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Fünftes Kapitel.
Der Amazonenstrom

»Der größte Fluß der ganzen Welt!« sagte am Nachmittag Benito zu Manuel Valdez. Die Behauptung Benitos, die damals richtig war, wo noch keine neuen Entdeckungen gemacht worden waren, kann heute nicht mehr für zutreffend gelten. Nach den neuesten Forschungen scheinen der Missouri-Mississippi und der Nil dem Amazonenstrom an Länge des Wasserlaufes noch überlegen zu sein. A. d. V.

Und in diesem Moment saßen beide an der südlichen Grenze der Fazenda und sahen zu, wie das Wasser langsam vorbeiströmte, das, in der riesigen Kette der Anden entsprungen, sich 800 Meilen von hier im Atlantischen Ozean verlor.

»Und dies ist der Fluß, der dem Meer die beträchtlichste Wassermenge zuführt!« antwortete Manuel.

»So beträchtlich,« ergänzte Benito, »daß sie auf eine große Strecke von der Mündung das Meerwasser zurückdrängt und 80 Meilen von der Küste noch Schiffe vom Kurse abbringt.« Dem ist in der Tat so: Der Amazonenstrom ist der drittlängste Strom der Erde. Er hat eine Stromlänge von über 5000 km, der Missouri-Mississippi eine solche von 6530 km, der Nil von 5940 km. Benitos Ausspruch gilt aber noch heute, wenn man die Breite des Amazonenstroms (etwa 80 km größte Breite) und das Stromgebiet (6 500 000 qkm, gegen 2 248 000 des Mississippi, 2 803 000 des Nils) betrachtet. Um einen uns naheliegenden Maßstab zu geben, ist der Rhein 1162 km lang, bei einer höchsten Breite von 992 m und einem Stromgebiet von 224 400 qkm. A. d. Ü.

»Ein Fluß, dessen Lauf sich auf 30 Breitengraden erstreckt.«

»Und in einem Becken, das von Norden bis Süden 25 Grade einnimmt.«

»Ein Becken!« rief Benito. »Ist es denn ein Becken, diese ungeheure Ebene, durch die der Amazonas strömt, diese Savanna, die sich unabsehbar erstreckt, ohne daß ein Hügel eine Steigung hervorriefe oder ein Berg den Horizont begrenzte?«

»Und in seiner ganzen Ausdehnung,« ergänzte Manuel, »wie die tausend Fühlfäden eines riesenhaften Kopffüßers, 200 Zuflüsse von Norden oder Süden, die selber wieder von zahllosen Nebenflüssen gespeist werden und gegen die die großen Ströme Europas nur kleine Gewässer sind.«

»Und ein Lauf, in welchem 560 Inseln, ohne die kleinen Inselchen, die fest liegen oder treiben, eine Art Archipel bilden, die allein schon den Rauminhalt eines Königreichs ausmachen.«

»Und an seinen Seiten, Kanäle, Lagunen und Seen, wie man sie in der ganzen Schweiz, in der Lombardei, in Schottland und in Kanada nicht antrifft.«

»Ein Fluß, der, durch seine Zuflüsse riesig angeschwollen, in den Atlantischen Ozean nicht weniger als in der Stunde 250 Millionen Kubikmeter Wasser wälzt.«

»Ein Fluß, dessen Lauf zwei Republiken als Grenze dient und majestätisch das größte Kaiserreich Brasilien ist jetzt auch Republik. A. d. Ü. Südamerikas durchschneidet, als wäre es der Stille Ozean selber, der sich durch seinen Kanal in den Atlantischen Ozean ergösse.«

»Und welch eine Mündung! Ein Meeresarm, in welchem eine Insel, Marajo, sprich Maraschoh - 19 270 qkm, das ist fast so groß wie Sie. Provinz Westpreußen. A. d. Ü. einen Umfang von über 500 Meilen hat!«

»Und dessen Wasser der Ozean nicht anders zurückzudrängen vermag, als indem er in phänomenalem Kampfe eine Flutwelle auftürmt, eine »Pororoca«, Eine berüchtigte Naturerscheinung, die die Einfahrt in den Amazonas sehr gefährlich macht. Sie verläuft wie eine Mauer stromaufwärts und entsteht durch plötzliche Abnahme der Wassertiefe im Flußbett. A. d. Ü. gegen die die Stauströmungen, Stromschnellen und Wellenfluten anderer Flüsse nichts sind als kleine Weißkopfe im Winde.«

