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IX.

Am Hof der Babenberger.

Zu Ende war das glänzende Turnier,
In hohen Haufen lagen Lanzensplitter,
Vom Haupte banden Helm und Härsenier
Sich tausend Ritter.
Zahllose Speere waren da verstochen,
Manch Helm zerschroten, mancher Schild zerbrochen,
Manch eine Rüstung war verloren
Und manche Sicherheit geschworen.
Grieswärtel, Knappen, Knechte liefen,
Herolde, Kroyer, Büttel riefen,
Spielleute siedelten und sangen,
Und Bären tanzten, Affen sprangen.
Da schlug sich fahrend Volk um Beute,
Da hatten Krämer, Handwerksleute
Mit Zelten, Buden, Karren, Wagen
Rings um den abgesteckten Plan
Ihr Wanderlager aufgeschlagen.
Doch innen in der weiten Bahn
Da blitzt' und funkelt' es von Waffen,
Von bunter Fähnlein Schmuck und Zier,
Von Edelsteinen und Agraffen,
Von Federkranz und Helmzimier,
Von Silberborten, goldnen Schnüren
Und vielem prächtigen Gebild
Auf reich gestickten Couvertüren,
An Eisenkleid und Wappenschild.
Nun schallten Pauken und Posaunen
Und Flöten, Zinken, und Schalmei'n,
Und Alles sah mit Lust und Staunen
Auf der beglückten Sieger Reih'n.
Die ordneten sich an den Planken,
Gefolgt von Knappe und Garzun,
Und ritten langsam an die Schranken
Hin zu des Herzogs Pavellun.
Da saßen auch die schönen Frauen
So rechts wie links im halben Rund
Mit spielenden Augen, stolzen Brauen
Und rothem, rosenlachendem Mund.
Jetzt unterm seidnen Baldachine
Erhob sich Herzog Leopold
Und grüßte seine Paladine.
Auf seinen Wink, gnädig und hold,
Ließ der Turniervogt weit hinaus
Den lauten Heroldsruf erklingen
Und rief als ersten Sieger aus
Den Ritter Heinrich von Ofterdingen.
Da brauste Jubel durch die Schaaren,
Ein Blumenregen schwirrt' und flog,
Die Hörner schmetterten Fanfaren,
Tannhäusers Herz schlug himmelhoch.
Und nach ihm Jeder, dessen Name
Verkündet, stieg vom Roß und ging,
Wo aus den Händen einer Dame
Er den Turnierdank gern empfing.
Die konnte Jeder sich erkiesen;
Tannhäuser hatte schon gewählt,
Und vor Jukunde von Streitwiesen
Bog er das Knie, harnischumstählt,
Die hocherfreut des Amtes pflegte
Und um des Siegers Panzerring
Die schwere goldne Kette legte,
Daran des Herzogs Bildniß hing.
»Seid Ihr mein Ritter?« frug sie leise,
»Ja, Fraue!« flüstert' er zurück,
Erhob sich und trug aus dem Kreise
Sein offen und sein heimlich Glück.
Da wurden vieler Frauen Wangen
Bald bleich, bald roth in stillem Leid,
Aus vielen schönen Augen sprangen
Die Funken von verhohlnem Neid,
Weil Alle gern den Einen mochten,
Der Sängerruhm und Siegerglanz
Sich um sein lockig Haupt geflochten
Zu einem reichen Ehrenkranz.
Den Schönsten, Stattlichsten im Schwarme
Begehrte Jede sich allein,
Und Jede mocht' in seinem Arme
So Sieg'rin wie Besiegte sein.
Doch Einer hatte finstern Blickes
Die leise Zwiesprach wohl gesehn;
Als Folge seines Mißgeschickes
Beim Tjost war Haß schon im Entstehn,
Nun fühlte in des Herzens Giere
Von Eifersucht noch Höllenpein
Der zweite Sieger im Turniere,
Der Ritter Turs von Rauchenstein.
Als Jeder, der sich einen Preis erstritten,
Mit seinem Dank geschmückt das Heergewett,
Ward feierlich in langem Zug geschritten
Zum fürstlichen Bankett.
Der Herzog löste die Gefangnen aus
Und bei den Wirthen auch die Pfänder alle,
Und wem ein Roß verbugt war in dem Strauß,
Dem schenkt' er eins aus seinem eignen Stalle.
Vom Harnischruß und Rahm gereinigt, saß
Tannhäuser nun beim Klang von Harf' und Zither;
Der, jüngst noch Knappe, mit dem Feind sich maß,
Wie ward er Ritter?

