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Zum Geleite.

Im Zeichen des 25jährigen dichterischen Schaffens geht dieser Gedichtband, der achte, in die Hände jener, die des Meisters Werk lieben und verehren. Ihnen ist es zu verdanken, daß trotz der furchtbaren Ungunst der Zeit, die Herausgabe möglich geworden war, wodurch sie sich im Herzen des Dichters und der Nachwelt unvergeßlichen Dank gesichert haben.

Aber nicht nur den alten Verehrern ist dieser Band, der ein Geschenk für den unter den denkbar schwierigsten Verhältnissen unbeirrt schaffenden Künstler sein soll, gewidmet; er will vor allem neue werben, denn die Gemeinde soll alle umschließen, die echte Kunst und edles Menschentum zu schätzen wissen. Und da fehlen uns, dessen sind wir uns bewußt, noch viele. Mögen sie diesmal den lichten Weg zum Lande des Dichters finden und sich jenen freundlich zugesellen, die ihm nach seiner Innenwelt freudig folgen, denn sie ist, wie er selbst einmal, die Eigenart seiner Kunst klar erfassend, gesungen hat:

Ein blühend Land mit tiefen stillen Hainen;
Ihr üppig Grünen kann kein Herbst bedroh'n ...
Dort ragen Tempel hoch aus Marmorsteinen,
Darin verstummt der Schmerzen bittres Weinen
Vor Opferflammen, die für ewig loh'n.

*

Als das im Juli 1892 entstandene erste vollkommen druckreife Gedicht Zlatniks »Entblättert« bald darauf in den damals weitverbreiteten Dichterstimmen der Gegenwart erschien, da mochte sowohl des Lesers wie des Dichters Herz ein ahnendes Hoffen geschwellt haben.

Die Hoffnungen der Leser, das können wir ruhig behaupten, wurden erfüllt und übertroffen. Jeder neue Gedichtband zeigte den Dichter auf einer aufwärtsführenden Bahn, enthüllte immer rückhaltloser sein poetisches Sinnen und idealistisches Streben, offenbarte uns eine Klangfülle und Klangschönheit, wie sie nur Lenau eigen war. Ob die Hoffnungen des Dichters erfüllt wurden? Wer weiß, welchem Zeitpunkt dies vorbehalten ist. Das eine ist sicher: seiner Poesie wohnt die Kraft der Überzeugung und der Keuschheit, die Macht der Erhebung und Erlösung inne. Sie übertrifft unsere Hoffnungen, die wir in das wundervolle Walten der Dichtkunst setzen mögen; daß sie auch die bescheidenen Hoffnungen des Dichters erfüllt, ist weniger an ihr gelegen als an uns.

Noch stehen wir alle im magischen Banne des riesenhaftesten Geschehens, dessen Zeuge und Werkzeug je ein Mensch auf Erden war. Noch wallen mystische Nebel um unser Wollen und Wähnen, entwertend und umwertend, was die Grundlagen unseres materiellen und kulturellen Seins ausmachte. Ein Rätsel, das ungebärdig zur Lösung drängt, ist unsere Zukunft. Formeln und Phrasen werden da nicht viel helfen. Wir werden wieder mehr als je bei unseren Dichtern und Denkern einkehren und uns ihrer Führung anvertrauen, denn sie sind es, die sich am frühesten zur Klarheit durchringen.

Zlatnik verkündet das Evangelium der Schönheit und des Mitleids. Das ist die Bahn zum neuen Glück, zur Menschenwürde. Wer sie beschreiten will, der nehme dieses Buch mit auf den Weg!

Wien, Lenzmond 1918.

Dr. Franz J. Prohaska.

 


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