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Komm herein vom Feld, Vater! Hier ist ein Brief von unserem Peter!
Komm in die Haustür, Mutter! Hier ist ein Brief von deinem lieben Sohn.
Seht, es ist Herbst.
Seht, mit bleicherem Grün, gelb und rot stehen die Bäume.
Mit lieblicher Kühle wehen die Lüfte in Ohios Dörfern und treiben mit spielendem Hauch das fallende Laub.
Reif hängen im Garten die Äpfel, an der Rebranke die Traube.
(Spürst du den Ruch der Trauben?
Riechst du den reifen Buchweizen, der unlängst noch von Bienen summte?)
Sieh, wie still der Himmel sich dehnt; so klar nach dem Regen, mit lieblichen Wolken.
Unter ihm alles so still, so lebensvoll und schön; und die Farm in gutem Gedeihen.
Alles auf den Feldern unten in gutem Gedeihen.
Doch komm vom Feld jetzt herein, Vater; komm auf den Ruf der Tochter.
Und komm in die Haustür, Mutter; komm schnell in die Tür.
Und sie kommt, so hurtig sie kann; Unheil ahnend, mit bebenden Füßen.
Nimmt sich nicht Zeit, das Haar zu glätten und die Haube zu richten.
Schnell, öffne das Kuvert;
Oh, das ist nicht unseres Sohnes Handschrift? Doch seine Unterschrift ist's.
Oh, eine fremde Hand hat für unseren lieben Sohn geschrieben! – oh gequältes Mutterherz!
Alles schwimmt vor ihren Augen mit schwarzen Flecken; nur die Hauptstellen vernimmt sie.
Abgerissene Sätze. – »Eine Schußwunde in die Brust« – »In einem Kavalleriegefecht« – »Ins Hospital gebracht.« –
»
Jetzt noch schwach« – »Wird bald besser.«
Ach, nur diese Gestalt seh´ ich;
Im ganzen fruchtbaren, gesegneten Ohio mit all seinen Städten und Farmen.
Wie sie krank und bleich, mit schwindelnden Sinnen, in Ohnmacht,
An diesem Türpfosten lehnt.
»Gräme dich nicht so, liebe Mutter,« (spricht die erwachsene Tochter durch Tränen,
Während die kleinen Schwestern herbeieilen, still und ängstlich),
»Sieh doch, liebste Mutter; der Brief sagt ja, daß Peter bald wieder wohl sein wird.«
Ach, armer Bursch! Er wird nie wieder wohl, (noch braucht ihm je wieder wohl zu werden, der braven, treuen Seele).
Während sie in der Heimat hier an der Tür stehn, ist er schon tot.
Ist der einzige Sohn tot.
Mit der Mutter aber könnte es besser stehn.
Schwarzgekleidet ist ihre schmächtige Gestalt.
Bei Tage unberührt läßt sie die Speise und schlechten Schlaf hat sie bei Nacht und erwacht viel,
Mitten in der Nacht erwacht sie, weint, sehnt sich mit tiefer Sehnsucht;
Daß sie still von hinnen gehen möchte; still und heimlich aus dem Leben zu fliehen;
Zu folgen, zu suchen, zu sein bei ihrem lieben toten Sohn.