Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zehntes Capitel.
Noch einige Auszüge

Waterlow-Spring ist weder ein Dorf noch eine Ortschaft ... einige Hütten der Eingebornen, die in dieser Zeit leer waren, weiter nichts. Die Nomaden halten sich dort nur um die Jahreszeit auf, wo die Regengüsse die Gewässer jener Gegend speisen, was ihnen erlaubt, dort einige Zeit zu bleiben. Waterlow rechtfertigt durchaus nicht den zweiten Theil seines Namens, nämlich »Spring« (Quelle), der gewöhnlich allen Ortschaftsnamen der Wüste beigesetzt ist. Nirgends ist eine Quelle zu sehen, wenigstens nicht an der Oberfläche; während in der Sahara mit ihrem frischen Rasen, ihren schattigen Bäumen und fließenden Gewässern solche Quellen hin und wieder vorkommen, würde man solche in der australischen Wüste vergebens suchen.

In dieser Weise ist das Tagebuch der Mrs. Branican geschrieben, aus welchem noch einige Auszüge gegeben werden sollen, denn sie lassen besser als die genaueste Beschreibung die Beschaffenheit des Landes erkennen und alle die furchtbaren Qualen verstehen, welche die Reisenden dort zu erdulden hatten. Wir werden auch die moralische Kraft, die unbezwingliche Energie der Verfasserin ebenso erkennen, wie ihren festen Entschluß, das Ziel zu erreichen, mochten die Opfer noch so groß sein.

— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

30. December. Wir müssen uns in Waterlow-Spring achtundvierzig Stunden aufhalten, worüber ich trostlos bin, wenn ich an die Entfernung denke, die uns noch von dem Thale des Fitz-Roy trennt. Und weiß man, ob wir den Stamm der Indas nicht noch jenseits dieses Thales suchen müssen? Mag sich seit dem Tage, wo Harry Felton ihn verlassen hat, die Lage Johns verändert haben? ... Werden die Eingebornen nicht an ihm Rache genommen haben, weil sein Gefährte geflohen ist? ... Ich darf an so etwas nicht denken! ...

Dieser Gedanke würde mich tödten!

Zach Fren versucht mich zu beruhigen:

»Da der Capitän John und Harry Felton bei diesen Indas seit so viel Jahren gefangen gehalten wurden, sagte er zu mir, so haben sie auch ein Interesse daran, sie am Leben zu erhalten. Die Eingebornen haben in diesem Weißen einen werthvollen Häuptling erkannt, und sie warten nur auf eine Gelegenheit, wo sie ihn gegen ein hohes Lösegeld ausliefern können. Nach meiner Ansicht hat die Flucht Harry Felton's die Lage des Capitän John nicht verschlechtert.«

Wolle Gott, daß dem so wäre.

— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

31. December. Heute geht das Jahr 1890 zu Ende, und somit sind es fünfzehn Jahre, daß der »Franklin« den Hafen von San-Diego verlassen hat ... Fünfzehn Jahre! ... Erst seit vier Monaten hat unsere Karawane Adelaide verlassen! Wie wird dieses Jahr für uns enden, das in der Wüste beginnt!

— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

1. Januar. Meine Gefährten wollten diesen Tag nicht vorübergehen lassen, mir ein »Glückliches Neues Jahr« zu wünschen. Meine liebe Jane umarmte mich tiefgerührt und ich hielt sie lange in meinen Armen. Zach Fren und Tom Marix drückten mir die Hand. Ich weiß, daß ich in ihnen zwei Freunde habe, die für mich in den Tod gehen würden. Alle Leute drängten sich an mich heran und brachten mir ihre Glückwünsche dar. Ich sage Alle, mit Ausnahme der Schwarzen der Escorte, deren Unzufriedenheit sich bei jeder Gelegenheit zeigte. Es ist klar, Tom Marix hält sie nur mit Mühe in Ordnung.

