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Fünftes Kapitel. Besitzergreifung

Endlich also waren die Föderierten Herren von Jacksonville, mithin auch Herren über den Saint-John. Die vom Kommandanten Stevens herangeführten Landungstruppen besetzten sogleich die Hauptpunkte der Stadt. Die Revolutionsbehörden hatten die Flucht ergriffen. Als einziges von den Mitgliedern des Bürgerausschusses war ihnen Texar in die Hände gefallen. Der in Saint-Augustine stationierte Kommodore traf unterdes Anstalten, um die Einfuhr von Kriegskontrebande über Florida zu beseitigen. Die Kanäle des Moskito-Werders wurden gesperrt. Dadurch wurde dem lebhaften Handel mit Waffen und Schießbedarf, der mit den Lucayischen Inseln, den englischen Bahama-Inseln, getrieben wurde, die Lebensader abgeschnitten. Von Stund an befand sich also, wie man sagen konnte, Florida wieder unter Botmäßigkeit der Bundesregierung.

Noch am nämlichen Tage fuhren James und Gilbert Burbank, Herr Stannard und Fräulein Alice über den Saint-John nach Camdleß-Bai zurück.

Perry erwartete sie mit den übrigen Verwaltern und einer Anzahl von Schwarzen, die auf die Pflanzung zurückgekehrt waren, am Pier des kleinen Hafens. Mit welchem Jubel die Ankömmlinge begrüßt wurden, läßt sich denken. Im nächsten Augenblick standen sie am Krankenbett der Pflanzersfrau, die nun von allem Vorgefallenen in Kenntnis gesetzt wurde.

Der junge Offizier umarmte sie, Mars küßte ihr die Hände. Nun wollten sie nicht mehr von ihr weichen, und Alice sollte sie hüten und pflegen. So würde sie schnell wieder gesunden! von Texars Machinationen stände so wenig zu befürchten wie von Machinationen solcher, die er zu seinem Rachewerk gedungen hätte, seitdem er den Föderierten ausgeliefert worden sei und diese Jacksonville in Besitz genommen hätten.

Wenn nun aber Frau Burbank auch nicht mehr für den Gatten und für den Sohn zu zittern hatte, so gehörte doch all ihr Sinnen und Denken nunmehr ihrem verschwundenen Töchterchen. Und gleichwie sie ihr Kind vermißte, so vermißte Mars seine Frau.

»Wir werden sie wiederfinden!« rief James Burbank; »Mars und Gilbert werden uns auf unserer Suche begleiten.«

»Gewiß, Vater, gewiß! und ohne einen Tag zu verlieren,« versetzte der junge Leutnant.

»Da wir Texar in unsern Händen haben,« sagte James Burbank, »wird Texar auch reden müssen!«

»Und wenn er sich weigert?« fragte Herr Stannard – »wenn der Kerl behauptet, er habe bei der Entführung von Dy und Zermah die Hand nicht im Spiele?«

»Und wie sollte er das können?« rief Gilbert; »hat ihn nicht Zermah an der Marino-Krampe erkannt? Haben nicht Alice und Mama aus Zermahs Munde, in dem Augenblick als das Boot abstieß, den Namen Texar vernommen? Läßt sich daran zweifeln, daß er der Urheber des Raubes ist? daß er den Raub persönlich geleitet hat?«

»Er war es!« rief Frau Burbank, die im Bett emporfuhr, als wenn sie hinausspringen wollte.

»Ja!« ergänzte Alice, »ich habe ihn genau erkannt! er stand aufrecht hinten in dem Kahn, der nach der Flußmitte zu hielt!«

»Mag sein, daß er es war!« sagte hierauf Herr Stannard, »mag sein, daß kein Zweifel obliegt! wenn er sich aber weigert, anzugeben, wohin Dy und Zermah auf seinen Befehl geschleppt worden sind: wo sollen wir sie dann suchen? da wir doch die Ufer des Flusses schon auf eine Strecke von mehreren Meilen umsonst abgesucht haben?«

Aus diese klar gestellte Frage ließ sich keine Antwort geben. Alles war davon abhängig, was der Spanier sagen würde. Ob es sein Interesse sein würde zu sprechen? oder zu schweigen?

