinwegsetzte und mit dem Grafen Friedrich eine »Gewissensehe« einging, die sehr bald geschlossen sein muß. Die tiefbeleidigte Gräfin Elisabeth zog sich, da Vorstellungen bei ihrem Gemahl nichts halfen, zu ihren Verwandten nach Kroatien zurück, ohne daß eine Scheidung ausgesprochen wurde, doch von beiden Seiten scheint man sich von Anbeginn ernstlich um eine Aussöhnung der Gatten bemüht zu haben. Indes, die Jahre gingen hin, ohne daß eine Änderung eintrat, und erst im Jahre 1422 gelang es durch väterlichen und kaiserlichen Hochdruck, den Grafen Friedrich dazu zu bewegen, seine Gemahlin zur Rückkehr zu ihm anzugehen. Die ganze Bitte war aber so sehr durch Zwang veranlaßt und geschah mit so viel unverhohlenem Widerwillen, daß die Gräfin sich mit allen Kräften gegen eine Einwilligung wehrte. Dennoch vermochte das Zureden ihrer Verwandten es endlich, daß sie sich zur Rückkehr nach Schloß Sannegg entschloß, doch sie betrat die alte Heimat mit schwerem Herzen und düsteren Ahnungen, und als sie sich am ersten Abend zu Ruhe begab, sagte sie weinend: »Das ist meine letzte Nacht.« –

Es war ihre letzte. Denn als am kommenden Morgen ihre Frauen das Schlafgemach betraten, da schien die Morgensonne auf ihr schneeweißes Gesicht, starr und kalt lag sie ausgestreckt auf dem Bette, und in ihrer Brust steckte, bis ans Heft hineingestoßen, ein langer spanischer Dolch. –

Graf Friedrich aber war entflohen und mit ihm Veronika v. Teschnitz.

Die Stimmen, die ihn als Mörder bezeichneten, wurden lauter und lauter, und vor dem Kaiser erschien der Graf von Zeng, der Ermordeten Vetter, zu Ofen und forderte feierlich Gerechtigkeit. Der Kaiser befand sich in einer übeln Lage. Graf Friedrich, der durch seine Flucht die schlimme Anklage gegen ihn zu bestätigen schien, war sein Schwager, der Erbe einer souveränen, gefürsteten Grafschaft, und – die Kaiserin Barbara, Graf Friedrichs Schwester, war seine Gemahlin, die eifersüchtig darüber wachte, daß ihrer eigenen Sippe kein Härchen gekrümmt wurde. Graf Johann von Zeng aber schwieg nicht. Laut und feierlich beschuldigte er den Grafen Friedrich des Mordes und forderte die Anordnung eines gerichtlichen Zweikampfes. Die Kaiserin, die um jene Zeit gerade wieder einmal mit ihrem Gemahle ausgesöhnt war und dann immer eine große Macht über ihn besaß, erlangte, daß dem Grafen der Zweikampf versagt, und das Schiedsgericht über die Angelegenheit dem Könige von Dänemark übertragen wurde. Dies war zu jener Epoche Erichs IX., des Pommer, und ich habe nicht erfahren können, aus welchem Grunde gerade ihm das Schiedsrichteramt anvertraut wurde. Sein Urteilsspruch ist jedenfalls nicht von der Absicht, der Kaiserin zu gefallen, beeinflußt worden, denn er lautete in Bezug auf den Grafen Friedrich »schuldig« und verurteilte ihn wegen Gattenmordes zum Tode. Dieses Urteil wurde vom Kaiser indes in Gefängnisstrafe gemildert. Graf Friedrich trat zu Ofen seine wohl nicht allzu harte Strafe an und wurde auf Betreiben der Kaiserin zu Beginn des Jahres 1425 begnadigt. Wenn seine Verwandten aber geglaubt und gehofft hatten, daß Verurteilung, Haft, Einsamkeit und Trennung den Grafen von seiner unseligen Liebe zu Veronika von Teschnitz heilen, und er, ein genesener Mann, die Heimat wieder betreten würde, so hatten sie mit der Stärke dieser Liebe nicht gerechnet, die Kraft derselben von Anbeginn unterschätzt. Denn kaum frei, galt sein erster Weg nicht dem Vater, der Heimat und seinem Volke, sondern der Geliebten, an der er seit elf Jahren nun mit einer Treue hing, deren niemand sein Herz für fähig gehalten.

