Joseph Christian von Zedlitz
Waldfräulein
Joseph Christian von Zedlitz

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Zwölftes Abentheuer.

Wie Herr Aechter Bescheid erhält.

Als nun Herr Aechter angekommen,
Er nicht gleich in die Herberg' rannt';
Nein, erst sich hin zum Münster wandt;
Und als er dort in frommer Pflicht
Ein kurz Gebet dem Herrn entricht't,
Dann hat er seine Ruh genommen.
Am Morgen drauf bei guter Zeit
Steht er schon fertig und bereit,
Sich um das Haus der Zwergenfraun,
Wie's ihm geboten, umzuschaun.
Sankt Kuniberti Kirche fand
Er ohne viele Müh' am Strand,
Und wie er geht noch hundert Schritt,
Er an die rechte Schwelle tritt.
»Willkomm' Herr Aechter, schön Willkomm'! –
So grüßen ihn mit Stimmen fein
Von ferne schon die Schwestern klein.
Kommt nur herein Ihr Ritter fromm,
Wir sind Euch zu empfahn bereit!« –
Herr Aechter, als ein feiner Mann,
Schickt ihnen mit der Hand zum Gruß
Von weitem zierlich einen Kuß.
Die beiden Alten lobesan
Erfreut sehr diese Höflichkeit,
Und eine zu der andern meint:
Herr Aechter guter Sitte scheint.
Eintritt der Ritter in das Haus
Voll Treppen, Gängen, Erkern kraus;
Im Flure steht, von Erz gegossen,
Ein bärtig Männlein, sieht verdrossen,
Gleicht einem zott'gen Waldgott schier.
Herr Aechter glaubt's, doch irrt er hier;
Das Männlein mit der Stange schwer
Es ist ein Mann von hoher Ehr';
Denn diesem Kämpen, gut und ächt,
Entstammt' dies winzige Geschlecht! –
Die Kleinen, Aechtern zu empfangen,
Kamen sogleich herbeigegangen
Und hängen sich an sein Gewand,
Und führen trippelnd an der Hand
Ihn zu dem Ehrensitz sogleich!
»Ihr seid fürwahr an Güte reich –
Herr Aechter spricht mit frohem Muth –
Und da ihr wißt, was mein Begehr,
So seid so gut und gebt mir Kunde:
Wo weilt Waldfräulein wohl zur Stunde?
Denn ihretwegen kam ich her;
Und was es koste sie zu lösen,
Ich thu's, im Guten oder Bösen!« –
Grauweiblein links mit Lächeln richt't
Den Blick auf ihn, und listig spricht:
»Ihr seid ein wackres junges Blut,
Doch macht Ihr was zu große Schritt':
Macht kleinere, so gehn wir mit!
Auch seid Ihr, edler Herr, verzeiht,
Zu kurz ein wenig angebunden!
Kaum daß Ihr uns habt aufgefunden,
Wollt Ihr gleich Eueren Bescheid;
Wer fällt so mit der Thür' in's Haus?
Wer artig ist bei Fraun, berührt
Erst dies und das, was sich gebührt;
Ihr aber macht Euch wenig draus:
Euch kümmert weder Frau noch Kind,
Nicht Mann, nicht Base, nicht Gesind.
Auch habt Ihr nicht, wie Ihr gesollt,
Wir sahn es wohl, als Ihr gekommen,
Des Ahnherrn Bild in Acht genommen,
Nicht sondre Ehrfurcht ihm gezollt!« –
»Verzeiht Ihr edlen Jungfräulein,
Ihr redet wahr, der Fehl ist mein;
Wollt Ihr mich drum noch ärger schelten,
Ihr mögt's, doch laßt mich's nicht entgelten!« –
Herr Aechter so, und neigt sich fein.
Und sittig lächelnd Antwort spricht
Grauweiblein rechts: »Nun, laßt nur sein,
Wir wollen drum Euch übel nicht!
Erfahrt denn, was nicht jeder weiß
Vom Baum, von dem wir's letzte Reis,
Der herstammt aus dem hohen Norden,
Und an den Rhein versetzt ist worden!
Wißt, Herr, es sind die Zweige ächt,
Ein auserlesenes Geschlecht,
In das Natur mit Fleiß gelegt
Die besten Gaben, die sie hegt;
In Männer edle Tapferkeit,
So daß sich mancher Zwerg zum Streit
Vermaß mit Riesen ungeschlacht,
Obsiegend durch der Stärke Macht;
Die Frauen aber, zart und klug,
Kannten geheimer Dinge Zug. –
So lebten einst daheim die Zwerge
Als Volk zusammen in einem Berge.
