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Die beiden Kreuzgeschmückten ritten
Nun ihres Weges ganz allein.
Der Semmernik war überschritten,
Und weiter ging es bergauf, thalein,
Durch Steiermark und Kärnthen zogen
Bald gradeaus sie, bald im Bogen,
Wie es der Alpen hohe Wände,
Thalkrümmung, Flußbett und Gelände
Zuließen ohne nah und fern
Den Durchlaß trotzig zu versperrn.
Es hatten, bis von den Karawanken
Sie niederstiegen nach Friaul,
Für manchen Spornstich zu bedanken
Sich Ritterroß und Spielmannsgaul,
Auf alten Römerstraßen fuhren
Sie durchs Gebirge, wo die Spuren
Der weltbeherrschenden Cäsaren
In Trümmern noch die Zeugen waren
Von Krieg und Handel, Wandern, Wohnen,
Zeitweiligem Standort der Legionen,
Wo noch Castell und Tumulus
Vom Heldenstamm des Romulus.
Und als sie über das Zollfeld ritten,
Das längs des Glanbachs sich erstreckt
Und ringsumher auf Schritt' und Tritten
Ruhmredige Erinnrung weckt,
Da sahn sie an des Weges Rand
Von Marmor einen Grabstein ragen,
Darauf
Virgo venusta stand,
Der Name darüber war zerschlagen.
Tannhäuser gab dem Gefährten die Zügel
Und ging zu dem verwehten Hügel,
Die Inschrift deutlicher zu lesen.
Sie sprach von einem holden Wesen,
Das einging in des Hades Nacht,
Von Liebe nur in Leid gebracht.
Denn also hieß es auf der Stele:
Sie hing mit ihrer ganzen Seele
An einem Jüngling früh und spät,
Doch ihre Liebe ward verschmäht,
Kein Wort mehr ihre Lippe sprach,
Der Tod die schöne Blume brach.
So übersetzte das Latein
Tannhäuser, das noch wohl erhalten;
Darunter waren in den Stein
Auch eingegraben die Gestalten
Amors und Psyches. Sinnend stand
Der Ritter vor dem Bildwerk lange,
Bis er wohl eine Lösung fand
In reihender Gedanken Gange.
Dann sprach er vor sich hin und nickte:
»Verschmähte Liebe! ja, das ist Tod!«
Schwang sich aufs Roß, ritt ab und blickte
Zurück doch, wo im Abendroth
Noch treue Liebe über dem Grab
Verlassener Liebe ein Denkmal gab.
Tannhäusers tiefes Schweigen wagte
Spervogel nicht zu unterbrechen,
Doch endlich fing er an zu sprechen,
Als er den Stillgewordnen fragte:
»Herr! sagt mir, waren das Engelein
Die Zwei mit Flügeln auf dem Stein?«
»Nein, Freund! das Mägdlein mit den Schwingen,
Wie Du sie siehst an Schmetterlingen,
Das stellt die menschliche Seele vor,
Die in der Liebe sich selbst verlor.
Der Knabe, der sich zu ihr drängt
Und sie mit seinem Arm umfängt,
Das ist der Liebesgott der Alten,
Der kann mit der Seele schalten und walten
Nach seinem Belieben frank und frei, –
Amor und Psyche heißen die Zwei.
Der Menschenseele kommt allzumal
Die höchste Lust und die größte Qual
Nur von der Liebe im Leben her,
Ich habe selbst die seltne Mär
Von Apulejus einst gelesen.«
So sprach der Ritter und versank
Bald wieder in ein träumrisch Wesen.
Spervogel sprach: »Ich wüßt' es Dank
Dem, der die Sache mir erklärte,
Wie sich das zutrug mit den Zwei'n.«
Und willig weihte der Gefährte
Ihn in den schönen Mythus ein
Und schloß damit: »Siehst Du, da oben
Da schlummert so ein armes Herz,
Das auch von Hoffnung einst umwoben,
Doch brach in seinem Sehnsuchtsschmerz. I,«
Wird auch wohl einst, wie's in der Sage
Von Psyche heißt, die unterm Stein
In jenen Höhn nach Pein und Plage
Mit dem Geliebten selig sein?