Und nun nahte der Tragödie dritter und letzter Akt mit rapiden Schritten, unaufhaltsam drängten die Ereignisse dem Ende zu. Auf seinem Schlosse Friedrichstein traf der Graf mit seiner Geliebten wieder zusammen und – ließ sie sich rechtmäßig als seine Gemahlin antrauen. Maßlos war der Zorn seines Vaters, Graf Hermanns II., als ihm der Sohn, der schon so viel des Leides über ihn gebracht, ihm seine Vermählung anzeigte. Und dazu mit dieser Frau, der Ursache alles dieses Elendes im Hause Cilly, die, wenn auch ritterbürtigem Geschlechte entsprossen, doch nur dem niederen Adel angehörte und ihm durchaus nicht ebenbürtig war, die sich durch elf Jahre hindurch über alle Schranken hinweggesetzt und durch einen grausigen Mord unwiederbringlich gewonnen werden mußte! Auch der Kaiser war empört und ließ den Grafen Friedrich, der ohne seine Einwilligung eine ungleiche Ehe geschlossen, zur Rechenschaft fordern. Der alte, einundachtzigjährige Vater, Graf Hermann II. aber statuierte ein schreckliches Beispiel. Er ließ seinen Sohn samt seiner Gemahlin auf Schloß Friedrichstein gefangen nehmen, legte ihn in Ketten und ließ ihn nach Cilly in einen sicheren Turm bringen.

Veronica, Gräfin von Cilly, wie sie nun hieß, muß ohne gute Freunde dennoch nicht gewesen sein, denn, drohend wie die Lage für sie und ihren Gemahl war, wurde es ihr ermöglicht, zu entfliehen und die Thatsache ihrer Flucht doch so spät entdeckt, bis sie in Sicherheit war. Daß diese Sicherheit bei der Kürze der Frist, die man hierfür hatte, nur eine sehr fragwürdige sein konnte, war klar, dennoch aber brauchten die Häscher Graf Hermanns geraume Zeit, bis die Unselige gefunden ward. In Wäldern und verfallenen Gemäuern sich bergend, litt sie unsäglich durch Kälte und Hunger und die fortwährende Furcht des Endecktwerdens, nur nachts wagte sie sich heraus, um weiter zu kommen und so gelangte sie schließlich bis vor die Thore von Pettau, wo sie sich in einem halbzerfallenen Turme verbarg. Hier wurde sie entdeckt und alsbald nach Osterwitz gebracht, wo man sie in einen »schlimmen Kerker« warf, wie der Chronist berichtet. Man versuchte es zunächst, sie durch Hunger zu entkräften, um sich ihrer auf »natürliche« Weise zu entledigen, sie muß aber doch eine kräftige Natur oder aber wiederum Freunde gehabt haben, denn die gute Absicht schlug fehl, und nun brachte Graf Hermann II. eine vollständige Anklage gegen sie ein: »Wie sie durch Zauberkünste und Liebestränke den Grafen Friedrich, seinen Sohn verhext und zu schlimmen Thaten verleitet habe und ihm selbst durch Gift nach dem Leben getrachtet.« – War der erste Teil der Anklage absurd, so entsprach er doch dem Glauben oder Aberglauben der Zeit, – für die zweite findet sich nirgend auch nur der Schatten eines Beweises, wie denn Veronica überhaupt dem düstern Hintergrunde ihrer traurigen Geschichte fern gestanden zu haben scheint. Keiner der Chronisten weiß etwas davon, daß sie den Grafen Friedrich zu seiner Unthat an seiner Gemahlin aufgereizt hätte, daß seine Vermählung mit ihr eine Frucht ihrer Ränke gewesen, – sie scheint ganz uninteressiert, scheint sich nur mit seiner Liebe begnügt zu haben. Doch diese war eine sündige, und wenn sie dafür büßte, so ist damit der Gerechtigkeit und der beleidigten Moral Genüge geschehen, – »denn jede Schuld rächt sich auf Erden«. Der Prozeß gegen Veronica scheint in Cilly verhandelt worden zu sein, es ist aber auch möglich, daß er in Ofen stattfand.

