Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
1. | |
Den Schlummer kann gar leicht, wer ein geliebtes Weib Zur Seite liegen hat, an ihrem Busen finden. Ein andres ist's wenn ihr, für eure Sünden, Bey einer Juno liegt; das ist kein Zeitvertreib! Das bannt den Schlaf, erhitzt die Galle, schwächt den Leib, Und machte selbst den feisten Komus schwinden. Indeß fand Vater Zevs, den dieses Unglück traf, Bey guten Nymfen oft ein Mittel für den Schlaf. |
|
2. | |
Allein, wer liebt, und sieht durch Alpen und durch Meere Von seiner Dame sich getrennt, Laut mit ihr spricht als ob er bey ihr wäre, Und erst, nachdem er lang' manch Ach! und O! verschwend't, Gewahr wird, daß sie ihn nicht höre: Kurz, wer die Liebe nur aus ihren Qualen kennt, Den wiegt kein Saitenspiel, kein Wein, Kein Opiat, kein Feenmährchen ein. |
|
3. | |
Der gute Paladin, den wir ganz abgemattet Auf seinen Polstern sehn, macht den Beweis hiervon. Indeß Zerbin, so süß wie ein Endymion, Bey seiner Lila schläft, von Hymen überschattet, Wird jenem von Cytherens Sohn Kein Stündchen Schlaf, kein Morgentraum gestattet: Unruhig wälzt er sich in einem finstern Meer Sich selbst bekämpfender Gedanken hin und her. |
|
4. | |
Er ändert oft den Platz, wirft bald auf dieser Seite Auf jene bald sich hin, der Breite, Der Länge nach, drückt fest die Augen zu, Und hofft, sie komme nun, die lang' entbehrte Ruh; Umsonst! die fänd' er eh' im Bauch der glühn'den Kuh Als wo die Seele glüht; eh' im erboßten Streite Der Winde mit der Flut, zu oberst auf dem Mast, Als bey empörtem Blut auf Küssen von Damast. |
|
5. | |
Verdrossen, ohne Schlaf sein Lager zu zerwühlen, Rafft er sich auf, läßt ein zefyrisches Gewand, Das er auf einem Sofa fand, Um seine weißen Schultern spielen, Und schleicht dem Garten zu, um seinen innern Brand In frischer Morgenluft zu kühlen. Kaum athmet er der Blumen süßen Geist, So fühlt er, daß sein Blut in sanften Wellen fleußt. |
|
6. | |
Aurora sieht ihn durch die Lauben In deren Duft er irrt; sie seufzt, und findet ihn (Wenn wir der losen Muse glauben) So werth als Cefaln einst, ihn heimlich wegzurauben. Man sah sie wenigstens in ihrem Lauf verziehn, Mit Rosen ihn bestreun die im Olympus blühn, Und sich herab von ihrem Wagen bücken, Ihm, im Entfernen noch, die Augen nachzuschicken. |
|
7. | |
Wenn sie's, die seinigen auf sich zu ziehn, gethan, So war's umsonst: er ging ganz ruhig seine Bahn; Was im Olymp geschah ließ ihn in stolzem Frieden. In süßer Träumerey beschäftigt mit Zeniden, Dem Gegenstand, der ohne zu ermüden Ihn Tag und Nacht erfüllt, langt er am Ufer an, Und fühlt sich, wie sein Blick auf den gekräusten Wogen Dahin schwimmt, wundersam gerührt und angezogen. |
|
8. | |
Im fernen Horizont, wo die azurne Luft Die See zu küssen scheint, glaubt er im Morgenduft Ein leicht getuschtes Land zu sehen; Bald macht darin die mächtigste der Feen, Die Fantasie, ein schimmernd Schloß entstehen; Zuletzt däucht ihm sogar, es ruft Ihm jemand zu, es lispeln ihm die Winde Daß seine Göttin sich in diesem Schloße finde. |
|
9. | |