Wenn ich mich dahinein versenke:
So wonnenreich, so freudengroß
Wie Liebesglück, so furchtbar denke
Ich mir verschmähter Liebe Loos.«
Still in Gedanken ritten beide
Und hatten kaum des Weges Acht,
Der Wind strich über Moor und Heide,
Und leise sank herab die Nacht.
Wie endlich sie an ihrem Ziel
In der Lagunenstadt nun waren,
Da gab's für beide Staunens viel
Ob all' dem Fremden, Wunderbaren.
Wie überragt von bunten Pfählen,
Die Straße unter Wasser stand,
Und wie die Fluth in den Kanälen
Sich durchs Gewirr der Häuser wand.
Hier keines Rosses Hufschlag schallte
Und keines Menschen Wanderschritt,
Der Schiffer Rufen klangvoll hallte,
Wo lautlos ihre Gondel glitt.
Mit Söllern spiegelten und Logen
Die Häuser sich im Wasserstrom,
Die Brücken, der Palast des Dogen
Und Glockenthurm und Markusdom.
Neu war es und fast sinnverwirrend,
Als ob ihr Auge sie betrog,
Wenn sie's von dem Rialto irrend
Hin nach der Piazzetta zog.
Sie sahen dort am Hafendamme
In Trachten, nie vorher geschaut,
Manch einen Sohn von fernem Stamme
Und hörten fremder Sprachen Laut.
Schwarzbärt'ge, schlaue Griechen knüpften
Mit gelben Mauren Handel an,
Und schachernde Hebräer schlüpften
Durch das Gedräng von Mann zu Mann.
Als beide Herberg nun genommen,
Erforderte des Ritters Stand
Die Meldung, daß er angekommen
Zur Fahrt in das gelobte Land,
Und andern Tages ohne Hast
Schritt er zum fürstlichen Palast.
Der Doge, der Venedigs Ehre
Und seines Handels stolze Macht
Und seine Herrschaft auf dem Meere
Zum höchsten Blüthenglanz gebracht,
Enrico Dandolo, an Jahren
Ein vierundneunzigjähr'ger Greis,
In Staats- und Kriegskunst gleich erfahren,
Empfing in einem kleinen Kreis
Von Nobile und schönen Frauen
Den deutschen Ritter ernst und mild,
Stand hoch und aufrecht, anzuschauen
Wie ein ehrwürdig Königsbild.
Er gab ihm kund, wie ihn erfreue
Des Ritters Ankunft, dessen Lob
Von Tag zu Tage sich erneue,
Sich schon zu Ruhmesklang erhob.
»Laß fühlen,« sprach er und trat näher,
»Wie Deines Antlitz's Züge sind,
Statt Auges ist die Hand mir Späher,
Die tastend forscht, – ich bin ja blind.
Wie bist Du groß und schlank an Gliedern!
Und welcher Stirne Fug und Bau!
Hast lange Wimpern an den Lidern
Und eine schön gewachsne Brau.
Darunter mußt Du Augen tragen –!
Mir ist, als fühlt' ich ihre Gluth,
Ich glaube, ich muß Frauen fragen,
Wenn sie hineinzuschau'n den Muth.
Die Nase scharf und leicht gebogen,
Ein kräftig Kinn, nicht allzu rund,
Die Wangen nicht zu voll gewogen,
And ach! wozu, wozu
den Mund?!