Als Urlaub von Tyrol genommen
Tannhäuser zu dem Ritt nach Wien,
Sah er, bis Judenburg gekommen,
Dort reisig Volk die Straße ziehn.
Den Ungarn galt es; König Emrich rächte
Den Schutz, den Andreas, sein Bruder, fand
Bei Herzog Leopold in Wien, und schwächte
Oestreichisch Grenzgebiet mit Raub und Brand.
Da gab es Krieg; doch Streit und Orlog kannte
Friedrich von Pettau, ein erfahrner Held.
Tannhäusers Herz in Kampfeslust entbrannte,
Und ungeduldig zog er mit ins Feld.
Er stritt und stach sturmkühn mit seiner Lanze
Und ward ein Sanct Georg dem Heere werth,
In Sprüngen flog sein Hengst zum Waffentanze,
Und helle Feuerschläge schlug sein Schwert.
Stets leuchtete voran den tapfern Schaaren
Sein hoher Helm im wildesten Gewühl,
Dem Freunde helfen und den Feind nicht sparen
War in der Schlacht sein einziges Gefühl.
Als bei Großsonntag in dem Peßnitzthale
Des Krieges blutige Entscheidung fiel,
War er es, der gleich einem Wetterstrahle
Der Ungarn Reihn durchbrach zum letzten Ziel.
Beim Rückmarsch wandelte dem Heereszuge
Schon weit voraus Tannhäusers Ruf und drang
Gleich einer Wundermär dahin im Fluge,
Wo schon des Sängers Name ruhmvoll klang.
»Tannhäuser kommt!« so flüsterten die Frauen,
Von wunscherfüllter Hoffnung schon entzückt,
»Den Herrlichen, den Tapfern solln wir schauen,
Den schönsten Mann, der je ein Weib beglückt!«
Wen aber wie Orakelspruch und Segen
Das Lob der Frauen macht bekannt im Land,
Dem neigen sich die Rosen an den Wegen,
Der hat allstund den Ruhm in seiner Hand.
Er kam, und leichter ward ihm hier das Siegen,
Als bei Großsonntag in der Ungarnschlacht,
Denn für ihn stritt, die jeden Wall erstiegen,
Der Minne Macht.

Drei Monde fast war aus dem Krieg zurück
Tannhäuser schon und sucht' am Hof sein Glück,
Und Pfingsten ward es, und ein neu Jahrhundert
War an der Weltenuhr herausgebracht,
Als Oestreichs Ritterschaft, geehrt, bewundert,
Versammelt war zu Wien in Pomp und Pracht.
Schwertleite gab es, Messe ward gelesen
Vom Erzbischof von Salzburg, Eberhard,
Der einst in Brixen Bischof war gewesen
Und dort Tannhäusers Freund vor Jahren ward
Dann nach dem Hochamt in dem Stephansdom
Ließ Leopold sich feierlich bewehren,
Heinrich von Mödling, sein erlauchter Ohm,
Gab ihm den Ritterschlag mit hohen Ehren.
Zu Rittern schlugen dann geweihte Klingen
Dreihundert Knappen noch an diesem Tag,
Und es empfing Heinrich von Ofterdingen
Vom Herzog selber seinen letzten Schlag.
So kam Tannhäuser zu den goldnen Sporen
Und schwang sein Schwert und tummelte sein Roß
Wie Einer, der zu Schildes Amt geboren,
Und war der werthen Ritterschaft Genoß.
Es wählte selbst sich Bild und Spruch der Held,
Als er sich mit dem Schilde ließ belehnen,
Um rothe Rose stand in weißem Feld:
»Der Minne Sang und Sehnen!«

