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VII.

Auf Burg Seben.

Strenger Winter liegt gebreitet
Auf dem Hochland und im Tiefland.
Ueberweht, in Schnee begraben
Sind Hospiz und Paß, kein Saumthier
Spurt die große Kaiserstraße,
Die von Alters übern Brenner
Aus Germanien führt nach Welschland,
Und darauf zu stolzer Romfahrt
Oder auch in tiefster Demuth
Manch bewehrter Fuß gewandelt.
Wer jedoch in bessern Tagen
Da hinab steigt, wo die Rebe
Schon gedeiht, die Eiche aber
Höher klettert, um der Tanne
Ueber ihr die Hand zu reichen
An der Felswand, deren Scheitel
Nebelwolken weiß umflechten,
Der hat bald auf seiner Wandrung
Einen sprudelnden Begleiter.
Ein Tyroler ist's, der Eisack,
Der sich von des Brenners Abhang
Wild kopfüber stürzt und schäumend
Mit Gebraus sein grünlich Wasser
Ueber Steingeröll und Klippen
Nach der Etsch bergunter sendet.
In des raschen Laufes Mitte
Grüßt er einen steinern Wächter,
Der des Amtes lange waltet.
Römer, Gothen, Longobarden,
Rhätier oder Franken saßen
Sturmfrei oben auf Sabiona
Und behüteten den Engpaß
Und der tausendnam'gen Isis
Heiligthum, drin Heidenpriester
Einst den Tempeldienst versahen.
Schroff und steil hebt sich der Felsen,
Und auf seines langgestreckten
Schrägen Grates Vorsprung trug er
Eine Burg mit Thurm und Zinnen.
Aller spätern Herren Baukunst
Hatt' am römischen Kastelle
Schon geändert und gebessert,
Bis es in der Zeiten Wandel
Eine Ritterburg und endlich
Eines Sängers Heim geworden.
Ritter Leutold, Herr von Seben,
Hauste da mit Weib und Kindern
Nebst den Gästen, die er gern sah,
Und im räumigen Gemache
Waren eben sie versammelt.
An den grau getünchten Wänden,
Bis zur Hälfte holzgetäfelt,
Waren Waffen aufgehangen,
Helme, Schilde, Panzerhemden
Und auch Rotten wohl und Geigen.
In den klafterdicken Mauern
Wölbten Lauben sich zum Ausblick,
Höher als des Zimmers Boden,
Der mit hellen, bunten Fliesen
Ausgepflastert und belegt war.
Die rundbogig schmalen Fenster,
Eingerahmt von kleinen Säulen
Mit den zierlichsten Kaptälen,
Waren statt des seltnen Glases
Ueberspannt mit Blasenhaut,
Die an trüben Regentagen
Spärlich Licht nur ins Gemach ließ,
Doch der Kälte und dem Sturme
Widerstand, zumal wenn Abends
Man den dickgewebten Vorhang
Vor der Nische schloß und traulich
Im Kamin das Feuer brannte.
Standesmäßig und gediegen
War der Hausrath; auf den Schemeln
Lagen bunt gestickte Kissen,
Auch bequeme Siedelbänke
Waren da, belegt mit Polstern
Und mit weichen Rückelaken
Ueber ihren hohen Lehnen.
Vor der Thüre hing ein Teppich;
Auf den dunkeln Schreinen prangte
Manch ein Humpen oder Thonkrug;
Erzbeschlagne Truhen standen
In den Winkeln, voll von Leinwand;
Von der braunen Balkendecke
Schwebt' ein Kronenleuchter nieder,
Und sonst manchen Schmuck und Zierath
Gab es, der das Aug' erfreute.
Also wohnlich und behaglich
War es in des Ritters Halle,
Und wer als ein Gast die Schwelle
Ueberschritt, der ward vom Wirthe
Froh begrüßt mit biederm Willkomm.
Gerne nahmen Sanggenossen
Bei ihm Herberg; so auch jetzo,
Und der edlen Gäste einer
Auf Burg Seben war der Knappe
Junkherr Heinrich Ofterdingen.
An dem breiten Nußbaumtische
Saß er, just damit beschäftigt,
Leutolds vielgepriesne Lieder
In ein saubres Pergamentheft
Einzutragen, denn der Ritter
War des Schreibens nicht sehr mächtig,
Und kaum leserlich gekritzelt
Standen sie auf kleinen Fetzen,
So daß ohne seine Hülfe
Sie nicht zu entziffern waren
Für die Reinschrift, auch ihm selber,
Der daneben saß, ward's schwer oft.
