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Watteaus Gemälde

Oft hör' ich die Bewunderer der großen Meister von diesem Künstler mit einer gewissen Verachtung sprechen, und jedesmal tut es mir weh, weil ich mich an seinen Gemälden oft so innig ergötzt habe. Ich gestehe, daß keine Heiligkeit, keine Größe um diese Gebilde eines fröhlichen Gemüts strahlt, daß keine Begeisterung, kein Streben nach dem Himmel aus dieser gemalten, leichten Tanzmusik spricht. Aber niemals habe ich so hart sein können, mich vor dem Lieblichsten aus unserm gewöhnlichen Leben zu verschließen, das Reizendste der Existenz von tausend und tausend Menschen nicht zu fühlen.

Denn so wie Raffael in der heiligen Geschichte waltet, wie er uns Engel und den Erlöser offenbart und seine himmlischen Entzückungen durch das sanfte Werk seiner Hände verkündet, wie ein Himmelodem und Gesang der Cherubim durch seine Dichtungen weht und klingt, so nahm dieser Künstler, dem Ohr und Geist für Himmelstöne verschlossen war, die gewöhnlichste Menschheit gern und liebevoll in sich auf. Man verzeihe mir, daß ich diese beiden Namen nebeneinander nenne. Soll es unerlaubt sein, die gewöhnlichen Ergötzungen, die heitern Stunden des frischen, sinnlichen Genusses, die zierlichen, leichten Gestalten aufzufassen und verschönert darzustellen? – Mich dünkt, der Geist des Menschen ist wunderbar reich, er umfaßt die Gegenstände, die an beiden Enden ruhn, mit seinen Armen ohne Anstrengung, das Getrennteste liegt immer nicht so fern, als wir im ersten Augenblicke wähnen.

So, geliebter Leser, dringen Klänge irdisch zu dir empor, wenn Tanzmusik deinen Fuß beflügelt, und du unwillkürlich und lächelnd den Tönen innerlich nachgehst, so führen sie dich in ein Land voll flüchtiger Gestalten, das dir ganz naheliegt, dann kommen froh durchlebte Augenblicke in dein Gemüt zurück, dann tritt vor Watteaus Gemälde.

Hier siehst du das trauliche Geschwätz der Liebe, die angenehmen Abenteuer, das Begegnen der glänzenden Augen. Bunte, flatternde Gewänder, tolle und possierliche Masken sind in allgemeiner Fröhlichkeit gesellt, das Seltsamste der Gestalten kühn unter die gewöhnlichen Figuren gemischt. Tänze drehen sich herum, eine angenehme Verwirrung nimmt den Blick gefangen. Dort horchen Liebende auf die Töne der Zither, die ein frischer Jüngling aus dem Instrumente lächelnd schlägt, abseits sitzen Schöne gleichgültig, vorüber wandeln im gleichgültigen Gespräch durch die Gartenschatten zwei schöne Männer: sie sehn nur eben nach den Mädchen hin. So wie im Leben sich Verbindungen leise knüpfen, sich unmerklich Vorfälle entwickeln, so auch hier; man glaubt in andern Blättern diejenigen verschlungen, in Armen verstrickt, wiederzufinden, die hier so gleichgültig nebeneinander vorübergehn.

In andern Geschichten sieht man des Mädchens und des Jünglings Sehnsucht, im dunkeln schönen Gebüsch lauscht die mutwillige Horcherin. Wagen mit geputzten Gestalten kommen, andre gehn zurück. Wirst du auch hier nicht die große magnetische Anziehung des Idealischen gewahr, so mußt du doch diese Bilder ebenso wie das wirkliche Leben achten und dich ihrer ebenso erfreun.

Sonderbar ist es mir immer vorgekommen, daß der Künstler, der diese Gebilde um sich herspringen und tanzen ließ, selber verdrossen und menschenfeindlich war. Er zog sich ganz in seine eigne Farbenwelt zurück, seine Phantasie ward heiter und fröhlich, so wie er den Pinsel ergriff. Ich habe ihm innerlich schon oft für seine Romanzen, für seine Tanzlieder Dank gesagt, für seine allerliebsten Weingesänge; ich habe oft nach Betrachtung seiner Gemälde die Regung des Lebens um mich lieblicher gefühlt. Aber aus größern Ursachen ist es auch wohl gut, wenn wir das Hohe der Kunst innigst fühlen, und mit dem Geiste des Erhabenen geläutert werden, zuweilen wieder durch lustige Geister in die nähere Umgebung rückgerufen zu sein.


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