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12
Bones wird gefährlich

Bones lebte in der City, aber er gehörte nicht zu ihr. Nie wurde er von den großen, ehrfurchtgebietenden Finanzmännern eingeladen, an einer der abenteuerlichen Unternehmungen teilzunehmen, die so märchenhafte Gewinne abwerfen und über die schon so viel geschrieben wurde. Es gab Zeiten, in denen Bones überhaupt daran zweifelte, daß die Cityleute von seiner Existenz etwas wußten.

Niemals wurde ihm seine eigene Bedeutungslosigkeit klarer, als wenn er zur größten Geschäftszeit durch die Straßen der City ging und nicht einmal die Clerks ohne Hut ihn erkannten, die mit wichtigen Schriftstücken hin- und hereilten.

Aber es schien nur so, als ob sich die City nicht um Mr. Tibbetts und seinen Partner kümmerte. In Wirklichkeit kannte man ihn sehr gut. Zwar wußten die großen Direktoren, die um die grünen Konferenztische der Bank von England saßen und die Bankrate festsetzten, nichts von ihm und seinem Geschäft. Auch die großen Kaufherren, deren Bureauräume in der Ombard Street lagen, kannten ihn nicht. Aber es gab doch einflußreiche Leute mit großen Namen, die Bones mit unverwaschbarer Tinte in die Seiten ihres Gedächtnisses eingetragen hatten.

Die Gebr. Pole waren Schiffsmakler und hatten in ihren täglichen Geschäften wenig mit Mr. Harold de Vinne zu tun, der Spezialist für Warenlager war. Er wiederum wußte nicht mehr von Schiffen, als man auf einer Ferienreise nach Madeira lernen konnte. Es gab keine Verbindungsbrücken zwischen ihren Interessensphären. Und doch hatten sie in ihrem gewöhnlichen Leben viel Gemeinsames. Das entdeckten sie eines Tages, als Mr. Fred Pole mit Harold de Vinne zusammen zu Mittag speiste. Sie besprachen eine Angelegenheit, die weder mit Warenlagern noch mit der Handelsmarine etwas zu tun hatte. Mr. de Vinne wollte nämlich für sechs Monate das schöne Landhaus mit Park mieten, das Mr. Pole gehörte.

Sie wären sich selbst unter diesen Umständen nicht näher gekommen, wenn nicht die Frage aufgetaucht wäre, wer während der fraglichen Zeit den Gärtner zu bezahlen hätte. Als auch das freundschaftlich geregelt war und die beiden bei dem Kaffee angelangt waren, erzählte Mr. de Vinne, daß er schlechte Erfahrungen dabei gemacht hatte, Geschäfte bei Tisch zu besprechen. Ein interessierter Herr vom Nebentisch hatte einst auf diese Weise von wichtigen geschäftlichen Transaktionen erfahren, die er plante, und hatte gewissenlos aus dieser Kenntnis seinen Vorteil gezogen.

»Aber in den nächsten Tagen«, sagte Mr. de Vinne böse, »werde ich mir diesen Gentleman kaufen! Ich werde Tibbetts die Sache schon eintränken! Er wird bedauern, daß er jemals geboren ist.«

»Tibbetts?« fragte Mr. Fred Pole erstaunt und richtete sich auf. »Sie meinen doch nicht etwa Bones?«

Der andere nickte und schien äußerst verwundert.

»Kennen Sie ihn auch?«

»Ihn kennen?« Fred atmete tief. »Ich kann wohl sagen, daß ich ihn kenne – mein Bruder Joe kennt ihn auch. Dieser Kerl –«

»Dieser Kerl –«, begann Mr. de Vinne, und dann sprachen sie einige Minuten zusammen in Ausdrücken, die nicht sehr schmeichelhaft für Augustus Tibbetts waren.

Es zeigte sich, daß sie beide geplant hatten, Bones zu berauben, und daß bei Ausführung dieser Pläne Bones ihnen Geld abgenommen hatte.

Mr. de Vinne bestellte eine weitere Portion Kaffee und richtete sich ein, diesem interessanten Thema den Nachmittag zu widmen. Sie besprachen den Fall Bones von verschiedenen Gesichtspunkten aus, aber keiner ihrer Pläne war vom moralischen Standpunkt aus einwandfrei.

»Glauben Sie mir,« sagte Mr. de Vinne schließlich, »aus dem kann man noch Geld machen. Der hat sechshunderttausend Pfund.«

»Sechshundertvierzigtausend«, sagte Fred, der genauer im Bilde war.

»Ein tüchtiger, gerissener Geschäftsmann könnte ihm das alles abnehmen«, sagte Harold de Vinne aus innerster Überzeugung. »Wenn ich sage, ein tüchtiger Geschäftsmann, dann meine ich natürlich damit uns beide. Ich dachte nicht, daß er außer mir noch jemand hereingelegt hätte. Es ist doch werkwürdig, daß ich noch nie etwas von Ihrem Fall gehört habe. Das muß in den ersten Tagen seiner Niederlassung gewesen sein.«

»Ich war sogar sein erstes Opfer.« Fred schluckte.

Mr. de Vinne rauchte nachdenklich seine schwarze Zigarre und schaute wie abwesend zur Decke des Restaurants empor.

