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Achtes Capitel.
Die Eroberung Indiens und der Gewürzländer

I.

Covilham und Païva. – Vasco da Gama. – Das Cap der Guten Hoffnung wird umschifft. – Sam-Braz, Mozambique, Mombaz und Melinde. – Ankunft in Calicut. – Verrath des Zamorin. – Kämpfe. – Rückkehr nach Europa. – Der Scorbut. – Tod Paul da Gama's. – Ankunft in Lissabon.

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Gleichzeitig während Johann II., König von Portugal, Diaz aussendete, um im Süden Afrikas einen Weg nach Indien zu finden, gab er den Edelleuten seines Hofes den Auftrag, zu erforschen, ob es nicht möglich sei, auf einem leichteren, kürzeren und sichereren Wege dahin zu gelangen, wobei ihm die Landenge von Suez, das Rothe Meer und der Indische Ocean vorgeschwebt zu haben scheinen.

Natürlich verlangte eine solche Mission einen geschickten und unternehmenden Mann, der mit den Schwierigkeiten einer Reise in jenen Gegenden bekannt und der orientalischen Sprachen, mindestens des Arabischen, mächtig war. Er brauchte einen geschmeidigen, verschlossenen Agenten, der im Stande war, auf keine Weise seine Absichten zu verrathen, welche auf nichts Geringeres hinausliefen als darauf, den Muselmännern, Arabern und dadurch in letzter Reihe den Venetianern den asiatischen Handel zu entreißen und diesen Portugal zuzuführen.

Ein erfahrener Seemann, Pedro von Covilham, der unter Alphons V. im castilischen Kriege mit Auszeichnung gedient, hatte sich auch ziemlich lange Zeit in Afrika aufgehalten. Nach ihm richtete Johann II. seine Blicke. Man gab ihm Alonzo de Païva zum Begleiter mit, und Beide reisten, mit eingehenden Instructionen ebenso versehen wie mit einer nach der Weltkarte des Bischofs Calsadilla entworfenen Specialkarte, nach der man Afrika vollständig sollte umsegeln können, von Lissabon im Mai l487 ab.

Die beiden Reisenden erreichten Alexandria und Kairo, wo sie das Glück hatten, maurische Kaufleute aus Fez und Tlemcen zu begegnen, welche ihnen bis nach Thor, dem alten Asiongaber, am Fuße des Sinaï, das Geleite gaben, wo sie sehr werthvolle Erkundigungen über den Handel von Calicut einzuziehen vermochten.

Covilham beschloß, diesen glücklichen Umstand zu benutzen, um ein Land zu besuchen, auf welches Portugal schon seit einem Jahrhundert lüsterne Blicke geworfen hatte, während Païva in die bis dahin sehr unvollkommen beschriebenen Länder, welche man unter dem Namen Aethiopien zusammenfaßte, eindringen und jenen berühmten Priester Johann aufsuchen wollte, der nach Aussage früherer Reisender über einen besonders reichen und fruchtbaren Theil Afrikas regieren sollte. Ohne Zweifel kam Païva bei seinem abenteuerlichen Unternehmen um's Leben, denn man hat später nie wieder das Geringste von ihm gehört.

Covilham seinerseits erreichte Aden, von wo aus er sich nach der Malabar-Küste einschiffte. Nach einander besuchte er nun Cananor, Calicut, Goa und sammelte höchst wichtige Nachrichten über den Handel und die Erzeugnisse der dem Indischen Meere benachbarten Länder, ohne auch nur einen Verdacht der Hindu zu erregen, welche weit entfernt waren, zu glauben, daß der wohlwollende und freundliche Empfang, den sie dem einzelnen Reisenden zu Theil werden ließen, den Untergang und die Unterjochung ihres Vaterlandes zur Folge haben könne.