Ganz vergnüglich war die Arbeit,
Oft von Lachen unterbrochen,
Und der Andern Unterhaltung
Oder Einspruch störte Keinen.
Auch Frau Hildegund, des Ritters
Edle Hausfrau, hold und blühend,
Saß am Tisch und nähte fleißig
Einen braunen Scharlach-Mannsrock.
Hadmut, ihre ältste Tochter,
Wohl zwölf Jahr alt, spann am Wocken
Nach der Mutter Unterweisung,
Und die jüngre, Mechtild, machte
Sich ein Püppchen aus dem Abfall
Von Frau Hildegundens Scheere.
Giselher, der Sohn und Erbe,
Saß vor dem Kamin und schnitzte
Hier ein hölzern Schwert für Heimo,
Der der Jüngste und schon lange
Ungeduldig, daß sein Degen
Gar nicht fertig werden wollte,
Einmal über's andre sagte:
»So! es ist ja gut! gieb her doch!«
Doch sein großer Bruder hatte
Immer noch etwas zu glätten,
»Nein, es ist noch nicht gut, sieh doch!
Ist ja noch nicht scharf und schneid't nicht,
Wenn Du damit hau'n willst, Heimchen!«
Sagte er und schabte weiter.
Heimchen trollte sich zu Mechtild;
Diese, weil er ihr im Weg war
Bei Bekleidung ihrer Puppe,
Schickte weiter ihn zur Schwester,
Die er zärtlich bald beim Spinnen
Aus dem Tritt und Takte brachte,
Bis der Vater ihn aufs Knie nahm,
Aber auch nicht lange festhielt,
Denn das Schwert war doch bald fertig.
Heinrich schob jetzt seinem Wirthe
Einen Zettel hin und sagte:
»Lest mir das, ich bring's nicht fertig!«
Leutold sah es an, hielt's ferne,
Hielt es nahe vor die Augen,
Schüttelte den Kopf und seufzte,
Buchstabirte langsam, mühsam:
»Im Rosengarten Zwergkönig sitzt,
Die Rosen – –«
Und blieb stecken. Zu Frau Hildgund
Blickt' er fragend und verlegen,
Daß sie herzlich lachen mußte:
»Hat's geschrieben, kann's nicht lesen,
Ist das nicht ein närrisch Wesen?
Aber Mann, wie ist es möglich,
Dieses Liedleins zu vergessen!
Hast es mich wohl tausend Male
Singen hören, frag' die Kinder!
Denk' doch nach! das Wiegenlied ist's,
Das für unsern Erstgebornen,
Giselher, Du mir gemacht hast,
Und ich hab' sie alle Viere
Damit in den Schlaf gesungen,
Hast oft leise mitgebrummt,
Wenn ich's auf und nieder tänzelnd
Einem kleinen Schreihals vorsang.«
»Das ist lange her,« sprach Leutold,
»Wer kann seine eignen Lieder
Denn im Kopfe so behalten!
Kannst es Du noch, so dictier' es,
Daß es Ofterdingen aufschreibt.«
»Ja, ich muß die Worte singen,
Wenn es ohne Stocken gehn soll,«
Sprach Frau Hildegund und sang,
Sang mit voller, weicher Stimme.
Giselher hielt mit dem Messer,
Hadmut mit dem Wocken inne,
Beide schauten auf die Mutter,
Mechtild aber und das Heimchen
Schmiegten sich an ihre Seite,
Und Herrn Leutolds Blicke hingen
Glücklich lächelnd an der Gattin.
Im Rosengarten Zwergkönig sitzt,
Die Rosen blühen viel holde,
Sein Schwert blinkt hell, seine Krone blitzt,
Sein Panzer funkelt von Golde.
Er lugt nach den Bergen, er lauscht auf den Wind,
Der sagt ihm, wo artige Kindlein sind,
Luarin!
Luarin legt Bein auf Bein und denkt
Was er den Kindern im Schlafe schenkt,
Luarin! Luarin!

Zwergkönig hat einen rothen Bart,
Er reitet auf schuppigem Drachen,
Er saust durch die Wolken auf feuriger Fahrt,
Man hört in den Lüften sein Lachen,
Doch wie sein Garten ist nichts ihm lieb,
Und wehe, o wehe dem Rosendieb!