Tannhäuser hatte in der Stunde,
Da er den Rittergurt empfing,
Erreicht, woran im Herzensgrunde
Von jeher seine Hoffnung hing.
Er fühlte, wie im neuen Stande
Ein neuer Geist auch ihn durchfloß,
Dem er zu Wasser und zu Lande
Hingebend sich zu weihn beschloß.
Ihm wuchs die Welt nach allen Seiten
Gleichwie von seiner Kraft gedehnt,
Als hätt' er aus den fernsten Breiten
Raum zur Bewegung sich entlehnt.
Hoch trug er's Haupt, und hoch und heilig
Hielt er auf seines Worts Gewicht,
That nichts so gern und nichts so eilig,
Als eine echte Ritterpflicht.
Die war sein Glück, sein Stolz, sein Streben,
Er sah im höchsten Glanz enthüllt
Sie immerfort vor Augen schweben,
War so von Thatendrang erfüllt,
Als müss' all Ungebühr auf Erden
Und jedes falsch gefallne Loos
Durch ihn gerächt, gebessert werden
Mit Waffengang und Fehdestoß.
Schon einen Blick faßt' er am Zügel,
Und däucht' ein Wort ihm wenig werth,
Gleich hatt' er einen Fuß im Bügel,
Und drohend eine Hand am Schwert.
Der Ritter glänzendster an Ehren,
Ein Stern in Nöthen und Gefahr
Mit Fug zu sein, war sein Begehren, –
Wußt' er doch nicht, daß er's schon war.
Wie er in seinem Thun und Lassen
Sich Andere zum Vorbild nahm,
So suchten diese zu erfassen,
Woher bei ihm das Leuchten kam.
Des Waffenhandwerks schwerste Probe
Zu Fuß, zu Roß, in Sturm und Streit
Bestand er mit dem reichsten Lobe
Und doch in lautrer Frömmigkeit.
Mit glaubensfestem Demuthsinne
Fehlt' er im Dom zur Messe nie,
Voll schwärmerischer Gottesminne
Zur reinen Himmelsmagd Marie
Fleht' er in ringendem Gebete,
Daß sie, die aller Christen Heil,
Vor Gottes Throne ihn vertrete
Um seiner Sünden erblich Theil.
Er wünschte, seinen Arm zu brauchen,
Von ihren Feinden sich ein Heer,
Von schwarzem Heidenblute rauchen
Sollt' ihm der Speer.
Doch wunderbar, wie mit der Erde
Der Himmel sich in ihm vertrug!
Wenn er mit brünstiger Geberde
Die Augen auf zur Wölbung schlug
Und wieder dann beim Niederschauen
Zufällig seinem Platze nah'
Nun eine von den schönen Frauen
In strahlender Verzückung sah,
So wogten streitende Gedanken
Durch seinen tiefbewegten Sinn,
Und seiner Andacht Schwingen sanken
Zur irdischen Erscheinung hin.
Er wußte kaum, ob noch sein Bitten
Der heil'gen Jungfrau einzig galt,
Ob's irrend nicht den Weg beschritten
Zu jener knieenden Gestalt.
Mit seiner Dame Antlitz schweben
Sah er die Himmelskönigin
Und hier von Glorienschein umgeben
Däucht' ihm das Haupt der Beterin.
Und da der Frauen Huld und Gnade
Ihm im Zenith des Lebens stand
Und ihn auf jedem seiner Pfade
Der Frauen Macht und Schönheit band,
Erschien ihm nun wie gottbefohlen,
Was Rittersitte schon geweiht,
Was Herzenswunsch ihm nicht verhohlen, –
Des Frauendienstes Freudigkeit.