»Ein Fluß, für den kaum drei Namen genügen, und der von der Mündung aus 5000 Kilometer weit von Schiffen hohen Tonnengehalts ohne jede Gefahr für die Ladung befahren werden kann!«

»Ein Strom, der sich selbst und durch seine Nebenflüsse und deren Nebenflüsse eine Handels- und Wasserstraße durch den ganzen Norden Südamerikas eröffnet, vom Magdalenenstrom zum Ortequaza, vom Ortequaza zum Caqueta, vom Caqueta zum Putumayo, vom Putumayo zum Amazonas! 40 000 Meilen Weges zu Wasser, und es wären nur ein paar Kanäle nötig, um das Netz vollständig zu machen!«

»Schließlich das erstaunlichste und größte hydrographische System der Welt!«

Die beiden jungen Männer sprachen mit Ungestüm von dem unvergleichlichen Strome! Sie waren Kinder dieses Rio, des Amazonas, dessen Nebenflüsse – alle seiner würdig – Wege bilden, die durch Bolivia, Peru, Ecuador, Neu-Granada, Venezuela und die vier Guyanas – das britische, französische, holländische und brasilianische – führen.

Wie viel Völker, wie viel Rassen, deren Ursprung sich in der Ferne der Zeiten verliert! So verhält es sich auch mit den großen Flüssen des Erdballs. Ihre wahre Quelle ist immer noch nicht festgestellt. Viele Staaten beanspruchen die Ehre, die Wiege des Stromes zu sein. Dieses Gesetz gilt auch für den Amazonenstrom. Peru, Ecuador und Columbien haben sich lange um diese glorreiche Vaterschaft gestritten.

Heute scheint es außer Zweifel, daß der Amazonenstrom in Peru entspringt im Departaments Huaraco der Provinz Tarma und zwar im Lauricocha-See, der fast zwischen dem elften und zwölften südlichen Breitengrade liegt.

Für die, welche seine Quelle nach Bolivia in die Titicaca-Berge verlegen, erwüchse die Aufgabe, nachzuweisen, daß der eigentliche Amazonenstrom der Ucayali ist, der aus der Vereinigung des Paro und des Apurimac entsteht. Diese Ansicht muß jedoch neuerdings zurückgewiesen werden.

Nach dem Ausfluß aus dem Lauricocha-See läuft der Quellfluß 560 Meilen weit nach Nordosten und wendet sich ganz nach Osten erst, nachdem er einen bedeutenden Zufluß aufgenommen hat, den Rio Paute. Auf kolumbischem und peruanischem Boden bis zur brasilianischen Grenze heißt er Marannon oder eigentlich Maranhao, denn Marannon ist nur die französische Form des portugiesischen Namens. Von der brasilianischen Grenze bis Manaos heißt er Solimoes nach dem gleichnamigen Indianerstamm, von dem man in den Landstrichen am Ufer noch Ueberreste findet. Und endlich von Manaos bis zum Meer heißt er Rio des Amazonas oder Amazonenstrom – ein Name, den er den Spaniern verdankt, den Abkömmlingen des abenteuerlichen Orellana, dessen wenig glaubwürdige, aber enthusiastische Berichte den Gedanken äußerten, daß am Rio Nhamunda, einem der geringem Nebenflüsse des Stromes, ein Stamm kriegerischer Frauen existiere.

Schon unweit dem Ursprung kann man erkennen, daß der Amazonenstrom ein großartiger Wasserlauf werden wird. Keine Schranken oder Hemmnisse irgendwelcher Art stellen sich ihm von der Quelle bis zu dem Punkte entgegen, wo sein etwas eingezwängtes Bett sich zwischen zwei malerischen Felsenketten von ungleicher Höhe hinzieht. Katarakte weist sein Lauf erst dort auf, wo er schräg nach Osten biegt, die Andenkette querend. Hier entstehen nämlich einige Wasserfälle, ohne die er sicher von der Mündung bis zur Quelle schiffbar wäre. Wie dem auch sei, er ist, wie Humboldt untersucht hat, auf fünf Sechsteln seines Laufes für die Schiffahrt frei.