»Wo sich der Schurke für gewöhnlich aufhält, weiß man also nicht?« fragte Gilbert.

»Nein! man weiß es nicht und man hat's nie gewußt!« versetzte James Burbank; »gibt es doch im Süden der Grafschaft, soviel endlose Waldungen, soviel unzugängliches Marschland, daß er Verstecke über Verstecke finden könnte! Vergebens würde man dies ganze Landgebiet absuchen nach solchem Schufte! wird es doch nicht einmal den Föderierten möglich sein, die retirierende Miliz dort zu verfolgen!«

»Mein Kind muß ich wieder haben!« schrie Frau Burbank, und ihr Mann hatte Mühe, sie im Bett zu halten.

»Meine Frau!« rief nun auch Mars; »ich will sie wiederhaben und werde den Halunken schon soweit bringen, daß er den Mund auftut!«

»Gewiß,« pflichtete James Burbank bei, »sieht der Schurke, daß es ihm ans Leben geht und daß er sein Leben durch Sprechen retten kann, so wird er sich nicht besinnen, sondern wird sprechen! Drum vertraue, liebe Frau! wir werden dir dein Kind wieder zur Stelle schaffen!«

Frau Burbank war erschöpft auf ihr Bett zurückgesunken. Alice blieb bei ihr, während ihr Vater mit Burbank Vater und Sohn und Mars sich wieder in die Halle begaben, um dort mit Edward Garrel zu beraten, welche Maßnahmen nunmehr am besten zu treffen seien.

Man beschloß, bevor man aktiv vorging, den Bundestruppen Zeit zur Einrichtung in ihrem neuen Besitze zu lassen, dahingegen sollten Gilbert und Mars, wie es ihr Wille war, ihre Nachforschungen sofort beginnen.

Sie suchten umsonst. Von der Schwarzen Krampe wußte niemand etwas. Diese Lagune wurde für durchaus unzugänglich gehalten. Zu wiederholten Malen fuhren die beiden Männer an dem Gestrüpp vorbei, das ihr Ufer bildete, aber die schmale Einfahrt, in die ihr leichtes Boot bequem hätte gelangen können, entdeckten sie nicht.

Im Verlauf des 13. März ereignete sich nichts von Belang. In Camdleß-Bai vollzog sich allmählich die Wiedereinrichtung des Betriebes. Von allen Seiten her, aus den benachbarten Wäldern, wohin sie getrieben worden waren, kamen die Neger in Menge wieder. Wenn sie auch durch James Burbanks edelmütiges Vorgehen freie Männer geworden waren, so betrachteten sie sich durchaus nicht aller Verpflichtungen ihm gegenüber als ledig. Wenn sie auch seine Sklaven nicht mehr waren, so wollten sie doch als Arbeiter ihm dienen. Die von Texars Banditen zerstörten Baracken wurden wieder aufgebaut, die Werkstätten und Arbeitsplätze wieder in stand gesetzt, jeder kehrte wieder zurück zu der Arbeit, die ihm so viele Jahre lang Brot für die Seinen gegeben hatte.

Edward Carrol, so ziemlich wiederhergestellt, konnte ebenfalls die gewohnten Obliegenheiten erfüllen. Von seiten Perrys und seiner Unterbeamten wurde reger Eifer entfaltet. Sogar Pyg ließ sich, wenn er auch »keine Häuser einriß«, zur Arbeit nicht nötigen; der arme Tor hatte seine Ideen früherer Tage wesentlich eingedämmt. Wenn er sich auch nun als freier Mann ansah, so benahm er sich doch wie ein Mann mit platonischer Freiheit, der in gewaltiger Verlegenheit ist, die Freiheit zu nützen, zu deren Genuß er berechtigt ist. Kurz: als sich das ganze Personal wieder in Camdleß-Bai eingefunden hatte und die zerstörten Baulichkeiten wieder in stand gesetzt waren, nahm die Pflanzung langsam ihr gewohntes Aussehen wieder an. Gleichviel welchen Ausgang der Sezessionskrieg nahm: zu der Annahme, daß den bedeutenderen Pflanzern von Florida Existenz und Leben gesichert sei, lag aller Anlaß vor.