Zu Wiene sah, wer sehen wollte,
Die schönsten Frau'n in reicher Zahl,
Es hatte, wer da wählen sollte,
Gar schwere Wahl.
Tannhäusers Blick im Kreise schweifte
Indem er jeden Vorzug wog
Und, wo er auch nur flüchtig streifte,
Doch prüfend eine Wahl vollzog.
Sein Aug' erging sich fröhlich weidend,
Doch ehrerbietig trat er nah,
In stillen Wünschen sich bescheidend,
Wo er so Wünschenswerthes sah
Und bei manch' rothem Mund sich dachte,
Wie süß von dem und dem ein Kuß,
Wie an der Brust, wenn Lieb' erwachte,
Und sich an jener ruhen muß.
Die Schönen schienen zu errathen,
Was ihm durch seine Seele ging,
Und wenn sie scheu und schüchtern thaten,
Als ob sie schon sein Arm umfing,
Floß Mancher doch ein leises Beben
Vom Scheitel bis zum Zeh herab,
Das weniger von Widerstreben,
Als süßem Sehnen Kunde gab.
Und Alle wurden sie gewogen
Dem jungen Ritter mehr und mehr, –
Wie leicht denn ist ein Herz belogen
Mit Hoffnung und belehrt wie schwer!
Von Vielen, die ihm Huld erwiesen,
Ihm Keine aber mehr verlieh,
Als wie Jukunde von Streitwiesen,
Als wie Ricchezza Montparis.
Ruhlos bemühten sich die Beiden
Wetteifernd um des Sängers Gunst,
Unmöglich war's, zu unterscheiden,
Was Liebe, was Verführungskunst.
Mit Eifersucht im Busen paßten
Sie heimlich sich auf Schritt und Tritt
Verhehlten nicht, wie sie sich haßten
Und Jede durch die Andre litt.
War er zugegen, so belauschte
Die Eine neidisch Wort und Wink,
Was je die Andre mit ihm tauschte,
Und jeden leisen Augenblink.
Und war er fern, so rühmte Jede
Die Huld, die ihr der Held erwies,
Und Jede grollte bei der Rede,
Wenn ihre Gegnerin ihn pries.
Dann kam's zu Streit und Wortespalten
Dem Spott begegnete der Hohn,
Es fehlte nichts, daß sie sich schalten
In der Erbittrung schärfstem Ton.
Todfeindschaft sprach aus allen Zeichen,
Und Unheil war vorauszusehn,
Denn Keine wollt' im Range weichen
Und Jede vor der Andern gehn.
Tannhäuser merkte von dem Allen
Wohl Manches, lächelte und schwieg,
Ließ sich den Kampf um sich gefallen,
Bis selber er entschied den Sieg
Und beim Turniere so bewährte,
Daß er, als ihn Jukunde frug,
Zu ihrem Ritter sich erklärte
Und fortan ihre Farben trug.
Da ließ der Sieger sich bekränzen
Von einer Hand, die treu nur schien,
Jukunde wollte mit ihm glänzen,
Ricchezza liebte ihn. –