Covilham, der für seine Heimat immer noch nicht genug geleistet zu haben glaubte, verließ nun Indien und setzte nach der Ostküste Afrikas über, wo er Mozambique, das wegen seiner Goldminen, von denen vielfache Gerüchte durch arabische Kaufleute bis Europa gedrungen waren, weit berühmte Sofala, und Zeila, den Avalites pontus der Alten, und die Hauptstadt der Küste von Adel, beim Uebergange des Arabischen Golfes in das Meer von Oman besuchte. Nach längerem Aufenthalte daselbst kehrte er zurück nach Aden, damals dem wichtigsten Handelsplatze des Orientes, drang von hier aus bis Ormuz, am Eingange des persischen Meerbusens vor und begab sich endlich wieder, das Rothe Meer hinaufsegelnd, nach Kairo zurück.

Dorthin hatte Johann II. zwei wohlunterrichtete Juden gesendet, um Covilham zu erwarten. Dem Einen derselben, dem Rabbiner Abraham Beja, überlieferte dieser seine Notizen, das Tagebuch seiner Reise und eine Karte von Afrika, die ihm ein Muselman gegeben hatte, mit dem Auftrage, das Ganze so schnell als möglich nach Lissabon zu schaffen.

Er selbst wagte sich, noch immer nicht zufrieden mit seinen bisherigen Leistungen und in der Absicht, das Vorhaben durchzuführen, an dem Païva durch einen vorzeitigen Tod gehindert worden war, nach Abessinien hinein, dessen Negus (d. i. Kaiser), eben jener Priester Namens Johann, ihn mit größtem Wohlwollen empfing, da es ihm schmeichelte, seine Allianz von einem der damals mächtigsten Herrscher Europas gesucht zu sehen, und vertraute ihm sogar eine hervorragende Stellung an seinem Hofe an, hinderte ihn aber, um sich seiner Dienste für immer zu versichern, stets daran, das Land zu verlassen. Obwohl Covilham sich verheiratete und auch Kinder hatte, dachte er doch immer an sein Vaterland zurück, und als im Jahre 1525 eine portugiesische Gesandtschaft unter Führung von Alvares nach Abessinien gekommen war, sah er seine Landsleute nur mit größtem Bedauern wieder scheiden und der Caplan der Expedition machte sich auf sehr naive Weise zum Echo seiner Klagen und seines Schmerzes.

»Indem er, sagt Ferdinand Denis, über die Möglichkeit der Umschiffung Afrikas sehr bestimmte Angaben lieferte, den richtigen Weg nach Indien zeigte, von dem Handel jener Länder positive und eingehende Berichte übersandte und die Goldminen von Sofala beschrieb, was natürlich die Begierde Portugals reizte, trug Covilham sehr wirksam zur Beschleunigung der Expedition Vasco da Gama's bei.«

Wenn man alten Traditionen Glauben schenken darf, obwohl dieselben durch kein authentisches Dokument bekräftigt wurden, so stammte Vasco da Gama in illegitimer Seitenlinie von Alphons III., König von Portugal, ab. Sein Vater, Estevam Eanez de Gama, Groß-Alcalde von Sines und Silves im Königreiche Algarbien und Commandant von Seixal, nahm am Hofe Johanns II. eine sehr hohe Stellung ein. Sein Ruf als Seefahrer war ein so großer, daß dieser König, noch als der Tod an ihn herantrat, daran dachte, ihm den Befehl über die Flotte zu übergeben, welche er nach Indien senden wollte.