Und diese dichten, weichen Locken,
Die sind wohl blond? sagt mir's, ihr Frau'n!«
»Nein, edler Herr!« sprach ohne Stocken
Der Schönen eine, »sie sind braun.«
»Ja, lichtbraun!« stimmte dieser Einen
Schnell eine Andre zu. »Nicht doch!«
Sprach eine Dritte, »mir erscheinen
Sie dunkelbraun, ja dunkler noch,
Als der Kastanie glatte Schale.«
Die Erst' entschied mit klugem Wort:
»Es glänzt in seinem eignen Strahle
Hier hell das Haar und dunkel dort.«
Der Doge lächelte der Streiter, –
»Du nimmst Quartier hier im Palast,
O weigr' es, Sohn, nicht!« bat er heiter,
»Der Sänger sei des Dogen Gast!« –
Tannhäuser mußte sich bequemen,
Weil schwer des Greises Bitte wog,
Hier wohnliches Gemach zu nehmen,
Und als er's bald darauf bezog,
Fand eine kaum erblühte Rose
Er auf dem Tisch, doch welk und blaß,
Im Kelch die Blätter matt und lose;
Er nahm sie, that sie in ein Glas
Und netzte ihr die bleichen Wangen,
Und sieh, schon nach der ersten Nacht
Sah er sie wieder herrlich prangen
In duftig frischer Blüthenpracht.
Ihn freute dieses gute Zeichen,
Das deutungsvoll ihn rathen ließ,
Was für ein Glück wohl ohne Gleichen
Der kleine Vorfall ihm verhieß.
Kreuzfahrer kamen zu Fuß, zu Roß,
Reisige Haufen, Pilger und Troß
Und Ritter auch von fern und nah,
Viel neue Sporen klangen da.
Die Einen kamen in frommem Glauben,
Die Andern aus Lust am Plündern und Rauben,
Der hoffte Vergebung seiner Sünden,
Der wollte den eigenen Ruhm verkünden,
Dem ging es mit Welfen und Ghibelinen
Zu friedlich noch her im deutschen Reich,
Er hoffte, sich Besseres zu verdienen
Im heil'gen Lande mit Schwertesstreich,
Und Alle trugen sie stolz bewußt
Das rothe Kreuz doch auf der Brust.
Es wuchs noch täglich das Gedränge,
Man sperrte die unzähl'ge Menge,
Daß in der Stadt nicht Unheil geschah,
Bald auf die Insel San Nicola
Und ließ sie warten in Geduld,
Denn Einer schob auf den Andern die Schuld,
Verhandlung schwebte mit dem Rath,
Es fehlte an Geld zur großen That.
Aus Eifersucht und Aengstlichkeit
War man in Pisa und Genua
Zum Unternehmen nicht bereit;
Da schloß der Graf von Montferrat
Vertrag ab mit der Signorie
Venedigs, daß zur Kreuzfahrt sie
Die Schiffe stellte. Im Arsenal
Ward schon gerüstet Tag und Nacht,
Doch wurde zu der Harrenden Qual
Das Werk noch nicht zu Ende gebracht,
Weil man die Summe, die bedungen,
Trotz Steuer und Ablaß nicht erschwungen,
Tannhäuser lag in träger Ruh
Und sah dem Treiben mürrisch zu.
Er hätte gern sein Schwert gezogen
Und seine Lanze eingelegt
Und wäre auf den blauen Wogen
So gern zu Schiffe dahin gefegt.
Nun mußt' er warten doch mit Allen
In lästig aufgezwungner Haft,
Ließ widerwillig sich gefallen
Des edlen Dogen Gastfreundschaft.
In seinem üppigen Gemache
War eine zweite Thür, doch schloß,
Als ob ihn Argwohn überwache,
Man drüben ab, was ihn verdroß.
Bewohnt war auch dies Nebenzimmer,
Jedoch erfuhr er nicht, von wem,
Denn seinem Fragen wich man immer
Vorsichtig aus als nicht genehm.
Da griff er denn zur Harfe wieder,
An ihren Tönen sich zu freu'n
Und mit dem Klange seiner Lieder
In Einsamkeit sich zu zerstreu'n.
Doch nicht im Zimmer mocht' er singen,
Er ließ der Stimme süßen Braus
Fern auf dem Wasser nur erklingen,
Ein Gondolier fuhr ihn hinaus.
An jedem Abend im Gestühle
Der Gondel ruht' er dann und sang,
Wie in dem Wechsel der Gefühle
Leid oder Lust sich ihm entrang.
Noch war ihm weich und warm zu Herzen,
Da er Jukunden draus vertrieb,
Und in dem Nachklang jener Schmerzen
Fühlt' er die Leere, die dort blieb.