In Jacksonville wurde die Ordnung wiederhergestellt. Die Bundestruppen kümmerten sich um die städtischen Verwaltungsfragen nicht im geringsten; sie besetzten die Stadt nur militärisch, und zum Zeichen dessen wehte über den städtischen Gebäuden das Sternenbanner. Schon darum, weil die Mehrheit der Einwohner sich zu der Frage, welche die Vereinigten Staaten zur Zeit in zwei Kriegslager spaltete, ziemlich gleichgiltig stellte, fiel es ihr durchaus nicht schwer, sich der Partei, die den Sieg für sich hatte, unterzuordnen. Die Bundesfrage an sich sollte in den Distrikten Floridas auf keinen Widersacher stoßen. Man hatte – und das war mit ausschlaggebend, – die Empfindung, daß die der Bevölkerung der Südstaaten besonders wertvolle Doktrin der »Einzelstaatsrechte« hier, selbst im Falle daß die Bundesregierung ihre Truppen zurückziehen sollte, nicht mit der bei Separatisten sonst üblichen Schärfe aufrechterhalten werden würde.

Gilbert und Mars hatten inzwischen, wie gesagt, die Ufer und Werder des Flusses bis über Picolata hinaus umsonst abgesucht. Es blieb mithin nichts anderes mehr übrig, als unmittelbar auf Texar zu wirken. Seitdem sich die Gefängnistore hinter ihm geschlossen hatten, stand er in keinerlei Verkehr mehr mit seinen Helfershelfern. Hieraus folgte, daß sich die kleine Dy und Zermah noch immer dort befinden mußten, wo sie vor der Einnahme Jacksonvilles durch die Bundestruppen sich befunden hatten.

Zur Zeit war die Lage der Dinge in der Stadt so, daß der Gerechtigkeit gegen den Spanier, wenn er sich zu antworten weigerte, freier Lauf gelassen werden konnte. Immerhin ließ sich hoffen, daß er sich, statt es zum äußersten kommen zu lassen, unter der Bedingung, freigelassen zu werden, zu Geständnissen herbeilassen werde.

Am 14. gelangte man zu dem Beschlusse, der auch die Zustimmung der Militärbehörden fand, es zunächst im Guten mit dem Missetäter zu versuchen.

Frau Burbank war wieder bei Kräften. Die Wiederkehr ihres Sohnes, die Hoffnung, ihr anderes Kind bald wieder zu haben, die Ruhe, die im Lande wieder eingekehrt war, die Sicherheit, die der Pflanzung jetzt verbürgt war, solange wenigstens Kommodore Dupont und General Sherman in Florida am Ruder blieben, – dies alles hatte zusammengewirkt, ihr die abhanden gekommenen sittlichen Kräfte in gewissem Maße wiederzugeben.

Burbank Vater und Sohn sollten sich noch am nämlichen Tage, aber allein, nach Jacksonville begeben, Carrol, Stannard und Mars auf der Pflanzung zurückbleiben, Fräulein Alice sollte nicht von Frau Burbank weichen. Der junge Offizier rechnete gleich seinem Vater übrigens darauf, noch vor Sonnenuntergang wieder in Castle-House zu sein und frohe Nachricht mitzubringen. Sobald Texar den Ort genannt hätte, wo Dy und Zermah festgehalten würden, sollten die notwendigen Schritte zu ihrer Befreiung unternommen werden. Dazu würden dann ein paar Stunden, höchstens eine Tagesfrist, von nöten sein.

Als Burbank Vater und Sohn sich anschickten, die Pflanzung zu verlassen, zog Alice den letzteren beiseite.