»In der City gibt es niemand, der besser über Tibbetts Bescheid weiß als ich«, sagte er dann. »Mit seinen klassischen Studien ist es nicht weit her, aber er war ein guter Mathematiker. Ich habe jedes Geschäft, an dem er beteiligt war, genau beobachtet, und ich glaube, daß ich jetzt soweit bin, ihn kleinzukriegen.«

»Sehen Sie sich vor,« sagte Fred, »ich halte ihn für schlau.«

»Schlau?« sagte der andere verächtlich. »Er hat nur unverschämtes Glück, mein lieber Freund – alle Erfolge sind ihm direkt in den Schoß gefallen!«

Mr. Fred nickte.

»Er hat nur Glück – reines Glück«, fuhr Mr. de Vinne fort, »und wenn wir es schlau anfangen, können wir ihm einmal ordentlich Geld abnehmen.« Er strich nachdenklich über sein Kinn. »Aber wir müssen es sehr klug anfangen, direkt wissenschaftlich und systematisch – man kann es nicht plötzlich machen. Darf ich Sie einladen, mit mir am Freitag bei Ritz-Carlton zu speisen?«

Mr. Fred war einverstanden.

»Ich will Ihnen etwas von Bones verraten«, sagte de Vinne, als sie das Restaurant verließen. »Er war Offizier an der Westküste Afrikas, und sein Chef war ein Mann, namens Sanders, der den Dienst quittierte und jetzt in Twickenham lebt. Soviel ich gehört habe, verehrt dieser Tibbetts den Boden, auf dem Sanders geht. Der Mann war offenbar eine Größe in Westafrika.«

Am Freitag setzten sie ihre Unterhaltung fort. Mr. de Vinne hatte sich inzwischen einen Plan ausgedacht und war nicht wenig stolz darauf.

Er war ein Mann, der viele Gesellschaften hatte, gute, schlechte und mittelmäßige, und wenn er die Unternehmen durchging, mit denen sein Name verbunden war, so fand er, daß die Mazeppa Trading Company die schlechteste und hoffnungsloseste war.

Vor Zeiten war die Mazeppa Trading Company ein vorzügliches Unternehmen gewesen, denn ihre Lager hatten das afrikanische Hinterland versorgt. Sie führte Manchester- und Birmingham-Erzeugnisse aus und bekam im Austausch unbegrenzte Mengen Gummi und Elfenbein herein. Aber das war in jenen guten, alten Tagen, bevor die Behörden kamen und bevor die Eingeborenen den genauen Wert eines Sechspfennigspiegels kannten.

Es war nicht länger möglich, Elfenbein im Wert von 20 Pfund gegen eine Zehnpfennig-Glasperlenkette einzutauschen, und die blühende Mazeppa Trading Company kam in Verfall und ging allmählich ganz zugrunde. Ihre Direktoren hatten ungeheuren Reichtum aus dem Unternehmen und ihren Privatgeschäften gezogen. Sie kamen heim und bauten herrliche Villen in Wimbledon, während die jungen Leute, die ihre Stellen einnehmen sollten, so unerfahren waren, daß sie keinen Profit machten. Das war in Kürze die Geschichte der Gesellschaft, die nur noch ein paar verlassene Lager unterhielt.

»Ich habe die meisten Aktien für eine Kleinigkeit übernommen«, gestand Mr. de Vinne. »Zufällig bin ich einer der Inhaber der Obligationen und ging herein, als die Geschichte unsicher wurde. Wir waren dabei, die Sache abzuschließen – sie ist stark überkapitalisiert – aber ich hielt sie noch, in der Hoffnung, daß sich alles noch einmal drehen kann.«

»Was haben Sie denn für einen Plan?« fragte Mr. Fred Pole interessiert.

»Wir wollen einen Direktor ernennen«, sagte Mr. de Vinne feierlich. »Einen Mann, der an der Westküste bekannt ist, der mit den Eingeborenen umgehen und organisieren kann.«

»Bones!« schlug Mr. Fred vor.

»Bones? Wo denken Sie hin!« rief de Vinne verächtlich. »Ich denke nicht an Bones! Aber er hat einen Kameraden – Sanders. Ich habe Ihnen doch neulich von ihm erzählt. Er war Amtmann oder so etwas an der Westküste und hat sich jetzt zurückgezogen. Nun weiß ich aus Erfahrung, daß solche Leute, die sich zur Ruhe gesetzt haben, vor Langeweile umkommen, wenn sie nichts zu tun haben. Was meinen Sie, wenn wir zu ihm gehen, und ihn überzeugen, daß er einen Direktorposten annehmen soll? Jährlich sechs Monate Aufenthalt an der Küste – Gehalt – zweitausend Pfund im Jahr mit der Bedingung, für sechs- oder siebentausend Pfund Aktien zu übernehmen?«

Mr. Freds Phantasie durchkreuzte das Problem, und er schüttelte den Kopf.

»Ich will Ihnen sagen, was sich dann ereignen wird«, fuhr Mr. de Vinne fort. »Es geschah schon einmal, als ein anderer Kamerad von Bones in eine Automobilgesellschaft eintrat. Bones kaufte die Aktien, um die Gesellschaft zu kontrollieren. Und, glauben Sie, die Mazeppa sieht gut aus. Das ist ein Vorschlag, der einem jungen, energischen Mann einleuchten wird.«

»Was sind die Aktien wert?« fragte Fred.

