Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Peterskirche

Erhabenes Wunder der Welt! Mein Geist erhebt sich in heiliger Trunkenheit, wenn ich deine unermeßliche Pracht anstaune! Du erweckest mit deiner stummen Unendlichkeit Gedanken auf Gedanken, und lässest das bewundernde Gemüt nimmer in Ruhe kommen.

Ein ganzes Jahrhundert hat gesammelt an deiner steinernen Größe, und auf zahllosen Menschenleben bist du emporgestiegen zu dieser Höhe! –

In nackten Steinbrüchen ist euer Vaterland, ihr mächtigen Mauern und Säulen! Manche grobe Hand hat dort für kümmerlichen Lohn der trotzigen rohen Natur ihre Marmorfelsen abgezwungen, unbekümmert, was jemals aus dem unförmlichen Klumpen würde; nur sein Eisen, sein Werkzeug war täglich des Arbeiters einziger Gedanke, bis er es einst zum letzten Male in die Hand nahm und starb.

Wie mancher, den nichts anders auf der Welt kümmerte, als diese Steine, einen fest auf den anderen zu schichten für einen geringen Lohn, ist darüber von der Erde gegangen! Wie mancher, dessen Geschäft es war, diese Säulen und Gebälke mit allen kleinen Zierden in freien, reinen Linien auszuhauen, und der innerlich recht stolz sein mochte auf einen schönen Säulenknauf, der sich jetzt in dem unendlichen Ganzen verliert, hat sein Auge geschlossen, und kein Auge der Welt vielleicht hat den Säulenknauf wieder achtsam betrachtet, nach dem letzten Male da er ihn mit Freuden ansah.

Eine ganze Reihe von Meistern der Baukunst sind an der Schöpfung dieses Kolosses vorübergegangen: sie waren es, die durch Zeichnungen und Modelle von kleinem Umfange alle die hundert groben Hände regierten, und alle die unförmlichen Kinder der Felsen zu schönen Gestalten zusammenzauberten, und der eine größeste der Meister war es, der durch ein dürres Zahlengewebe und krumme Linien auf geringem Papier der ungeheuren Kuppel das Gesetz vorschrieb, die Last der Mauern kühn zu besteigen, und sich hoch in Lüften hängend zu erhalten.

Und auch eine ganze Reihe der Statthalter des heiligen Stuhls, welche durch armselige kleine Metallstücke, die sie von ihren toten, stillen Schatzkammern in die Welt streuten, wie durch elektrische Funken aus der schlafenden Kraft der groben Hände, der schlafenden Kunst der Steinarbeiter den schönträumenden Geistern der Architekten, eine vereinigte, sichtbare Wirklichkeit ans Tageslicht zogen, – welche, durch die millionenmal wiederholte elende Einförmigkeit dieser bedeutungslosen Metallstücke, ein so geistreiches Wunderwerk von so unerschöpflicher Schönheit und Erhabenheit für die Welt und die menschliche Würde eintauschten: – auch diese sind längst von ihrem glänzenden Stuhle aufgestanden, und haben ihren heiligen Fuß demütig in eben das dunkle Land gesetzt, wohin die Millionen, die sie als Gottes Statthalter anbeteten, eingegangen sind.

Wie mannigfache menschliche Spuren reden aus allen deinen Steinen hervor! Wie viele Leben sind an deiner Schöpfung zerschellt! Und du stehst, ein unsterblicher Bau, stützest dich auf deinen starken Mauern, und siehst unerschrocken hinaus in lange Jahrhunderte. –

Die tausend einzelnen Steine der Felsen, die unförmlichen Massen, die verstümmelten Gliedern glichen, haben sich zu schlanken Säulen vereinigt, deren erhabene Gestalt das Auge mit liebevollen Blicken umschlingt, oder zur Kuppel, an deren sanften, mächtigen Wölbung der Blick jauchzend hinaufschwebt. Verschwunden sind die unzähligen verstümmelten Glieder: es steht ein Ganzes von Mauern und Säulen da, als wäre es beim Bau der Welt von Riesen aus reichem Tone gebildet, oder aus zerschmelzten Felsen in ungeheuren Formen gegossen. – Und die erstaunenswürdige Wirklichkeit dieses unglaublichen Traums, welche die Einbildungskraft erschreckt, worauf beruht sie, als auf ein paar flüchtigen Worten und Federstrichen jener dreifach bekrönten Häupter?

Doch du prangst in deinem Dasein, und hast nichts mehr an dir von deinem Ursprunge. Menschen erschufen dich, und du bist höherer Natur als das Geschlecht deiner Schöpfer, lässest die sterblichen Scharen langer Jahrhunderte niederknieen unter deinem Dome und umhüllst sie mit der Gottheit, die ewig aus deinen Mauern spricht.

Wohl dem vergänglichen Menschen, daß er Unvergänglichkeit zu schaffen vermag! Wohl dem Schwachen und Unheiligen, daß er erhabene Heiligkeit gebären kann, wovor er selber niederkniet! Unter dem Himmel der frommen Kunst treibt die sterbliche Zeugungskraft eine goldene Frucht, edler als Stamm und Wurzel, hervor; die Wurzel mag vergehen, die goldene Frucht verschließt göttliche Kräfte. – Die Menschen sind nur die Pforten, durch welche seit der Erschaffung der Welt die göttlichen Kräfte zur Erde gelangen, und in der Religion und dauernden Kunst uns sichtbar erscheinen.

