Ernst Wichert
Ewe
Ernst Wichert

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VI.

Täglich wohl zehnmal sagte sich's die Urte vor: »Ich tu's nicht, er gehört mir! Und wenn ich sie vor den Menschen nicht auseinanderbringen kann, vor Gott sollen sie nicht zusammengehören!« Sie meinte eine Zeitlang, sie dürfe nur beharrlich bei ihrer Weigerung festhalten, so müßte sich das ganz von selbst ergeben. Und auf ihren harten Kopf durfte sie sich verlassen.

Wäre dabei nur nicht ein schweres Bedenken gewesen. »Es wird dir doch nichts übrigbleiben, als zur Scheidung zu gehen«, meinte Janis Piklaps eines Tages, als sie die Abgaben zu zahlen kam.

»Weshalb glaubst du das?«

»Ich habe über die Sache im Dorf sprechen hören, und die Leute haben recht. Da wir gute Nachbarn sind, will ich dir's nicht vorenthalten. Du und der Mikelis, ihr lebt in Gütergemeinschaft, nicht wahr? Oder habt ihr einen Vertrag gemacht, daß jedem Teil das bleiben soll, was er einbringt?«

»Nein, das nicht.«

»Siehst du wohl! Also gehört von allem ihm soviel als dir. Wenn ich nun heute zu ihm gehe und sage: Mikelis, verkaufe mir den roten Ochsen mit dem weißen Stern, oder den fünfjährigen Schimmel, oder den Wagen mit dem eisernen Tritt, und er sagt ja und nimmt das Kaufgeld, was willst du tun, wenn ich mir das gekaufte Stück aus deinem Stall oder von deinem Hofe abhole? Da er der Mann ist, hat er darüber zu verfügen und darf die Frau nicht einmal fragen. Und so, wenn ein anderer zu ihm kommt und um Getreide oder Holz handelt. Er kann dir die Zäune abbrechen und das Dach abdecken lassen, wenn es ihm gefällt. Willst du widerstreben, so kommt dir der Exekutor auf den Leib, denn das Gericht muß dem Käufer beistehen. Wenn Mikelis will, kann er dich nackt ausplündern.«

Die Frau wurde kreideweiß. »Ist es so nach dem Gesetz?« stotterte sie.

»Ich glaube, es ist so; und sie wollen sich erkundigt haben. Ich sage dir's nur, damit du dich danach richten kannst, denn Endrullis wird's ja nicht tun.« Das sagte er keineswegs sehr zuversichtlich und fügte auch hinzu: »– es sei denn, daß er dich ärgern oder zu irgend etwas zwingen will, oder daß er selbst in Not ist.«

Urte schüttelte den Kopf. »Darauf ist wenig Verlaß. Hat er das Recht, es zu tun, so tut er's auch. Sind die andern schon so klug, so ist er sicher noch klüger. Und warum soll er mich schonen? Ich bin ihm verhaßt, weil ich ihm im Wege stehe. Aber ich glaub's noch nicht, daß es sein Recht ist, und ich rate dir, den Leuten zu sagen, daß sie ihr Geld in der Tasche behalten sollen. Von meinem Hofe kommt nichts herunter, als was ich selbst abgebe.«

Sie sprach doch nur so, um ihn nicht merken zu lassen, wie schlecht ihr zumute war. Zu Hause ließ sie dann auch sogleich den Wagen anspannen und fuhr nach der Stadt. Dort ging sie zum Anwalt und trug ihm die Sache vor. Er erhielt Vollmacht, den Scheidungsprozeß einzuleiten.

Übrigens hatte der Herr ein Wörtchen fallen lassen, das sie begierig aufnahm und sie ganz froh stimmte. Sie hütete sich wohl, davon im Dorf zu sprechen, um nichts vor der Zeit zu verraten. Nur als Piklaps meinte, er habe also doch recht gehabt, antwortete sie grinsend: »Wir beide werden geschieden; aber die Ewe soll er doch nicht heiraten.« Der Schulze achtete nicht sonderlich darauf. Das spräche so der Ärger aus ihr, dachte er.

