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V.

Der Minnehof zu Avellenz.

Tannhäuser seine Straße zog
Gerade wie der Falke flog,
Dem Morgenroth entgegen
Auf dunkeln Waldeswegen.
Das Herz war ihm so licht und leicht
Wie Windhauch, der die Wipfel streicht.
Die Welt lag vor ihm, Niemand frug,
Wohin das Roß den Reiter trug.
Ihm selber kam es nicht zu Sinne,
Zu sorgen um ein gastlich Haus,
Nur Freude suchend und die Minne
Zog er auf Abenteuer aus.
Durch das Gesäuse brausend stürmte
Mit ihrer Wasserfälle Schaum,
Wo Fels sich neben Felsen thürmte,
Die Enns in engen Thales Raum.
Und wo in Schleiern aufwärts zogen
Zersprühte Tropfen vom Gestein,
Da glänzten bunte Regenbogen
Auf all' dem Gischt im Sonnenschein.
Doch wo der Fluß nach Norden schwenkte,
Da bog der Reiter seitwärts ab
Und weiter ins Gebirge lenkte
Er seines Rößleins Schritt und Trab.
Erfüllt war die krystallne Luft
Mit würz'ger Alpenkräuter Duft
Und frisch und kühl ihr leises Wehn
Wie flüsternd Grüßen, ungesehn.
Dem Rößlein schmeckte Blatt und Halm,
Wenn's grasen durfte auf den Matten,
Der Reiter lag auf grüner Alm
Behaglich ausgestreckt im Schatten
Und lächelte in sich hinein,
So seelensfroh und reich zu sein:
Ein Schwert, ein Roß, ein Saitenspiel
Und Freiheit ohne Maß und Ziel, –
Da ward in Bergeseinsamkeit
Die Brust dem jungen Helden weit,
An tiefen Athemzügen
Könnt' er sich kaum genügen.

Bergauf, bergab ging's manchen Tag,
Jetzt vor Tannhäusers Blicken lag
Ein Thal, das bald mit einem Ring
Von dichtem Walde ihn umfing.
Er ritt darin nur immer zu
Und dachte: leicht wohl findest du
Ein Plätzchen, das zum Lager frommt,
Wenn sonst nicht eine Herberg kommt.
Da endlich sieht er sich's bewegen
Unfern von ihm, – ist's nicht ein Wild,
Das aufsprang, wo es still gelegen?
Ja und noch mehr, ein seltsam Bild!
Zwei Fräulein sitzen da im Klee,
Und neben ihnen lauscht ein Reh.
Tannhäuser reitet dicht heran
Zu jenen, grüßet höflich dann
Und Eine spricht: » Dê vô benîe
Tannhäuser dankt mit: » Grâmarzî
Die Andre sagt: » Bien sey venûz,
Sire schevalier
! doch Ihr kommt früh,
Erst in zwölf Tagen ist Gericht.«
Tannhäuser gafft ihr ins Gesicht,
Wie er sich solche Rede deute,
Und stottert endlich halb verwirrt,
Weil er zu fragen doch sich scheute:
»Jungfräulein, ich bin nur verirrt.«
Das Fräulein lacht: »Ihr werdet roth,
Wie Ihr das sagt; kommt nur zum Schlosse,
Verirrten helfen in der Noth
Ist Christenpflicht.« Er steigt vom Rosse,
Und Eine flüstert unterdeß
Der Andern zu: » Cum est beas
Dann sagt sie laut ihm: » La princesse
Giebt Herberg Euch und gut Gelaß
Mit vielen Freuden im Kastell,
Kommt! wir geleiten Euch zur Stell.«
Nun schritten mit dem Roß zur Seite
Die Dreie durch den Wald gemach,
Zutraulich folgte als Geleite
Das zahme Rehlein ihnen nach.
Da faßt er sich ein Herz allmählich,
Die Fräulein näher anzuschaun,
Und findet schön sie und holdselig,
Die Eine blond, die Andre braun.
Die Blonde spricht: »Junkherr, nun sagt
Uns Euren Namen, welchen Helden
Wir la princesse, wenn sie fragt,
Als ihren Gast im Schlosse melden.«
»Mein Name wird ins Ohr Euch klingen,«
Versetzt er, »fremd und unbekannt,
Ich heiße Heinrich von Ofterdingen
Und bin Tannhäuser zubenannt.«
»Tannhäuser! ei! der Name sticht
Wie Nadeln,« krittelt sie mit Necken,
»Helwibis kennt Ihr auch noch nicht,
Dahinter spiele ich Verstecken,«
Und wie gepackt von Lust und Laune,
Blickt sie ihm in die Augen tief.
»Ich hörte,« lächelt nun die Braune,
»Noch stets, wenn man Audiste rief,«
Ganz wunderseltsam ward zu Muthe
Bei seinem freundlichen Geschick
Dem Unerfahrnen, und es ruhte
Stets wohlgefälliger sein Blick
Auf den zwei reizenden Gestalten,
Und dacht' er, wie in Ernst und Scherz
Das Abenteu'r sich mög' entfalten,
Schlug voll Erwartung ihm das Herz.
Wie sie bald fürbaß und bald zaudernd
Nun weiter schritten durch den Hain,
Da weihten ihn die Fräulein plaudernd
In dieses Orts Geheimniß ein.

