Joseph Christian von Zedlitz
Waldfräulein
Joseph Christian von Zedlitz

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Eilftes Abentheuer.

Wie Herr Aechter zum zweitenmal versucht wird.

Als so gedroht die wilde Schaar,
Herr Aechter jetzt nicht müßig war.
»Hört Ihr, er zu den Freunden spricht,
Hört Ihr, Ihr wackeren Gesellen,
Was uns der falschen Nixen Mund
Zum Hohn ruft aus des Wassers Grund?
Doch merkt auf meinen Rath Ihr auf,
So fährt das Schiff in sicherm Lauf,
Und wir entgehn den bösen Stellen! –
Wenn wir am Bug vorbeigelenkt,
Sich eine Felswand niedersenkt,
Und Berge schließen rings den Rhein
Wie einen engen Landsee ein, –
Dort auf der dunklen Felsenspitz'
Hat eine Jungfrau ihren Sitz,
Von übermenschlicher Gestalt;
Von solcher Schönheit Allgewalt,
Daß, wer sie sieht in ihrem Glanz,
Sogleich in ihr verloren ganz.
Sie singt mit wunderbarem Ton
Hernieder von der Bergeskron',
Und wem gemeint ihr furchtbar Lied,
Den's nieder in die Tiefe zieht;
Die schlägt die Harfe mit solcher Macht,
Daß Wahnsinn hüllt den Geist in Nacht;
Sie klagt vom Fels herab und ruft
Ihr Unglück in die leere Luft;
Ihr graunvoll waltendes Geschick,
Das Tod gelegt in ihren Blick,
Den Tod in ihres Munds Gesang,
Den Tod in ihrer Harfe Klang!
Drum, wehe denen, die ihr nah'n,
Sie sind dem Zauber unterthan!
Die Kraft wird da umsonst versucht,
Hier hilft nicht Widerstand, nur Flucht. –
Drum handelt jetzt nach meinem Wort:
Wenn wir genaht dem Schicksalsort,
Erhebt ein schallendes Geschrei,
Bis wir am Felsenrand vorbei;
Auf daß mein Ohr ihr Lied nicht höre,
Mich nicht sein mächt'ger Klang bethöre!
Und wenn wir sehn die Jungfrau nah,
Verdoppelt Eure Vorsicht da,
Und wehrt mir streng, deß seid gebeten,
Auf's Vordertheil des Schiffs zu treten,
Daß ich im Wahnsinn, sie zu frein,
Nicht toll hinabspring' in den Rhein!« –

Und so geschah's, wie er befahl!
Der Tag verschwimmt im Abendstrahl,
Es rauscht der Strom, die Tiefe braust,
Das Schiff hin durch die Wogen saust;
Es wetterleuchtet fern und blitzt –
Da hebt aus dunklem Wolkenblau
Der Fels sich, mächtig hoch und rauh!
Sieh! – dort die grause Jungfrau sitzt –
In ihres Leibes Freudigkeit,
In ihres Reizes Herrlichkeit!
Es glüht der dunkeln Augen Pracht,
Es wallt der schwarzen Locken Nacht,
Durch die ein weißer Lilienkranz
Sich schlingt mit geisterhaftem Glanz;
Und in des Blickes tiefer Glut
Der Jungfrau Bann und Vehmspruch ruht:
Der Liebe tiefster Seelendrang,
Und ihres Schicksals dunkler Zwang!
Sie fühlt der Wesen mächt'gen Zug,
Sie fühlt der Herzen ein'gen Flug,
Sie fühlt' die Wonn' und Schmerzen all',
Sie fühlt der Sehnsucht ganze Qual:
Nach Lieb' ein Dürsten ungestillt,
Der Becher da und nie gefüllt! –
Doch ob des Busens Ebb' und Flut
Hinwogt in ungelöschter Glut,
Sie weiß, daß kein lebend'ger Mann
Sein Herz an ihres legen kann;
Daß, wer sie in die Arme faßt,
Des jähen Todes sichrer Gast!
Doch lockt sie ihn mit falschem Gruß,
Sie ringt in Qual – allem sie muß!
Sie sieht ihn mit bewegtem Sinn,
Und langt mit ihrer weißen Hand
Die Harfe von der Felsenwand,
Und rührt der Saiten vollen Klang! –
Herr Aechter horcht dem Zaubersang,
Der, wie des Schiffsvolks Lärm auch scholl,
Durchklang wie Erz, so hell und voll! –

      »Du Schiffer auf dem Rheine,
      Leg' an am Lorleysteine;
      Genieß vom goldnen Weine!
      Und willst du mich haben zur Braut,
      Will ich dich hegen und minnen traut,
      Das Brautbett ist aufgebaut!«