Er wünschte sich davon genesen
Und wäre doch für Trost und Rath
Niemals empfänglicher gewesen,
Als wenn jetzt Minne ihm genaht.
O wie verlangt' ihn, sich zu lehnen
An eine dargebotne Hand,
Nach einem Wesen, das sein Sehnen
Und seines Geistes Zug verstand!
Doch ach! würd' er wohl jemals finden
Ein Herz wie seins so reich und voll,
Das wie das Kommen und das Schwinden
Der Fluth dort ihm entgegen schwoll? –
Gleich einem Flammenschilde legte
Sich auf das Meer des Mondes Glanz,
Und wie das Wasser sich bewegte
In kleiner Wellen Spiel und Tanz,
Gab das ein Funkeln und ein Blitzen
Und Blinken durch die stille Nacht,
Ein leuchtend, züngelnd Farbenflitzen
In spiegelnder Perlmutterpracht.
Bald war's ein bläulich Silberflimmern
Wie Schuppenringeln, Flossenkleid,
Und bald ein glitzernd goldig Schimmerr
Wie Königskrone und Geschmeid,
Wenn hinter dünnem Wolkenschleier
Des Mondes Antlitz halb verschwand
Und wieder dann zur nächt'gen Feier
In ungetrübter Klarheit stand.
Die Wellen rauschten leise, leise,
Ein Gurgeln und ein Glucksen kaum
Umrieselte des Kieles Gleise,
Der leicht dahin floß wie ein Traum.
Das Ruder klang, ganz heimlich tauchte
Es plätschernd in die laue Fluth,
Und kühler Wellenathem hauchte
Nach des erloschnen Tages Gluth.
Die tiefe Stille nur belebte
Tannhäusers reiner Harfenklang,
Und wie mit Mövenfittig schwebte
Weit übers Wasser sein Gesang. –
Der Fiedelvogt, der wie geboren
Zur Kundschaft jeder Heimlichkeit,
Als hörte er mit seinen Ohren
Ein Spinneweben meilenweit,
Der hatte noch in Wien vernommen,
Daß Frau Jukunde Rache sann,
Und glaubte nun die Zeit gekommen,
Zu warnen seinen Rittersmann,
Tannhäuser hatt', obwohl er staunte,
Ein spöttisch Achselzucken nur,
Spervogel blieb dabei und raunte:
»Ich glaub', ich, habe eine Spur!
Saht Ihr noch nie bei Mondeshelle,
Wenn Ihr hinausfahrt auf die Fluth,
Daß einer andern Gondel Schnelle
Der Euren folgt? seid auf der Hut!
Sie kommt aus dem Kanale stündlich,
Sobald Ihr fahrt, und lenkt Euch nach,
Doch wen sie trägt, ist unergründlich,
Denn ihn verbirgt ein schützend Dach.
Gebt Acht und habt das Schwert zu Handen,
Dann bin ich wohl um Euch in Ruh,
Es giebt hier feile Mörderbanden,
Den Weibern trau' ich Alles zu!« –
Grund hatten schon des Spielmanns Sorgen,
Und jener zweiten Gondel Fahrt
Blieb auch dem Ritter nicht verborgen,
Er hatte ihrer oft gewahrt,
Wie sie bald nahe und bald ferne,
Bescheiden bald und balde dreist,
Jetzt vor dem Bug und jetzt am Sterne
Sein eigen Fahrzeug stets umkreist.
Doch hatt' er ihrer nicht geachtet,
Versunken in sein Harfenspiel,
Was kümmert's ihn, womit befrachtet
Auf stiller Fahrt ein fremder Kiel!
Die nächste Nacht, das Schwert zur Seite,
Fuhr er weit weg die feuchte Bahn
Und sah bald auch als sein Geleite
Die andre Gondel wieder nahn.
Er sang wie sonst und gab durch Zeichen
Dem Gondoliere zu verstehn,
Allmählich jene zu erreichen
Und Bord an Bord mit ihr zu gehn.
Sie trug gleich einem Baldachine
In ihrer Mitte ein Verdeck
Mit vorgezogener Gardine
Als undurchdringliches Versteck.