Endlich erging das Erkenntnis: die Endrullisschen Eheleute waren geschieden. Als Michel die Ausfertigung mit dem Adler oben und dem großen Siegel unten ausgehändigt erhielt, faßte er Ewe um den Hals, tanzte mit ihr durch die Stube und rief: »Nun bin ich frei, und nun will ich dir Wort halten. Unsere Probezeit ist vorüber.«

Kaum war die Entscheidung rechtskräftig, so ging er zum Pfarrer, das Aufgebot zu bestellen. Das Erkenntnis hatte er mitgenommen, und das war gut; denn der Geistliche sagte gleich, daß er's erst einsehen müßte. Und als er's eingesehen hatte, zog er die Stirn in Falten. »Nach diesem Erkenntnis«, sagte er, »darfst du eine andere Ehe überhaupt nur eingehen mit gerichtlicher Erlaubnis, und wie ich das Gesetz kenne, wirst du die niemals erhalten zu einer Heirat mit Ewe Purwins, weil sie es war, die deines Weibes Rechte verletzt hat. Trenne dich noch in dieser Stunde von ihr, damit deine Sünde nicht wachse.«

»Nimmermehr!« rief Endrullis und riß dem Geistlichen das Blatt aus der Hand. »Ich sehe wohl, daß du uns nicht helfen willst, weil wir auf deine Ermahnungen nicht gehört haben. Aber ich werde mein Recht weiter suchen. Du bist noch nicht der König!«

Damit verließ er das Pfarrhaus. Ewe war sehr bestürzt, als sie erfuhr, was der Pfarrer gesagt hatte.

Sie senkte den Kopf und zupfte an ihrem weißen Ärmel. »Mikelis, Mikelis«, sagte sie, »ich fürchte, du bist der Urte doch nicht klug genug gewesen. Ich habe gehört, daß sie gedroht hat: wir beide werden geschieden, aber die Ewe soll er doch nicht heiraten! Gewiß hat sie's voraus gewußt, daß es so kommen müßte, oder der Anwalt hat es ihr bei den Gerichtsherren so besorgt. Sie ist nie in der Stadt gewesen, ohne für ihn etwas auf den Wagen zu laden.«

»So gibt's ja noch einen andern Anwalt in der Stadt!« rief Endrullis, »und mein Geld ist auch nicht zu verachten. Ich sage dir, es ist nur dummes Zeug, und der Pfarrer tut wichtig.« Er holte den Geldbeutel aus dem Versteck hinter dem Bett vor, zählte sich eine Summe in die Tasche, sattelte den Fuchs und ritt fort.

Er erfuhr nichts Tröstliches. Ohne den gerichtlichen Konsens ging's wirklich nicht. Und der Advokat sagte gleich: »Das steht da nur geschrieben, damit sie ihn dir verweigern können, wenn du wegen der Ewe Purwins kommst. Sonst kannst du jetzt heiraten, wen du willst.«

Endrullis sprach kein Wort, sondern zählte fünf Taler auf den Tisch. Dann sah er den Anwalt listig an und fragte: »Willst du's nun besorgen?«

Der Herr zuckte die Achsel. »Damit läßt sich's nicht machen. Du mußt warten, bis die Urte gestorben ist.«

»Das dauert mir zu lange.« Er zählte noch zehn Taler auf. »Geht's nun?«

»Dein Geld tut's nicht, Endrullis. Verschaffe mir eine Schrift von der Urte, daß sie dir verzeiht und in deine Heirat mit der Ewe willigt, so will ich versuchen, dir den Konsens zu verschaffen.«

Endrullis griff tief in seine Tasche. Es klapperten da noch einige Silberstücke, und er legte sie zu den andern. »Geht's nun ohne das? So dumm ist die Urte nicht.«

Der Anwalt schüttelte den Kopf. »Ich kann dir keinen andern Rat geben.«

»Nicht?«

»Nein.«

Der Litauer strich das Geld langsam vom Tisch und steckte es wieder in die Tasche. »Was hast du für deine Versäumnis zu fordern, Herr?«

Der Anwalt verwies ihn deshalb an seinen Schreiber.