Und von Anbeginn an fehlt es ihm nicht an Zuflüssen, die wiederum durch eine große Zahl Nebenarme gespeist werden. Links von Nordosten kommt der Chinchipe, rechts von Südosten der Cachapuyas. Dann von links der Marona und der Pastuca und von rechts der Guallaga, der nahe bei der Mission de Laguna mündet. Links kommen noch der Chambyra und der Tigre, der von Nordosten kommt, rechts der Huallaga, der 2800 Meilen vom Atlantischen Ozean entfernt mündet und den die Fahrzeuge auf eine Länge von über 200 Meilen befahren können, so daß sie bis ins Herz von Peru zu dringen vermögen. Rechts endlich strömt nahe den Missionen von San Joachimo d'Omaguas, der prächtige Ucayali herzu, nachdem er seine Wassermengen majestätisch durch die Pampas von Sacramento geführt hat. Er mündet dort, wo das obere Becken des Amazonenstromes endet – eine gewaltige Wasserader, die von zahlreichen Nebenflüssen aus dem Chuchuitosee im Nordosten von Arica gespeist wird.

Dies sind die Hauptnebenflüsse oberhalb der Stadt Iquitos. Stromabwärts dieser Stadt werden diese Nebenflüsse so beträchtlich, daß die Betten europäischer Flüsse zu eng wären, sie zu fassen. Aber die Mündungen dieser Nebenflüsse sollten Joam Garral und die Seinen auf ihrer Fahrt selber sehen.

Zu den Schönheiten dieses unvergleichlichen Flusses, der das schönste Land des Erdballs speist und sich fast unausgesetzt um wenige Grade auf der Linie des Aequators hält, muß billig noch eine Eigenschaft hinzugezählt werden, die weder der Nil, noch der Mississippi, noch der Livingstonestrom, der ehemalige Kongo-Zaire-Lualaba besitzen – nämlich der Umstand, daß der Amazonenstrom, was auch sichtlich falsch unterrichtete Reisende gesagt haben mögen, durch einen völlig gesunden Teil von Südamerika fließt. Sein Becken ist beständig von den Westwinden bestrichen. Es ist kein zwischen hohen Bergen liegendes Tal, in den er dahinströmt, sondern eine weite Ebene, die 350 Meilen von Norden nach Süden mißt und die, kaum von ein paar Hügeln bestanden, die atmosphärischen Luftströmungen frei durchziehen können.

Professor Agassiz Louis Agassiz (1807–1873), schweizerischer Naturforscher, machte mehrere Reisen durch Nordamerika, Brasilien, nach Kalifornien und Kap Horn und war einer der hervorragendsten Tiefseekenner. widerspricht mit Recht der Behauptung, daß das Klima eines Landes, welches ohne Zweifel dazu bestimmt ist, das betriebsamste Zentrum des Handels zu werden, ungesund sei. Wie er sagt, ist stets ein leichter sanfter Wind zu spüren und verursacht eine Ausdunstung, infolge deren die Temperatur fällt und der Boden sich nicht in allzu hohem Grade erwärmen kann. Das beständige Vorhandensein dieses erfrischenden Luftzugs macht das Klima des Amazonenstroms sehr angenehm, ja zum köstlichsten der Welt.

Auch der Abt Durand, ehemals Missionar in Brasilien, hat feststellen können, daß die Temperatur zwar nicht unter 25 Grad Celsius fällt, daß sie aber auch fast nie über 33 Grad steigt – was für das ganze Jahr eine mittlere Temperatur von 28 bis 29 Grad ergibt bei einem Unterschied von nur acht Grad.

Diesen Feststellungen zufolge kann man behaupten, daß das Becken des Amazonenstroms die sengende Hitze nicht hat, die die Landstriche Asiens und Afrikas unter den gleichen Längengraden verzehrt.

Dasselbe führt Alexander von Humboldt aus:

»Am 22. April. Wir brachen anderthalb Stunden vor Sonnenaufgang auf. Der Morgen war feucht, aber herrlich; kein Lüftchen ließ sich spüren, denn südlich von Atures und Maphures herrscht beständig Windstille. Am Rio Negro an Cassiquare, am Fuße des Cerro Duida in der Mission Santa Barbara hörten wir niemals das Rauschen des Laubs, das in heißen Ländern einen ganz eigentümlichen Reiz hat. Die Krümmungen des Stroms, die schützenden Berge, die undurchdringlichen Wälder und der Regen, der einen bis zwei Grade nördlich vom Aequator fast gar nicht aussetzt, mögen diese Erscheinung veranlassen, die den Missionen am Orinoco eigentümlich ist.