»Gilbert,« sprach sie zu dem jungen Offizier, »du sollst dem Manne gegenübertreten, der deiner Familie so schweres Herzeleid angetan hat, dem Schurken, der deinen Vater und dich in den Tod schicken wollte! – Gilbert! versprich mir, dich nicht zu vergessen!«

»Ich mich nicht vergessen!« rief Gilbert, dem die Wut, als er den Namen des Spaniers hörte, alles Blut aus den Wangen trieb.

»Es darf nicht sein!« sprach Alice weiter; »denn wolltest du deinem Zorn den Lauf lassen, so würdest du nichts erreichen! Vergiß die Rache und halte dir bloß eins im Auge: das Heil deiner Schwester! – die ja bald meine Schwester sein wird! Diesem Gedanken mußt du alles zum Opfer bringen – und selbst wenn du Texar versprechen müßtest, daß er auch für die Zukunft nichts von dir zu fürchten haben soll!«

»Ich soll vergessen,« rief Gilbert, »daß meine Mutter durch ihn den Tod finden konnte – daß mein Vater durch ihn den Tod finden sollte!«

»Auch du, Gilbert!« erwiderte Alice; »denn auch dich glaubte ich nicht wiedersehen zu sollen! Ja, Gilbert! dies alles hat er verübt! und doch dürfen wir jetzt hieran nicht denken! – Ich sage dir das, weil ich fürchte, daß dein Vater sich nicht wird beherrschen können – daß Euer Weg umsonst sein möge, wenn auch du dich nicht solltest beherrschen können! Ach, warum ist bloß beschlossen worden, mich nicht mit nach Jacksonville zu nehmen! – wer weiß! ich hätte vielleicht durch Milde erreicht, was –«

»Und wenn der Kerl mit der Sprache nicht heraus will!« rief Gilbert, der recht wohl fühlte, wie richtig des Mädchens Bemerkungen waren.

»Wenn er nichts sagen will, dann muß es der Obrigkeit überlassen bleiben, ihn zu zwingen. Wenn er sehen wird, daß er sein Leben nur erhalten kann, dadurch, daß er Euch sagt, was Ihr wissen wollt, so wird er schon sprechen! Gilbert, ich muß dein Versprechen haben! um unserer Liebe willen, Gilbert, gib es mir!«

»Ja, Herzens-Alice! du sollst es haben!« entgegnete Gilbert; »mag der Kerl sonst was verbrochen haben: wenn er uns meine Schwester wiedergibt, will ich alles vergessen!«

»Recht so, Gilbert! wir haben furchtbare Prüfungen erlitten, aber sie werden vorübergehen! – Diesen traurigen Tagen wird der liebe Gott Jahre des Glücks folgen lassen –«

Gilbert hatte seiner Braut, die ein paar Tränen nicht hatte zurückhalten können, die Hand gedrückt; dann schieden sie voneinander.

Um zehn Uhr stiegen Burbank Vater und Sohn, nachdem sie Abschied von ihren Freunden genommen hatten, in dem kleinen Hafen von Camdleß-Bai ins Boot.

Die Fahrt über den Fluß ging schnell von statten. Wer zufolge einer Bemerkung von Gilbert manövrierte das Boot, statt sich nach Jacksonville zu begeben, so, daß es beim Flaggschiff des Kommandanten anlegte.

Kommandant Stevens galt jetzt als militärisches Oberhaupt der Stadt; es schickte sich also, ihm James Burbanks Angelegenheit vorzutragen. Er stand in regem Verkehr mit den städtischen Behörden. Es war ihm recht gut bekannt, welche Rolle Texar in der Stadt gespielt hatte, als seine Anhänger zur Gewalt gelangt waren, ebenso auch, daß sich eine starke Stimmung jetzt gegen ihn geltend machte und daß der bessere Teil der städtischen Bürger eine strenge Ahndung der von ihm verübten Missetaten forderte.

Kommandant Stevens hieß James und Gilbert Burbank aufrichtig willkommen. Er fühlte für den jungen Offizier all die Wertschätzung, die dessen Charakter und Mut verdienten; und sobald Mars sich wieder an Bord der Flottille eingefunden hatte mit der Nachricht, daß Gilbert in die Hände der Südstaatler gefallen sei, hatte er alles zu seiner Rettung aufgeboten, was in seinen Kräften stand.