Doch mancher suchte Heldenthum
In fremdem Land, und edlen Ruhm;
Von Albrich, der die Tarnkapp trug,
Erzählt Euch längst der Ruf genug;
Dem hörnen Siegfried, wie Ihr wißt
Bewacht am abgelegnen Ort
Er lang den Nibelungenhort,
Und niemals ward ein Deut vermißt.
Nun seht, Herr Albrich war ein Sippe
Von Herrn Udalphus mit der Hippe,
Deß edles Abbild Ihr, gesehn
Von Erz im Flur des Hauses stehn.
Und Herr Udalphus zeugt' uns drei,
Zu Lohr die Schwester, und uns Zwei.
Doch nun erlischt der Stamm im Land,
Wir sind die letzten ihm verwandt!
Das Maidenthum ist unser Will'!
Und haben wir sofort beschlossen,
Dem Herrn zu dienen unverdrossen,
In aller Wegen fromm und still;
Und sind mit unserm besten Wissen
Zu nützen aller Kraft beflissen!
Doch Guten nur hilft unsre Kunst;
Nicht die Unlauteren und Schlimmen,
Die Falschen, Lasterhaften, Grimmen,
Hat je getröstet unsre Gunst!« –
Herr Aechter rückt auf seinem Sitz',
Wischt von der Stirne sich die Hitz',
Und denkt: »so viel steht fest, es sind
Die Zwerge wie andre Menschenkind;
Die Fraun auf Erden sind alle gleich,
An viel unnützen Worten reich!«
Drauf nimmt Grauweiblein links das Wort,
Und setzt die Rede also fort:
»Ihr seid ein adlich fromm Gemüth,
In allen Treuen aufgeblüht,
Von edlem Kern ein edler Sproß,
Vom ächten Baum der ächte Schoß!
Auch sehn wir in der Zukunft weit
Des ganzen Stammes Herrlichkeit,
Der immer grünen wird und steigen,
Und nimmer seine Krone neigen,
Und, allen Ehren anverwandt,
Erlaucht wird stehn im deutschen Land! –
Weil Eure Liebe rechter Art,
Ihr Waldfräulein die Treu bewahrt,
Bleibt, seid getrost, die Ihr erkoren,
Auch Eurer Sehnsucht unverloren!
Und im Vertraun! die Braut zu sehn
Durftet Ihr nicht nach Köllen gehn;
Doch Eurer Sünden quitt zu werden
Gibt's keinen beßren Ort auf Erden!
Der heil'gen Könige Gebein,
Sammt den eilftausend Jungfräulein,
Die mit Sankt Ursula hierher,
Von fern gekommen über's Meer:
Wenn die für Euch ein Fürwort legen,
Dann bleibt ihr wohl auf guten Wegen!
Drum waschet erst am heil'gen Schrein
Die Makel des Gewissens rein;
Habt Ihr der Fehl' Euch abgethan,
Dann tretet Euern Heimweg an,
Und kehrt zurück zum Spessart grün!
Waldfräulein ist zwar jetzt in Noth,
Weil sie der Spessartfee Gebot
Vergessen, als sie Euch ersah,
Und, was nicht recht, von ihr geschah.
Doch bald zur Wonne wird ihr Leid;
Ein glücklich Ehbett steht bereit!
Kommt ihr nun heim, so rüstet Euch
Zur Veste Zabelstein sogleich.
Zieht hin, ein Ritter schmuck und kühn!
Ein Waffenspiel Herr Wipprecht hält;
Dort stellt, wie andre, Euch in's Feld;
Statt allem edlen Wappenbild
Und Zier auf Harnisch, Helm und Schild,
Tragt um den Hals Waldfräuleins Schuh;
Waldfräulein findet sich dazu! –
Und nun, Herr Aechter, Gott befohlen!
Ich weiß, es brennen Euch die Sohlen;
So geht, den Himmel im Geleit,
Er schenk' Euch alle Freudigkeit!« –
Herr Aechter, Freud und Dankes voll,
Weiß nicht, wie er's bezeigen soll;
Umarmt Grauweiblein links in Hast,
Grauweiblein rechts gleichweis umfaßt;
So daß die werthen Jungfraun beid'
Ein Kleines in Verlegenheit!
Grauweiblein links erröthend spricht:
»So was geschah mein Lebtag nicht!«
Grauweiblein rechts: »Einen Kuß in Ehren,
So sagt der Spruch, kann Niemand wehren!«
So ließen beide, statt zu schelten,
Den Uebermuth Herrn Aechters gelten! –

Bedenkt man's recht, so scheint's, es muß
Was Süßes sein um einen Kuß! –


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