In dem unter südlicher Breite, aber ebenso weit vom Aequator gelegenen Tale des Amazonenstroms erhebt sich alle Tage, zwei Stunden nach der Kulmination der Sonne, ein sehr starker Wind. Derselbe weht immer gegen die Strömung und wird nur im Flußbett selbst gespürt. Unterhalb San Borja ist es ein Ostwind; in Tomependa fand ich ihn zwischen Nord und Nord Nord-Ost. Es ist immer die Brise, der von der Umdrehung der Erde herrührende Wind, der aber durch kleine örtliche Verhältnisse bald diese, bald jene Richtung bekommt. Mit diesem beständigen Wind segelt man von Gran Para bis Tefe, 750 Meilen weit, den Amazonenstrom hinauf. In der Provinz Jaen de Bracamoros, am Fuße des Westabhangs der Cordilleren, tritt dieser vom Atlantischen Meere herkommende Wind zuweilen als ein eigentlicher Sturm auf. Wenn man auf das Flußufer zugeht, kann man sich kaum auf den Beinen halten; so auffallend anders sind die Verhältnisse am obern Orinoco und am obern Amazonenstrom.

Sehr wahrscheinlich ist es diesem beständig wehenden Winde zuzuschreiben, daß der Amazonenstrom so viel gesünder ist. In der stockenden Luft am obern Orinoco sind die chemischen Affinitäten eingreifender, und es entwickeln sich mehr schädliche Miasmen. Die bewaldeten Ufer des Amazonenstroms wären ebenso ungesund, wenn nicht der Fluß, gleich dem Niger, seiner ungeheuren Länge nach von West nach Ost, also in der Richtung der Passatwinde, gerade fortliefe. Das Tal des Amazonenstroms ist nur an seinem westlichen Ende, wo es der Cordillere der Anden nahe rückt, geschlossen. Gegen Ost, wo der Seewind auf den neuen Kontinent trifft, erhebt sich das Gestade kaum ein paar Fuß über den Spiegel des atlantischen Meeres.«

Die riesige Ebene, die sein Stromtal bildet, ist völlig den Winden offen, die ihm der Atlantische Ozean zusendet.

Die Provinzen, die nach dem Fluß heißen, haben das unbestreitbare Recht, sich die gesundesten Provinzen eines Landes zu nennen, das an sich schon eines der schönsten der Erde ist.

Und man möge nicht glauben, daß das hydrographische System des Amazonenstromes nicht bekannt sei.

Schon im 16. Jahrhundert fuhr Urellana, der Leutnant eines der Brüder Pizarro, den Rio Negro hinab, steuerte 1540 in den großen Fluß, wagte sich ohne Führer durch diese Gebiete, und nach einer Fahrt von 18 Monaten, über die er einen wunderbaren Bericht geschrieben hat, erreichte er die Mündung.

Im Jahre 1636 und 1637 fuhr der Portugiese Pedro Texeira mit einer Flottille von 47 Pirogen den Amazonenstrom bis zum Napo hinauf.

Im Jahre 1743 hatte La Condamine den Meridianbogen am Aequator gemessen, trennte sich von seinen Gefährten Bouguer und Godin des Ordonnais, ging auf den Chinchipe zu Schiff, fuhr ihn bis zu seinem Einfluß in den Marannon hinab und erreichte die Mündung des Napo am 31. Juli. Gerade zu dieser Zeit konnte er einen Austritt des ersten Satelliten des Jupiter beobachten – wodurch es diesem »Humboldt des 18. Jahrhunderts« möglich wurde, genau die Längen- und Breitengrade dieses Punktes festzustellen. Dann besuchte er die Städte an beiden Ufern und langte am 6. September vor dem Fort von Para an. Diese große Reise war von bedeutendem Erfolg: nicht nur war der Lauf des Amazonenstroms in wissenschaftlicher Weise festgestellt worden, sondern es erschien hiernach auch außer Zweifel, daß er mit dem Orinoco direkt verbunden.