Len Burker sprach zu mir in seinem gewöhnlichen Tone, indem er mir versicherte, daß unsere Unternehmung Erfolg haben werde, doch es fragt sich, ob es gut ist, wenn wir den Weg zu dem Flusse Fitz-Roy einschlagen. Die Indas sind nach seiner Meinung Nomaden, welche man häufiger in den benachbarten Gegenden von Queensland, d. h. im Osten des Continentes, findet. »Es ist wahr, sagte er, daß wir uns an jenen Ort begeben, wo Harry Felton seinen Capitän zurückgelassen hat ... Aber wer kann wissen, ob die Indas nicht ihre Plätze verlassen haben ...« u. s. w.

Diese Worte wurden in jenem Tone gesagt, welcher kein Vertrauen einflößt, jenem Tone, den manche Leute anschlagen, ohne einen beim Sprechen anzusehen. Aber Godfreys Aufmerksamkeit hat mich am meisten gerührt. Er hatte ein Bouquet aus jenen kleinen Blumen gebunden, die zwischen den Grashalmen wachsen, und bot es mir mit so zärtlichen Worten an, daß ich darüber ganz gerührt war und weinen mußte, als ich ihn umarmte und seine Küsse den meinigen antworteten ... Warum erinnerte ich mich wieder, daß mein kleiner Wat so alt ... so gut wie er sein würde!

Jane war auch dabei ... Sie war gerührt und auffallend bleich ... Ich dachte, daß sie ohnmächtig werden würde, aber sie konnte sich beherrschen und ihr Mann führte sie weg ... ich wagte nicht, sie zurückzuhalten.

Wir setzten an diesem Tage bei trübem Wetter um vier Uhr Nachmittags unseren Weg fort. Die Hitze war ein wenig erträglicher, und alle Kameele, Reit- wie Lastthiere, hatten sich von ihrer Ermüdung erholt und schritten kräftig dahin. Man mußte sie sogar zurückhalten, damit die Leute, die zu Fuß gingen, ihnen folgen konnten.

— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

15. Januar. Während einiger Tage haben wir einen ziemlich großen Weg zurückgelegt. Zwei- oder dreimal regnete es noch reichlich, wir litten keinen Durst und ergänzten unsere Vorräthe vollständig. Die Wasserfrage ist die ernsteste und auch die erschreckendste, wenn es sich um eine Reise in der Wüste handelt, denn sie verlangt eine beständige Fürsorge. In der That scheinen sehr wenig Cisternen auf den Wegen, die wir nehmen, zu sein. Der Oberst Warburton machte dieselbe Erfahrung auf seiner Reise, welche an der westlichen Küste von Tasmanien endigte.

Wir leben jetzt nur von unseren Vorräthen, denn das Wild hat diese traurigen Einöden geflohen. Kaum sieht man einige Tauben, denen man sich nicht nähern kann. Sie ruhen nach langem Fluge zwischen dem Grase aus, wenn ihre Flügel nicht mehr die Kraft haben, sie zu halten. Nichtsdestoweniger haben wir noch Vorräthe für mehrere Monate und ich kann nach dieser Richtung vollständig beruhigt sein. Zach Fren achtet mit großer Sorgfalt darauf, daß Fleisch, Conserven, Thee, Mehl, Kaffee regelmäßig und in der festgesetzten Menge vertheilt werden. Wir selbst sind diesem Gesetze unterworfen und Niemand bildet eine Ausnahme. Die Schwarzen haben keine Ursache sich zu beklagen, und wir werden nicht besser behandelt wie sie. Hin und wieder fliegen einige verirrte Sperlinge über die Oberfläche dieser Gegenden dahin, aber sie sind nicht werth, daß man sich die Mühe nimmt, sie zu jagen.

Immer bereiteten uns Hunderttausende von weißen Ameisen während der Raststunden große Schmerzen, aber von den Mosquitos blieben wir, da das Land zu trocken war, verschont. »Wir werden sie an feuchten Stellen wiederfinden«, bemerkte Tom Marix. Nun, wir wollen gerne ihre Bisse ertragen, wenigstens stoßen wir wieder auf Wasser.

Wir erreichten am 23. Januar Mary-Spring, neunzig Meilen von Waterlow entfernt.

Eine Gruppe magerer Bäume, halb verwelkt, steht an diesem Orte.

»Ihre Blätter hängen wie durstige Zungen herunter,« sagte Godfrey.