Aus seiner Ehe mit Isabella Sodre, einer Tochter Johannes von Resende, dem Proveditore der Befestigungen von Santarem, entsprossen mehrere Kinder und unter diesen Vasco, der als der Erste nach Umschiffung des Caps der Guten Hoffnung nach Indien kam, und Paul, der ihn bei dieser denkwürdigen Expedition begleitete. Man weiß zwar, daß Vasco da Gama in Sines das Licht der Welt erblickte, kennt die Zeit seiner Geburt aber nicht mit Bestimmtheit. Gewöhnlich nimmt man das Jahr 1469 als Geburtsjahr desselben an, doch außer, daß Gama noch sehr jung gewesen wäre (er hätte nur achtundzwanzig Jahre zählen können, als man ihm das wichtige Commando einer Expedition nach Indien anvertraute), hat man vor einigen zwanzig Jahren überdies in spanischen Archiven einen im Jahre 1478 ausgestellten Geleitsbrief für zwei Persönlichkeiten, Namens Vasco da Gama und Lemos, zur Reise nach Tanger aufgefunden. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß man einen solchen Geleitsschein für ein Kind von neun Jahren ausgefertigt hätte; das Datum seiner Geburt wird also nothwendig weiter zurückzuverlegen sein.

Vasco da Gama scheint sehr frühzeitig schon für die Seemanns-Carrière bestimmt gewesen zu sein, in der auch sein Vater sich ausgezeichnet hatte. Der erste Geschichtsschreiber Indiens, Lopez de Castañeda, berichtet, daß er sich die Sporen auf den Meeren Afrikas erworben habe.

Es ist auch bekannt, daß er den Auftrag erhielt, sich aller in portugiesischen Häfen ankernden französischen Schiffe zu bemächtigen, als Repressalie für die mitten im Frieden erfolgte Wegnahme einer von Mina zurückkehrenden reichbeladenen portugiesischen Gallione durch französische Corsaren.

Eine solche Mission konnte nur einem thatkräftigen, energischen und durch frühere Erfolge erprobten Kapitän anvertraut werden. Für uns ist es der Beweis, wie hoch der Werth und die Geschicklichkeit Gama's bei dem König in Ehren stand.

Zu jener Zeit etwa heiratete er Catarina de Ataïda, eine der ersten Hofdamen, die ihn mit mehreren Kindern beschenkte, darunter Estevam da Gama, der spätere Gouverneur von Indien, und Don Christovam, der durch seinen in Abessinien geführten Krieg gegen Ahmed Guerad, genannt der Linke, und durch sein romantisches Ende unter die berühmten Abenteurer des 16. Jahrhunderts gezählt zu werden verdient.

Wir verdanken es einem in der öffentlichen Bibliothek zu Porto aufgefundenen Dokumente – ein Document, das Castañeda kennen mußte und von dem Ferdinand Denis die Uebersetzung in den Voyageurs anciens et modernes von E. Charton mittheilte – daß über die Zeit der ersten Reise Gama's ein Zweifel nicht mehr aufkommen kann.

Man darf deren Anfang mit aller Sicherheit auf Sonnabend den 8. Juli im Jahre l497 ansetzen. Alle Einzelheiten der seit langer Zeit geplanten Expedition waren bis in's Kleinste vorgesehen und geregelt.

Sie sollte aus vier Fahrzeugen mittlerer Größe bestehen, »um, sagt Pacheco, möglichst überall ein- und auslaufen zu können«. Solid gebaut, führten sie alles Segelwerk und Takelage zu dreimaligem Ersatz bei sich; die Wasser-, Wein- und Oeltonnen erhielten starke eiserne Reifen; Provisionen jeder Art, Mehl, Wein, Gemüse, Arzneimittel, Schießbedarf, Alles wurde in Ueberfluß mitgenommen; dazu bildeten die besten Matrosen, die geschicktesten Lootsen und die erfahrensten Kapitäne das Personal des Geschwaders.

Gama, der den Titel » Capitam mõr« erhalten hatte, hißte seine Flagge auf dem »Sam-Gabriel« von 120 Tonnen. Sein Bruder, Paula da Gama, befehligte den »Sam-Raphael« von 100 Tonnen. Eine Caravelle von 50 Tonnen, der »Berrio«, sogenannt zur Erinnerung an den Piloten Berrio, der jenen an Emanuel I. verkauft hatte, wurde vom Kapitän Nicolas Coelho, einen weiterfahrenen Seemann, geführt. Eine große Barke endlich mit Provisionen und verschiedenen Waaren, die zum Tauschen mit den Eingebornen der zu besuchenden Länder bestimmt waren, hatte Pedro Nuñez zum Befehlshaber.