Und so ging nun Endrullis von einem zum andern und hörte überall dasselbe, zuletzt auch auf dem Gericht. Nach einigen Tagen kam er ganz verstört nach Hause. Ewe las ihm gleich vom Gesicht ab, daß er nichts Gutes mitbrachte. Sie weinte und klagte: »Nun bist du frei, Mikelis, aber wir beide kommen nimmer ehelich zusammen.« Es war ihr jetzt nicht mehr gleichgültig wie früher, als sie nur ihr Stück durchsetzen wollte. Sie wußte auch, daß die Leute einen Unterschied machen würden. Damals hieß es: »Was weiter? Die Hochzeit ist nur aufgeschoben.« Jetzt rechnete niemand mehr darauf, als Gast gebeten zu werden.

Er mochte noch nicht daran glauben, schrieb Eingaben in deutscher und litauischer Sprache an das Obergericht, an die Herren Minister, auch an seinen Major, zuletzt an den König – es half alles nichts. Er war in so gereizter Stimmung, daß jeder sich fürchten mußte, in seine Nähe zu kommen, und selbst Ewe ihm scheu aus dem Wege ging, soviel sie konnte. Eines Tages sagte er zu ihr: »Ich will mich deinetwegen demütigen und zur Urte gehen. Wenn ich sie bitte – vielleicht verzeiht sie mir.«

Ewe seufzte und antwortete: »Es wird wohl vergeblich sein.«

»Dir war's wohl lieb«, fuhr er sie zornig an, »wenn's vergeblich wäre. Du brauchst dann dein Wort nicht zu halten.«

»Mikelis!« rief sie, »das hab' ich nicht verdient. Alles tat ich dir zuliebe, was ich konnte. Und wenn du willst, so geh' ich selbst zur Urte, sie um die Schrift zu bitten. Früher hätt' ich mir eher die Zunge abgebissen, als ihr ein gut Wort gegeben . . . Jetzt bin ich nicht mehr so stolz.«

»So geh«, sagte er, »du richtest vielleicht mehr aus als ich. Und ich fürchte auch, daß ich heftig werde, wenn ich das boshafte alte Weib sehe, und alles verderbe.«

Ewe kam traurig zurück. »Sie ist hart wie Stein«, schluchzte sie. »Ich hab' ihr in meiner Not den Rock geküßt, und sie hat mich mit dem Fuß fortgestoßen.«

Er ballte die Faust. »So soll sie auf mich nicht warten. Meinetwegen kann's bleiben, wie es ist. Haben wir uns so lange ohne des Pfarrers Segen beholfen, mag's auch weiter so gehen. – Bist du's zufrieden, Ewe?«

Sie nickte zustimmend, aber antwortete nicht. Das verdroß ihn. Er ging hinaus und warf die Tür hinter sich zu. Auf dem Hofe spaltete er Holz, und so grimmig schwang er die Axt, daß die Splitter nach allen Seiten flogen.

Eines Abends fuhr ein kleines Wägelchen mit einem Pferde zwischen der Gabeldeichsel ins Dorf. Auf dem tiefen Strohsitz saß ein alter Mann, der in der einen Hand lose die Leine, in der andern ein Buch hielt. Er hatte die Pelzmütze aus der kahlen Stirn geschoben und eine große Brille auf der Nase. Es war kaum möglich, daß er bei der stoßenden Bewegung des Wagens lesen konnte, aber er sah doch ins Buch. Wer ihm begegnete, grüßte ehrerbietig. Vor dem Hause der Ewe Purwins hielt er an und stieg ab. Der Knecht Jons Toleikis eilte sofort vom Hofe herbei und nahm ihm die Leine ab.

Der Alte mit dem langen weißen Haar war der Vorsteher der Sekte der »Frommen«, die sich wegen ihrer Zusammenkünfte zu religiösen Übungen »Surimkimniker« nennen. Er hieß der »Engel«, weil er besonders von Gott mit der Rede begabt war und seine Gebote zu verkünden hatte. In hohem Ansehen stand er auch bei denen, die nicht zur Sekte gehörten; selbst die Geistlichen in den Kirchdörfern behandelten ihn mit großer Zuvorkommenheit, da sie seinen Einfluß bei den Litauern kannten. Hätte er von einem Pfarrer behauptet, er sei nicht rechtgläubig, so würde er bald vor leeren Bänken gepredigt haben. Ewe ging ihm mit gesenktem Kopfe entgegen und küßte ihm demütig die Hand. Ihr ahnte, weshalb er kam.