Der Herzog hielt auf Glanz in seinen Hallen,
Sah gern am Hofe edler Gäste Drang,
Doch am willkommensten war ihm vor Allen,
Wer singen konnte, denn er selber sang.
Tannhäuser fand in Ehren hochgehalten
Die Sänger dort, Herrn Hartmann von der Au,
Heinrich von Morungen, Reinmar den Alten,
»Die süße Nachtigall von Hagenau,«
Den Schenk von Limburg und Herrn Gottfried Nifen
Reinmar von Zweter, Wirnt von Grafenberg
Und, wohlbewandert in der Minne Briefen,
Den Truchseß von Sanct Gallen, Singenberg.
Sie waren Ritter und von ihren Liedern
Bekannt Tannhäuser, dessen Druck der Hand
Bei ihnen allen herzliches Erwiedern
Und gute Kumpanei und Freundschaft fand.
Ein junger Knappe lebte auch am Hofe,
Nithart von Reuenthal, doch Sänger schon,
Der heut die Dame, morgen ihre Zofe
Besang in kecken Uebermuthes Ton.
Und sein Vertrauter war ein Edelknabe,
Ulrich von Lichtenstein, der half dabei,
In ihm auch blühte des Gesanges Gabe
Und ach! die Lust an tollster Schelmerei.
Doch einer »Herrin« unterthan in Minne,
Trug schwärmend nach der Frauenritter Art
Ulrich Ida von Valchenbiel im Sinne
Und Nithart Adelheid von Plankenwart.
Die Damen ließen sich die Huldigungen
Und manchen abenteuerlichen Schwank
Gefallen von den beiden hübschen Jungen
Und ließen ihren Dienst nicht ohne Dank.
Als Poursuivans d'amour erhielten beide
Un don de l'amoureuse merci zum Spiel,
Ein seidnes Busentuch von Adelheide,
Ein Strumpfband von Ida von Valchenbiel.
Sie überboten sich in Pagenstreichen
Und schonten Niemand, weder Alt noch Jung,
Und wußten doch manch' Herzchen zu erweichen
Mit Kuß und Stelldichein in Dämmerung.
Der Seneschall, Herr Kadold, hat's erfahren
Und Herr von Tribuswinkel auch, der Schenk,
Zumeist jedoch Hiltigrim von Grauscharen,
Der Küchenmeister, ist deß eingedenk,
Was sie den biedern Herrn für Possen spielten
Und ihnen Ränke spannen ohne Rast,
Mit manchem derben Spottlied auf sie zielten,
Das in Gemeinschaft beide sie verfaßt.

Herr Hiltigrim ist, wie er geht und steht,
Die Krone der Küchenmeister,
Wie Keiner, wo immer ein Spieß sich dreht,
Beherrscht er die Bratengeister.
Dafür genudelt und gespickt
Ist er mit Sorgen und Plagen,
Daß er die Tafel recht beschickt,
Sonst geht es ihm an den Kragen.
Doch mundet, was er buk und briet,
Heil! hochversippter Suppenschmied,
Herr Hiltigrim von Grauscharen!

Er quirlt herum dem Herde nah,
Den Köchen rauchen die Köpfe,
Er kostet hier und kostet da
Und guckt in alle Töpfe.
Doch wenn die Tischtrompete schallt,
So kommt er aus den Küchen
Mit seiner Schaar, umdampft, umwallt
Von köstlichen Gerüchen.
Was aber auch die Tafel trägt,
Die beste Klinge selber schlägt
Herr Hiltigrim von Grauscharen.

Er hat ein Bäuchlein wie ein Lurch
Und nelkenrothe Ohren,
Da scheint die liebe Sonne durch
Von hinten und von voren.
Er hat ein freundlich Doppelkinn
Von angenehmem Schwunge,
Er hat den allerschärfsten Sinn
In seiner feinen Zunge.
Man sieht, wenn er die Lippen leckt,
Daß es bis in die Zeh' ihm schmeckt,
Herr Hiltigrim von Grauscharen.

Er ist wie eine Tonne schlank,
Umreift von Schwertes Fessel,
Sein Kürbiskopf ist glatt und blank
Gescheuert wie ein Kessel.
Er ist ein Held von Kopf zu Fuß,
Ein Mann an seinem Platze,
Reicht Jedem gern zu Druck und Gruß
Die kleine, dicke Tatze.
Heil, Herr! schafft uns ein gut Gericht,
Versalzt uns auch die Suppe nicht,
Herr Hiltigrim von Grauscharen!

Herr Kadold und der Schenk, die schon bei Jahren,
Erhielten einst ein Brieflein zugesteckt,
Und da des Lesens sie nicht kundig waren
Und auch nicht Jedem hätten sich entdeckt,
So baten sie Tannhäuser, es zu lesen,
Welch eine Weisheit wohl die Schrift verschloß,
Weil er mit seinem lieben, treuen Wesen
Am Hofe schon ein groß Vertraun genoß.
Doch Keiner wußte von des Andern Briefe,
Und Jeder forderte in Heimlichkeit,
Um welchen Dienst er ihn zu Hülfe riefe,
Vom jungen Rittersmann Verschwiegenheit.

