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Schneezauber

Sie sind auf rasender Flucht zu zweit
Durch die dämmernde Nacht gestoben.
Einzelne Flocken ihr stummes Geleit,
Zart, wie aus Spitzen gewoben.
Im Dunkel versinkend das wilde Nest
Ihrer grausamen Sippe.
Ihren Mund, ihre Seele hielt er fest
Mit seiner zärtlichen Lippe.
Wie über schneeweiche Rosen ging's,
Schnee bannte der Dörfer Glocken;
Wie der rote Stein eines Silberrings
Glomm die Sonne hinter den Flocken.
Schnee wob den Atlas zum Hochzeitskleid,
Schneelichter flackten und flirrten,
Schneeflocken waren ihr Brautgeschmeid,
Schneeflocken Schleier und Myrten.
Und als der Verfolger reifiger Troß,
Krieger, Knechte, Vasallen,
Sich über das flache Land ergoß
Mit Rufen und Hörnerschallen,
Da fielen Flocken wie Seide dick,
Da war's, als schütteten Hände
Überall vor der Verfolger Blick
Dichte, wallende Wände.
Vor den Flüchtigen dehnte sich nah die See
Mit wimpelfröhlichem Locken.
Sie schifften sich ein im wirbelnden Schnee
Und lachten der tanzenden Flocken.

Und die Jahre blühten wie Rosen schwer. –
Kein Tag ist ihnen verdorben.
Auf flutstarken Lebens hohem Meer
Ist die lachende Frau gestorben,
Starb stolz im fröhlichen Frauenweh,
In der Wiege den sechsten Erben.
Wie ein zweiter Brautritt durch weißen Schnee
Schien ihr Fieber und Sterben.
November war es, voll Schnee die Luft,
Wie durch Seide schallten die Glocken.
Auf ihren Sarg in die offene Gruft
Fielen einzelne Flocken,
Schimmernde Flocken, wie Spitzen klar,
Einzelne weiter und weiter.

Als die Frau drei Wochen begraben war,
Kamen finstere Reiter,
Begehrten nachts noch zum Friedhof ein,
Klopften mit blanken Wehren;
Die tote Frau im eichenen Schrein
Sollte zur Heimat kehren.
Die Ahnenscholle, die sie verließ,
Sollte sie wieder haben.
Ein greiser, finsterer Reiter hieß
Den Wächter, sie auszugraben.
Sie griffen den Alten und packten ihn hart
An jedem Arme zu zweien. –
Wie er so eisern geleitet ward,
Begann es, schüttend zu schneien.
Wie dicke, gekräuselte Federn fiel's,
Falten webend und Wände.
Über die Gräber leichten Spiels
Glitt es wie glättende Hände,
Hat sich wie ein einziger Stein
Über die Hügel geschoben.

Stumm zurück in den Morgenschein
Sind die Reiter gestoben,
Jagten fluchend hinab zur See.
Schauernd sind sie geschieden,
Unterm huschelnden weißen Schnee
Schlief die Tote in Frieden.

*