»Ewe Purwins«, begann er, »ich vernehme zu meiner Betrübnis, daß du großes Ärgernis gibst durch deinen Lebenswandel. Du hast einen Mann von seiner Frau getrennt, und so ist's, als ob du selbst die Ehe gebrochen hast. Aber das ist geschehen, Kind, und nicht mehr zu ändern. Willst du dich dieserhalb mit Gott versöhnen, so frage an, welche Buße dir bestimmt ist. Das Fleisch ist schwach, und sündige Menschen sind wir alle. Weshalb ich aber zu dir komme, das hat nicht den Zweck, dich zu solcher Buße zu mahnen, sondern das öffentliche Ärgernis zu beseitigen. Du hast gehofft, nach der Scheidung dich mit Endrullis verbinden zu können zu einem christlichen Ehebunde. Nun tut aber das Gericht, wie ich höre, Einspruch, und der Herr Pfarrer weigert sich mit Recht, den Segen über euch zu sprechen. Du hast also weiter keine Entschuldigung, wenn du dich an diesen Mann hängst, der dir nicht angehören kann, sondern verharrst in sträflichem Ungehorsam. Darum schickt der Heilige Geist mich zu dir, daß ich dich mahne, von ihm abzulassen und ihn seine Wege zu weisen. Wenn du aber auf seine Stimme nicht achtest, so werden alle Frommen und Gottesfürchtigen im Lande Wehe über dich rufen, und du wirst in der Kirche allein sitzen in deiner Schande, von den Gerechten gemieden. Vernimm es und tue danach!« Dann öffnete er sein Buch und las näselnd und halb singend einen Psalm.

Ewe kniete nieder, faltete die Hände und betete. Endrullis kam dazu und wagte nicht zu unterbrechen. Als der Alte aber geendet hatte, trat er heran und fragte, was diese Litanei solle. »Ich bin nicht gekommen, mit dir zu reden«, antwortete jener salbungsvoll, »sondern mit diesem Mädchen, über das du Gottloser keine Gewalt hast. Ich weiß wohl, daß du schon lange nicht mehr in der Kirche gewesen bist, denn Gottes Wort ist dir ein Stachel im Herzen, und so will auch ich nicht vergeblich sprechen.«

Endrullis lachte auf. »Die Urte ist nicht umsonst zu den Frommen gegangen. Ich merke, daß sie da Trost gefunden hat. Sie schickt dich wohl, hier unter uns Unfrieden zu säen?«

»Mich schickt niemand als der Heilige Geist«, sagte der Alte, hob die Hände hoch auf und schritt langsam hinaus. Er fuhr sogleich wieder ab, ohne sich im Dorfe zu verweilen.

Daß er nicht ohne Erfolg Ewe ins Gewissen geredet hatte, mußte Endrullis bald erkennen. War sie schon vorher oft traurig gewesen, und kopfhängerisch im Hause herumgegangen, so verlor sie jetzt alle Munterkeit und zeigte in seiner Gegenwart ein scheues Wesen, das ihn wohl besorgt machen mußte. Sie klagte zwar nicht laut, forderte ihn auch nicht auf, das Haus zu verlassen; wenn er sie aber liebkoste, schob sie seine Hand sanft fort, und wenn sie etwas zu ihm sprach, klang's wahrlich, wie sonst gar nicht ihre Art war. »Es kann nicht anders sein«, sagte er einmal seufzend, »ich muß jetzt zur Urte.«

Einen so schweren Gang hatte er noch sein Leben lang nicht getan. Sein Herz war voll Grimm, und in Gedanken kamen ihm böse Worte auf die Zunge. Und doch sollte er bitten! Als er zum Hoftor hineinging, sahen ihm die Leute von der Dorfstraße verwundert nach, und er ärgerte sich darüber. Als er an die Tür der Wohnstube klopfte, in der er Urte am Webstuhl arbeiten hörte, biß er die Lippe mit den Zähnen. Es mußte doch sein.