Dieser Vergleich ist ganz richtig.

Ich bemerke, daß dieser Bursche nichts von der Heiterkeit seines Alters verloren hat. Seine Gesundheit läßt nichts zu wünschen übrig, worüber ich sehr beruhigt bin, denn er ist in einem Alter wo die jungen Leute schnell wachsen und kräftiger Nahrung bedürfen. Diese unglaubliche Aehnlichkeit verwirrt mich manchmal ... Ganz derselbe Blick, wenn er mich ansieht, derselbe Ton seiner Stimme ... er nennt die Dinge und drückt seine Gedanken geradeso aus, wie mein armer John.

Eines Tages machte ich Len Burker auf diese Eigenthümlichkeiten aufmerksam.

»Nein, Dolly, antwortete er, das ist eine reine Sinnestäuschung. Ich gestehe, daß ich über die Aehnlichkeit gar nicht erstaunt bin, die nach meiner Meinung nur in Ihrer Einbildung existirt. Nun, da liegt weiter nichts daran, wenn Sie aus diesem Grunde für den Burschen ein so großes Interesse haben.

– Nein, Len, antwortete ich, denn ich fühle mich blos deshalb zu Godfrey hingezogen, weil er sich für das einzige Ziel meines Lebens so begeisterte ... John wiederzufinden und zu retten. Er bat mich inständigst, ihn mitzunehmen, und gerührt von diesen Bitten, willigte ich ein. Und dann ist er ja eines meiner Waisenkinder in San-Diego, die im Wat-House erzogen wurden ... Godfrey ist wie ein Bruder meines kleinen Wat ...

– Ich weiß, ich weiß, Dolly, erwiderte Len Burker, und ich verstehe Sie auch bis zu einem gewissen Grade. Wolle der Himmel, Sie möchten nie eine That bereuen, wo mehr Ihre Einbildungskraft als Ihre Vernunft im Spiele ist.

– Ich höre Sie nicht gern so sprechen, Len Burker, erwiderte ich lebhaft. Solche Bemerkungen verletzen mich. Was haben Sie gegen Godfrey?

– O nichts ... nichts bis jetzt. Aber wer weiß ... später ... könnte er vielleicht Ihre Güte ein wenig zu sehr mißbrauchen ... Ein Findelkind ... Man weiß nicht, woher es kommt ... woher es ist ... welches Blut in seinen Adern fließt ...

– Das Blut braver, ehrlicher Leute, dafür bürge ich, rief ich aus. An Bord des »Brisbane« hatten ihn Alle gern, Vorgesetzte wie Kameraden, und wie mir der Capitän selbst sagte, erhielt Godfrey noch nie einen Tadel! Zach Fren, der sich auf Menschen versteht, schätzt ihn ebenso wie ich! Sagen Sie mir also Len Burker, was Sie gegen diesen Knaben haben?

– Ich ... Dolly! ... Ich liebe ihn und liebe ihn auch nicht ... Er ist mir vollständig gleichgiltig ... Was meine Freundschaft anbelangt, so gebe ich sie eben nicht dem ersten Besten, und ich denke nur an John, ihn den Eingebornen zu entreißen ...«

Wenn Len Burker mir durch diese Worte eine Lehre geben wollte, so beachte ich sie nicht. Ich werde meinen Gatten nicht um dieses Kindes willen vergessen, aber der Gedanke macht mich glücklich, daß Godfrey seine Anstrengungen mit den meinigen vereinigt. Ich bin fest überzeugt, daß John Alles billigen wird, was ich gethan habe, und ich rechne auch für die Zukunft auf diesen jungen Mann.

Als ich Jane dieses Gespräch mittheilte, schlug sie die Augen nieder und gab keine Antwort.

In Zukunft werde ich schweigen, denn Jane will und kann Len Burker nicht Unrecht geben. Ich verstehe diese Zurückhaltung, es ist ihre Pflicht.

— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

29. Januar. Wir sind an den Ufern eines kleinen Sees angelangt, den Tom Marix für den White-Lake hält. Er rechtfertigt auch seinen Namen »Weißer See«, denn an Stelle des Wassers, das verdunstet ist, befindet sich da eine dicke Salzkruste, die bis auf den Grund geht. Dieser See ist noch ein Rest jenes großen Binnenmeeres, das ehemals Australien in zwei große Inseln theilte.