Ein Fräulein, das im Briefe sich nicht nannte,
Sandt' Herrn von Tribuswinkel Gruß und Wort,
Indem es seine Liebe ihm bekannte,
Und schrieb zum Stelldichein ihm Zeit und Ort,
Der in der Hofburg einsam und entlegen,
Fern vom bewohnten Raum, ein Kämmerlein,
»Und« – schloß der Brief – »der größern Freude wegen
Bringt ein Pastetlein mit und etwas Wein,
Mit Senna und Jalappe stark gemischet,
Mit Koloquinten und Rhabarbersaft
Und dann mit süßem Honig angefrischet, –
Ein Tränklein ist's von ganz besondrer Kraft!«

Herrn Kadolds Brief war auch von einer Dame,
Und jede Zeile sprach von Liebesnoth,
Doch fehlte auch in ihm der Schreibrin Name,
Die den Herrn Seneschall zu sich entbot
In den Baumgarten um die Abendstunde,
Wo sie im sichern Schutz der Dunkelheit
Lustwandelnd ihm versprach vielsüße Kunde,
Wenn er zum trauten Stelldichein bereit.

Der Schenk, um seinen Würzwein sehr beflissen,
Sieht in der Mischung einen Liebestrank
Und stiehlt sich ein, bepackt mit Leckerbissen
Und voller Hoffnung auf der Schönen Dank.
Er wartet auf das Liebchen lange, lange
In dem ablegnen, stillen Kämmerlein
Und trinkt mit Lust in seines Herzens Drange
Dreiviertel von dem selbstgebrauten Wein.
Des Harrens satt will er von hinnen schleichen,
Doch weh! von außen ist die Thür versperrt,
Will seinem Zorn nicht wanken und nicht weichen.
Wie er auch tritt und tobt und reißt und zerrt.
Sein Rufen nützt ihm nichts, er ist gefangen
Mit der Pastete und sitzt fest in Haft,
Erkennt, daß er gefoppt, ins Garn gegangen,
Und spürt die Wirkung, die der Trank ihm schafft
Zu leben hat er ja, des Hungers Plage
Wird nicht so balde dem Verstrickten nahn,
Doch sucht man ihn umsonst zwei ganze Tage
Und sorgt, er habe sich ein Leids gethan.

Der Seneschall hat's glücklicher getroffen;
Er wandelt bei gedämpftem Mondenschein
Und glaubt schon nah erfüllt sein kühnstes Hoffen,
Am Arme ein verschleiert Mägdelein.
Sie geht einher mit kleinen Trippelschritten,
Seufzt tief und bang bei seiner Rede Fluß,
Verstattet ihm auch auf sein stürmisch Bitten
Ein sanft Umfahn und einen flücht'gen Kuß.
Die nächste Nacht dasselbe Händedrücken,
Daß des Verliebten schmachtend Herz entbrennt,
Sie kichert leise, wenn er vor Entzücken
Sie Herzenspüppchen, süßes Täubchen nennt.
Als Tags darauf Tannhäuser ihm begegnet,
Küßt er die eignen Fingerspitzen sich,
»Ein Engel,« säuselt er, »hat mich gesegnet,
Und ach! wie unschuldsvoll und minniglich!«

Nun kam Tannhäuser das Gerücht zu Ohren,
Von dem der Hof schon in Allarm gebracht,
Daß Herr von Tribuswinkel ging verloren;
Da regt sich ihm ein finsterer Verdacht.
Des Kämmerleins im Briefe muß er denken,
Zum Stelldichein beschrieben und erklärt,
Er eilt dahin und findet dort den Schenken
In einem Zustand, der bejammerswerth.
Heiß dankt ihm, der befreit aus seiner Grube,
Und fäusteballend schwört er Stein und Bein:
»Kein Andrer that's, als der verdammte Bube,
Der Nithart oder auch der Lichtenstein!«