»Urte«, sagte er finster, nachdem er eingetreten war, »es ist nicht zu unserm Glück gewesen, daß du mich einmal angerufen hast. Ich kann dir nichts Übles nachsagen, aber alt und jung paßt nicht zueinander – das hättest du besser bedenken können als ich. Nun ist's gekommen, wie's gewöhnlich so kommt, wenn etwas in der Ehe nicht richtig ist, und ich bin trotzig fortgegangen und hab gemeint, die Dinge nach meinem Willen zwingen zu können. Es ist auch so weit alles in Ordnung, daß wir geschieden sind und ich der schuldige Teil bin, und ich begehre nichts von dem, was dir gehört. Du aber trittst mir in den Weg und willst mich unfrei machen, solange du lebst, und mir vorenthalten, was mir gehört. Hätt' ich gewußt, daß es so kommen könnte, ich hätte wohl andere Mittel gehabt, uns zur Scheidung zu bringen, und dein Vorteil war's nicht gewesen. Nun freilich muß ich dich bitten! Aber so schlecht, hoff' ich, wirst du nicht sein, daß du aus Rachsucht die Bitte abschlägst. Unterschreibe ein Blatt, daß ich die Ewe heiraten kann.«

Die Frau hatte unbeweglich dagesessen und ihn ohne Unterbrechung aussprechen lassen. Nur das graue Auge blitzte mitunter unruhig. Nun warf sie das Webeschiffchen drei-, viermal hin und her durch den Aufzug und ließ die Kämme knarrend sich auf und ab bewegen, als wollte sie ihn einer Antwort gar nicht würdigen. Vielleicht dachte sie aber inzwischen auch nur auf eine recht schneidige, und so richtete sie nun den Kopf ins Genick und entgegnete: »Ich habe dir's vorausgesagt, Mikelis, daß du noch einmal als Bettler an meine Tür klopfen würdest. Das war nun wohl damals anders gemeint, aber es trifft auch so zu und wird noch besser zutreffen, wenn wir länger leben. Als ein Bettler kommst du, und ich antworte: was bin ich dir schuldig? Als du arm warst, habe ich dich reich gemacht; als du ein Knecht warst, habe ich dich zum Herrn eingesetzt. Und wie hast du mir vergolten? Statt mit Dank mit Undank, statt mit Treue mit Untreue, statt mit Lohn mit Schimpf. Und nun soll ich dir dazu helfen, daß alles dies ungeschehen sei? Was bin ich dir schuldig? Nicht einmal so viel als einem Bettler. Geh! ich habe nichts weiter mit dir zu tun.«

Er trat einen Schritt vor und faßte den Ständer des Webegestells. »Bringe mich nicht in Verzweiflung, Urte«, rief er, »es könnte dich gereuen! Ich will nicht umsonst gebeten haben.«

Sie ging ans Fenster, um im Notfall den Knecht rufen zu können.

»Dir könnt' ich vielleicht verzeihen«, antwortete sie, »aber der Ewe nimmermehr. Will sie aufheben, was ich fortwerfe, das kann ich nicht hindern; aber was ich dir war, das wird sie dir nicht. Kann ich ihr's sonst vergelten, so geschieht's gern. Und nun geh! Ich habe dir nichts mehr zu sagen.«

»Urte, gib mir den Schein!«

»Nein!«

»Ich will ihn dir abkaufen, mit allem, was ich besitze.«

»Mit dem Wechsel, den die Ewe dir geschrieben hat – nicht wahr? Hahaha!«

Er erschrak. »Was weißt du von dem Wechsel?«

»Ich weiß davon.«

»Urte, ich bin nicht umsonst über die Grenze geritten – ich hab' mir etwas erspart. Und wenn's nicht genug ist – der Jude braucht mich und borgt mir mehr.«

»Geh! Ich mag dein Geld nicht. Zu verkaufen bin ich nicht wie du.«

»So mag der Teufel dir's bezahlen!« schrie er wild und warf die Tür hinter sich zu.


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