Zach Fren ergänzte unsere Salzvorräthe; hätten wir lieber trinkbares Wasser gefunden!

In der Umgebung sind eine Menge Ratten, die kleiner sind wie die gewöhnlichen, vor denen wir aber sehr auf der Hut sein müssen, weil sie wegen ihrer Gefräßigkeit Alles benagen, was man unbeachtet stehen läßt.

Uebrigens fanden die Schwarzen, daß diese Thiere ein gar nicht so übles Wildpret liefern. Sie fingen daher einige Dutzend, zogen sie ab, brieten sie dann und ergötzten sich an diesem ekelhaften Fleische. Wir müßten wohl schon gar keine Lebensmittel mehr haben, wenn wir diese Thiere essen sollten. Gebe Gott, daß wir nie auf solches Fleisch angewiesen seien!

Nun sind wir an der Grenze der Wüste, welche man unter dem Namen der »Great-Sandy-Desert« versteht.

Während der letzten zwanzig Meilen veränderte sich allmählich das Terrain. Die Gräser sind weniger dicht, und diese mageren Pflanzen sind ganz im Verschwinden begriffen. Ist denn der Boden so trocken, daß er kaum dieser so anspruchslosen Vegetation entspricht? Niemand würde es für möglich halten, der nicht diese ungeheure, sandige Wüste sähe. Es muß daher in diesen Gegenden, die von den Sonnenstrahlen förmlich verzehrt werden, gar nicht regnen, nicht einmal im Winter.

Vor dieser fürchterlichen Trockenheit und Einöde konnte sich Keiner von uns eines gewissen ängstlichen Gefühles erwehren. Tom Marix zeigte mir diese öden Gegenden auf der Karte. Ein weißer Fleck, den die Reisenden Giles und Gibson durchschnitten. Gegen Norden zeigt die Linie, welche den Weg des Obersten Warburton angiebt, deutlich die Unsicherheit und die Umwege, welche er machen mußte, um Wasser zu finden. Da sind seine kranken, hungrigen Leute am Ende ihrer Kräfte ... Dort fallen seine Thiere um ... stirbt sein Sohn ... Besser ist es, wir lesen seinen Reisebericht nicht ... Die Kühnsten würden zu entsetzt zurückweichen ... Aber ich habe ihn gelesen und ... ich lese ihn wieder ... Ich lasse mich nicht in Schrecken setzen ... Den Gefahren, denen dieser Reisende zur Erforschung unbekannter Strecken Australiens getrotzt hat, werde auch ich trotzen, um John aufzufinden ... Das ist das einzige Ziel meines Lebens, und ich werde es erreichen.

»Schlagen Sie nicht die Kameele ...«

— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

3. Februar. Seit fünf Tagen müssen wir unseren Marsch um die Hälfte verringern ... nichts ist bedauerlicher. Unsere Karawane, welche durch Terrainschwierigkeiten aufgehalten wird, ist unfähig, geradeaus zu marschiren. Der Boden ist manchmal zerklüftet, so daß wir oft absteigen müssen. An einigen Orten sind Dünen, welche die Kameele umgehen müssen; manchmal erheben sich die Sandhügel bis zu einer Höhe von hundert Fuß, welche wiederum Thäler von sechshundert bis siebenhundert Fuß Breite trennen. Da die Leute tief in den Sand einsinken, so wird der Marsch immer beschwerlicher.

Zach Fren ergänzte unsere Salzvorräthe.

Die Hitze ist erstickend, und man kann sich nicht vorstellen, mit welcher Gluth die Sonne ihre Strahlen herabsendet. Es sind förmliche Feuerpfeile, die an tausend Stellen den Körper durchdringen. Jane und ich konnten kaum in unserer Kibitka bleiben. Was mußten erst unsere Gefährten von Früh bis Abends leiden! Zach Fren, der doch so kräftig ist, wird müde, aber er hat nichts von seinem guten Humor verloren. Dieser treue Freund, dessen Leben mit dem meinigen so verknüpft ist! Jos Meritt erträgt diese Strapazen mit einer Seelenruhe und einem Widerstande, um welche er zu beneiden ist; sein Diener, der weniger geduldig ist, klagt, ohne daß es ihm gelingt, seinen Herrn zu rühren. Wenn man bedenkt, daß dieser Mensch solche Strapazen um eines Hutes willen erträgt!