Pero de Alemquer, der schon Bartholomäus Diaz als Pilot diente, sollte den Kurs der Expedition bestimmen.

Die Mannschaft der Flotte, darunter zwei Verbrecher, welche man eingeschifft hatte, um sie bei besonders gefahrvollen Gelegenheiten zu verwenden, zählte 160 Mann.

Welch' kleine Mittel, welche fast lächerlichen Hilfsquellen im Vergleich zu der Mission, welche diese erfüllen sollten!

Mit den ersten Sonnenstrahlen des 8. Juli begiebt sich Vasco da Gama, gefolgt von seinen Offizieren, mitten durch eine ungeheure Volksmenge nach den Schiffen. Ihn umringt eine große Zahl von Mönchen und Weltgeistlichen, welche Hymnen singen und den Segen des Himmels für die kühnen Reisenden herabflehen.

Diese Abfahrt von Rastello muß sich, zu einer ergreifenden Scene gestaltet haben, da bei ihr Alle, die Betheiligten wie die Zuschauer, ihre Gesänge, Ausrufe, ihre Abschiedsworte und Thränen vermischten, während die von günstigem Winde geschwellten Segel Gama und das Glück von Portugal nach dem hohen Meere entführten.

Eine große Caravelle und eine kleinere Barke, welche nach Mina bestimmt waren, segelten unter dem Befehl Bartholomäus Diaz' in Gesellschaft der Flotte Gama's.

Am folgenden Sonnabend befanden sich die Schiffe in Sicht der Canarischen Inseln und verbrachten die Nacht bei Lancerote. Als sie auf die Höhe des Rio de Ouro kamen, trennte ein Nebel Paulo da Gama, Coelho und Diaz von der übrigen Flotte. Bei dem bald darauf erreichten Grünen Vorgebirge vereinigte man sich von Neuem. In Santiago wurden die Provisionen an Fleisch, Wasser und Holz erneuert und die Schiffe nach allen Seiten wieder in besten Zustand gesetzt.

Am 3. August verließ die Flotte den Strand von Santa Maria. Die Reise verlief ohne besondere Zwischenfälle und am 4. November warf man an der Küste Afrikas in einer Bucht Anker, welche den Namen Santa Ellena erhielt. Dort verweilte man acht Tage, um Holz einzunehmen und an den Fahrzeugen Alles wieder in Ordnung zu bringen. Ebenda sah man auch zum ersten Male Boschis, eine sehr herabgekommene Race, die sich von dem Fleische der Seewölfe und Walfische, sowie von Wurzeln nährte. Die Portugiesen bemächtigten sich einiger Eingebornen und behandelten sie sehr freundlich. Diese Wilden kannten von keiner Waare, die man ihnen vorlegte, den Werth und Preis, sie sahen sie offenbar zum ersten Male, ohne von deren Anwendung etwas zu wissen. Das Einzige, was sie zu schätzen schienen, war das Kupfer, und sie trugen auch kleine Ringe aus diesem Metall an den Ohren. Dagegen bedienten sie sich der Zagaien, d. i. eine Art kleiner Wurfspieße mit im Feuer gehärteter Spitze, ziemlich geschickt, wie drei oder vier Matrosen und sogar Gama selbst erfahren mußten, als sie einen gewissen Velloso aus ihren Händen befreien wollten, der sich unkluger Weise zu weit in das Land hinein gewagt hatte – ein Zwischenfall, der Camoëns den Stoff zu einer der reizendsten Episoden seiner Luisiade geliefert hat.