Im tiefen Walde stand ein Schloß,
Mit Hausrath, Ingesind und Troß,
Mit Prunk und Zierden mannigfalt
Bestimmt zum lust'gen Aufenthalt
Der fürstlichen Besitzerin
Und ihren Freunden, die darin
Ein fröhlich Wesen trieben
Mit Scherzen und mit Lieben,
Mit Spiel und Tanz und Sang und Klang
Tagaus, tagein den Sommer lang.
Bertrane, Gräfin Stubenberg,
Die an der Mürz auf Kapfenberg
Als reiche junge Wittib saß
Und ihres Mannes Tod vergaß
Mit Rittern und mit Sängern
Und andern Herzensfängern,
Hielt hier ein offen gastlich Haus;
Da zog herein und zog hinaus,
Wer auf die Minne sich verstand,
Gleichviel aus welchem Vaterland.
Zu ihr fand auch ein Troubadour,
Gaucelm Faidit, des Weges Spur
Von Limosin nach Oesterreich,
Der war an Witz und Liedern reich,
Sirventes und Tenzonen,
Balladen und Canzonen
Sang er zur Laute meisterhaft,
Und aller Minne Wissenschaft
War ihm von Grund zu eigen,
Das konnt' er nicht verschweigen.
Der vielgewandte Troubadour
Erzählt' ihr von den cours d'amour,
Von deren Einrichtung und Brauch,
Gesetzen und Gerichten auch
Und nannte ihr die Namen
Von den Gascogner Damen,
Die dazu sich verschworen;
Er sprach von Leonoren,
Des jungen Ludwigs Königin,
Und ihrem leichten, heißen Sinn,
Den Gräfinnen von Flandern,
Narbonne, Champagne und Andern,
Die Minnehöfe hielten
Und gern mit Herzen spielten.
Besonders rühmte er den Glanz,
Der Ritter und der Sänger Kranz
Im heitern Dienst der Muse
Am Hofe zu Toulouse.
Darüber dachte viel Bertrane
Und pflog dann Rathes, was zu thun,
Mit ihrer Freundin Deliane,
Der schönen Gräfin von Schallun.
Das Ende war der Konferenz,
Man wollt' im Schloß zu Avellenz
Der Minne Hof errichten,
Zu lösen und zu schlichten
Verzwickte Liebeshändel
Und Schmollen und Getändel
Und Eifersucht und Klagen,
Wie es in Herzensfragen
Der Minnekodex anbefahl,
Der einst in König Artus' Saal
In eines Falken goldnem Ring
An einer goldnen Kette hing.
Gaucelm Faidit war der faiseur,
Um einen chevalier d'honneur
War man nicht lang verlegen,
Und ein ergrauter Degen,
Graf Swiker Gösting lobesan,
Bertranens Oheim und Kastlan,
Ward auf den Rath des Troubadour
Champion des dames et de la cour.
Vier ritterliche Sänger kamen,
Sechs Edelfräulein lud man ein,
Die gern der Minne Ruf vernahmen,
Denn Keine trug ein Herz von Stein
Es waren aber, sinnverwandt,
Die Acht genannt und zubenannt:
Bertrane la princesse,
Deliane la comtesse,
Wirade la fière,
Audisie la sincère,
Helwibis la gracieuse,
Phanette la joyeuse,
Bellinde la plaisante,
Azilie l'innocente.