Als kaum die Richtung war genommen,
Ersahn's die Andern, wichen aus
Und suchten heimwärts zu entkommen,
Doch war's fast Stunden bis nach Haus.
Nur einen kurzen Vorsprung hatte
Der Gegner auf dem Weg zur Bucht,
Und es begann nun die Regatte,
Hier war es Jagd und dort nur Flucht.
Die Gondeln flogen auf den Wellen,
Hoch sprudelte am Kiel der Schaum,
Im Wettkampf galt's dahin zu schnellen
Durch den einsamen Wasserraum.
Tannhäuser nahm am Vordertheile
Ein zweites Ruder, lang und groß,
Und half damit zur Windeseile
Mit seines Armes Druck und Stoß.
Und als sie Seite nun an Seite,
Schwang er, das Schwert blank in der Faust,
Sich auf das andre Boot zum Streite:
»Heraus jetzt, wer im Dunkeln haust!«
Da vor ihm, um ins Meer zu springen,
Floh eine weibliche Gestalt,
Kaum konnte er sie noch umschlingen
Mit augenblicklicher Gewalt.
Sie brach in seinem Arm zusammen,
Und selber bebend hielt er sie,
Erkannte in des Mondlichts Flammen –
Gräfin Ricchezza Montparis!
Schnell trug er die Besinnungslose
Zurück auf ihres Polsters Pfühl
Und blickte auf die bleiche Rose
Mit tief erschüttertem Gefühl.
Den Vorhang hatt' er aufgezogen,
Da wiegte sich des Mondes Licht
So friedlich auf den sanften Wogen,
Und deutlich sah er ihr Gesicht.
Gefesselt hielt noch ihre Glieder
Nur einer leichten Ohnmacht Band,
Er kniet' an ihrer Seite nieder,
Nahm ihre Hand in seine Hand.
Als ob das tröstlich sie ermannte,
Schlug sie die Augen langsam auf
Und gab, wie sie den Freund erkannte
Dem Strom der Thränen freien Lauf.
Tannhäuser ließ sie still gewähren,
Statt daß er sie zur Ruh beschwor,
Weil sie mit ihren heißen Zähren
Auch ihrer Seele Angst verlor.
Sie sah voll Innigkeit und Bangen
Mit feuchtverklärtem Blick ihn an,
Und wieder rollten ihre Wangen
Hinab die edlen Perlen dann. –
Bestrickender von allen Gaben
Sind keine auf dem Erdenrund,
Als Frauenthränen, ach! es haben
Weinende Augen süßen Mund.
Ihm schwoll das Herz, sehnsüchtig zogen
Ihn ihre Augen zum Entschluß,
Bis daß er sich hinab gebogen
Zu einem langen, langen Kuß. –
Sie kehrten heim, und es bekannte,
Ricchezza, nun von Aengsten frei,
Daß sie die nahe Anverwandte
Des Dogen von Venedig sei.
Sie wohnte auch in dem Palaste
Und, wie erröthend sie gestand,
Im Zimmer neben ihm, dem Gaste,
Mit ihrem Netter Wand an Wand. –
Wie vordem so noch immer fuhren
Allabendlich zwei Gondeln aus
Die eine auf der andern Spuren,
Und kamen auch getrennt nach Haus.
Doch Mond und Sterne sahn sie liegen
Da draußen balde Bord an Bord,
Die treuen Gondoliere schwiegen,
Spervogel sprach nicht mehr von Mord.
Tannhäuser und Ricchezza ruhten
In sichern, seegewohnten Planken
Mit spielenden Wonnen und Gedanken.
Und wenn die windbewegten Fluthen
In weichen Linien schwangen und rauschten
Und ihre Wellengrüße tauschten,
Am Bord hinhüpften lauschig lüstern,
So stimmte der Umschlungenen Flüstern
Mit Meeresmelodien zusammen
Wie Rosen, die auf Wellen schwammen.