Als nun Herr Aechter den Gesang
Vernimmt, vernimmt den Harfenklang,
Und schlägt den Blick zu ihr hinauf,
Will hemmen er das Schiff im Lauf;
Die Knecht' indeß, taub seinem Wort,
Rudern aus allen Kräften fort. –

      »Du sollst von goldnen Tagen,
      Du sollst von Freuden sagen!
      Die Harfe will ich schlagen,
      Ich will mit der Stimme Gewalt
      Dir singen, daß Berg und Wald
      Erbebt und wiederhallt!«

      »Ich will dir küssen wund
      Deinen frischen rothen Mund,
      Willfährig zu jeder Stund';
      Dich küssen bis deine Wange bleich,
      Und, wenn du geworden eine Leich',
      In Blumen dich betten weich!«

»Laßt los, laßt los – ich muß zu ihr –
Herr Aechter ruft – Ich bleib' bei dir!
Ja, ich will küssen deinen Mund,
Und wär' ich verloren zu dieser Stund'!
Wir wollen schlürfen den goldnen Wein,
In aller Liebe selig sein;
Dein schönes Antlitz, bleich wie Tod,
Soll bald erglühn wie Purpur roth!« –
Und als die Knechte stehn und schweigen,
Sich lässig zu gehorchen zeigen,
Hat bald er, in wahnsinn'ger Kraft,
Aus ihrem Arm sich aufgerafft;
Sie schleudernd, daß der Mastbaum wankt,
Und bis zum Grund das Fahrzeug schwankt. –
Da zogen Lenzschwalben vorbei, die sangen,
Die hellen Stimmen vernehmlich klangen:

      »Wir ziehen fort, wir ziehen fort,
      Wir bauen ein Nest an schön'rem Ort!
      Waldfräulein! dem du dein Herz geschenkt,
      Herr Aechter, deiner nicht mehr gedenkt!
      Wir ziehen fort, wir ziehen fort,
      Wir bauen ein Nest an schön'rem Ort!« –

Und wie Herr Aechter so gestimmt
Der Schwalben klagend Lied vernimmt,
Fällt's ihm wie Schuppen vom Gesicht,
Und wieder wird sein Innres licht.
»Waldfräulein!« ruft er, und sein Geist
Ihm ihr viel lieblich Antlitz weist,
Wie sich's in treuer Sehnsucht jetzt
Um ihn in heißen Thränen netzt! –
Der Ferg' indeß mahnt sonder Rast
Die Ruderleute an zur Hast,
Und wie sie streben, fliegt in Eil'
Das Schiff am Fels hin wie ein Pfeil;
Der Sang der Jungfrau aber schallt
Noch lang von fern, bis er verhallt. –
Und als nun die Gefahr vorbei,
Das Lied verstummt der Loreley,
War erst Herrn Aechters Freude groß,
Der, wie's ihn auch zuvor verdroß,
Und wie er erst voll Zorn gerungen,
Nun sah, daß die Gefahr bezwungen!
»Habt frohen Dank, Gesellen gut,
Für Eure Hilf und treuen Muth!
Schon hatte Wahnsinn meinen Geist,
Gleich wie ein böser Traum umkreist;
Verlöscht war der Erinnrung Licht,
Gelähmt die Kraft, der Will' zu nicht'!
Nun ist die Seele wieder frei,
Vorbei die Macht der Zauberei.
Seid mir gelobt denn, und gepreist!
Allein, der hehre Gott zu meist,
Der warnend mir der Schwalben Singen,
Der trauten Vöglein, ließ erklingen!« –
So sprach Herr Aechter, und vor sich hin,
Sah er mit tiefgerührtem Sinn. –
Es wallt der Rhein jetzt spiegelhell,
Der Mond erglänzt aus jeder Well',
Ein leichter, schmeichlerischer Wind
Im Segel spielt und bläht es lind.
Er fühlt das Herze fromm erhoben,
Möcht' dankend seinen Schöpfer loben;
Den Engel, der ihm gab Geleit,
Möcht' preisen er mit Freudigkeit.
Es steht vor seiner Seele mild,
Waldfräuleins huldig-süßes Bild. –

Der Tage zwei währt noch die Fahrt;
Da, gleich als schwimme sie im Strom,
Mit Zinnen, Thürmen, Münstern fromm,
Herr Aechter nun die Stadt gewahrt.
Vergnügt in seinem Herzen jetzt
Er sich, auf reichen seidnen Thron,
An seines Schiffes Schnabel setzt.
Und um Herrn Aechtern her, im Kreise,
Mit Hörnern, Zinken und Schalmeien,
Die Pfeifer sich und Spielleut' reihen,
Und blasen einen lust'gen Ton
Zum Gruße, hergebrachter Weise.
Gemach legt jetzt das Schiff an's Land,
Und haftet in des Ufers Sand! –
So adlig zog zu Köln am Rhein
Von Möspelbrunn Herr Aechter ein! –


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