Beim Auslaufen aus Santa Ellena erklärte Pero de Alemquer, der frühere Pilot Diaz', daß er noch dreißig Meilen vom Cap entfernt zu sein glaube. Da man indessen nicht wissen konnte, ob sich das wirklich so verhielt, segelte man in die offene See hinaus, und erst am l8. November befand sich die Flotte in Sicht des Caps der Guten Hoffnung, das sie schon am anderen Tage mit günstigem Winde umsegelte.

Am 25. landeten die Schiffe in der Bai von Sam-Braz, wo sie dreizehn Tage verblieben, während welcher Zeit man das Provisionsschiff demolirte und dessen Inhalt auf die anderen drei Schiffe vertheilte.

Die Portugiesen schenkten den Boschis kleine Schellen und andere Gegenstände, die sie jene mit Erstaunen annehmen sahen, denn zur Zeit der Reise Diaz' hatten sich die Neger sehr furchtsam, ja sogar feindselig erwiesen und dem Einnehmen von Wasser mit Steinwürfen zu wehren gesucht. Jetzt führten sie sogar Ochsen und Schafe herbei, und um ihre Befriedigung über den Aufenthalt der Portugiesen an den Tag zu legen, »begannen sie, sagt Nicolas Velho, ein Concert mit vier oder fünf Flöten, deren einige sehr hohe, andere tiefe Töne gaben, und machten eine bei Negern wenigstens unerwartet erträgliche Musik. Dazu tanzten sie auch, wie Neger eben tanzen, und der Capitam mõr ließ dazu mit Trompeten blasen und wir in unserer Schaluppe tanzten auch und der Capitam mõr tanzte, als er zu uns zurückgekehrt war, ebenfalls mit«.

Was sagt nun der Leser über dieses kleine Fest und das gegenseitige Ständchen, das sich Portugiesen und Neger gaben? Hätte Jemand erwartet, daß Gama, der so ernste Gama, wie die Porträts uns seine Erscheinung überliefern, die Neger in die Reize des Pfauentanzes habe einweihen können? Leider dauerten diese guten Verhältnisse nicht allzu lange und es bedurfte zuletzt sogar einiger Artillerie-Salven, um feindliche Demonstrationen zurückzuweisen.

In der Bai von Sam-Braz pflanzte Gama einen Padrao auf, der jedoch sofort nach seiner Abfahrt wieder zerstört wurde. Bald hatte man den Rio Infante, den äußersten von Diaz erreichten Punkt, überschritten. Da machte sich die Wirkung einer mächtigen Meerströmung fühlbar, die man jedoch bei dem gerade recht günstigen Winde zu überwinden vermochte. Am 25. December, am ersten Weihnachtsfeiertage, wurde die Küste von Natal entdeckt.

Die Fahrzeuge hatten einige Havarie erlitten und das Wasser fing an zu fehlen, so daß man bald anlaufen mußte, was die Flotte denn auch am 10. Januar 1498 that. Die Schwarzen, welche die Portugiesen schon bei ihrer Ausschiffung zu Gesicht bekamen, waren weit größer als die bisher gesehenen. Sie führten als Waffe einen großen Bogen mit langen Pfeilen und eine mit Eisenspitze versehene Zagaie, und gehörten zu dem Stamme der Kaffern, welche den Boschis in jeder Weise überlegen schienen. Bald entwickelten sich mit ihnen übrigens so gute Beziehungen, daß Gama der Küste den Namen des »Landes der guten Nation« ( Terra da boa Gente) gab.

Beim weiteren Hinaufsegeln längs des Ufers besuchten zwei muselmännische Kaufleute, deren einer einen Turban, der andere eine Kapuze von grünem Atlas trug, die Portugiesen mit einem jungen Manne, der, »so viel man aus ihren Zeichen verstehen konnte, einem sehr entfernten Lande angehörte und schon so große Schiffe wie die unsrigen gesehen habe«. Vasco da Gama hielt dies für den Beweis, daß er sich den so lange und so eifrig gesuchten Ländern Indiens näherte; er nannte deshalb den Strom, der an dieser Stelle in's Meer fiel, »Rio dos Boms Signaez« (der Strom der guten Vorzeichen). Unglücklicher Weise traten unter der Besatzung gleichzeitig die ersten Symptome des Scorbutes auf, der sehr bald eine große Anzahl Matrosen auf's Lager streckte.