Auf blauer Tiefe leise geschaukelt,
Von seligen Träumen lockend umgaukelt,
Nichts Festes, als über sich die Sterne
Und hinter sich das schwindende Land,
So nahe gerückt aus neidischer Ferne
Und ein sonniges Glück in vertrauender Hand –
Da strömte über von Mund zu Mund
Das Erste und Letzte aus Herzensgrund;
Sonst Alles vergaßen sie, Eins nur nicht:
Wie Liebe schweigt und wie Liebe spricht.
Da wurde gestanden und aufgeklärt,
Was Einer noch nicht vom Andern wußte,
Was man nur Auge in Auge erfährt
Und Einer dem Andern doch sagen mußte.
Tannhäuser sprach: »Und Du hast mich geliebt!«
»Ach, angebetet!« klang es entgegen,
»Wie meine Liebe es keine giebt!
Auf meinen Knieen hab' ich gelegen
Und Leib und Seele und Seligkeit
Verschworen um Dich in des Herzens Streit.
Wo ich Dich wußte, da war ich auch,
Dein Leben war meines Odems Hauch,
Wenn ich Dich hörte, zittert' ich schon,
Wenn ich Dich sah, stiegst Du vom Thron
Des Herzens mir hoch in die Wolken hinauf
In unerreichbarem Sternenlauf,
Und meine Seele beugte sich
Vor Dir, vor Dir und umschwebte Dich.
Ich konnte nichts denken, konnte nichts sprechen
Und war in Aengsten oft dran und drauf,
Zu Deinen Füßen zusammenzubrechen
Mit dem einzigen Schrei: O hebe mich auf!
Oder bin ich Deiner Liebe nicht werth,
So stoße mir in den Busen das Schwert!
Ich habe in schlummerlosen Nächten
Mit himmlischen und mit irdischen Mächten
Gekämpft und gerungen, in Thränen geschwommen,
Und war einmal über mich gekommen
Der Stolz des Weibes, der Trotz der Verschmähten,
Die Liebe mir aus dem Herzen zu gäten,
Rief's wieder: Was Alles ein Weib auch kann,
Es soll nicht stark sein wider den Mann!«
Tannhäuser zog sie an seine Brust,
Da ruhte sie mit unsäglicher Lust.
Dann aber lächelt' er: »Liebes Lieb!
Was Dich zu mir, zu Dir mich trieb,
Das ist wohl stärker als Weib und Mann,
Und Niemand es messen und wägen kann.
Ihr haltet, an hohen Kräften reich,
Mit Händen, wie Lerchenflügelein weich,
Herzzwingend uns Alle in eurem Bann
Und jubelt, wenn euch der stolze Mann
Ist unterthänig mit Seele und Leib,
Denn herrschen will auch das liebendste Weib.«
»Ich nicht! ich nicht! wir Frauen leben
Ja nicht für uns, all unsre Zeit,
All unser Denken und unser Streben
Und all unser Fühlen ist euch geweiht,
Des Mannes Hoheit und Ritterschaft,
Den Wagemuth und die freudige Kraft,
Sein standhaft Mühn und mannhaft Siegen
Mit Liebeshuld ihm aufzuwiegen.
Für eurer Thaten Glanz und Ruhm
Sind wir eu'r eigenes Eigenthum,
Was euch gefällt an uns schwachem Geschlecht,
Das zu besitzen ist euer Recht,
Möchtet ihr uns in den Himmel erheben
Sind wir doch euch in Demuth ergeben,
Und wenn Frau Minne euch Kränze sticht,
Ist's unser Dank nur und unsre Pflicht.
So hab' ich von Jugend auf gedacht,
Und als Du in Deiner Macht und Pracht
Mich Arme kaum nur angesehn,
Da war's um all mein Glück geschehn.
Ich floh von bannen in fernes Land,
Und als ich doch hier Dich wiederfand,
Versteckte ich mich, ganz hoffnungslos,
Ob meine Sehnsucht auch sterbensgroß.
Ich sah Dich schweben auf Meereswogcn
Und bin verlangend Dir nachgezogen,
Weil Deine Stimme, Dein süßer Gesang
Mein Herz ergriff, meine Seele zwang,
O Du mein stolzer, mein wilder Schwan,
Du hast mir ja zuviel Leides gethan!
