Joseph Christian von Zedlitz
Waldfräulein
Joseph Christian von Zedlitz

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Dreizehntes Abentheuer

Wie Waldfräulein zum Einsiedel kömmt.

Indeß Herr Aechter unbeschwert
Vom Rheine nach der Heimath kehrt,
War, wie ihr wißt, Waldfräulein zart
Im Forst allein bei Caprus hart.
Der Köhler sich die Maid beschaut,
Er ist zufrieden mit der Braut;
Sie dünket ihm zum Zeitvertreib
Beim Meiler grad das rechte Weib.
Noch spricht er nicht, noch bleibt er stumm,
Macht nur ein freudiges Gebrumm,
Thut endlich auf des Mundes Thor
Von einem bis zum andern Ohr;
Und wie das Pferd aufwiehert laut,
Wenn es von fern den Hafer schaut,
Er laut aufjohlt, daß rings der Wald
Und weit die Gegend widerhallt!
Waldfräulein schreckt zurück, erblaßt;
Caprus sie in die Arme faßt,
Und wie er sieht ihr Antlitz bleich
Und farblos, einer Todten gleich,
Spricht er verwundert vor sich hin:
»Was fährt dem Weibe durch den Sinn?
Sie ist ja scheuer als ein Reh,
Gewiß schlug sie die Mutter eh!«
Will wieder mit den Händen breit
Der Jungfrau schlanken Leib umfangen,
Und streicheln ihre bleichen Wangen!
Die Maid aus vollem Halse schreit,
Und mit verzweifelnder Geberde
Wirft sie entsetzt sich hin zur Erde!
Caprus steht fast verblüfft daneben,
Und weiß nicht was er sagen soll!
»Mir scheint die Dirn' im Haupte toll!
Doch nein! Vielleicht ist's mein Gesicht,
Das sie erschreckt, – was sagt sie's nicht?
Wohlan, ich will mich waschen eben!« –
Und läuft hin zu dem Brunnen gar,
Und reibt sich Stirn und Wangen klar,
Doch wie er wäscht und wie er reibt,
Er dennoch ziemlich rußig bleibt! –
Der gute Caprus ungeschlacht
Meint, da er jetzt sich rein gemacht,
Sei er ein ganz so feiner Mann,
Als eine Maid nur wünschen kann!
Je mehr er auf Waldfräulein schaut,
So mehr ihm lieblich dünkt die Braut,
Und ärger als des Meilers Glut
Hitzt bald ihr Anblick ihm das Blut.
Er weiß sich kaum vor Lust zu lassen.
Wollt' sie in seine Arme fassen,
Und, als ob trunken er von Meth,
Ihm das Gehirn im Kreise geht!
Für alle Ding' in der Natur
Ist Liebe stets dieselbe Sache,
Und doch spricht jede Kreatur
Sie aus in ganz absondrer Sprache.
So Mensch als Thier! bald stürmisch, wild,
Bald süßer Sehnsucht voll und mild,
Und anders klingt das selbe Wort,
Spricht's dieser hier, spricht's jener dort!
Und wie die Stimm', so Aug', Gesicht –
Die Lieb' aus jedem anders spricht! –
Auch unser Caprus, naht der Braut
Mit ganz absonderlichem Laut!
Ein Mischlaut ist's; man hörte schier
Etwas in ihm von jedem Thier:
Das gluckst und gröhlt, wiehert und schreit.
Sein Antlitz zog sich mächtig breit;
Er lacht in sich, doch würde meinen
Ein Jeder, daß es sei ein Greinen! –
Waldfräulein lag noch hingestreckt
Am Boden, ihr Gesicht bedeckt,
Als Caprus in die Höh' sie rückt
Und ihr die Hand vom Auge drückt.
»Wohlan, gewaschen bin ich nun,
Laß uns wie andre Leute thun!
Du bist nun eben jetzt mein Weib;
Daß mir im Wald ein Zeitvertreib,
Bracht' dich die Mutter her zu mir!
'S ist nicht so schlecht am Meiler hier;
Und bist du's erst gewohnt, gefällt
Dir's nirgends besser in der Welt!« –
So Caprus spricht und zieht die Maid
Zu sich. Die widerstrebt, und schreit
Noch ärger als sie erst geschrie'n,
Und auf den Knien fleht sie ihn:
»Willst du mich tödten, leid' ich's gern,
Doch laß von mir, und bleibe fern;
Ja, eh ich dir zu eigen bin,
Sei zehnmal mir der Tod Gewinn;
Er ist mir ein viel süß'rer Gruß,
Als dein, als jedes andern Kuß!« –
Wie so die Maid, zitternd und bleich,
Verzweifelnd, einer Irren gleich,
In Angst die zarten Hände ringt,
Bald wieder seine Knie umschlingt –
Steht Caprus ganz verwundert da,
Begreift durchaus nicht, was geschah!
»Zu nichts ist doch die Alte gut!«
Spricht er dann mit verdross'nem Muth –
»Erst mußt' ich warten manches Jahr;
Nun bringt sie eine Tolle gar!
Was führt' dich denn die Mutter her,
Wußt' sie's, daß du im Kopfe quer?«