Das Alles theilten mit Vergnügen
Die Jungfräulein dem Knappen mit,
In dessen aufmerksamen Zügen
Sich Neugier mit Verwundrung stritt.
Gleich nach dem nächsten Vollmondschein
Sollt' ein Gerichtstag wieder sein,
Dann, sagten sie, gäb's schmucke Gäste
Und Spiel und Tanz und frohe Feste;
Hier säß' in Waldesheimlichkeit
Für Jeden, der sich ihr geweiht,
Die Minne lächelnd auf dem Thron,
Beisammen wären Dienst und Lohn.
Tannhäuser hört es Wort für Wort,
Fremd ist der Sinn ihm wie der Ort,
Denn wie er sich den Kopf zerbricht
Und räth und denkt so Mancherlei,
Klar ist es ihm noch immer nicht,
Was eigentlich die Minne sei.
Da brach von einem Buchenbusch
Jetzt einen Zweig Helwibis, schlang
Ihn um des Rehleins Hals, und – husch!
Scheucht sie es fort. Das Rehlein sprang
In flinken Sätzen grad voraus,
Als wüßt' es wohl den Weg nach Haus
Und müßte so als Bote dienen,
Daß hier ein neuer Gast erschienen.
Nun immer lichter ward der Wald
Und mehr und mehr verwandelt bald
In einen Garten, wohl gepflegt,
Von alten Bäumen weit umhegt,
Durchströmt von kleinen Wasserbächen,
Mit Blumenbeeten, Rasenflächen,
Mit dichten Lauben, Schattengängen
Von blühenden Ranken und Gehängen,
Und dort im Hintergrunde stand
Ein stattlich Schloß mit Thurm und Zinne
Das also war der Sitz der Minne,
Die ihre unsichtbare Hand
Dem Kommenden entgegen streckte
Und mit verhüllter Reize List
Ihn lockte, der vor kurzer Frist
Noch in des Mönches Kutte steckte.
Dienstfertig aus der Pforte trat
Ein Knecht, als sie dem Schloß genaht,
Und nahm des Knappen Pferd am Zaum.
Tannhäuser folgte wie im Traum
Stets seinen beiden Führerinnen,
Ihm blieb nicht Zeit, sich zu besinnen,
Was Wunderliches ihm geschah,
Und eh' er dessen sich versah,
Fand er in prächtigem Gemache
Der Gräfin gegenüber sich,
Die von der schönsten Ehrenwache
Umringt war, traut und minniglich.
Die Edelfräulein alle standen
In ihrer Anmuth Zier und Glanz
Hier bei Bertranen und umwanden
Sie wie ein reicher Blumenkranz.
Und als den Ankömmling sie nahen,
In seines hohen Wuchses Kraft
Den Herrlichen nun vor sich sahen,
So jugendfrisch, so heldenhaft,
Da sprach aus Allen freudig Staunen,
Da lächelte manch rother Mund,
Es ging ein Tuscheln und ein Raunen,
Und Eine gab's der Andern kund
Mit Wort und Wink und heißen Wangen
Wie sehr der Fremdling ihr gefiel,
Der wie bezwungen und gefangen
Sich vorkam bei dem Augenspiel,
Wie schuldertappt und schier geblendet
Von all' den Blicken rathlos stand,
Fast unfroh, daß sich's so gewendet,
Nicht mal den Muth zum Reden fand.
Helwibis endlich brach das Schweigen
Und sprach mit züchtigem Verneigen:
»Bertrane ma princesse, wir bringen
Den ritterlichen Knappen Dir,
Junkherrn Heinrich von Ofterdingen,
Den wir im Walde trafen hier.«
Bertrane sprach: »Ihr seid willkommen,
Junkherre! sagt uns gute Mär,
Weswegen habt Ihr unternommen
Die Fahrt, und was ist Eu'r Begehr?«
»Die Minne such' ich, edle Fraue!«
Sprach Heinrich, »darum zog ich aus,
Und meinem guten Schwert vertraue
Ich all mein Glück in jedem Strauß.«»Ei, Junkherr, kennt Ihr denn die Minne?«
Frug la princesse. – »Nein, Fraue, nein!
Doch hoff' ich, daß ich sie gewinne,
Wo sie auch mag zu finden sein.«
Da ging ein Kichern durch die Reihen,
Bertrane sprach: »Sie ist nicht weit;
Wollt Ihr Euch ihrem Dienste weihen,
So ist wohl hier Gelegenheit.
Bleibt in den lust'gen Sommertagen
Als unser Gast in diesem Schloß,
Zum Reiten findet Ihr und Jagen
Manch einen würdigen Genoß,
Wollt Ihr die Minne kennen lernen,
Wohlan! es sei Euch unverwehrt,
Wählt Euch von diesen sieben Sternen
Den schönsten aus, der sie Euch lehrt!«
Da schlugen sieben Herzen schneller,
Da glänzten vierzehn Augen heller,
Denn Jede war dazu bereit
Und wünschte sich dazu erkoren,
Nicht Einer dünkte Müh und Zeit
Mit solchem Unterricht verloren.
Tannhäuser schüttelte das Haupt,
Erröthete und sprach verlegen:
»Unmöglich, edle Frau! erlaubt,
Die Wahl in Eure Hand zu legen.«
»Dann sei,« sprach la princesse, »bestimmt,
Daß es Helwibis l a gracieuse,
Die für ihn sprach hier, unternimmt,
Wie sie geschickt den Auftrag löse,
Herrn Heinrich in der Minne Pflichten
Mit Wort und Beispiel de bon cor
Zu bilden und zu unterrichten
Zu einem schevalier d'amor.
Jetzt weift ihm seine Kemenaten,
Dann bringt ins Bad ihn, dann zum Mahl.«
Sie winkte huldvoll, und es traten
Die Drei nun wieder aus dem Saal,
Die lächelnde Blondine,
Triumph in jeder Miene,
Audiste la sincère
Und er, der Tannhusäre.
Doch Eine blickte, als ob schnell
Sein blühend Bild den Weg sich bahne
Zu rascher Neigung Wunderquell,
Ihm sinnend nach, – es war Deliane.