Luarin!
Luarin, horch' auf, mein Kind schläft ein,
Bring' ihm ein thaufrisch Röselein,
Luarin! Luarin!

Es weht von den Bergen wie Rosenduft,
Schlaf' aus, lieb Kind, in der Wiegen,
Gezogen, geflogen kommt durch die Luft
Zwergkönig und sieht Dich liegen.
Er wirft Dir zwei knospende Rosen hin,
Die heißen Gesundheit und froher Sinn,
Luarin!
Luarin, o komme nur spät und früh,
Daß unser Kind wie ein Röslein blüh,
Luarin! Luarin!
Leutold küßte Hildegunden
Auf die Stirn. »Seht, Ofterdingen!«
Sprach er, »so sind meine Lieder
Doch noch besser aufgehoben,
Als im feinsten Pergamente;
Singen muß man's, bloß gelesen
Klingt's nicht und geht nicht zu Herzen.«
Heinrich blickte still verwundert
Auf den Wirth und seine Hausfrau,
Und dann bat er Frau Hildgunde,
Langsam, daß er folgen konnte,
Ihm das Lied zu wiederholen,
Bis er's aufgeschrieben hatte.
Jetzt war Heimo's Schwert auch fertig,
»So!« sprach Giselher, »da hast Du's!
Bitte nun den Herrn recht höflich,
Daß er Dir ein Sprüchlein aufmalt
Auf der Klinge beide Seiten.«
Heimo that's, und Heinrich lachte:
»Ja, was soll ich für ein Sprüchlein
Auf Dein Heldenschwert Dir schreiben?«
Doch die Antwort gab ein Andrer,
Der zur Thüre jetzt herein trat
Und die Frage hörte: »Schreibt nur,«
Sprach er feurig, »auf die Klinge:
Schutz dem Kaiser! Trutz dem Papste!«
»Ha! da ist er ja!« rief Leutold,
»Sag', wo warst Du?« – »Schnee gefeget
Hab' ich draußen,« sprach der Andre,
Und die blauen Augen blitzten,
»Schnee gefeget und den Vöglein
Brosam hingestreut zum Futter,
Müssen ja sonst wahrlich hungern
In der Wintersnoth, auch kommen
Täglich mehr; die Kleinen, Schlauen,
Die ich einmal erst geatzt hab,
Bringen Neue mit zur Stelle,
's ist 'ne Lust, der Thierlein Freude
So im Stillen zu betrachten,
Und ich weiß, wie sie mir's danken!«
Also sprach der Blondgelockte,
Und um seine Lippen spielte
Ihm ein Zug treuherz'ger Anmuth.
»Seht, Herr Walther,« sprach Hildgunde
Ihm das Scharlachkleid entfaltend,
»Bald könnt Ihr das Röcklein anziehn.«
»O das wird ja viel zu prächtig
Für mich armen Ohnehabe,
Der ein Gast auf allen Wegen,«
Sprach den schönen Rock beschauend
Walther von der Vogelweide,
Denn kein Andrer war der Ritter,
»Königsschmuck wär' nicht zu kostbar
Für den besten aller Sänger!«
Sprach Frau Hildegund begeistert,
Und die Andern stimmten alle
Freudig zu; bescheiden schwieg er,
Und nach seelenvollem Blicke
In der holden Wirthin Augen
Hob und senkte seine Brust sich,
Als ob er in seinem Innern
Schmerzlich etwas niederkämpfte.
Bald begann er aber wieder:
»Wißt Ihr denn, was auf dem Reichstag
Sich zu Frankfurt zugetragen?
Kaiser Heinrichs junges Söhnlein
Friedrich ist zum Röm'schen König
Dort gewählet, und die Fürsten
Haben seine Wahl beschworen.«
»Hat er's wirklich durchgesetzt doch,«
Sagte Leutold, »trotz der Gegner
Mainz und Köln mit ihrem Anhang
Sächs'scher Fürsten nebst Graf Andechs,
Die in Merseburg des Kaisers
Kühnem Plane widerstrebten!«
»Kühn! ja freilich,« sprach Herr Walther.
»Herrlich ist der Plan! ein Weltreich,
Das vom Aetna bis zur Eider
Sich erstreckte, wollt' er schaffen,
Und die deutsche Kaiserkrone
Sollte in dem Haus der Staufer
Erblich sein, daß Streit und Hader
Nicht wie jetzt bei Kaiserwahlen
Unsre Stämme trenn' und schwäche.