»Gut! ... O! ... Sehr gut! antwortet er, wenn man ihm das sagt; aber welch seltener Hut! ...

– Ein alter Komödiantenhut!« murmelte Zach Fren, indem er mit den Achseln zuckte.

Zwischen acht und vier Uhr ist es unmöglich, einen Schritt zu thun. Man lagert sich gleich hin, wo man steht, man schlägt ein oder zwei Zelte auf. Die Leute, Weiße und Schwarze, strecken sich, wenn sie es können, im Schatten der Kameele aus. Aber was erschreckend ist – das Wasser geht aus; was soll aus uns werden, wenn wir nur auf ausgetrocknete Brunnen stoßen? Ich fühle, daß Tom Marix außerordentlich unruhig ist, obgleich er mir seine Angst zu verbergen sucht. Er hat Unrecht, es wäre besser, er würde mir nichts verhehlen. Ich kann Alles hören und ich werde nicht schwach werden ...

— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

14. Februar. Elf Tage sind verflossen und nur an zweien hat es geregnet. Wir waren nicht im Stande, unsere Fäßchen zu füllen; weder konnten die Menschen ihren Durst löschen, noch die Thiere genügenden Wasservorrath zu sich nehmen; wir sind in Emily-Spring angekommen, wo die Quelle ganz ausgetrocknet ist. Unsere Thiere sind erschöpft, Jos Meritt weiß nicht mehr, welche Mittel er ergreifen soll, um sein Kameel weiter zu bringen. Er schlug es nicht, sondern suchte ihm von einer anderen Seite beizukommen. Ich hörte ihn sagen:

»Armes Thier, wenn Du auch leidest, so hast Du wenigstens keinen Kummer.«

Das Thier schien diese Auszeichnung nicht zu verstehen. Wir setzten unseren Weg fort mit größerer Unruhe als sonst. Zwei Thiere sind krank, sie schleppen sich kaum weiter und werden wohl die Reise nicht fortsetzen können. Die Lebensmittel, welche diese Thiere trugen, wurden auf ein Reitkameel gelegt, das einem der Leute von der Escorte genommen wurde.

Seien wir glücklich, daß das männliche Kameel, worauf Tom Marix sitzt, noch kräftig ist, denn ohne dieses Thier würden auch die anderen erlahmen und nichts könnte sie dann weiter bringen!

Die armen kranken Thiere mußten getödtet werden, denn sie verhungern, verdursten, oder als Beute eines langen Todeskampfes zu lassen, wäre unmenschlich gewesen. Besser man macht ihren Leiden durch einen Schuß ein Ende!

Die Karawane zieht weiter und umgeht einen Sandhügel ... zwei Schüsse ertönen ... Tom Marix kommt wieder zu uns und der Marsch wird fortgesetzt. Der Zustand zweier unserer Leute macht mir sehr viel Sorge, sie haben das Fieber, und wir sparen keine Arznei aus unserer Apotheke. Aber ein brennender Durst verzehrt sie, unsere Wasservorräthe sind weg und nichts zeigt uns an, daß wir in der Nähe von Cisternen sind.

Die Kranken liegen auf dem Rücken eines Kameels ausgestreckt, das ihre Gefährten führen. Man kann Menschen nicht zurücklassen, wie man Thiere zurückläßt. Wir werden sie pflegen, das ist unsere Pflicht ... aber die furchtbare Hitze reibt sie allmählich auf.

Tom Marix, der die Schrecken der Wüste gewohnt ist und seine reichen Erfahrungen oft bei der Pflege von Provinzpolizisten verwendet hat, weiß keinen Rath mehr ... Wasser! ... Wasser! ... Das verlangen wir von den Wolken, weil es uns der Boden unmöglich geben kann.