Wie nun, Tannhäuser? wirst du's inne?
Du schaust so grüblerisch darein,
Geht dir von Frauenhuld und Minne
Bald auf ein matter Dämmerschein?
Wardst du schon irgend so empfangen?
Sahst du im Stift zu Adamunt
Wohl viel so rosenrothe Wangen
Und einen halb so holden Mund?
Nun denke mal, dir wollte schenken
Ein solcher Mund – ach! gar nichts denken
Darf Einer, der wie du gerade
Zwei schönen Mädchen folgt zum Bade
In spiegelhellen Marmorwänden,
Bedient dabei von ihren Händen.
Er fühlt sein Blut ein wenig wallen,
Allein statt daß er widerspricht,
Läßt er sich Alles gern gefallen
Und denkt: das ist so Minnepflicht.
Die beiden Fräulein aber pflegen
Im Bade nun, das schnell bereit,
Den ritterlichen jungen Degen
Mit frohgelaunter Sorgsamkeit.
Ihm scheint, es dauert etwas lang,
Und manchmal wird dabei ihm bang,
Sie aber sind nicht blöde,
Nicht schüchtern und nicht spröde,
Nicht langsam und auch nicht geschwind,
Und wie sie endlich fertig sind,
Da dankt er ihnen frei und froh
Und meint, wenn alle Tage so
Der Minne Dienst sich füge,
So ließ' er's ohne Rüge.

Vom Jagen waren heimgekehrt
Die tapfern Ritter, hochgeehrt,
Bei deren wohlbekannten Namen
Die Reime sehr bedenklich lahmen:
Graf Swiker Gösting le Champion,
Albrecht von Johannsdorf le Tourbillon,
Hildbold von Schwangau le grand Veneur,
Ulrich von Winterstetten le Feu follet,
Burghard von Hohenfels le Diable d'homme
Und auch le Fanfaron d'amour
Gaucelm Faidit, der Troubadour.
Sie hießen männiglich willkommen
Den, der als Gast war aufgenommen,
Und waren schnell mit ihm vertraut,
Als hätten sie ihn längst geschaut.
Man schritt nun im geschmückten Saal
Zum wohlbesetzten, heitern Mahl.
Helwibis rief: »Junkherre, frisch!
Jetzt führet höflich mich zu Tisch
Und achtet mein mit Aug' und Ohr,
Legt mir die besten Bissen vor,
Mischt Wasser auch zu meinem Wein
Und ist der Becher leer, schenkt ein!«
Gar trefflich sah er sich berathen
Und that so, wie die Andern thaten.
Man ließ an dieser Tafelrunde
Nach Wunsch und Uebereinkunft auch
In dem geschlossnen Freundschaftsbunde
Sich freier gehn, als sonst der Brauch.
Herüber und hinüber schwirrten
Die Scherze, die wie Pfeile flirrten,
Hier fehlten und dort saßen
Und oft sich hoch vermaßen.
Doch war, wie man sich neckt' und stritt
Und was man that, auch selber litt,
Schier Alles ohne Fehle
Ein Herz und eine Seele.
Tannhäuser ging's zuerst rundum
Dabei in seinem Kopf herum,
Denn nie empfing er rechte Lehren,
Wie man mit Frauen soll verkehren.
Das merkten sie hier bald genug
Und kamen freundlich ihm entgegen
Und halfen ihm, mit Schick und Fug
Kurzweil und Widerspiel zu pflegen.
Auch war der Frau'n ermunternd Wort,
Der Ritter Beispiel nicht verschwendet,
Und beides wurde immerfort
Schalkhaft und reichlich ihm gespendet.
Und wenn er auch zu Anfang noch
Ein wenig linkisch war gewesen,
Fand er gelehrig bald sich doch
Durch Uebung in das heitre Wesen.
Von dem Erröthen kaum befreit
Und von dem Augenniederschlagen,
Hatt' er auch Antwort schon bereit
Auf alle noch so kecken Fragen.
Nur Eines schien ihm wunderbar:
Er sah, so oft er hin sich wandte,
Stets in ein dunkles Augenpaar,
Das einen heißen Blick ihm sandte.
Es war die schönste von den Frauen
Und eine Juno von Gestalt,
Deliane, die ihn anzuschauen
Nicht müde ward, ob mit Gewalt
Sie oftmals auch die Wimpern senkte
Und wie im Traum die Augen schloß,
Und wenn auf sie den Blick er lenkte,
Von Purpurröthe überfloß.
Er selber wurde angezogen
Von dieser Augen Glanz und Gluth,
Allein es rissen ihn die Wogen
Von Scherz und Lust und Uebermuth
Schnell wieder fort nach rechts und links,
Gewärtig eines Worts und Winks
Hatt' er bald hier, bald dort zu sein,
So Viele sprachen auf ihn ein.
Er wußte kaum, wie ihm geschehn,
Wohin er hören sollt' und sehn,
Und fühlte sich in Wonnen
Wie Fischlein in dem Bronnen. –
Als nun zu Ende war das Mahl,
Die Schüsseln leer und der Pokal,
Griff man zu andrer Lustbarkeit,
Was Jedem lieb war und bereit.
Die Paare konnten sich gesellen,
Wie's Allen gleich und gleich gefiel,
Wurfzabel gab's und Ringleinschnellen,
Halmmessen, Schachbrett, Räthselspiel.
Die Würfel rollten auf den Tisch,
In Haufen lag und bunt Gemisch
Manch lockend reiche Augenweide,
So Gold wie blitzendes Geschmeide;
Gewonnen wurde und verloren,
Was Mancher sich viel gern erkoren,
Ein Mönch mag rathen, was zuletzt
Man noch auf einen Wurf gesetzt.