Und hätte mich von des Schiffleins Rand
Zurückgerissen nicht Deine Hand,
Nie hätt' ich an Deiner Brust geruht,
Ich schliefe wohl dort in der kalten Fluth.«
Er sprach kein Wort, er hielt sie fest
An seine klopfende Brust gepreßt.
Von seiner und ihrer Küsse Gluth
Brannte ihr in den Wangen das Blut,
Und wie die Rose, die er gepflegt,
Die sie nur auf seinen Tisch gelegt,
So blühte nach kurzer Tage Lauf
Im Glanz der Liebe sie selber auf.
Die reichsten Worte schildern nimmer
Ricchezza's Glück; es lag die Welt
Um sie in einem Rosenschimmer,
Und das azurne Himmelszelt,
Wo Sterne in der Zeiten Flug
Aufgingen und zu Nichts zerrannen,
Schien ihr nicht hoch, nicht weit genug,
Dies All der Liebe zu umspannen.
Sie mußte manchesmal sich fragen:
»Ja, wach' ich denn? träum' ich denn nicht?
Hat wirklich dieses Herz geschlagen
An seinem Herzen nah und dicht,
Wie Welle sich an Welle schmieget
Und wie die buhlerische Luft
Sich in den Blumenkelchen wieget
Und schwelgend sich berauscht am Duft?
Bin ich es werth, in Liebesbanden
Der Heldenkraft Gespiel zu sein?
Um den sich die Gedanken wanden
Wie Epheu, – der, der ist nun mein?
Wie dank' ich ihm? könnt' ich bereiten
Auch ihm, der mich in Freuden liebt,
So namenlose Seligkeiten,
Wie er mir überschwänglich giebt!«
So klang es ihr in Herzensgrunde,
Erwartungsvoll ihr Busen flog,
Bis daß er kam zu guter Stunde
Und sie in seine Arme zog,
Bis athemzitternd, traumumsponnen
Sie fühlte des Geliebten Hand
Und sprachlos in dem Rausch der Wonnen
Erinnrung ihr und Denken schwand.
Tannhäuser trank mit vollen Zügen
Vom Becher in Ricchezza's Hand,
Den sie zu füllen kein Genügen,
Zu leeren er kein Ende fand.
Nun waren sein zwei rothe Lippen,
Die nicht aus Gnade nur und Glimpf
Vergönnten ihm ein dürftig Nippen,
Nein, allzeit froh zu Scherz und Schimpf.
Sein war ein Weib, wie er's verlangte,
Das an die Brust ihm stürmisch flog,
In seinen Armen bebt' und bangte,
Und glühend seine Küsse sog,
Das hingegeben und erschlossen
Mit voller Seele sich ihm bot,
In Liebesglück und Lust zerflossen
Wie Mondenglanz im Morgenroth.
Und doch – die Alles ihm gegeben,
Was für den Mann ein Weib vermag,
Sie konnt' ihm nicht den Schleier heben,
Der über dem Verborgnen lag.
Er wollte in ihr Innres blicken
Und der Gefühle Macht verstehn,
Wie sie die flinken Boten schicken,
Die stumm von Herz zu Herzen gehn.
Sie sollte sich auf Flügeln schwingen
Mit ihm in jenes Geisterreich,
In das nur die Gedanken dringen,
Dem keines Sinnes Herrschaft gleich.
Dem Körperlichen weit entrücket,
Wo das, was sichtbar ist, erlischt,
Begehrt' er sich mit ihr beglücket,
Zu
eines Odems Hauch vermischt.
»Ricchezza, kannst Du mir verkünden,«
So frug er, »was sich in Dir regt,
Wenn mit der vollen Gluth Entzünden
Mein Mund sich auf den Deinen legt?
Wie ist Dein Denken, Dein Empfinden
In jenes Augenblickes Spur?
Fühlst Du Dein eignes Selbst nicht schwinden,
Als wären wir
ein Wesen nur?
Sag mir, wie sich in Dir gestaltet
Der Liebe höchste Seligkeit,
Was in Dir lebt und webt und waltet
Mit des Gefühles Trunkenheit!«
Doch sie verstand nicht sein Verlangen,
Verwundert blickte sie ihn an
Und schmiegte zärtlich und befangen
Sich an den heißgeliebten Mann.