Ein herrlich-kühner Gedanke ist es, die Formen der Schönheit, die uns in kleinen vergänglichen Werken gefallen, in gewaltigen Räumen, majestätisch, mit Felsen für die Ewigkeit aufzuführen. Eine sehr edle Kunst, die, alle menschliche Gestalt und Sprache verachtend, denen die sämtlichen übrigen Künste dienstbar sind, allein darauf stolz ist, ein mächtig großes, sinnliches Bild der schönen Regelmäßigkeit, der Festigkeit und Zweckmäßigkeit, dieser Angeltugenden, und allgemeinen Ur- und Musterbilder in der menschlichen Seele, vor unser Auge zu stellen. Ihre Werke sind (gleich der harmonischen Wissenschaft der Weisheit in der Seele des Weisen,) ein fest in sich verbundener schöner Zusammenhang von tragenden und getragenen Massen, von kühn hinanstrebenden Säulen und Wänden, und von schützenden, ruhig schwebenden und herabsehenden Decken und Gewölben. Frei unter Gottes Himmel stehn ihre Werke, und wurzeln unmittelbar in dem Erdenrund, dem Schauplatze aller Dinge; sie lassen sich nicht, wie die Werke der andern Künste, mit Händen regieren, das Geschlecht, das sie hervorbrachte, geht in sie hinein, fühlt sich von ihnen umschlossen, und sie sind die edlen Gefäße, die alle andre Kunst und Wissenschaft, ja die edelste Tätigkeit der Welt, in ihren Räumen bewahren.

Was können sie Größeres bewahren und umschließen, als das Streben des Menschen nach der Gottheit? Oh, da müssen sich ihre Mauern erweitern, und ihre Kuppeln erheben, soweit sie vermögen, um einen mächtigen Raum zu umspannen, um viele, viele Kinder der Erde in einen mütterlichen Schoß zu sammeln, auf daß die einsam umherirrende Andacht von Tausenden, unter dieser Wölbung versammelt und von der ewigen Umarmung dieser heiligen Mauern umfangen, zu einer vereinigten Flamme zusammenbrenne und die Gottheit ein würdiges Opfer empfange. Zahllose Mengen der Vergangenheit haben diese heiligen Mauern zur Andacht geweiht, und zahllose der Zukunft erwarten sie sehnlich in ihre Arme zu schließen.

Ich höre sie wohl, die vernünftigen Weisen, die spotten und sprechen: «Was soll der Welt die tote, unfruchtbare Pracht? Im engen, ungeschmückten Raume betet der Mensch so fromm, – und viele Dürftige, nebst Witwen und Waisen, hätten wir gespeiset und gekleidet von diesen steinernen Schätzen.» – Ich weiß es wohl, daß man der Kunst und auch der Religion es bitter verarget, wenn sie in reicher, königlicher Pracht sich vor der Welt erheben. Es mögen dies sehr festgegründete Gedanken der menschlichen Vernunft sein, aber doch sind es nicht die Gedanken der schaffenden Vorsicht.

Nach einem durch menschliche Vernunft berechneten Gleichmaße und einer strengen, geistigen Ordnung der Dinge, wollen die Weisen unsre Erde neu erschaffen. Aber was ist die Erde, als ein uns hörbarer Laut aus der verborgenen Harmonie der Sphären? – ein uns sichtbarer flüchtiger Blitz aus den verborgenen dunkeln Wolken des Weltalls? und was sind wir? – jenes gewaltsame Auf- und Niederwallen der irdischen Dinge, – daß sich das Hohe zum Hohen gesellt, und die Flächen und Tiefen verwahrlost vergehen, – erscheint mir nicht anders als der eigentümliche, geheimnisvolle Pulsschlag, das furchtbare, unverständliche Atemholen des Erdgeschöpfs. Wenn die Erde große und erhabene Dinge zum wirklichen, körperlichen Dasein bringen will, so bleibt ihr Streben immer irdisch, und sie kennt für Größe und Erhabenheit keine würdigere Gefährten, als irdische Schätze. So hat auch selbst die leblose Natur, recht im irdischen Sinne, die wunderbare Schönheit ihrer Gebirge noch mit dem unterirdischen Überflusse der kostbaren Metalle verschwenderisch belohnt, indes endlose Wüsteneien unter ihrer kargen Hand verschmachten.

Drum schweige, menschlicher Witz, und laßt euch bezaubern, ihr frommen Sinnen, von der erhaben-übermütigen Pracht. –

Aber ach! selbst dieses Wunder der Welt, wie verschwindet es in der kleinen Unendlichkeit der Dinge dieser Erde! – Es schrumpft zusammen, wenn das Auge sich eine kurze Spanne entfernt, und ist nicht da für alle übrige Welt. Ganze Weltteile haben nie davon gehört, und selbst Tausende, die es sehen, haben an wichtigere Dinge zu denken, und gehen gleichgültig vorüber.


 << zurück weiter >>