Gilbert berichtete dem Kommandanten über die Vorgänge; im großen und ganzen waren seine Mitteilungen nichts weiter als die Bestätigung der schon von Mars gemachten Meldung. Der Kommandant erkannte ohne weiteres an, daß Burbank Vater und Sohn in diesem Falle frei handeln müßten, je nachdem es die Umstände geböten einem Schurken gegenüber, der zweifellos allein über den Verbleib des Kindes und der Mestizin Aufschluß geben könne. Er hieß auch alle Maßnahmen im voraus gut, die von den beiden Männern gegen den Spanier ergriffen werden würden, und autorisierte sie, demselben, wenn sie auf keine andere Weise von ihm die Wahrheit erfahren könnten, sogar die Entlassung aus der Haft und Straflosigkeit zu versprechen. Auch übernahm er ohne weiteres den städtischen Behörden gegenüber für diesen letzteren Fall volle Verantwortung.

Burbank Vater und Sohn sprachen dem Kommandanten für sein Entgegenkommen ihren Dank aus und begaben sich zum Hafen, wo sie den inzwischen benachrichtigten Herrn Harvey trafen. Hierauf begaben sich alle drei in den Justizpalast, wo der Befehl, sie in das Gefängnis zu führen, schon eingetroffen war.

Im anderen Augenblicke standen sie dem Gefangenen gegenüber.

»Ach! der Vater mit dem Sohne!« rief Texar in jenem unverschämten Tone, der ihm zur Gewohnheit geworden war. »Ei, ei! da bin ich ja den Herren Föderierten zu vielem Dank verbunden! Ohne sie wäre mir die Ehre Ihres Besuchs, meine Herren, wohl kaum zuteil geworden! die Gnade, um die Sie nicht mehr zu betteln brauchen, wollen Sie mir jetzt jedenfalls spenden?«

Sein Ton war so herausfordernd, daß James Burbank Mühe hatte, an sich zu halten. Sein Sohn legte ihm Mäßigung auf.

»Vater,« sagte er, »laß mich antworten! Texar will uns auf einen Boden locken, wohin wir ihm nicht folgen können, auf den Boden der Sündenregister. Auf die Vergangenheit zurückzugreifen ist müßig. Bloß mit der Gegenwart haben wir uns zu befassen.«

»Mit der Gegenwart,« rief Texar, »oder vielmehr mit der gegenwärtigen Lage! Aber es kommt mir so vor, als läge dieselbe durchaus klar. Drei Tage lang habt Ihr beide in der Zelle hier gesessen und solltet sie bloß verlassen zu Eurem letzten Gange! Heute bin ich an Eurer Stelle, und fühle mich hier weit fideler, als Ihr Euch schließlich denken mögt!«

Diese Erwiderung war ganz danach beschaffen, James Burbank und seinen Sohn aus der Fassung zu bringen, da sie darauf bauten, Texar gegen das über dem Kindesraub schwebende Geheimnis seine Freiheit zu bieten.

»Texar,« nahm Gilbert das Wort, »hören Sie mir zu! wir wollen frei und offen mit Ihnen verhandeln. Was Sie in Jacksonville getrieben haben, geht uns nichts an. Was Sie in Camdleß-Bai verübt haben, wollen wir vergessen. Uns interessiert bloß ein Punkt: meine Schwester und Zermah sind verschwunden, während Ihre Parteigänger die Pflanzung verwüsteten. Es steht fest, daß beide geraubt worden sind –«

»Geraubt?« wiederholte Texar hämisch – »ha! das ist Wonne für meine Ohren!«

»Wonne für Eure Ohren?« rief James Burbank; »Ihr leugnet, Schurke? Ihr erfrecht Euch zu leugnen?«

»Vater,« wandte der junge Offizier ein; »bewahren wir unsere Kaltblütigkeit! – es muß sein! Jawohl, Texar, dieser zweifache Raub ist während des Angriffs auf die Pflanzung verübt worden. – Geben Sie zu, Urheber desselben zu sein?«

»Ich habe hierauf keine Antwort.«

»Verweigern Sie uns die Auskunft, wohin meine Schwester mit Zermah auf Ihren Befehl geschafft worden ist?«

»Ich wiederhole, daß ich hierauf keine Antwort habe.«

»Auch dann nicht, wenn wir Ihnen im Austausch hiergegen die Freiheit bieten?«

»Ich brauche Sie nicht, um frei zu werden.«

»Und wer wird Ihnen die Tore dieses Kerkers öffnen?« rief James Burbank, der über solches Maß von Unverschämtheit außer sich geriet.