Am 10. März ankerte die Expedition vor der Insel Mozambique. Dort erfuhr Gama durch seine arabischen Dolmetscher, daß sich unter den Einwohnern mohamedanischen Ursprungs eine gewisse Anzahl Kaufleute befanden, welche mit Indien Handel trieben. Gold und Silber, Tuche und Gewürze, nebst Perlen und Rubinen bildeten die Hauptgegenstände ihrer Geschäftsthätigkeit. Gleichzeitig erhielt Gama die Versicherung, daß er beim weiteren Hinaufsegeln längs der Küste eine Menge Städte finden werde, »worüber wir, schreibt Velho in seinem so naiven und doch überaus werthvollen Berichte, so entzückt waren, daß wir vor Freude weinten und Gott nur um Gesundheit baten, um das auch noch zu sehen, was wir so heiß herbeigewünscht hatten«.

Der Vicekönig Colyytam, der es mit Muselmännern zu thun zu haben glaubte, erschien mehrmals an Bord der Schiffe, wo man ihn auf das Beste bewirthete; er erwiderte diese Höflichkeiten durch verschiedene Geschenke und sandte Gama sogar zwei tüchtige Piloten; als er durch maurische Kaufleute, die in Europa gereist waren, aber erfahren hatte, daß diese Fremdlinge keineswegs Türken, sondern die schlimmsten Feinde der Mohamedaner seien, versuchte der Vicekönig, aus Aerger darüber, daß er sich so getäuscht habe, Alles, um sich jener zu bemächtigen und sie umzubringen. Gama mußte sogar Artillerie auf die Stadt richten und drohte, Alles in Grund und Boden schießen zu lassen, nur um das nöthige Wasser zur Fortsetzung der Reise noch einnehmen zu können. Es kam zum Blutvergießen, wobei Paulo da Gama zwei Barken eroberte, deren reiche Ladung unter die Matrosen vertheilt wurde.

Gama verließ diese ungastliche Stadt am 29. März und setzte seine Reise fort, wobei er die arabischen Piloten jedoch auf's Schärfste überwachen und sogar peitschen lassen mußte.

Am 4. April bekam man die Küste in Sicht und erreichte am 8. Mombaca oder Mombaz, eine Stadt, welche nach Versicherung der Lootsen von Christen und Muselmännern bewohnt sein sollte.

Die Flotte warf vor dem Hafen derselben Anker, ging aber trotz der enthusiastischen Aufnahme, welche ihr zu Theil ward, nicht weiter hinein. Schon dachten die Portugiesen daran, mit den Christen der Insel die Messe zu hören, als sich dem Admiralschiffe in der Nacht eine von hundert Bewaffneten besetzte Zavra näherte, deren Insassen dasselbe mit aller Gewalt besteigen wollten, was ihnen jedoch verwehrt wurde.

Obwohl der König von Mombaz recht wohl wußte, was in Mombaz geschehen war, stellte er sich doch unwissend, sandte Geschenke an Gama, machte ihm das Anerbieten, in der Hauptstadt eine Niederlassung zu gründen, und versicherte, daß er eine Ladung Gewürze und aromatische Droguen einnehmen könne, wenn er in den Hafen einliefe. Ohne etwas Böses zu ahnen, schickte der Capitam mõr sofort zwei Mann ab, um sein Einlaufen für den folgenden Tag anzuzeigen. Schon lichtete man die Anker, ließ sie aber, da das Admiralschiff nicht wenden wollte, wieder herabfallen. In einer reizenden und hochpoetischen Dichtung sagt Camoëns, daß es die Nereïden, von Venus, der Beschützerin der Piloten, geführt, gewesen seien, welche die Schiffe abhielten, hier in den Hafen einzulaufen. In diesem Augenblick verließen alle Mauren, welche sich auf den portugiesischen Schiffen befanden, die Flotte, während die Lootsen aus Mozambique sich direct in's Meer stürzten.