O ein Plan ist's, tief durchdacht
Und hochfliegend wie ein Adler,
Ganz des großen Staufers würdig!
Aber Neid und scheele Habsucht
Und der Pfaffen Gier und Hochmuth
Gönnen ihm nicht Sieg und Ansehn,
Sonderlich der Papst zu Rome
Schmiedet Ränke, will kein Erbreich,
Will nicht, daß wir stark und einig
Unter einem mächt'gen Scepter
Friedlich und gefürchtet wohnen.«
»Halt, Freund!« sagte Leutold ruhig,
»Höre auch der Andern Meinung.
Es soll jeder Fürst sein Lehen
Aus des Kaisers Hand empfangen,
Doch der Kaiser seine Krone
Wieder aus der Hand der Fürsten.
Damit, daß jedweder Fürst
Wählbar ist zur höchsten Würde,
Steht er Kön'gen gleich auf Erden,
Und nur einem solchen Kaiser,
Der aus freier Wahl hervorgeht,
Sind Bedingungen und Pflichten
Vorzuschreiben von den Wählern.«
»Das ist just der Fluch,« rief Walther,
»Und ist Cölestins des Papstes
Kunstgriff, daß er die Parteien
Trennt, um beide zu beherrschen;
Eine hält er mit der andern
So in Schach, und darum wirft er
Diesen Köder hin den Fürsten,
Ihrem Stolz damit zu schmeicheln
Er will über Allen thronen,
Will des Kaisers Wahl bestät'gen,
Ihr allein die Weihe geben
Oder sie aus eignem Machtspruch
Kurz verwerfen nach Belieben.
Soll sich das ein Hohenstaufe,
Soll sich der gewalt'ge Heinrich,
Friedrich Rothbarts großer Sohn,
Der in seiner Hand vereinigt
Eine Macht hält, wie in Deutschland
Noch kein Herrscher sie gehabt hat,
Das von Pfaffen bieten lassen,
Kaiser sein von Papstes Gnaden?
O so mag den ›Waisen› tragen
In der Krone, wen's gelüstet!
Aber Schimpf und Schande ruf' ich,
Wer dem Kaiser da nicht beisteht!«
»Schutz dem Kaiser! Trutz dem Papste!«
Schrie Jung Heimo und focht wacker
Mit dem Holzschwert um sich, Walther
Nahm ihn auf den Arm und küßt' ihn.
»Die tyrolischen Prälaten
Sind gut ghibellinisch,« meinte
Ritter Leutold, »Auch der Adel
Hält in Steiermark und Kärnthen
Meist zum Kaiser,« sprach Tannhäuser,
»Hab's gemerkt auf meinen Fahrten.«
»Junkherr, die Erzählung seid Ihr
Uns noch schuldig,« sprach Hildgunde,
»Was nach dem Gericht der Minne
Aus Euch wurde; ich besorge
Einen frischen Trunk, dann fahrt Ihr
Fort da, wo Ihr neulich abbracht.«
»Gerne, edle Frau!« sprach Heinrich;
Und als jeder von den Männern
Einen Krug dann vor sich hatte
Und auf einen Wink der Mutter
Die vier Kinder sich entfernten,
Nahm das Wort er und erzählte,

»Bald nach dem Gericht der Minne,
Ja schon in den nächsten Tagen
Zogen wieder ab die Gäste
Von Schloß Avellenz, die Einen
Heute und die Andern morgen.
Wir nur blieben, die vorher schon
Frau Bertramens Gäste waren.
Bei den Fremden aber fand sich
Auch Herr Herrand von Wildonie,
Den nicht Absicht, sondern Zufall
Auf weitläuf'gen Reisewegen
Mit in die Versammlung brachte.
Er war Freund und Waffenbruder
Meines Vaters in dem Kreuzzug
Und lud mich nun ein in Treuen,
Mit auf seine Burg zu kommen.
Doch – ich blieb in Avellenz noch,
Mußte aber ihm versprechen,
Für den Winter auf der Hengstburg
Zu Wildonie einzukehren.
Er ritt ab mit all' den Andern.