»Die Richter werden es tun, die ich fordere.«

»Richter! – die werden Sie ohne Gnade verurteilen!«

»Ich werde dann schon allein wissen, was ich zu tun habe.«

»Sie verweigern uns also Antwort?« fragte Gilbert zum letzten Male.

»Ja.«

»Auch wenn wir Ihnen Geld und Gut bieten?«

»Ich mag kein Geld von Ihnen. – Lassen Sie mich nun allein!«

Durch solche Sicherheit fühlten sich James und Gilbert Burbank, wie nicht geleugnet werden kann, aus dem Sattel gehoben. Worauf fußte diese Sicherheit? wie konnte Texar den Mut finden, es auf ein Urteil ankommen zu lassen, das nicht anders als auf die schlimmste Strafe lauten konnte? Weder das Angebot persönlicher Freiheit, noch das Angebot von Geld und Gut hatten ihm eine Antwort entwinden können! War es unausrottbarer Haß, der ihn alles Selbstinteresse außer acht setzen ließ? Nach wie vor die unentzifferbare Persönlichkeit, die selbst angesichts der furchtbarsten Möglichkeiten ihre bisherige Natur nicht ableugnen wollte!

»Komm, Vater! komm!« sprach der junge Offizier und zog James Burbank aus dem Gefängnisse. Am Tore trafen sie Herrn Harvey wieder, und alle drei begaben sich zum Kommandanten Stevens, um ihm über den Mißerfolg ihres Vorhabens zu berichten.

Es war gerade an Bord des Flaggschiffs eine Proklamation des Kommodore Dupont eingetroffen, die sich an die Bewohner von Jacksonville richtete und in welcher verkündigt wurde, daß niemand um seiner politischen Anschauungen willen Verfolgung zu gewärtigen hätte, auch nicht um etwaiger Teilnahme willen an Vorgängen zur Rechenschaft gezogen werden solle, die in dem Widerstande Floridas gegen die Unionsstaaten seit Beginn des Bürgerkriegs ihre Quelle gefunden hätten.

Diese an sich höchst weise Verfügung, die in solchen Fällen vom Bundespräsidenten Lincoln immer erlassen wurde, konnte offenbar auf Privathandlungen keine Anwendung finden: und unter diese Rubrik fiel ohne Frage der Fall Texar! Daß er den gesetzmäßigen Behörden die Macht entrissen und sich angeeignet hatte, daß er als Usurpator den Widerstand gegen die gesetzliche Gewalt organisiert hatte, war eine Angelegenheit, welche die Südstaatler unter sich abmachen mochten, mit der sich die Bundesregierung nicht zu befassen brauchte. Die Attentate hingegen auf Personen, der gegen einen Nordstaatler gerichtete Ueberfall von Camdleß-Bai, die Zerstörung von dessen Besitztum, der Raub eines Kindes und einer zu dessen Dienstpersonal gehörigen Frau waren Verbrechen, die unter das gemeine Recht fielen, denen gegenüber die Gerechtigkeit freien Lauf behalten mußte.

Diese Anschauung vertrat Kommandant Stevens und ebenso Kommodore Dupont, als James Burbank gegen den Spanier im Wege der Klage vorging.

Am nächsten Tage, dem 15. März, wurde Texar wegen Plünderung und Menschenraubes unter Anklage gestellt und nach St. Augustine abgeführt. Dort tagte das Kriegsgericht, von welchem der Prozeß gegen ihn geführt wurde.


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