»Ungefähr zwei Penny netto«, erwiderte der andere brutal. »Ich will Ihnen offen sagen, daß ich dieses Geschäft allein gemacht hätte, wenn dabei Aussicht auf Erfolg vorhanden gewesen wäre. Aber wenn Bones alle Aktien in seiner Hand sieht, schreckt er zurück. Ich will Folgendes machen. Diese Aktien sind zwei Penny wert. Ich werde Ihnen und ein paar anderen Freunden Anteile zu einem Schilling das Stück verkaufen. Wenn sich nichts ereignet, nehme ich sie zum selben Preis wieder zurück.«

Eine Woche später brachte Hamilton eine Neuigkeit in das Bureau der Firma Tibbetts und Hamilton Ltd.

»Sanders geht wieder an die Küste zurück!«

Bones riß vor Erstaunen den Mund weit auf.

»Zur Küste zurück?« wiederholte er ungläubig. »Er will sein liebes, altes Twickenham verlassen?«

Hamilton nickte.

»Er hat ein ausgezeichnetes Angebot von einigen Herren der City, die Leitung einer Handelsfirma zu übernehmen. Haben Sie übrigens jemals etwas von der Mazeppa Company gehört?«

Bones schüttelte den Kopf.

»Ich habe nur von Mazeppa gehört. Das war der leichtfertige, alte Herr, der ohne Kleider durch die Straßen Birminghams ging.«

Hamilton seufzte.

»Ihre geschichtlichen Kenntnisse sind überwältigend«, sagte er verzweifelt, »Sie verwechseln das schon wieder mit Lady Godiva, aber diese Kleinigkeit macht Ihnen ja nichts aus! Ich glaube nicht, daß Sie von der Mazeppa Company etwas gehört haben. Sie arbeitete nicht in unseren Gebieten.«

Bones schüttelte den Kopf und zog die Stirne kraus.

»Aber die liebe, alte Exzellenz hat doch keine Stelle angenommen, ohne mich um Rat zu fragen?«

Hamilton grinste höhnisch.

»Er hat schon vor ein paar Tagen seinen Vertrag unterzeichnet«, sagte er nach einiger Zeit. »Er wird aber nicht die ganze Zeit an der Küste leben, sondern nur einige Monate im Jahr dort sein. Das Gehalt ist gut, es beträgt zweitausend Pfund im Jahr. Ich glaube, Sanders muß ein Paket Aktien übernehmen, wenn er die Direktorstelle bekommen will, aber er ist sehr begeistert von dieser neuen Stellung, ebenso Patricia. Die Sache hat schon ihre Richtigkeit. Sanders ist das Anerbieten durch eine Advokatenfirma gemacht worden.«

»Nun, das ist auch recht was«, meinte Bones. »Advokaten schätze ich nicht sehr hoch.«

An dem Nachmittag sollte er noch viel mehr über diese Gesellschaft erfahren, denn Sanders besuchte ihn und entwickelte ihm seine Zukunftspläne.

»Es ist mir tatsächlich hier zu langweilig, und es scheint mir doch ein ganz vorzüglicher und auch aussichtsreicher Posten zu sein.«

»Wie haben Sie denn davon gehört, Exzellenz?« fragte Bones. Er machte aus seinem Mißtrauen kein Hehl. Außerdem fühlte er sich etwas verletzt, daß Sanders dieses Angebot nicht durch ihn, sondern von einer anderen Firma erhalten hatte.

»Ich bekam von einigen Anwälten einen Brief, in dem sie mich fragten, ob ich nicht wieder zur Küste zurückkehren und dort einen Posten annehmen würde. Von der Mazeppa-Gesellschaft weiß ich natürlich sehr wenig, aber in früheren Jahren habe ich öfter von ihr gehört und erfahren, daß sie große Gewinne abgeworfen hat. Die Rechtsanwälte haben mir ganz offen gesagt, daß das Geschäft stark zurückgegangen ist, weil unerfahrene Direktoren die Company abgewirtschaftet haben. Sie zeigten mir große Chancen und Möglichkeiten, neue Faktoreien zu eröffnen. Ich muß gestehen, daß ich von der Sache überzeugt bin. Ich werde allerdings hart zu arbeiten haben – aber das Gehalt ist gut.«

»Warten Sie einen Augenblick, Exzellenz«, sagte Bones. »Welche Summe müssen Sie in Aktien anlegen?«

Sanders errötete leicht. Er war ein scheuer Mann und sprach nicht gern über seine Geldangelegenheiten.

»Ungefähr fünftausend Pfund«, sagte er verlegen. »Natürlich ist das viel Geld, aber selbst wenn die Gesellschaft keine Profite macht, habe ich doch einen Vertrag auf fünf Jahre und bekomme dabei mehr an Gehalt, als ich an Aktien übernommen habe.«

Bones blieb an diesem Abend länger im Bureau. Hamilton war schon gegangen und nur Miß Marguerite Whitland leistete ihm Gesellschaft. Sie hatte viel zu schreiben, und er hörte das rhythmische Klappern ihrer Maschine schwach durch die Verbindungstür.

Bones saß an seinem Schreibtisch, hatte das Kinn in die Hand gestützt und war in tiefe Gedanken versunken. Vor ihm lag der Börsenbericht einer Abendzeitung. Am Markt der Handelsaktien waren beträchtliche Steigerungen zu verzeichnen, die dem Redakteur des Handelsteils so wichtig erschienen, daß er einige besondere Ausführungen dazu schrieb.