Tannhäuser nahm nicht Theil am Spiel,
Weil es ihm mehr und mehr gefiel,
Sich im Gespräche zu ergehn
Und manch Scharmützel zu bestehn.
Es hatten jetzt die Fragerinnen
Bei ihm schon leichteres Gewinnen,
Denn das, was sie ihm eingeflößt,
Hatt' ihm die Zunge bald gelöst.
Jetzt saß er mit der Damen drei
– Bertrane war es und Wirade,
Und auch Phanette war dabei –
Und sollte seines Lebens Pfade
Und seiner Jugend Lauf berichten.
Er that's, jedoch mit Vorbehalt,
Die wichtigsten von den Geschichten
Verschwieg er, nur den Aufenthalt
Im Stift erzählte er genau,
Und lachend frug die edle Frau:
»So wolltet Ihr wohl Bischof werden?
Ei Herr! das stünd' Euch nimmer an,
Soviel ich seh', seid Ihr auf Erden
Bestimmt zu einem Rittersmann.«
Phanette frug, wieviel der Weih'n
Man seinem würd'gen Haupte gönnte,
Ob er auch ohne Heil´genschein
Ihr wohl die Beichte hören könnte.
»O Fräulein!« lacht' er, »gerne will
Ich Eurer Sünden Last vernehmen,
Wenn Ihr dagegen fromm und still
Euch meinen Bußen wollt bequemen.«
Wirade sprach: »Gewißlich seid
Ihr hochgelehrt in heil'gen Dingen
Und wißt auch ganz genau Bescheid
Mit Angesicht, Gestalt und Schwingen
Der Engel in des Himmels Haus,
Sagt mir: wie sehn die Englein aus?
»Ganz so wie Ihr, Damoisselle
Erwidert' ihr Tannhäuser schnell,
»Denn als mit seinem Werderuf
Sich Gott der Herr die Engel schuf
Zu seinen Freuden und Plaisir,
Dacht' er auch an uns Menschen hier
Und ließ aus ganz demselben Teig,
An Huld und Schönheit grad so reich,
Wie seine Engel sind da oben,
Die stets ihn anschaun und ihn loben,
Auch für uns Menschen Engel werden;
Und das seid Ihr, Ihr holden Frau'n,
Ihr seid die Engel hier auf Erden,
Wir nur bestimmt, Euch anzuschau'n,
Die Flügel nur versagt' er Euch,
Daß keine uns von dannen fleuch'.«

»Ah! Domne, dê vûs sal! ich wette,
Helwibis braucht der Müh nicht viel.«
» Cum est courtois!« sprach leis Phanette,
Wirade sprach: » Cum est gentil

Jetzt standen die vom Spiele auf;
Der Eine strich den runden Hauf,
Den er gewonnen, ein in Ruh,
Die Andern sahen dabei zu.
Der Graf nur würfelte allein
Am Tische noch und schalt darein:
»Warum, verfluchte Teufelsknochen,
So nicht vorher, wo noch was stand?
Habt ihr den letzten Denar gerochen,
Der sich bei mir im Beutel fand?«
Bertrane kam und fragte ihn:
»Nun, Ohm, wie steht's? war's heut ersprießlich?
Ihr zahlt wohl, was ich Euch geliehn!«
»Womit? wovon denn?« sprach verdrießlich
Graf Swiker Gösting, »Alles fort!
Doch lieber, süßer Trost und Hort!
Wollt noch ein einzig Mal mir leihn,
Ich hol's Euch morgen doppelt ein!«