Zwei Mauren, welche man der Tortur mittelst siedenden Oeles unterwarf, gestanden, daß man sich der Portugiesen, sobald sie in den Hafen gekommen wären, habe bemächtigen wollen. Im Laufe der Nacht versuchten die Mauren wiederholt an Bord zu klettern und die Ankertaue zu zerschneiden, um die Schiffe stranden zu lassen, wurden aber stets rechtzeitig entdeckt und vertrieben. Der Aufenthalt in Mombaz konnte unter diesen Verhältnissen nicht von langer Dauer sein; dennoch wurde er so lange ausgedehnt, bis alle Scorbutkranke genesen waren.

Acht Meilen vom Lande fing die Flotte eine mit Gold, Silber und Proviant reich beladene Barke ab. Am nächsten Tage kam sie in Melinde. einer reichen, blühenden Stadt, an, deren in den Sonnenstrahlen blinkende, vergoldete Minarets und blendend weiße Moscheen sich scharf von dem tiefblauen Himmel abhoben.

Die anfangs sehr kühle Aufnahme – man wußte hier von der vorhergegangenen Wegnahme der Barke – wurde bald eine recht herzliche, als die nöthigen Erklärungen über diese Angelegenheit gegeben worden waren. Der Sohn des Königs machte dem Admiral mit einem Gefolge seiner Frauen einen Besuch und brachte auch Musiker mit, welche verschiedene Instrumente spielten. Am meisten erstaunte derselbe über den Gebrauch und die Wirkung der Kanone, denn die Erfindung des Pulvers war zu jener Zeit auf der Ostküste Afrikas noch nicht bekannt. Ein feierlicher Vertrag wurde auf das Evangelium und den Koran beschworen und durch prächtige gegenseitige Geschenke besiegelt.

Der böse Wille, die Nachstellungen und Schwierigkeiten jeder Art, welchen die Flotte bisher begegnet war, verschwanden nun wie durch Zauberschlag, was nur der Offenherzigkeit und Generosität des Königs von Melinde und der Hilfe, die er den Portugiesen gewährte, zuzuschreiben war.

Treu seinem Vasco da Gama gegebenen Versprechen, sandte der König diesem einen Lootsen aus Guzara, Namens Malemo Cana, einen in der Seefahrt gut bewanderten Mann, der sich der Karten, des Compasses und Quadranten zu bedienen wußte und der Expedition die wichtigsten Dienste leistete.

Nach einem Aufenthalte von neun Tagen lichtete die Flotte die Anker, um nach Calicut zu gehen.

Jetzt mußte man auch auf die Gewohnheit der Küstenfahrer, immer längs des Ufers zu segeln, verzichten. Nun galt es, auf dem unendlichen Ocean der Gnade des Höchsten zu vertrauen, ohne jeden anderen Führer, als einen unbekannten Lootsen, der von einem König geschickt worden war, dessen Wohlwollen das Mißtrauen der Portugiesen nicht ganz zu besiegen vermocht hatte.

Dank der Geschicklichkeit und Treue des Lootsen jedoch, wie der Freundlichkeit des Meeres und des Windes, der fortwährend ein günstiger blieb, landete die Flotte nach einer Fahrt von dreiundzwanzig Tagen und warf am folgenden Tage zwei Meilen unter Calicut Anker.

Groß war die Freude an Bord. Endlich hatte man die reichen Wunderländer vor sich; Anstrengung, Gefahr und Krankheit, Alles ward vergessen; das Ziel so vieler und so langer Anstrengungen war ja errungen!