»Der Markt der Handelsaktien stand unter dem Zeichen der Hausse in Mazeppa Trading, die ständig gefragt wurden. Die Börse schloß mit 19 sh 9 d. Das ist umso bemerkenswerter, als Mazeppa-Aktien an der hiesigen Börse seit mehreren Jahren nicht mehr notiert wurden. Man nahm allgemein an, daß die Gesellschaft in Liquidation gehen würde, und man konnte die Aktien für den Preis des Papiers kaufen, auf dem sie gedruckt waren. Man erzählt in der City, daß die Gesellschaft neu organisiert wird. Es sollen sich neuerdings Kapitalisten gefunden haben, und man beabsichtigt, das Geschäft wieder auszudehnen.«

Bones las den Abschnitt mehrere Male und verfiel jedesmal in Träumereien, wenn er damit fertig war. Plötzlich erhob er sich und ging in das Bureau seiner Sekretärin. Sie lächelte ihn an, als er sich auf die Ecke ihres Tisches setzte.

»Liebes Fräulein«, sagte er ernst, »haben Sie schon einmal gehört, daß man in dieser netten City von mir spricht?«

»O ja«, sagte sie erstaunt.

»Hat man gut von mir gesprochen, meine liebe, alte Miß?« fragte er nachlässig. Sie wurde dunkelrot.

»Ich glaube ja – aber es macht doch nichts aus, was die Leute über einen sagen.«

»Mir macht es wirklich nichts aus, solange meine liebe, gute Sekretärin noch ein gutes Wort für den armen, alten Bones übrig hat.« Er legte seine Hand auf die ihre, und sie duldete es ohne Widerspruch. »Sie denken, ich bin ein verrückter, alter Esel, nicht wahr?«

»O nein,« sagte sie schnell, »das denken die Leute nicht. Sie sagen nur, daß Sie ganz außergewöhnlich sind.«

»Das ist genau dieselbe Sache. Wer in Geschäftsdingen außergewöhnlich ist, der ist eben ein verrückter, alter Esel.«

Er drückte ihre Hand. Sie duldete es wieder und zog sie nicht fort.

»Mein süßer Liebling«, begann Bones. Aber da drohte sie ihm mit dem Finger.

»Meine liebe, alte Sekretärin,« sagte er und ließ sich nicht einschüchtern, »nehmen wir einmal an, es würde dem schlauen, alten Kerl, der dieses Bureau leitet, etwas passieren – dem Gehirn dieses Geschäftes, wenn ich mich so ausdrücken darf –«

»Was, Kapitän Hamilton?« fragte das Mädchen erstaunt.

»Nein, mir«, sagte Bones ärgerlich. »Großer Gott, meine liebe, alte Klapperschlange, habe ich nicht gesagt, daß ich mich damit meine?«

»Daß Ihnen etwas zustößt?« fragte sie erschreckt. »Warum sagen Sie das? Was könnte Ihnen denn passieren?«

»Nehmen Sie einmal an, mein Geschäft würde zusammenbrechen,« sagte Bones und sah dabei so zufrieden und ruhig aus, als ob alles andere eher möglich wäre, »denken Sie einmal, ich hätte ungeheure, katastrophale Verluste –«

»Aber Sie haben doch gar keine Verluste – oder haben Sie wirklich welche?«

»Nein – wir wollen es nur einmal annehmen.«

Sie erkannte plötzlich, daß seine Gedanken irgendwo anders weilten und nahm ihre Hand unter der seinen fort. Er merkte es nicht einmal.

»Armer, alter Bones, armer, alter Kerl!« sagte er sanft. »Du bist ein verrückter Teufel.«

Das Mädchen lachte.

»Ich weiß nicht, woran Sie im Augenblick denken, aber Sie sehen gerade nicht so aus, als ob Sie arm oder alt oder verrückt wären«, sagte sie vergnügt.

Bones neigte sich zu dem Tisch, legte seine große Hand auf ihren Kopf und streichelte ihr Haar.

»Sie sind eine liebe, alte Marguerite«, sagte er ruhig. »Aber ich bin nicht so ein Schwätzer, wie Sie wohl annehmen könnten. Achten Sie einmal auf den alten Bones, was er jetzt tun wird.«

Und mit dieser geheimnisvollen Bemerkung ging er zu seinem Schreibtisch zurück.

Zwei Tage später setzte er Hamilton in Erstaunen.

»Ich erwarte heute einen Besuch, mein alter Ham«, sagte er, »einen Menschen mit Namen de Vinne.«

»de Vinne?« fragte Hamilton stirnrunzelnd. »Den Namen kenne ich doch. Ist das nicht der Gentleman, mit dem Sie wegen der Schuhe Verdruß hatten?«

»Ja, das ist der alte Räuber«, sagte Bones lustig. »Ich habe ihm telegraphiert und ihn gebeten, mich zu besuchen.«

»Um wieviel Uhr?«

»Ungefähr um zwei. Sie können hier bleiben und mir bei der Sache helfen oder Sie können uns auch allein lassen.«

»Ich werde hierbleiben, aber ich glaube nicht, daß er kommt!«

»Doch – er kommt bestimmt!« sagte Bones zuversichtlich, und sein Vertrauen wurde nicht getäuscht, denn pünktlich um zwei Uhr erschien Mr. de Vinne.