»Eu'r einzig Mal, Herr Ohm, kommt oft,
Ihr setzt und wagt, verliert und hofft,
Daß ich dann meinen Beutel zieh',
Das ist vorbei, nie wieder, nie!«

»Eu'r Nie, lieb Niftel, hab' ich auch
Nicht eben selten schon vernommen,
Und dennoch Hab' ich armer Gauch
Noch immer was von Euch bekommen.«

»Wer hat's denn wieder eingesackt?«

»Der mit dem Teufel einen Pakt,
Der Troubadour! hört Ihr's nicht klingen?
Das sind die Meinen, die da springen,«
Gaucelm Faidit stand dicht daneben
Und ließ in seiner Tasche eben
Die eingeheimsten Schätze klimpern,
Visierte blinzelnd durch die Wimpern
Nach beiden hin, verbeugte schwänzelnd
Sich erst und trällerte dann tänzelnd,
Als ob er eine Geige strich,
Ein provençalisch Liedchen sich:
»E si-m partetz un juec d'amor,
No suy tan fatz,

Non sapcha triar lo melhor
Entr' els malvatz.
«
Legt Ihr mir vor ein Liebesspiel,
So bin ich nicht solch Thor,
Daß ich nicht auf das Beste fiel'
Und zög's dem Schlechten vor.
Doch als das Sprüchlein war beendet,
Sprach, zu Herrn Ulrich hingewendet,
Audisie: » Feu Follet! fangt an
Das Lied, das ich Euch abgewann!«
Ulrich von Winterstetten stellte
Die kleine Harfe auf den Schoß,
Besann ein Weilchen sich und schnellte
Die Saiten dann und sang drauf los.

Was hat die Welt in Wohl und Weh,
Davon die sehnende Noth zergeh,
Denn Weibes Minne alleine?
Ein Lieb, das loslich lachen kann
Gen einen wohlgemuthen Mann,
Die Freude ist nicht kleine.
Wo Eine schämig steht und blickt,
Mit spielenden Augen winkt und nickt,
Daß sie von Herzen ihn meine,
Wer da nicht läuft, wer da nicht springt,
Daß er mit Armen sie umschlingt,
Der ist gewiß von Steine.

Wenn Zweie sich gefreundet sind,
So einen sie sich gar geschwind
Und mögen sich nicht meiden.
Nicht länger, als man in der Hand
Trägt blühende Rose über Land,
Soll Lieb von Lieb sich scheiden.
In Stäte dicht beinander stahn
Und heimlich herzen und umfahn,
Wer will uns das verleiden?
Verhohlne Minne sanfte thut,
Ja, darnach wend' ich meinen Muth,
Da wird so wohl uns Beiden.

Herr Albrecht von Johannsdorf lachte,
Mit etwas Spott dazu gemischt:
»Verhohlne Minne! ja, das dachte
Schon Mancher und ward doch erwischt.«
Herr Ulrich aber nickt' ihm zu:
»Auf einen Schelmen anderthalbe!
Hier, Tourbillon! jetzt singe Du!«
Und damit reicht' er ihm die Schwalbe,
Herr Albrecht nahm sie in die Hand
Und ließ die Saiten lustig klingen,
Bis daß er eine Weise fand
Zu seinem tändelnd leichten Singen.

Wiege dich, Wind, auf dem wogenden Korn,
Schweife und pfeife um Distel und Dorn,
Lisple im Laube und raschle im Ried,
Surre und summe und sause dein Lied,
Meines Trautliebchens geflüstertes Wort
Fuchtelst und fauchest du nimmer doch fort.

Flimmernde Sterne und Sonne und Mond,
Die ihr hoch oben am Himmel da wohnt,
Schimmern und Scheinen ist all euer Lauf,
Bald geht ihr unter und bald geht ihr auf,
Aber wie Liebchens holdselig Gesicht
Leuchtet und lächelt doch keiner mir nicht.
Bäume dich, Welle, und wirble den Schaum,
Schwindest doch hin, ein zerfließender Traum;
Alles verrinnet in Wandel und Fluß,
Nur meines Mägdeleins feurigen Kuß
Nehme ich, mußt' es der letzte denn sein,
Mit in das ewige Leben hinein!