Tannhäuser denkt: ob mit dem Seneschalle
Die Sache auch so ihren Haken hat?
Am Ende ging auch der in eine Falle;
Er birgt sich Abends hinter Busch und Blatt
Und sieht das Pärchen Arm in Arme kommen;
Schnell springt er vor, wie sie vorübergehn,
Und spricht: »Verzeiht, Herr, was ich unternommen!
Habt Ihr Eu'r Fräulein schon bei Licht besehn?«
Die Dame wird trotz Sträuben festgehalten,
Und sieh! im Schloß bei hellem Fackelschein
Entpuppt sich aus der Frauenkleidung Falten
Der muntre Junkherr Ulrich Lichtenstein.
Herrn Kadolds Wuth brach so durch alle Schranken,
Daß er »den Schuft« am liebsten umgebracht;
Er brauchte sich für Spott nicht zu bedanken,
Es wurde lange nicht soviel gelacht.
Wie sehr auch Ida sich und Adelheide
Mit mancher Huldin, der der Spaß gefiel,
Verwandten für die Missethäter beide,
Sie mußten büßen für ihr loses Spiel
Und kamen beide hinter Kerkergitter
Für ihrer Streiche stete Wiederkehr;
Nun aber hatt' am Hof der junge Ritter
Zwei Merker mehr.

Ihn kümmert's nicht, es machte
Ihm kleine Furcht und wenig Leid,
Er hatte Recht gethan und dachte
An seinen Rittereid.
Doch die Vergeltung sollte kommen,
Und bitter ward ihm eingetränkt
Das Schutzamt, das er übernommen,
Von jenen Zwei'n, die er gekränkt.
Die Wochen wechselten gleich Tagen
Am üpp'gen Hof, die Freude sprang
Von Ritterspielen zu Gelagen,
Von frohen Festen zu Gesang.
Und immer that in höf'scher Sitte
Tannhäuser Allen es zuvor,
Er war in jedem Kreis die Mitte
Und gab den Ton an für den Chor.
Das weckte Neid, der immer willig
Zu bösem Leumund ist, man fand,
Daß er beim Herzog mehr als billig
In Freundesgunst und Ansehn stand.
Da waren es die Ueberführten,
Ulrich und Nithart, die voll Haß
Auf Rache sannen, logen, schürten
Und hetzten ohne Unterlaß.
Durch Zufall hatten sie erfahren
Tannhäusers unbedachte That
Auf Dürrenstein vor sieben Jahren,
Das blies man auf zu Hochverrath.
Kadold und Tribuswinkel warnten
Den jungen Ritter als bedroht
Von Schlingen, die ihn leis' umgarnten,
Er aber lachte ihrer Noth.
Und auch der edle Herzog lachte,
Der sich nun selbst darauf besann,
Als man das Ding ihm hinterbrachte,
Und rief den Freund zu sich heran:
»Ich sollte Dich in Ketten legen
Ins Burgverließ auf Dürrenstein
Um Deines Hochverrathes wegen,
Den König Richard zu befrei'n,
Wie schlecht mein Vater ihn gebettet,
Ich war dem Löwenherz'gen gut
Und hätt' ihn selber gern gerettet,
Bewunderung verdient Dein Muth.
Und weil auch in dem Ungarnkriege
So strahlend Deine Sonne schien,
Daß uns Dein Speer verhalf zum Siege,
Sei Dir die alte Schuld verziehn.«
Dann überhäuft' er mit Geschenken
Den Liebling mit freigeb'ger Hand
Als wie zum Dank und Angedenken
An jenen trotz'gen Widerstand
Und bat, ihm reicher noch zu lohnen,
Er möge wie im eignen Haus
Bei ihm in seiner Hofburg wohnen,
Das aber schlug Tannhäuser aus.
Er wollt' in seiner Herberg bleiben,
Wo, frei von jeder Rücksicht Band,
Er nach des Hofes lautem Treiben
Zum Sinnen Ruh und Sammlung fand.
Und noch um Andres blieb er stetig,
Er hatte im Quartier bei sich
Den Fiedelvogt, der los und ledig
Mal wieder längs der Donau strich.
Der Fahrende stand mit dem Ritter,
Der Sänger mit dem Spielmann gut,
Da klangen Harfe, Geig' und Zither,
Und Beide theilten Gut und Blut.
Schwer war's, den reckenhaften Alten,
Dem Wandern über Alles ging,
Seßhaft zu machen, fest zu halten,
Wenn Lieb' und Freundschaft ihn nicht fing.
Von Unruh und Gelüst getrieben
Rückt' er auch manchmal heimlich aus,
Wär' dann ums Leben nicht geblieben
In einem zugeschlossnen Haus.
Doch immer kam er ehrlich wieder,
Treu wie ein Hund, froh wie ein Kind,
Und ließ sich bei dem Ritter nieder,
Halb sein Genoß, halb sein Gesind.
Bescheid wußt' er im Röm'schen Reiche
Wie in der eignen Tasche fast,
Die meistens leer, nur lust'ge Streiche
Und Lieder waren sein Ballast.
Nie ward er müd, den Rhein zu rühmen,
Wo er gebürtig aus Alzey,
Und Wunsch und Vorschlag zu verblümen
Zu einer Fahrt dahin selbzwei.
Tannhäuser widerstand und wagte
Sein Glück am Hof nach Ritterbrauch,
Er blieb und that, was ihm behagte,
Spervogel auch.