Er war in guter Stimmung und Bones überbot sich direkt an Liebenswürdigkeit bei seiner Begrüßung.

»Bitte, nehmen Sie dort in dem bequemsten und schönsten Stuhl Platz, mein glücklicher, alter Finanzmann«, sagte er. »Schütten Sie dem alten Bones Ihr junges Herz wegen der Mazeppa-Gesellschaft aus!«

Mr. de Vinne hatte einen so direkten Angriff nicht erwartet, aber er ließ sich nichts von seiner Überraschung merken.

»Ach so, Sie wissen, daß ich hinter der Sache stecke? Wie, zum Teufel, haben Sie das herausbekommen?«

»Aus dem Börsenjahrbuch, mein lieber Herr. Kostet nur vierzehn Schilling, und Sie können alles erfahren, was Sie über Direktoren und Gesellschaften wissen wollen.«

»Das haben Sie allerdings schlau angestellt«, sagte de Vinne und amüsierte sich heimlich, denn jedermann in der City gebrauchte das Börsenjahrbuch.

»Was ist nun eigentlich los, mein lieber, alter Finanzmann?« fragte Bones. »Warum bieten Sie unserem Freund Sanders dieses fabelhafte Gehalt an und verkaufen ihm Aktien für mehrere tausend Pfund?«

Der andere zuckte die Schultern.

»Mein lieber Herr, das ist Geschäft. Wenn ich gewußt hätte, daß Sie mich darüber ausfragen wollen, wäre ich überhaupt nicht gekommen. Ist Mr. Sanders ein Freund von Ihnen?« fragte er möglichst unschuldig.

»Sie wissen ganz genau, daß er mein Freund ist. Was ist denn der Zweck der ganzen Geschichte, mein lieber Gesellschaftsgründer?«

»Das ist doch ganz klar«, erwiderte de Vinne und nahm eine der kostbaren Zigarren, die Bones zu solchen Zwecken im Bureau hielt. »Sanders' Position ist doch äußerst gut –«

»Warten Sie einen Augenblick«, sagte Bones. »Garantieren Sie persönlich Mr. Sanders das Gehalt für fünf Jahre?«

Der andere lachte.

»Natürlich nicht! Das ist eine Sache, die die Gesellschaft angeht,« sagte de Vinne, »ich brauche keine persönliche Garantie für Gehaltszahlungen anzubieten.«

»Das heißt also, wenn die Gesellschaft in sechs Monaten in die Binsen geht, verliert Mr. Sanders das Geld, das er für die Aktien bezahlt hat, und sein Gehalt obendrein?«

de Vinne hob die Schultern und lächelte verächtlich.

»Er kann sich doch wegen seines Gehalts an die Gesellschaft halten!«

»Na, da wird er ja viel herausbekommen!«

»Hören Sie einmal zu, Mr. Tibbetts!« de Vinne lehnte sich vertraulich nach vorn. Er hatte die Zigarre noch nicht angesteckt, aber schon zwischen den Zähnen. »Es ist doch gar kein Grund vorhanden, warum die Mazeppa keinen Erfolg haben sollte, wenn der richtige Mann in der Leitung sitzt. Der Gesellschaft fehlt doch nur frisches Blut und eine fähige Leitung. Ich sage Ihnen ganz offen, daß ich leider nicht die Zeit habe, mich dieser Gesellschaft zu widmen, sonst würde ich persönlich sieben Prozent Dividende auf die Stammaktien garantieren. Sehen Sie sich doch einmal den Preis der Aktien von heute an –«

Bones unterbrach ihn.

»Na, jeder verrückte Kerl kann an der Börse die Aktien auf irgendeinen Preis treiben, wenn er sie alle in der Hand hat.«

»Was sagen Sie da?« rief de Vinne aufgebracht. »Meinen Sie etwa, daß ich die Börse unrechtmäßig beeinflußt habe – und außerdem sind sie doch gar nicht in einer Hand – sie sind sogar sehr verteilt –«

»Wer hat sie denn?« fragte Bones neugierig.

»Ich habe ein Paket und Gebrüder Pole haben ein Paket –«

»Ach, Gebrüder Pole – sehen Sie einmal an!« sagte Bones und nickte. »Gut, gut!«

»Nun seien Sie einmal vernünftig und nicht so argwöhnisch, Mr. Tibbetts. Die Interessen Ihres Freundes sind vollkommen gewahrt, auch die Interessen der Aktionäre. Sie würden gar nicht übel tun, wenn Sie sich die Kontrolle über die Gesellschaft sicherten.«

»Daran habe ich auch schon gedacht.«

»Ich versichere Sie«, sagte Mr. de Vinne ernst, »daß die Entwicklungsmöglichkeiten der Mazeppa-Gesellschaft unbeschränkt sind. Wir besitzen Konzessionen vom Großen Fluß bis an die Nordgrenze des französischen Gebietes.«

»Die Konzessionen sind das Papier nicht wert, auf das sie geschrieben wurden, mein lieber, alter Spaßvogel«, sagte Bones und schüttelte den Kopf. »Solche Häuptlingskonzessionen ohne Garantien des Kolonialministeriums haben keinen Wert.«

»Aber die Handelskonzessionen sind doch in Ordnung«, sagte der andere hartnäckig. »Das können Sie nicht bestreiten. Sie wissen mehr von den Dingen an der Küste als ich. Handelsgebräuche bestehen auch ohne Garantien des Kolonialministeriums.«

Das mußte Bones auch zugeben.