Wir Zurückgebliebnen aber
In Schloß Avellenz, wir lebten
Dort bei Spiel und Tanz und Singen
Und der Minne Lust und Freuden
Noch fünf Monde und verwünschten
Dann den kalten, rauhen Herbststurm,
Der uns aus den Bergen scheuchte
Und den Minnehof zerstreuend
Jeden zwang, ein sichres Obdach
Für den Winter aufzusuchen.
Also trennten wir uns endlich,
Als der erste Reif die Wiesen
Ueberzog mit weißem Laken.
Einsam ritt ich meine Straße,
Voll von dem, was ich im Sommer
Dort erlebt. Nun war ich wieder
So allein wie in den Tagen,
Da von Adamunt ich auszog,
Um die Minne auszuspüren.
Mit wie anderer Erfahrung
Saß ich aber jetzt im Sattel!
Was die Minne ist, nun wußt' ich's.«
»Wenn nur!« warf dazwischen Walther.
»Ich bezweifl' es auch,« sprach Hildgund,
»Und verstehe wohl, Herr Heinrich,
Ihr verschwieget uns noch Manches;
Doch mir scheint, der echten Minne
Wart Ihr damals schon vor Jahren,
Als vom Kürenberg Ihr weglieft
Und von Irmengard Euch losrißt,
Sehr viel näher, als Ihr's jetzt seid.«

»Imgard war ja halb ein Kind noch,
Fünfzehn Jahr, als ich davon lief,
Und wir wußten nichts von Liebe.«

»Weiß die Knospe von der Blüthe?
Denkt die Blüthe wohl an Früchte?
Schlummernd in der zarten Hülle
Ruht die süße Kraft der Sehnsucht,
Bis ein Sonnenstrahl sie weckt
Und das holde Wunder aufschließt.
Dann ist's da mit einem Male,
Keiner sagt's ihr, wie sie wurde,
Aus sich selber wächst die Liebe.
Und in einem Mädchenherzen
Geht das rasch, es reifet früher,
Und was in sich selbst es findet,
Sich kaum eingesteht, behütet
Jungfräuliche Scham und Unschuld.
Erste Liebe senkt aufs Mädchen
Sich herab wie Thau vom Himmel
In der Frühlingsnacht auf Blumen;
Doch den Jüngling überfällt sie
Wie mit Sturmgewalt und Springfluth
Euch betäubend, daß Ihr selten
Seht, was in des Mädchens Busen
Für Euch spricht und wirbt und waltet.
Wißt Ihr es denn, Junkherr Heinrich,
Wie's in Irmgards Herzen aussah,
Als Ihr Euch von dannen stahlet?
Ob der Minne keusche Blüthe
Nicht entfaltet schon drin prangte?
Fragt sie doch, wenn einst im Leben
Ihr sie wiedersehen solltet!«
»Wiedersehen?« sagte Heinrich
Wie in träumenden Gedanken
Leise mit dem Haupte schüttelnd.
»Nicht mit welschem Maße messen
Dürft Ihr unsre deutsche Minne,
Ofterdingen!« sprach jetzt Walther,
»Der windschaffne Provençale,
Der mit hohlen, frechen Worten
Prahlerisch wie Gallier meistens
Sich in Avellenz gebrüstet,
Daß er auf der Minne Wesen
Sich verstünde, war ein Kläffer.
Troubadourgesang in Ehren!
Ihre Lieder sind bestrickend,
Doch sie sollen nur nicht meinen,
Daß wir ihnen etwas danken,
Unsre Kunst von ihnen erbten.
Sollen ihre Minnehöfe
Mit Gesetzen und Gerichten
Nicht zu uns verpflanzen wollen;
Mögen sie's mit Zucht und Sitte
Bei sich halten nach Belieben,
Wir sind andrer Art und wahrlich!
Andrer Art auch unsre Frauen.
Wo man rechter Minne pfleget,
Pfleget man auch rechter Ehre,
Manches Land hab' ich gesehen
Zwischen Ungarn und der Seine,
Aber was ich sah und hörte,
Deutsche Zucht geht über alle.«
»Nun, Herr Walther,« sprach Tannhäuser
Innerlich erregt, »die Ehre
Sei gewahrt in allen Dingen,
Und ich will der Minne lieber,
Als der Ehre je entsagen.
Aber wessen Herz die Minne
Freudig mit Gewalt ergriffen,
Der begeht an Zucht und Ehre
Keine Sünde, und von Stund an
Lebt er nur in ihrem Dienste.