Humboldt und Bonpland vervollständigten 55 Jahre später die kostbaren Arbeiten La Condamines, indem sie die Karte des Marannon bis zum Rio Napo fertig stellten.

Und seit dieser Zeit ist der Amazonas selber wie auch seine Hauptzuflüsse beständig erforscht worden.

Im Jahre 1827 Lister Maw, 1834 und 1835 der Engländer Smith, 1844 der französische Leutnant und Kommandant der »Boulonnaise«, 1840 der Brasilianer Valdez, 1848 bis 1860 der Franzose Paul Marcoy, 1859 der allzu phantastische Maler Biard, von 1865 bis 1866 Professor Agassiz, 1867 der brasilianische Ingenieur Franz Keller-Linzenger und endlich 1879 Doktor Crevaux – sie alle haben den Flußlauf erforscht, sind verschiedene Nebenflüsse hinaufgefahren und haben die Schiffbarkeit der Hauptnebenströme untersucht.

Aber die der brasilianischen Regierung am meisten zur Ehre gereichende Tatsache ist, daß am 31. Juli 1857, nach zahlreichen Grenzstreitigkeiten zwischen Frankreich und Brasilien betreffs der Grenze von Guyana, der Amazonenstrom für alle Flaggen frei erklärt wurde, und um die Praxis auf die Höhe der Theorie zu erheben, schloß Brasilien mit allen angrenzenden Staaten Verträge betreffs Eröffnung aller Wasserwege im Becken des Amazonenstromes.

Jetzt fahren mehrere Linien von Dampfbooten, alle komfortabel eingerichtet – welche mit Liverpool in direkter Verbindung stehen, – den Fluß aufwärts von der Mündung bis nach Manaos, andere fahren bis nach Iquitos, andere endlich fahren auf dem Tapajoz, dem Madeira, dem Rio Negro, dem Purus bis ins Herz von Peru und Bolivia.

Es läßt sich leicht denken, daß eines Tages der Handel großen Aufschwung nehmen muß in diesem unermeßlichen und reichen Becken, das auf der Welt nicht seinesgleichen hat.

Aber diese Medaille hat auch ihre Kehrseite. Dieser Fortschritt vollzieht sich nur zum Nachteil der eingeborenen Völkerschaften.

Am obern Amazonas sind viele Indianer-Stämme bereits verschwunden, unter andern die Curicurus und die Sorimaos. Wenn man am Putumayo auch noch einige Yuris trifft, so sind die Yahuas nach den fernen Nebenflüssen geflüchtet, und die Maoos haben die Ufer verlassen und irren jetzt in geringer Zahl in den Wäldern des Japura.

Die Ufer der Tunantins sind fast völlig entvölkert, und nur an der Mündung des Jurua halten sich noch ein paar indianische Nomadenfamilien aus. Der Teffe ist fast ganz verlassen, und nur ein paar Ueberbleibsel der großen Nation Umaua wohnen noch an den Quellen des Japura. Der Coari ist verödet. Vereinzelte Murasindianer hausen noch an den Ufern des Purus. Von den alten Manaos zählt man nur noch wenige Nomadenfamilien. An den Ufern des Rio Negro gibt es fast nur noch Mestizen von Portugiesen und Eingeborenen, wo man früher 24 verschiedene Völkerschaften gezählt hat.

Das ist das Gesetz des Fortschritts. Die Indianer werden ganz verschwinden.

Vor der angelsächsischen Rasse sind Australier und Tasmanier dahin gegangen. Vor den Eroberern des Fernen Westen verschwinden die Indianer Nordamerikas. Eines Tages sind vielleicht auch die Araber durch die französische Kolonisation vernichtet.

Aber wir müssen zu dem Jahre 1852 zurückkehren. Die jetzt so mannigfaltigen Verkehrsmittel gab es damals noch nicht, und Joam Garrals Reise erforderte wenigstens vier Monate bei den Bedingungen, unter denen sie stattfinden sollte.

Während die beiden Freunde die Wasser des Flusses langsam zu ihren Füßen dahin strömen sahen, sagte daher Benito:

»Freund Manuel, da bald nach unserer Ankunft in Belem wir uns trennen müssen, wird dir das ziemlich kurz erscheinen.«

»Ja, Benito,« antwortete Manuel, »aber auch recht lang, da Minha erst nach Beendigung der Reise meine Frau werden soll.«


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