Azilie l'innocente zielte
Auf Burghard jetzt, indem sie that,
Als ob sie selber Harfe spielte
Auf Saiten klimpernd, und sie bat:
»Sire Diable d'homme, pour ung chanson
Ung dous baisier! oïl ou non«

Und Burkhard sang:

Es ging sein Lieb zu suchen
Der Knabe zum grünen Wald,
Wohl unter den Eichen und Buchen
Fand er das Liebchen bald.

Die Sonne war untergegangen,
Die Sterne glänzten so klar,
Den Beiden brannten die Wangen,
Weil es so einsam war.

Und wo vorüber schreitet
Zur Tränke das scheue Reh,
Da war das Bett bereitet,
Blumen und rother Klee.

Und rings nur Duften und Schweigen,
Man hört' eines Blättchens Fall,
Am Morgen aus dämmernden Zweigen
Huschte die Nachtigall.

»Laß uns der Nachtigall binden
Das Köpfchen ins Federkleid,
Sie soll uns nicht sehen und finden,«
Sagte zum Buhlen die Maid.

»Und bindet Ihr unter die Schwingen
Mein Köpfchen mir,« klang es zurück,
»Doch weiß ich's und will davon singen,
Sehnender Liebe Glück!«

»Tandaradei!« sprach nun im Kreis
Hildbold von Schwanegau der Jäger,
»Was eine Nachtigall nicht weiß,
Sehnsücht'ger Minne Trillerschläger!
Doch höret auch zu guterletzt
Von mir ein kleines Liedel jetzt.«

Unter dem Helme, unter dem Schild
Diene ich einer Frauen,
Stille im Herzen trag' ich ihr Bild,
Lasse es Niemanden schauen;
Aber sie weiß,
Daß ich mit Fleiß
Daran denke Tag und Nacht,
Wie sie spricht und wie sie lacht.

Rosenblumen brach ich mit ihr,
Wanden sie uns zum Kranze,
Trugen am Haupte die liebliche Zier
Unter der Linde beim Tanze.
Wie ich sie schwang,
Minnig umschlang,
Raunte sie mir rasch ins Ohr,
Daß sie heut ihr Herz verlor.
*Schlüsselein drückte sie mir in die Hand
Heimelich unter der Linde,
Sagte mir Alles, wo in der Wand
Sicher das Pförtchen ich finde.
Schlupf' ich hinein
Zu ihr allein,
Küß' ich sie an ihren Mund
Hunderttausend tausend Stund.

Helwibis saß etwas abseits
Mit ihrem Zögling in der Minne,
Und es sah aus, wie wenn bereits
Sein Unterricht bei ihr beginne
Und sie die ersten Anfangsgründe
Der Minneweisheit ihm verkünde,
Als nach Verabredung die Damen
Mit dem Ersuchen zu ihm kamen,
Sie auch durch Singen zu beglücken;
Er müsse sich darauf verstehn,
Da sie die Harfe auf dem Rücken
Bei seiner Ankunft wohl gesehn.
Faidit ließ sich herab, zu fragen
Mit Gönnerton: Ihr seid jocglar?
Nun so beweist uns ohne Zagen,
Wie Ihr versteht l'art de trobar
Tannhäuser that's mit Nichten gern
Vor diesen wohlgeübten Herrn;
Schon weigert' er's mit Höflichkeit,
Da traf ein Blick ihn von Delianen,
Und alsobald war er bereit
Und ließ nicht länger mehr sich mahnen,
Bat nur um Nachsicht für sein Lied,
Weil er die Kunst so lange mied.
Ein Schwert, das schneidet, ein Falke, der fängt,
Ein Roß, dran die Sporen zu sparen,

Ein Saitenspiel über die Schulter gehängt,
So will ich die Lande durchfahren.
So ziehe ich fürbaß mit Sang und Klang
Den Berg hinüber, die Straße entlang
Und lasse beim Reiten und Reisen
Die Wege vom Winde mir weisen.

Ich suche mit Augen ein Königreich,
Das liegt mir verlangend im Sinne,
Ich schlage mich durch mit des Schwertes Streich
Bis hin zu der Königin Minne.
Und ist sie zu Hause, und finde ich sie,
So beug' ich vor ihrem Throne das Knie
Und will mich auf Tod und Leben
Getreu ihrem Dienste ergeben.

Mein Herz ist muthig, mein Arm gelenk,
Zum Ritter muß sie mich schlagen,
Ich werde ihr Marschalk, ihr Truchseß, ihr Schenk,
Stets will ihre Farben ich tragen.
Ich will für sie streiten zuvorderst im Heer
Und will für sie brechen manch mannlichen Speer,
Auf daß ich den Dank mir gewinne
Zu Ehren und Ruhm der Frau Minne.