»Ich will mir die Sache überlegen. Ich habe einiges Zutrauen dazu, mein lieber, alter de Vinne. Wirklich, der Plan sagt mir zu. Wer ist denn jetzt im Besitz der Aktien?«

»Ich kann Ihnen eine Liste aufschreiben«, sagte Mr. de Vinne mit bewunderungswürdiger Ruhe. »Und ich würde Ihnen den guten Rat geben, sich privatim mit diesen Herren in Verbindung zu setzen. Sie werden diese Aktien wahrscheinlich für achtzehn Schillinge bekommen.« Er nahm einen goldenen Bleistift aus der Tasche und schrieb schnell eine Liste von Namen. Bones nahm das Papier und überflog es.

Hamilton, der schweigend und amüsiert den Vorgängen zugesehen hatte, wartete, bis de Vinne gegangen war, und stürzte dann auf seinen Partner los.

»Sie werden doch nicht ein so vollkommen verrückter Esel sein«, begann er. Aber Bones' würdevolle Handbewegung brachte seinen Redestrom sofort zum Stillstand.

»Mein lieber, guter Ham, alter Kriegskamerad, lassen Sie doch Ihren Bones auch mal seinen Spaß haben!«

»Denken Sie denn wirklich daran, eine Viertelmillion zu riskieren?! Sie sind verrückt, Bones!«

Bones lachte vergnügt.

»Gehen Sie zu unserem Bankier und kaufen Sie zehntausend Aktien der alten Mazeppa, Ham«, sagte er. »Sie werden sie im Markt für neunzehn Schilling bekommen – und ich weiß ganz genau, daß sie nicht einmal den neunzehnten Teil eines Penny wert sind.«

»Aber –«, stammelte Hamilton.

»Es ist ein Befehl!« sagte Bones in Bomongo.

»Pfoch!« erwiderte Hamilton. »Das bringt mich plötzlich zweitausend Meilen weit fort. Ich möchte bloß wissen, was die Leute von N'gombi jetzt machen!«

»Ich will Ihnen sagen, was sie sicherlich nicht tun! Sie kaufen bestimmt keine Mazeppa-Aktien!«

Hamilton und Miß Marguerite Whitland waren sehr in Sorge. Hamilton erschreckte erstens die extravagante Handlungsweise von Bones und zweitens die Aussicht, Sanders darüber aufklären zu müssen, daß er beschwindelt worden war, denn darüber bestand nicht mehr der leiseste Zweifel. Hamilton hatte eine ganze Stunde lang fieberhaft in der City Erkundigungen darüber eingezogen, was man von der Mazeppa-Gesellschaft dachte, und was er dabei erfahren hatte, war alles andere als ermutigend. Sehr gegen seinen Willen erledigte er den Auftrag von Bones und kaufte im offenen Markt zehntausend Aktien. Dieser Vorgang wurde von Mr. de Vinne und seinem interessierten Teilhaber entsprechend zur Kenntnis genommen.

»Er beißt an«, telephonierte er in höchster Freude. »Wir haben jetzt weiter nichts zu tun als still zu sitzen, dann wird er schon den Köder mit dem Haken schlucken!«

Marguerite Whitland kannte die Geschäfte und die Ausdehnungsmöglichkeiten ihres Chefs ungefähr. Sie war ein kluges Mädchen und hatte sich in kurzer Zeit einige Kenntnisse in den Geschäften der City angeeignet. Sie besaß auch ein unfehlbares Gefühl dafür, ob eine Sache schwindelhaft sei. Sie war fast gelähmt vor Schrecken bei dem Gedanken, daß Bones geradenwegs dem finanziellen Ruin in die Arme lief. Als Hamilton fortgegangen war, um seine wenig dankbare Aufgabe zu erfüllen, kam sie aus ihrem Bureau und stand plötzlich vor ihrem Chef. Sie hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt.

Bones sah sie gespannt an.

»Nun, was gibt es, mein liebes Fräulein?« fragte er ruhig.

»Mr. Tibbetts«, begann sie ein wenig ungewiß. »Ich fürchte, ich bin unverschämt, aber –«

»Keineswegs«, murmelte Bones.

»Ich bin nun eine ziemlich lange Zeit in Ihrem Bureau«, sagte sie sehr schnell, »und ich fühle, daß ich ein besseres Recht habe, zu Ihnen zu sprechen, als –«

»Als irgendjemand sonst in der großen, weiten Welt – das stimmt, meine liebe, junge Marguerite!«

»Ja, ja«, sagte sie eilig, »aber ich habe etwas Geschäftliches mit Ihnen zu besprechen, und zwar – den Plan, den Sie jetzt ausführen wollen. Diesen Nachmittag habe ich mit Kapitän Hamilton schon darüber gesprochen, während Sie fort waren. Ich weiß ganz genau, daß es ein Schwindel ist.«

»Das weiß ich auch«, sagte Bones ruhig.

»Aber Sie riskieren doch all Ihr Geld, Ihr ganzes Vermögen bei dem Geschäft! Und Mr. Hamilton sagte, daß Sie ruiniert wären, wenn die Sache schlecht geht!«

Bones nickte. Äußerlich war er gefaßt, aber in seinen Augen blitzte Kampfbegierde.