Die Schwarzen ertragen am Besten die Strapazen und scheinen nicht sehr unter der furchtbaren Hitze zu leiden. Wenn sie auch weniger zu erdulden haben, so wächst doch ihre Unzufriedenheit von Tag zu Tag. Die Unwilligsten flüstern während der Rast miteinander, und Alles deutet auf eine Empörung hin.

Am 21. verweigerten alle gemeinschaftlich, den Weg nach Nordwesten fortzusetzen, weil sie vor Durst dem Tode nahe wären. Ach! Wie haben sie Recht! Seit zwölf Stunden ist kein Tropfen Wasser mehr in unseren Fässern; wir müssen Branntwein trinken, dessen Wirkungen schlimm sind.

Ich mußte persönlich unter die aufrührerischen Schwarzen treten, denn es handelte sich darum, es ihnen verständlich zu machen, daß ein Aufenthalt unter solchen Umständen ihre Leiden nicht beenden würde.

»Wir wollen, erwiderte einer von ihnen, den Rückweg einschlagen.

– Zurück? ... und bis wohin?

– Bis nach Mary-Spring.

– In Mary-Spring ist auch kein Wasser, erwiderte ich, und das wißt Ihr sehr gut.

– Wenn in Mary-Spring auch kein Wasser ist, so werden wir es ein wenig weiter finden auf der Seite des Wilson-Berges.«

Ich sah Tom Marix an, welcher die Karte unserer Wüste brachte; wir schauen nach und sehen wirklich nördlich von Mary-Spring einen ziemlich großen Fluß, der vielleicht noch nicht ausgetrocknet war. Er hieß Sturt-Creek. Wie konnte der Eingeborne eine Kenntniß von diesem Flusse haben? Ich fragte ihn; er zögerte zuerst und antwortete schließlich, daß Herr Burker es ihnen gesagt habe. Er ist es auch, der ihnen den Vorschlag gemacht habe, dorthin zu ziehen. Ich war wirklich entrüstet über die Unvorsichtigkeit Len Burker's, einen Theil der Escorte aufzuhetzen, nach Osten zu ziehen. Es würde daraus nicht nur eine Verzögerung, sondern eine bedeutende Abweichung unserer Reise nach dem Flusse Fitz-Roy eintreten.

Ich stellte ihn sofort zur Rede.

»Was wollen Sie, Dolly, besser ist es, wir setzen uns Verzögerungen aus oder Abänderungen, als daß wir auf einem Wege weiter ziehen, wo kein Wasser zu finden ist.

– In jedem Falle, Herr Burker, sagte Zach Fren erregt, gehört es sich, daß Sie Ihre Meinung darüber Mrs. Branican und nicht den Eingebornen mittheilen.

– Sie verkehren mit unseren Schwarzen auf solche Weise, fügte Tom Marix dazu, daß ich sie nicht mehr halten kann. Bin ich ihr Chef oder sind Sie es, Herr Burker?

– Ich finde Ihre Bemerkungen unpassend, erwiderte Burker.

– Unpassend oder nicht, sie sind durch Ihr Benehmen vollständig gerechtfertigt.

– Es hat mir hier Niemand zu befehlen, außer Mrs. Branican ...

– Gut, Len Burker, versetzte ich, wenn Sie künftighin etwas zu sagen haben, so bitte ich, sich an mich zu wenden und nicht an Andere.

– Mrs. Dolly, sagte dann Godfrey, soll ich nicht vorausreiten, um nach einer Cisterne zu suchen? ... Ich werde schließlich doch eine finden.

– Cisternen ohne Wasser«, sagte Len Burker leise, der sich mit einem Achselzucken entfernte.

Ich kann mir lebhaft vorstellen, was Jane, die dieser peinlichen Scene auch beiwohnte, leiden mußte. Das Benehmen ihres Gatten kann für uns von den schlimmsten Folgen sein. Ich mußte mich mit Tom Marix vereinigen, um von den Schwarzen zu erlangen, daß sie nicht mehr auf den Rückzug bestanden. Es gelang uns ohne Mühe. Aber sie erklärten, wenn wir binnen vierundzwanzig Stunden kein Wasser fänden, so würden sie nach Mary-Spring zurückkehren, um den Sturt-Creek zu erreichen.

— — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —

23. Februar. Welch unbeschreibliche Qualen in beiden darauffolgenden Tagen! Der Zustand unserer beiden kranken Gefährten verschlimmerte sich. Drei Kameele fielen um und standen nicht mehr auf, unfähig, sich zu bewegen. Sie mußten getödtet werden, und somit waren vier Mann der Escorte gezwungen, zu Fuß zu gehen.

Kein menschliches Wesen in dieser Great-Sandy-Wüste! Kein Australier aus den Gegenden Tasmaniens, der uns zu Cisternen geführt hätte! Gewiß war unsere Karawane von dem Wege des Obersten Warburton abgewichen, denn dieser hatte nie so lange Märsche ohne Wasser zu machen gehabt. Oft enthielten die halb ausgetrockneten Cisternen nur wenig schmutziges Wasser. Aber es war doch Wasser! Und wir ...

Heute konnten wir nach dem ersten Marsche unseren Durst löschen, indem es Godfrey gelang, in nicht geringer Entfernung eine Cisterne zu finden.

Seit früh befand sich das arme Kind immer zwei Meilen voraus, als wir ihn gegen zwei Uhr in aller Eile zurückkommen sahen.

»Eine Cisterne! ... Eine Cisterne!« rief er schon von weitem.

Bei diesem Rufe bekam Alles wieder Leben. Die Kameele gingen rascher; es schien, als ob das Thier Godfreys ihnen gesagt hätte:

»Wasser! ... Wasser!«

Nach einer Stunde hielt die Karawane bei einer Baumgruppe, deren trockenes Laub die Cisterne beschattete. Glücklicherweise waren es Gummibäume und keine Eukalypten, die wohl den letzten Tropfen aufgezehrt hätten. Aber es darf nicht unerwähnt bleiben, daß eine kleine Schaar Menschen diese selten vorkommenden Cisternen in einem Augenblick leeren kann. Das Wasser ist nicht reichlich vorhanden und muß auch noch oft aus dem Sande gegraben werden, weil diese Cisternen keine menschlichen Werke sind, sondern natürliche Aushöhlungen, die sich während der Winterregen bilden. Sie haben kaum fünf bis sechs Fuß Wasser, was aber genügt, daß es, gegen die Sonnenstrahlen geschützt, vor Verdunstung bewahrt bleibt und sich sogar während der langen Sommerhitze erhält.

Jeder von uns labte sich an diesem kühlen Naß.

Manchmal verrathen sich diese Wasserbehälter an der Oberfläche nicht durch eine Gruppe von Bäumen, und man kann leicht an ihnen vorübergehen, ohne sie zu sehen. Man muß daher das Land sehr sorgfältig absuchen, was Oberst Warburton den Wüstenreisenden nicht oft genug empfehlen kann.

Diesmal hatte Godfrey eine glückliche Hand, denn die Cisterne, an der wir seit elf Uhr unser Lager aufgeschlagen hatten, enthielt mehr Wasser, als den Menschen, Thieren, und zur Füllung unserer Fässer nothwendig war. Das Wasser war, da es durch den Sand sickerte, frisch, weil es, am Fuße einer Düne, nicht direct den Sonnenstrahlen ausgesetzt war.

Jeder von uns labte sich an diesem kühlen Naß und wir mußten sogar unsere Gefährten auffordern, nur mäßig zu trinken, da sie sich schließlich krank machen konnten.

Am folgenden Tage setzten wir um vier Uhr früh unseren Weg fort, indem wir uns nach Nordwest wandten, um auf dem kürzesten Weg Joanna-Spring zu erreichen, das ungefähr hundertneunzig Meilen von Mary-Spring entfernt liegt.

Die Kranken liegen auf dem Rücken eines Kameels.

Diese wenigen Blätter aus dem Tagebuch der Mrs. Branican zeigen zur Genüge, daß ihre Energie sie nicht einen Augenblick verlassen hat.

Wir nehmen nun die Beschreibung dieser Reise wieder auf, der die Zukunft noch so Vieles vorbehielt, was unmöglich vorausgesehen werden konnte und so ernste Folgen nach sich zog.


 << zurück weiter >>