Jedwedes Ohr im Kreise lauschte
Der Stimme wunderbarem Klang,
Und unverfälschter Beifall rauschte
Dem herzerfreuenden Gesang.
Mit sauersüßem Lächeln stimmte
Der Troubadour selbst in das Lob,
Obwohl er schier vor Neid ergrimmte,
Denn er sah ein, sein Ruhm zerstob
»Senhor, Ihr singt tut doussamen
Sprach er, »nach meinem jutjamen
Kommt von Paris Ihr eben her
Und lerntet dort lo gai saber,
Dieweil es veramen so klingt,
Ihr singt, wie man in Frankreich singt.«
»Nein, Herr, in Oestreich singt man so!«
Versetzte Heinrich stolz und froh,
»Noch niemals war ich in Paris;
Der in der Kunst mich unterwies,
Das war ein Ritter hochbegabt,
Wie Ihr dort keinen bessern habt!«
Deliane sprach: »Ihr thut, Trobäre,
Als wenn der höchste Ruhm es wäre,
Zu singen wie's von Frankreich kam,
Doch kein Gesang, den ich vernahm
In langue d'oc und langue d'oïl
Mir wie des Junkherrn Ton gefiel.«

»Ei, bella, sang mit diesem Ton
Sich in Eu'r Herz der Ritter schon?
Es spricht aus Euch e'l dieus d'amor,
Und seinen Sieg verrathet Ihr,
Quar lo vencens porta la flor,
E'l vencut vay hom sebelir
,
Der Sieger die Blume von dannen trägt,
Der Besiegte wird in das Grab gelegt.«
Deliane fühlte sich getroffen,
Tannhäuser sah's und sagte offen:
»Ersänge ich mit meiner Kraft
Die Blume mir der Meisterschaft,
So würde ich sammt meinem Degen
Der Dame sie zu Füßen legen
Und steh' zu Dienst, auf jedem Plane
Zu tjosten für comtesse Deliane!«
Bertrane endete den Streit
Und rief: » Amic, 's ist Schlafenszeit!
Bellinde la plaisante,
Azilie l'innocente,
Bringt unsern jüngsten Gast zur Ruh
Und deckt ihn fein und sorglich zu!«
Man trennte sich mit Wunsch und Gruß,
Und Jeden trug sein rascher Fuß,
Gehorsam diesem Rathe
Zu seiner Kemenate.

Tannhäuser war darauf gefaßt,
Daß es laut seinem Recht als Gast
Nun wieder ähnlich würde kommen
Wie heut, da er das Bad genommen.
Bei dem Gedanken überlief
Es heiß und kalt ihn, denn man schlief,
So Mann wie Weib im ganzen Land,
Ja ohne jegliches Gewand.
Doch glimpflicher sollt's diesmal gehen,
Ihm leuchteten die Jungfräulein
Und ließen ohne langes Flehen
Ihn bald in dem Gemach allein.
Er legte sich beruhigt nieder;
Dann aber kamen jene wieder
Und brachten einen Schlaftrunk mit,
Da ging es anders nicht, er litt,
Daß sie ein Weilchen bei ihm blieben
Und plaudernd ihm die Zeit vertrieben,
So lang' er an dem Becher trank.
Dann sagt' er ihnen höflich Dank,
Sie löschten ihm das Licht und gingen:
»Schlaft wohl, Junkherr von Ofterdingen!
Gott schenk' Euch eine sanfte Ruh,
Fahrt nicht zuerst in linken Schuh,
Und daß Ihr nicht versäumet,
Zu merken, was Euch träumet!«

Nun ward es still im ganzen Schloß,
Und wie ihn Dunkelheit umfloß,
Versuchte Heinrich nachzudenken
Und innerlich sich zu versenken
In Alles, was ihm heut begegnet,
Wie Blüthen ihm in Schoß geregnet.
Es muß doch um der Minne Wesen,
Dacht' er, etwas Besondres sein,
Daß sich ein Kreis, so auserlesen,
Entschließt, sich ihrem Dienst zu weihn.
Mir scheint, sie ist ein hohes Wissen,
Sorgsam gehütet und gepflegt,
Dem Lehrling wird wohl, der beflissen,
Erst Pein und Prüfung auferlegt,
Eh' er gewürdigt wird, zu schauen,
Was seinen Sinnen noch entrückt,
Und ihm die Wissenden vertrauen,
Was sie geheimnißvoll beglückt.
Doch hier befassen holdre Geister
Sich in der Minne Unterricht
Mit mir, als ein Novizenmeister
In Klosterzucht und Ordenspflicht.
Zum Danke will ich ihren Lehren
Recht folgsam auch und eifrig sein
Und ihnen nicht ihr Amt erschweren.
Mit diesem Vorsatz schlief er ein
Und blieb dabei und dachte
Noch so, als er erwachte.


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