Hier das Schwert und dort die Harfe
Drückt sie ihm in seine Hände,
Macht zum Helden ihn und Sänger;
Wider eine Welt zu fechten
Wünscht er für die einzig Eine,
Deren Namen er nicht nennet,
Und in hellen Liedern sucht er
Die Gefühle auszuströmen,
Davon seine ganze Seele
Ueberschwillt im Lenz der Liebe.«
»Nun, es scheint, daß an Euch selber
Ihr's erfahren,« sprach mit Lächeln
Ritter Leutold, »singet, Heinrich!
Minne ist das Recht des Sängers
Und ist ihm so unentbehrlich
Wie der Brust die Luft zum Athmen,
Wie dem Lied der Laut des Klanges.
Und es werden ja dereinstens
Auch für Euch die Tage kommen,
Wo ihr ruhiger und ernster
Fühlt und denkt und andrer Minne
Euch begehret, als sie jetzo
Euch durchbraust wie Most im Fasse,
Und die dann im Herzensgrunde
Festgewachsen, strahlt und leuchtet
Wie gediegen Gold im Schachte
Und so schweigsam auch, – nicht, Hilde?«
Und er reichte Frau Hildgunden
Seine Hand, die warm sie drückte;
»Aber nun fahrt fort, erzählt uns,
Wie Ihr weiter dann geritten.«

»Nun, ich trabte munter vorwärts,
Hielt mich längs der Mur und langte
Schon am andern Tag bei Graz an.
Da von ungefähr entgegen
Mir geritten kam der Burggraf
Und nahm lachend mich gefangen.
Auf den Schloßberg mußt' ich mit ihm
In die Burg und bei ihm bleiben
Als sein Gast bis kurz vor Weihnacht
Hier auch lernt' ich etwas Neues,
Nämlich Trinken; Krug und Becher
Ward vom Morgen bis zum Abend
Nimmer leer vom Traubensafte,
Der da ringsum auf den Bergen
Wohl gedeiht; der Burggraf selber
Nahm so streng mich in die Lehre,
Als wenn Trinker-Kunst und Dauer
Zu des Schildamts Dienst und Pflichten
Unumgänglich nöthig wären.
Endlich kam ich los mit Mühe,
So daß ich das heil'ge Christfest
Und danach die Ebenweihe
Bei Herrn Herrand von Wildonie
Auf der Hengstburg feiern konnte.
Edel, ritterlich und milde
Und von unerschrocknem Willen
Ist Herr Herrand und an Körper
Eisenfest, gewöhnt ans Aergste.
Großes Ansehn auch genießt er
In der Steiermark, und Waidwerk
Ist sein köstlichstes Vergnügen.
In den weiten Eichenforsten
Und dem Waldgebirg der Sausal
Pirschten wir mit guten Stäubern
Manchen Tag auf Elch und Eber,
Und je größer die Gefahren,
Und je schlimmer Wind und Wetter,
Desto froher war Herr Herrand.
Ich blieb gerne in Wildonie,
Und des Ritters leuchtend Vorbild
Machte auf mich tiefen Eindruck.
Sommers kamen edle Gäste,
Tapfre Ritter und Prälaten
Und auch viele schöne Frauen,
Denen ich, weil ich der Jüngste,
Ritterlich zu dienen hatte
Und für Lustbarkeit zu sorgen.
Aber in dem Kreis der Männer
Wurde eifrig Rath gepflogen,
Wie man in dem bittern Streite,
Den die Platte mit der Krone
Führte, Stellung nehmen sollte.
Von den Herren stand nur Einer,
Patriarch von Aquileja,
Trotzig auf des Papstes Seite,
Doch die Ritter und der Bischof
Selbst von Gurk, die waren alle
Für den Kaiser und beschlossen,
Diese Stimmung zu verbreiten
Und der andern Herrngeschlechter
Meinung gleichfalls zu erkunden.
Darauf ritt man durch die Gaue
Nach den Burgen; ich erbot mich
Freudig zu demselben Dienste,
Denn es lockte mich, auch mein Schwert
In die Waage mit zu legen,
Die der Großen Händel schlichtet.
So bekam ich denn den Auftrag,
Durch das Thal der Drau zu ziehen
Und dort auf den vielen Schlössern
Einzusprechen, zu berichten,
Was ich hier gehört, wo möglich
Zu Herrn Meinhard, Graf von Görz,
Zu Graf Albrecht von Tyrol
Und zum Herzog von Meran
Berthold, Graf von Andechs, endlich
Vorzudringen mit der Botschaft.