Tannhäuser hielt des Ritters Waffenehre
Gesondert von des Sängers Meisterthum,
Doch mit dem Saitenspiel wie mit der Wehre
Sucht' er in jedem unbestrittnen Ruhm
Und fand ihn auch, denn schwierig war's zu sagen,
Ob Schwert-, ob Harfenschlag ihm baß gelang,
Die Ritter schätzten mehr sein männlich Wagen,
Die Frauen aber seiner Lieder Klang.
Die Sänger stellten ihn in ihrem Kreise
Den Besten, die je Töne fanden, gleich,
Das aber wies er ab bescheidner Weise
Und machte sich damit an Freundschaft reich.
Doch las er Aventüre und Ballade,
So schlief er spät auf seinem Lager ein
Bei Wirnts Gedicht vom Ritter mit dem Rade,
Bei Hartmanns Erec, Heinrich und Iwein.
Wie lauscht' er, wenn's vom meisterlichen Munde
Herrn Hartmanns von der Au begeistert klang,
Der Mären aus des Artus Tafelrunde
Nach Chrestien de Troyes so herrlich sang!
Und flossen dann die minniglichen Lieder
Reinmar des Alten goldig, perlenrein,
Dann wollte er in seinem Ehrgeiz wieder
Ein großer Sänger oder keiner sein.
Dann brannten ihm in Hirn und Herzen Flammen,
Dann schöpft' er aus der Seele tiefstem Grund,
Nahm alle Kraft und alle Kunst zusammen,
Und gottbegnadet quoll es ihm vom Mund.
Dann war er glücklich über alle Maßen,
Und Alle fühlten seines Geistes Macht,
Die ihn dann sahn und hörten, und vergaßen,
Was vor ihm andre Sänger schon vollbracht.
Herr Hartmann selbst war seines Ruhmes Mehrer
Und lobte ihn um seinen Luarin,
Reinmar der Alte, Walthers Freund und Lehrer,
Hatt' auch manch weisen Rath und Wink für ihn.
Reinmars von Zweter scharfe Rügeklänge,
Des jungen Nithart dörperliche Rei'n,
Morungens Lieder, Singenbergs Gesänge,
Sie alle wirkten mächtig auf ihn ein.
Kein neidisch Vorthun gab's, kein schüchtern Schweigen
Vor Herzog Leopolds glorreichem Thron,
Wie Siegesjubel aber klang im Reigen
Tannhäusers Ton.


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