»Es ist ein Glücksspiel, meine liebe, junge Sekretärin – ein schreckliches Spiel – aber es wird gut ausgehen für den alten Bones!«

»Aber Mr. Hamilton sagte noch, daß Sie nicht das Geringste aus dem Besitzstand der Gesellschaft herausschlagen könnten, daß alle Niederlassungen verfallen und nichts mehr wert sind. Nur noch der zehnte Teil der Faktoreien ist geöffnet und der Handel –«

Bones lächelte.

»Ich will ja gar kein Geschäft mit dem Vermögen der Gesellschaft machen«, sagte er milde. »Meine liebe Marguerite, ich spekuliere nicht auf das Vermögen der Gesellschaft.«

»Aber dann sagen Sie mir doch, bitte, um alles in der Welt, wobei wollen Sie denn ein Geschäft machen?« fragte sie unruhig.

»Ich mache ein Geschäft mit mir«, sagte Bones in demselben Ton. »Ich spekuliere auf den armen, alten, verrückten Esel Bones. Und ich komme zum Ziel!«

Er stand auf, ging quer durch das Bureau zu ihr und legte freundlich seine Hand auf ihre Schulter.

»Und wenn ich nicht damit durchkomme, dann werde ich immer noch kein Bettler sein. Dann habe ich immer noch genug, um ein nettes, kleines Häuschen für uns zu bauen, wo wir Kühe und Pferde und allerhand Gemüse großziehen können, meine, liebe, gute Miß – und wenn ich durchkomme, dann werden wir vielleicht dasselbe Häuschen bauen und dann werden wir vielleicht einige Kühe mehr im Stall haben und ein Schwein oder auch zwei.«

Sie lachte, und er hob ihren Kopf mit den lächelnden Lippen zu sich und küßte sie herzhaft.

Mr. de Vinne hatte opulent zu Abend gespeist und sich nach Tisch noch gut amüsiert. Er war im Hypodrom gewesen, und seine Freude war um so größer in dem Bewußtsein, daß Mr. Augustus Tibbetts zehntausend Pfund an ihn angegeben hatte. Als er nach Sloane Square zurückkehrte, war er sehr erstaunt, daß sein Wohltäter wider Willen ihn dort erwartete.

»Mr. Tibbetts, es ist für mich eine große Überraschung!«

»Das glaube ich, mein alter Mr. de Vinne.« Bones hustete feierlich, als ob er ein großes Geheimnis zu enthüllen hätte.

»Treten Sie, bitte, näher«, sagte Mr. de Vinne noch liebenswürdiger als vorher. »Dies ist meine kleine Höhle«, fuhr er fort, als er Bones in einen Raum führte, mit dem selbst der verwöhnteste Löwe zufrieden gewesen wäre. »Nehmen Sie, bitte, Platz und stecken Sie sich eine Zigarre an, mein alter Freund! Welches Geschäft treibt Sie noch so spät am Abend zu mir?«

»Die Aktien«, sagte Bones ernst. »Ich habe keine Ruhe mehr wegen dieser Aktien.«

»Ach so«, sagte Mr. de Vinne leichthin, »warum machen Sie sich deshalb Kopfschmerzen, mein alter Junge?«

»Ich dachte, ich würde die Gelegenheit verpassen, sie zu kaufen. Ich bin davon überzeugt, daß man aus der Sache etwas machen kann. Ich bin gewiß, daß ich eine ganze Menge Geld mit der Gesellschaft machen kann, wenn ich die Majorität in der Hand habe.«

»Ich bin ganz Ihrer Meinung«, sagte der ernste Mr. de Vinne.

»Der springende Punkt ist nun der. Ich habe Ihre Liste der Aktien-Eigentümer gelesen und es scheint mir, daß die Mehrzahl der 270 000 Aktien entweder in Ihrem oder in Poles Besitz ist. Entweder beim netten, alten Joe oder beim netten, alten Fred, ich weiß nicht, welcher der beiden Poles die Aktien hat.«

»Fred!« sagte Mr. de Vinne.

»Nun hören Sie. Es gibt einen Menschen, den ich heute abend nicht sehen mochte, oder auch morgen oder irgendeinen anderen Tag nicht, und das ist Fred Pole.«

»Es ist doch auch gar nicht nötig, daß Sie den treffen müssen!« lächelte Mr. de Vinne.

»Also, ich erkläre Ihnen auf das bestimmteste,« sagte Bones, »daß ich von Fred Pole keine Aktien kaufen will. Ich will Ihre kaufen, aber ich will keine einzige von dem andern haben.«

Mr. de Vinnes Gedanken arbeiteten schnell.

»Deswegen brauchen Sie nicht besorgt zu sein, ich habe nämlich die Aktien von Fred heute abend übernommen, oder wenigstens den Hauptteil. Sie können von mir«, er machte eine schnelle Berechnung – »Sie können von mir hundertachtzigtausend Aktien zum Kurse von 19,9 haben.«

»Achtzehn Schilling,« sagte Bones entschieden, »nicht mehr!«

Fünf Minuten lang feilschten sie noch um den Preis, und dann gab Mr. de Vinne plötzlich großzügig nach.

»Also achtzehn Schilling, abgemacht. Sie sind aber ein verflucht harter Teufel. Wollen wir die Sache morgen zu Papier bringen?«

»Wir wollen die Sache gleich perfekt machen. Ich habe ein Vertragsformular und mein Scheckbuch dabei.«

»Ich bin einverstanden«, sagte er dann.