Ihm ist's unmöglich, diesem Wahn Und den Begierden die ihn pressen Zu widerstehn; er denkt nicht mehr daran Warum er schon so manches Land durchmessen; Orakel, Statue, und alles ist vergessen: Er will Zeniden sehn! »O, fänd' ich einen Kahn! Um einen Augenblick Zeniden anzuschauen, Würd' ich dem Ocean in einem Korbe trauen!« |
|
10. | |
Kaum hat er diesen Wunsch andächtig angestimmt, So sieht er einen goldnen Nachen, Der, einer Muschel gleich, ihm sanft entgegen schwimmt: Ein Liebesgott, bereit den Steuermann zu machen, Winkt ihm hinein und scheint ihn anzulachen. Der unverzagte Reiter nimmt Das Omen freudig an, steigt ein, und überläßt In voller Zuversicht sich Amorn und dem West. |
|
11. | |
Beglückte Fahrt, Herr Ritter! – Unterdessen Daß ihr die See durchstreicht, vergönnt Nach einem Freunde, den ihr leicht errathen könnt, Uns umzusehn. Seit wir mit ihm zu Nacht gegessen Und ziemlich hastig uns von ihm getrennt, Hatt Itifall nicht lange still gesessen. Er lief wie ein Achill, und sah sich, kurz vorm Schluß Des fünften Tags, an einem breiten Fluß. |
|
12. | |
Der Strom war schnell und tief, und hatte keine Brücke, Auch zeigte sich kein Kahn. Nun höret, was geschah! Er wünscht es nicht so bald, so steht, aus Einem Stücke Von adrigem Porfyr, die schönste Brücke da. Braucht' er ein stärkres Pfand von seinem nahen Glücke? Er hielt Zeniden schon in seinen Armen, sah Sich schon gekrönt, und unumschränkter Meister Der ganzen Welt der Elementengeister. |
|
13. | |
Er läßt den Fluß zurück, und tritt in einen Hain, Den ich, weil Lessing mich beym Ohr zupft, nicht beschreibe; Genug, er schien zum Zeitvertreibe Der Götterchen von Gnid mit Fleiß gemacht zu seyn. Die Sonne schlief bereits; allein, ihr Wiederschein, Mit voller spiegelheller Scheibe Von Lunen aufgefaßt, goß einen mildern Tag Auf die Natur herab, die eingeschlummert lag. |
|
14. | |
Durch schlangengleich gewundne Pfade Ging Itifall, bis er an einen Garten stieß, Der schöner war, als der am Kolchischen Gestade, Wo Jason einst des goldnen Widders Vließ Dem Drachen stahl. Rings um dieß Paradies Herrscht eine goldne Balüstrade Worauf in Urnen von Rubin Die seltensten Gewächs' und schönsten Blumen blühn. |
|
15. | |
Herr Itifall, von Freuden ganz berauschet, Verschlingt bereits sein eingebild'tes Glück; Sein schwellend Herz wird noch einmahl so dick; Er hätte was er hofft in diesem Augenblick Um sechs Bengalen nicht vertauschet. Indem er nun so steht, und um sich schaut und lauschet, Schlägt ein vermischt Getön, wie wenn ein ganzes Kor Von Fröschen fernher quakt, an sein betroffnes Ohr. |
|
16. | |
So tönt's wenn eine Schaar Gevatterinnen, Basen, Und Ahnfrau'n sich um einen Säugling drängt, Ihn schön find't, allerliebst, und zwanzig solcher Frasen, (Indeß den Zappelnden die Amm' in Windeln zwängt) Sein Horoskop ihm stellt, und an der klugen Nasen Ihm ansieht, daß er einst den Doktorhut empfängt; Zu schweigen wäre hier Verbrechen, Und keine wird gehört, weil alle sprechen. |
|
17. | |
Der Abenteurer horcht, und steht ein wenig an, Was diese Nachtmusik von Elstern und von Krähen (Wie ihn von ferne däucht) hier wohl bedeuten kann? Sie schwatzen was, nur kann er nichts verstehen. Das Beste, dessen sich der weise Mann besann, War also näher hinzugehen. Er schleicht hinzu, und steht euch wie bethört Und nebeltrunken da, so bald er deutlich hört. |