Einsiedel mit der Kutte lang
Ging eben seinen stillen Gang,
Betrachtend fromm, wie auf den Höhn
Der Herr gemacht den Wald so schön;
Wie rings durch ihn ein heilig Weben
Hinstreicht, ein mild bewegtes Leben,
Und wie doch die gemess'ne Statt
Jed' Ding im Haus der Schöpfung hat!
Einsiedel war ein frommer Mann,
Der früh der Welt sich abgethan,
Und manches Jahr schon bracht' in Ruh
Und heiliger Beschauung zu.
So kam im braunen härnen Rock,
Mit breitem Hut und Knotenstock,
Er durch des grünen Spessarts Mitten
Im warmen Mittagsstrahl geschritten,
Ein Körbchen in der andern Hand.
Das hat er dicht bis an den Rand
Mit rother Waldbeer sich gefüllt.
Dicht bei aus Stein ein Brünnlein quillt;
Dort an dem frischen Wasserstrahl,
Will halten er sein einfach Mahl.
Da hört er in den Wald hinein
Verzweiflungsvoll um Hülfe schrein!
Und ohne Säumen nach dem Ort,
Von dem der Schrei kam, eilt er fort;
Und alsbald er den Meiler fand,
Und vor der Maid und Caprus stand! –
Einsiedel, der die Menschen kennt,
Sieht gleich, welch Feu'r den Caprus brennt,
Und daß er nicht vom Kohlen roth –
Und sieht die Jungfrau hart in Noth! –
Die, wie sie schaut den würd'gen Mann,
Sogleich zu seinen Füßen fällt,
Ihn fest am Kuttenstricke hält,
Und flehet ihn um Rettung an!
Einsiedel, heil'gen Eifers voll,
Spricht, wie ein Frommer sprechen soll:
»Mein Schutz sei Jungfrau Euch gewährt!«
Und drauf sich gegen Caprus kehrt:
»Wo lerntest du ein solch Gebot,
Zu bringen eine Maid in Noth,
Ruchloser, tölpischer Geselle?
Ich aber sage dir: Laß ab!
Ich bin jetzt dieser Jungfrau Stab!«
Und führt Waldfräulein fort zur Stelle. –

Caprus steht lang versteinert gar,
Die beiden Händ' im strupp'gen Haar,
Und aufgerissen weit den Mund!
Lang stocket ihm das Wort im Schlund,
Bis endlich er im Ingrimm ruft:
»Einsiedel, du unnützer Schuft,
Die Pest auf dich, du Unglückssohn!
Was führst du mir mein Weib davon?
Müßt' ich nur deinen Stand nicht ehren,
Ich wollte dir die Platte scheeren!«
Stößt in den Meiler drauf, erglüht,
Den Schürbaum, daß es Funken sprüht. –
»Und war sie auch im Haupte quer,
Wo nehm' ich eine andre her,
Nun die der Gauch hat weggeholt!«
Spricht's – und geht mürrisch hin und kohlt!

Seitdem ist manches Jahr verschwunden,
Und noch hat er kein Weib gefunden! –


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