Bones nahm ein Formular aus seiner Tasche, entfaltete es, setzte sich feierlich an de Vinnes Schreibtisch und schrieb den Vertrag und den Scheck aus.

de Vinne hatte mit einer so glücklichen Erledigung der Angelegenheit nicht gerechnet. Er hatte wohl gehofft, daß er Bones überzeugen könnte, aber doch nicht, daß sich die Sache so glatt abwickelte.

»Gute Nacht!« sagte Bones todernst.

Alter Freund, dachte Mr. de Vinne, du wirst noch feierlicher und ernster aussehen, ehe der Monat zu Ende ist!

Er begleitete Bones zur Tür, klopfte ihm auf den Rücken und bot ihm noch eine andere Zigarre an. Dann stand er draußen auf der Straße und beobachtete die rote Lampe von Bones' Automobil, das sich schnell entfernte und außer Sicht kam. Er ging zu seinem Arbeitszimmer zurück, nahm den Hörer vom Telephon und forderte die Nummer Fred Poles.

Sein Geschäftsfreund antwortete selbst auf den Anruf.

»Sind Sie das, Pole?«

»Ich bin es selbst«, sagte der andere mit einer freudig erregten Stimme.

»Also, Pole hören Sie. Ich habe Ihnen eine Menge Arbeit erspart.«

»Was meinen Sie?«

»Ich habe Bones meine Aktien und Ihre dazu verkauft.«

Ein tiefes Schweigen folgte.

»Haben Sie mich verstanden?« fragte de Vinne.

»Jawohl, ich habe Sie gehört.« Poles Stimme kam de Vinne so seltsam vor, daß er sie kaum wiedererkannte.

»Wieviel Aktien haben Sie ihm verkauft?«

de Vinne dachte einen Augenblick nach.

»Hundertachtzigtausend, ich dachte, ich könnte die Sache leicht mit Ihnen arrangieren.«

Wieder tiefes Schweigen.

»Was hat Ihnen denn Bones gesagt?«

»Daß er mit Ihnen überhaupt nichts mehr zu schaffen haben will.«

»Um Himmelswillen«, seufzte Pole. »Um Himmelswillen!«

»Was haben Sie denn bloß?« fragte de Vinne schnell. Die Sache wurde ihm unheimlich.

»Alles das hat Bones auch erzählt«, hörte er jetzt Freds Stimme.

»Hängen Sie schnell ein, – ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen!«

Mr. Fred Pole kam noch schneller an und erzählte eine fast unglaubliche Geschichte. Am selben Abend war Bones zu ihm gekommen und hatte ihm angeboten, seine Aktien zu kaufen.

»Aber Bones sagte, er würde unter gar keinen Umständen –«

»Meine Aktien kaufen«, sagte de Vinne schnell.

»Er hat es zwar nicht mit denselben Worten gesagt, aber er ließ durchblicken, daß er die Aktien lieber von mir als von irgendjemand sonst kaufen würde. Ich dachte, es wäre ein feines Geschäft und ich könnte die Sache telephonisch mit Ihnen arrangieren – und da habe ich ihm die Aktien verkauft –«

»Wieviel?« fragte de Vinne kläglich.

»Hundertfünfzigtausend!« sagte Mr. Fred.

Die beiden Männer sahen sich entsetzt in die Augen.

de Vinne feuchtete seine trocknen Lippen an.

»Wir haben ihm also zusammen dreihundertdreißigtausend Aktien verkauft – es sind aber nur zweihundertfünfzigtausend ausgegeben worden – wir haben uns also verpflichtet, ihm achtzigtausend Aktien zu liefern, die nicht existieren – wir können wegen Betrugs belangt werden –«

Wieder entstand eine lange Pause und dann sagten beide plötzlich, als ob der Gedanke gleichzeitig über sie gekommen wäre:

»Dieser Kerl ist ein Schuft!«

Am nächsten Morgen suchten sie Bones auf. Die Unterredung dauerte eine halbe Stunde und als sie aus seinem Bureau gingen, hatten sie nicht nur die beiden Schecks zurückgelassen, die Bones ihnen am Abend zuvor ausgestellt hatte, sondern noch einen anderen Scheck über einen bedeutenden Betrag als Abstandssumme. Außerdem hatten sie sich verpflichtet, die Aktien von Mr. Sanders zu dem von ihm bezahlten Preis zurückzukaufen.

An diesem Abend gab Bones ein prachtvolles Diner in dem teuersten und vornehmsten Hotel Londons. Sanders und Patricia Sanders, Hamilton und eine gewisse Vera waren zugegen. Aber die hübscheste anwesende Dame saß an seiner rechten Seite und hörte der großen Rede, die er hielt, mit Spannung und freudiger Erregung zu.

»Die Rede dieses Abends, meine lieben Freunde, halte ich auf Geschäft und Liebe. Die beiden Begriffe sind verknüpft mit den beiden ehrenwerten Namen des Mr. de Vinne und meiner jungen, liebwerten Sekretärin, meiner Freundin und Gefährtin in Sturm und Trübsal. Die einzige nette, liebe Dame – wenn es mir vergönnt ist, so zu sagen, die mein Herz bewegt hat –«, er fing einen vorwurfsvollen Blick von Patricia Sanders auf, hustete und fügte schnell hinzu: »In Europa!«


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