Ich ritt ab und Alles glückte;
Langsam zog ich durch das Drauthal
Nun von Burg zu Burg stromaufwärts,
Ueberall gut aufgenommen
Von den Rittern und noch besser
Von den Frauen und den Fräulein,
Die mich manchmal länger hielten,
Als es meine Sendung heischte.
Meine Harfe warb mir Freunde,
Und ich hatte auf der Fahrt
Mehr als einmal selbst die Freude,
Daß ich schon aus fremdem Munde
Etliche von meinen Liedern
Singen hörte, die Spervogel
Oder seine Spielmannsbrüder
Wohl verbreitet, viele andre
Sang man noch von bessern Sängern,
Doch die meisten, die ich hörte,
Waren wohl von Euch, Herr Walther.
Auch manch lustig Stechen gab es,
Und obschon ich ja als Knappe
Im Turnier nicht tjosten durfte,
Ward ich doch beim Vesperspiele
Mit den Rittern zugelassen.
In Walap und in Rabbine
Hielt ich fest auf die vier Nägel,
Und es glückte meinem Stoße,
Manchen Sattel leer zu machen.
Schon in Lurn fand ich Herrn Meinhard,
In Meran den Herzog Berthold,
Und beim Grafen von Tyrol
Mußt' ich in dem schönen Schlosse
Lange als sein Gast verweilen,
Und ich sann dort neue Lieder.
Oftmals von dem hohen Söller
Blickt' ich hin nach dem Gebirge,
Das ich eben erst durchzogen.
Wunderbar war mir zu Muthe,
Als ich einsam dort in Wildniß
Meinem Roß die Wege suchte.
Um mich ward es rings lebendig,
Traumgestalten, Abenteuer
Tauchten auf vor meinen Sinnen
Aus des Waldes Tannendunkel
Und den rauhen Steingeklüften.
Wenn der Wind pfiff durch die Föhren
Und um starre Felsenthürme,
Deren knorrige Gebilde,
Zackig, winklig, vielgestaltig,
Mir wie Zauberschlösser däuchten
Mit umwallten Thor und Zinnen,
Horcht' ich auf, ob mir jetzt schnaubend
Nicht ein Feind entgegen stürmte.
O mir graute fast im Herzen,
Und doch fühlt' ich mich so wohlig
In der Einsamkeit und Oede,
Die so schauerlich gewaltig,
Einzig schön mich hier umringte
Und mit tausend, tausend Augen
Nie mit eingelegten Lanzen
Auf mich niedersah, die Seele
Mir erschütternd und erhebend.
Hier war Dietrich einst geritten,
Der von Bern mit Hildebrand,
Otnit mit der goldnen Brünne,
Und der starken Ecken Ausfahrt
Klang hier nach im Waldesrauschen
Wie vordem, da ihre Helme
Von dem Schlag der dichten Zweige
Wie Geläut von Glocken hallten.
Dieses Land gehörte Albrich
Mit dem unermessnen Horte
Und der luft'gen Nebelkappe;
Wo die amethystnen Zinken
Und die weißen Felsenhörner
In der Abendröthe glühen,
War der schöne Rosengarten
Luarins, des klugen Zwerges.
Wenn ich dann vom Thurme wieder
In die blühenden Gelände
Und ins weite Thal der Etsch sah,
Die nach Süden floß, dann kam mir
Unbezwinglich fast die Sehnsucht
Nach dem Sonnenland Italien
Und der ew'gen Stadt am Tiber,
Und zum Kaiser mocht' ich ziehen
Nach Apulien und Sicilien,
Um sein Angesicht zu sehen
Und die Stimme zu vernehmen,
Die der Christenheit gebietet.
So kam ich durch Schnee und Winter
Nun zu Euch, Herr Leutold, und –«
»Und bleibt hier!« fiel der ins Wort ihm,
»Kaiser Heinrich kommt nach Deutschland;
So lang wartet Ihr, vorüber
Muß er hier die Brennerstraße;
Wenn Ihr wollt, zieht Ihr dann mit ihm.«
»Fügt Euch, Junkherr,« sprach Hildgunde,
»Wie mein lieber Herr Euch anräth,
Es ist gut so, und Ihr seid uns
Als ein werther Gast willkommen!«
»Nun, mit Dank und Aberdank
Nehm' ich's an von Euch,« sprach Heinrich
Jenen Zwei die Hände reichend.