Sie zitterte, ihn innig schmeichelnd,
Und ihrer Wangen Röthe stieg,
Doch ihr die dunkeln Locken streichelnd
Küßt' er sie auf die Stirn und schwieg. –
Da schlug die bitterste der Stunden,
Die meldet, daß mit ihrem Klang
Des Glückes längster Tag entschwunden
In unaufhaltsam flücht'gem Gang.
O scheiden müssen und sich meiden,
Was nie begreift ein liebend Herz
Und dennoch tragen muß und leiden,
Das ist der Minne größter Schmerz.
Herbst war es, und die Schiffe lagen
Gerüstet, segelfertig dort,
Das Kreuzheer übers Meer zu tragen
Zu Palästinas heißem Port.
Feldherr war auf dem Zug zur Ferne
Held Dandolo, der blinde Greis,
Sein stolzes Schiff lag mit dem Sterne
Nah dem Palast auf sein Geheiß.
Es sollte auch den Ritter tragen
Mit seinem treuen Sanggeselln,
Zeit war es, Fahrewohl zu sagen,
Schon manches Segel sah man schwelln.
Tannhäuser aber hielt zum Letzten
In seinem Arm ein schluchzend Weib,
Sein Antlitz ihre Thränen netzten,
In wildem Schmerze zuckt' ihr Leib.
»Lebwohl!« sprach sie, »und was geschehen,
Aus lauter Liebe war ich Dein,
Ich weiß nicht unser Wiedersehen,
Vergiß um keine Seele mein!« –
Er fuhr an Bord auf leichtem Kahne,
Die Anker stiegen aus der Fluth,
Ricchezza blickte vom Altane
Hinüber mit gebrochnem Muth.
Die Flotte zog dahin; es schallten
Von den bekränzten Schiffen her
Kreuzlieder, aber sie verhallten
In der Entfernung mehr und mehr.
Ricchezza stand und hielt noch immer
Die Hand den Augen vor als Dach
Durch Sonnenglast und Wellenflimmer
Sah sie nur einem Schiffe nach.
Sie unterschied es lange, lange,
Weil es mit Flaggen reich geschmückt,
Doch Er, den's trug im Wogengange,
War ihren Augen längst entrückt.
Er stand wohl auch so da und schickte
Rückwärts den Blick; sie wußt' es kaum,
Daß sie, als säh' sie ihn, ihm nickte,
Und weiter ward der Trennung Raum.
Des Schiffes Rumpf schwand in den Wellen,
Daß sie es öfter ganz verlor,
Man schien die Segel umzustellen,
Und wieder taucht' es dann empor.
Sie spähte mit des Blicks Gewalten
Ins Blaue, Graue weit hinaus,
Um mit den Augen festzuhalten
Des Heißgeliebten schwimmend Haus.
Und sieh! die Segel blinken, blenden
Jetzt weiß wie Schnee auf dunkler Wand,
Als wollt' er einen Gruß noch senden,
Als winkt' er selber mit der Hand.
Doch weiter, immer weiter fliehet
Des kleinen Bildes matter Schein,
Und wie's allmählich schwindet, ziehet
Es ihre Seele hinterdrein.
Sie sieht es gehen und verschweben,
Dämmrung verwischt die letzte Spur –
Nun ist er fort! wie soll sie leben?
Vor Sehnsucht sterben kann sie nur. – –
Als sich entfernt schon eine Strecke
Das Schiff in den Lagunen, sahn
Spielmann und Ritter vom Verdecke
Ricchezza stehn auf dem Altan.
Spervogel fragte: »Herr, wie hießen
Doch jene Zwei dort auf dem Feld,
Die sich in Liebesleid verließen?«
»Amor und Psyche!« sprach der Held.
Der Fiedelvogt zum Altan zeigend
Sprach: »Psyche!« – wie ein Bild von Stein
Starrt' ihn Tannhäuser an erst schweigend,
Sprach dann nachdenklich: »Psyche? – nein!!«