|
18. | |
Du seufzest, Göttliche? ruft jemand ihm entgegen: O! – Venus seufzte selbst nicht um Adon so schön! Sieh, wie die Sfären all' in tiefer Stille stehn, Und Götter weinend sich zu deinen Füßen legen! Hier war's! hier sah ich sie in Balsamwolken gehn, Hier seufzte sie, und – ach! – nicht meinetwegen! Wer war, o sprich, daß ich ihm fluchen mag, Der Glückliche, der jüngst an deinem Busen lag? |
|
19. | |
Auf Rosen scherzten wir, (so singen zwey zusammen) Als aus dem schönsten Traum dein Affe mich geweckt. Der Eifersüchtige! er hatte sich versteckt, Und schielt' uns neidisch an als wir im Bade schwammen. Hier Semele – hier bin ich, Zevs in Flammen! Wozu die seidne Luft die deinen Busen deckt? Wir sehen doch auf ihm die Liebesgötter gaukeln Und mit den Grazien sich auf und nieder schaukeln. |
|
20. | |
Die Sonn' ist ausgebrannt! (rief eine andre Stimme) Und ach! der arme Mond! was half's ihm daß er rang? Sah't ihr, wie ihn der Drach' in seinem Grimme Gleich einem Frosch hinunter schlang? Welch' allgemeine Nacht! Kein Sternchen das noch glimme! Ihr auf der Welt da unten, ist euch bang? Ihr Thoren, höret auf zu weinen! Bald wird ein neuer Tag aus ihren Augen scheinen. |
|
21. | |
Wie? (schrie es anderswo) bey mir vorüber gehn Und thun als ob du mich nicht kenntest? O du Spröde! Mich, den der Götter Schaar bey dir im Netz gesehn, In deinen Arm verstrickt! Nennst du den Undank schön? Du kennst mich nicht? Warst du nicht meine Lede, Und ich dein Schwan? Besorge, daß ich rede! – Doch komm nur diese Nacht und sey noch einmahl mein, So schwör' ich dir beym Styx, ich will's verzeihn! |
|
22. | |
Bestürzt horcht Itifall mit allen seinen Ohren. Wo bin ich? ruft er endlich aus: Hat sich das große Narrenhaus, Die Welt, vom Ausbund ihrer Thoren Hierher entladen? wie? was wird zuletzt hieraus? Ist alles hier verliebt und hat den Witz verloren? Wo sind die Sprecher denn? Unsichtbar? – Götter! wie? Jetzt lache, Itifall, jetzt, oder künftig nie! |
|
23. | |
Er lachte wirklich so, daß er den Bauch zu halten Genöthigt war – Warum denn? fragt ihr mich: Was sah er denn? was war so lächerlich? Wir legen schon den Mund in Falten – Ihr Herrn, der Spaß verliert durch die Beschreibung sich. Der Ort, woher die Stimmen schallten, War ein ovaler Platz, mit Bäumen rings umsetzt, An denen Blüth und Frucht zwey Sinne stets ergetzt. |
|
24. | |
An jedem Baume hängt ein großer Vogelbauer Von goldnem Draht, und jeder ist das Nest Von einem Königssohn, der, zärter oder rauher, Nachdem die Liebesnoth ihm Brust und Gurgel preßt, Bey Tag und Nacht sich rastlos hören läßt. Den kühnen Itifall befiel ein kleiner Schauer, Indem er die Entdeckung machte, Und an den Abschiedsgruß des schönen Idris dachte. |
|
25. | |
Er sann der Sache nach; doch, Itifalle sind Zu lebhaft sich mit Denken zu ermüden. Er merket was; allein er fasset sich geschwind. »Gesetzt, es fehlt mir bey Zeniden, So ist die Strafe doch gelind. Wohlan! sein Schicksal hat noch keiner je vermieden! Ich wag's! mir wird nicht gleich vorm Auge grün und blau; Ein feiges Herz freyt keine schöne Frau! |