Wer in der damaligen »guten alten Zeit« als Hexe verklagt war, für den gab es eigentlich kein Entrinnen, denn eine der vielen Hexenproben brachte ja doch die gewünschte Bestätigung, welche die Folter vielleicht nicht erpreßt hatte. Trotzdem wurde Veronika freigesprochen. Diese Thatsache scheint geradezu wunderbar, wenn man den Verlauf eines Hexenprozesses aus jenen Tagen verfolgt, – alles sprach gegen sie, es schien kein Schein der Möglichkeit einer Rettung für sie aus jener Anklage und sie ging daraus hervor, als wäre sie garnicht berührt davon gewesen, – es blieb eben nichts zurück auf ihr, als eben das, wofür sie sich vor Gott allein zu verantworten hatte. Der irdische Richter fand keine Schuld an ihr, – trotzdem wurde sie nach Osterwitz zurück in ihren Kerker gebracht. Dort mußte Gift thun, was der Henker nicht thun konnte und durfte, – nach anderen wurden ihr im Bade die Pulsadern geöffnet, wieder andere wollen, daß sie in einer Kellerzisterne ertränkt wurde. Jedenfalls steht fest, daß man sich ihrer, da man sie auf geradem Wege nicht los werden konnte, auf dem geheimen Pfade des Mordes bei Seite schaffte, und dem Grafen Friedrich teilte man mit, Veronica sei am Schlagfluß gestorben und zu Froslau beerdigt worden. Diese Trauerkunde warf den Grafen völlig darnieder, – er verfiel in eine schwere Krankheit, die ihn hart an den Rand des Grabes brachte. Als er nach Monaten langsam zu genesen begann, wurden die Ärzte dem Grafen, seinem Vater vorstellig, wie Graf Friedrich unbedingt sterben müßte, wenn er nicht in der Freiheit Genesung fände. Graf Hermann II. zögerte nun nicht mehr, seinen Sohn zu begnadigen; war doch das Hindernis, das zwischen beiden stand, entfernt für alle Zeiten und unschädlich gemacht. Schloß Ratmannsdorf wurde dem an Leib und Seele Darniedergebeugten eingeräumt, und in der That machte seine Genesung dort rasche Fortschritte. Als er wieder kräftig genug war, galt sein erster Weg dem Grabe seiner geliebten Veronica zu Froslau. Er ließ sie, die man wie einen Hund eingescharrt hatte, exhumieren, aufbahren und führte sie mit dem Pomp, der einer regierenden Fürstin zukam, unter großen Feierlichkeiten in die Karthause von Girau über, wo sie feierlich beigesetzt wurde. Dort und zu Seitz stiftete Graf Friedrich ihren Gedächtnistag auf den 17. Oktober, – wie es scheint, ihr Todestag und wachte eifersüchtig darüber, daß er allzeit festlich begangen wurde.

Und so endete die Tragödie von Cilly. Die ferneren Schicksale des Grafen Friedrich, der 1334 bei seines Vaters Tode zur Regierung und in den Besitz der ganzen Grafschaft Cilly kam, gehören nicht mehr hierher. Er hat sich nicht mehr vermählt, aber sein Leben, das 1354 auf Schloß Sannegg schloß, war kein mustergültiges. An den vielfachen und nimmer endenden Kämpfen und Unruhen jener Zeit nahm er lebhaften und thätigen Anteil, machte zahlreiche religiöse Stiftungen, gründete das Kloster der Franziskanerinnen zu Cilly und wurde daselbst auch beigesetzt. Sein Sohn, Graf Ulrich II., folgte ihm in der Regierung, der letzte seines Stammes, der kaum zwei Jahre nach seinem Vater auf dem Schlosse Belgrad von seinem Todfeinde Hunyady meuchlings ermordet wurde, tief betrauert von seiner tugendhaften Gemahlin Katharina Cantakuzena, die schon drei blühende Kinder zu beweinen hatte. – Man gedenkt da unwillkürlich der Sünden der Väter, die da gerächt werden sollen bis ins dritte und vierte Glied, denn die Tragödie von Cilly steigt noch einmal vor uns empor mit ihrer ganzen tragischen Gewalt und trostlos müßte man sie nennen, schwebte nicht über ihr der Stern jener Liebe, von der die Schlacken fielen, als das Grab sie umfing.


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