»Recht, Tannhäuser!« sagte Walther,
»– Oder Heinrich Ofterdingen,
Weiß nicht, was Ihr lieber höret, –
Recht so, daß Ihr bleibt auf Seben!
Wolln doch sehen, ob drei Sängern
Hier die Zeit zu lang wird, Freunde!
Wollen streben, schaffen, dichten
Und uns frohe Lieder singen
Wie die Vöglein, wenn der Mai kommt.« –

Heinrich blieb nun auf Burg Seben,
Und im kleinen trauten Kreise
Ward ihm bald so wohl und heimisch,
Als hätt' er seit langen Jahren
Schon dazu gehört, und dennoch
Fühlte er sich manchmal einsam.
Zwar die Freunde, Walter, Leutold
und Frau Hildegunde hatten
Sein Vertrauen schnell gewonnen,
Doch Tannhäuser war ein Andrer
Schon geworden, nicht mehr schüchtern, –
Heftig war er und begehrlich.
Wunsch war Alles, Wunscherfüllung
War ihm nur das andre Ende
Eines Fadens, der sich glühend
Durch sein rasches Denken hinzog.
Jede Lebensregung in ihm
Hatte ein Gefühl als Ursprung,
Gipfelte zuletzt auch wieder
In Gefühlen, und ihm hatte
Die Natur ein Herz verliehen,
Das der eignen Hingebung
Ebenso von Grund bedürftig,
Wie es volle Gegengabe
Ohne Rückhalt auch verlangte.
Aber nicht die Freundschaft konnte
Ihm das reiche Maß gewähren,
Mit dem tief Geheimnißvollen
Ihn beglücken, das ihn reizte;
Andres war's, was er begehrte.
Sah er wieder dann die Liebe
Ritter Leutolds und Hildgundens,
Wie die Beiden in einander
Ihrer Wünsche Ziel gefunden
Und im Aufblühn lieber Kinder
Ihre Freud' und Hoffnung sahen,
Kam beschwichtigende Ruhe
In sein heißes Herz, er fühlte
Dieses stillen Friedens Wohlthat
Im Gemüthe auf sich wirken;
Ernste, reinere Gedanken
Zogen bei ihm ein und machten
Sanft und sittig sein Gebaren.
Ja, dies Beispiel stets vor Augen,
Konnt' er selbst sich mit der Fernsicht
Auf ein so behaglich Dasein
An der Seite einer Gattin
Und am eignen Herd befreunden.
Wenig aber war Tannhäuser
– Und das war zu seinem Heile –
Hier sich selber überlassen.
Meistens für die Zeit des Winters
Hielten sich die Burggenossen
In der Halle Raum zusammen,
Sannen Mären aus und Lieder,
Sagten sie sich vor und halfen
Sich einander klärend, bessernd,
Suchten Töne auch und sangen
Sie zu Harfe oder Rotte
Und ertheilten gern den Kindern
Unterricht in manchen Künsten.
Häufig machten auch die Männer
Bei den reichern Hofbesitzern
Nachbarlich Besuch und ritten
Wohl einmal zum Grafen Eppan;
Doch nicht oft geschah's, denn welfisch
War der Graf gesinnt und lebte
Mit dem Grafen von Tyrol
In schon alter Ahnenfeindschaft.
Lieber gingen sie nach Brixen
Zu Herrn Eberhard, dem Bischof,
Der, ein Mann mit frohem Herzen,
Hochgelahrt dabei und würdig,
Gern aus seiner großen Sammlung
Ihnen Bücher lieh zum Lesen,
Was sie oft und viel benutzten.
Auf besondres Dringen Walthers
Lasen sie in diesem Winter
Cicero's berühmte Schriften.
Immer waren sie willkommen
Jenem rüstigen Prälaten,
Wie sie auch in Kirchenfragen
Sich voll Eifer mit ihm stritten.
Von dem stets schlagfert'gen Walther
Namentlich bekam der Bischof
Ueber Anmaßung des Papstes,
Pfaffenwirthschaft, Klosterunfug
Manch ein kräftig Wort zu hören.
Doch beim süßen Brutzelweine
Oder beim Gewächs von Seeburg
Schlossen sie dann wieder Frieden,
Und zu guter Letzt ertönte
Jedesmal ein lustig Liedlein
Und besiegelte die Freundschaft.


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