Wenigstens schien es doch so, denn noch galt es ja, sich der Schätze und reichen Erzeugnisse Indiens auch wirklich zu bemächtigen.

Kaum faßte der Anker den Grund, als schon vier Lootsen vom Ufer abstießen und um die Flotte herumglitten, als wollten sie die Matrosen einladen, an's Land zu gehen. Durch die Erfahrungen in Mozambique und Mombaz aber gewitzigt, sandte Gama einen der mit eingeschifften Verbrecher gewissermaßen als Plänkler voraus. Dieser sollte die ganze Stadt durchstreifen und sich von den Verhältnissen der Einwohner unterrichten.

Umringt von einer Unmasse Neugieriger und bestürmt mit Fragen, auf welche er nicht zu antworten vermochte, wurde dieser vor einen Mauren Namens Moucaïda geführt, welcher Spanisch sprach und dem er mit kurzen Worten die Zwecke der Expedition auseinandersetzte.

Moucaïda begleitete ihn nach der Flotte zurück, und seine ersten Worte, als er die Fahrzeuge betrat, waren: »Gute Aussicht! Gute Aussicht! Viel Rubinen und Smaragde!« Von Stund an wurde Moucaïda als Dolmetscher der Flotte angestellt.

Da der König von Calicut, damals fünfzehn Meilen von seiner Residenz entfernt wohnte, sandte der Kapitän mõr zwei Leute, um ihn zu benachrichtigen, daß ein Gesandter des Königs von Portugal angelangt sei und Briefe von seinem Souverän mitbringe. Der König beorderte sofort einen Lootsen, die portugiesischen Schiffe nach der sicheren Rhede von Pandarany zu fuhren, und antwortete, daß er am nächsten Tage in Calicut zurück sein werde. Er beauftragte auch seinen Intendanten oder Catoual, Gama nach dem Lande einzuladen, um daselbst über seine Sendung zu verhandeln. Trotz der flehentlichen Bitten seines Bruders Paul da Gama, der ihm die Gefahren vorstellte, denen er sich selbst und im Falle eines Unglücks die ganze Expedition aussetzte, begab sich der Kapitän mõr an's Land, wo ihn eine zahllose Volksmenge erwartete.

Der Gedanke, daß sie sich unter einem christlichen Volke befänden, wurzelte bei den Teilnehmern der Expedition so fest, daß Gama, als er einer Pagode ansichtig wurde, sogar eintrat, um daselbst seine Andacht zu verrichten. Einer seiner Begleiter, Juan de Saa, dessen Glauben die häßlichen auf die Mauer gemalten Bilder einigermaßen erschüttert hatten, sagte jedoch mit lauter Stimme, indem er niederkniete: »Wenn das auch ein Teufel ist, so vermag ich dabei doch nur zu dem einzigen, wahren Gott zu beten!« eine Bemerkung, welche bei dem Admiral eine auffallende Heiterkeit hervorrief.

Nahe den Thoren der Stadt wurde die Volksmenge immer dichter. Gama und die Portugiesen hatten, trotz der Führung des Catoual, große Mühe, bis zu dem Palaste zu gelangen, wo der König, der in den Berichten den Titel »Zamorin« hat, sie mit äußerster Ungeduld erwartete.

Die Portugiesen wurden in einen mit Seidenstoffen und Tapeten prächtig geschmückten Saal geführt, in dem auserwählte, wohlriechende Harze glimmten, und fanden hier den Zamorin, der in prachtvoller Kleidung mit vielen Edelsteinen, Perlen und Diamanten von außerordentlicher Größe erschien.

Der König ließ ihnen Erfrischungen bringen und Sessel anweisen – eine hochzuschätzende Gunst in einem Lande, wo man nur auf der Erde liegend mit dem Herrscher desselben spricht – und ging auf Gama's Wunsch mit nach einem anderen Gemach, um die Motive der Gesandtschaft des Letzteren zu vernehmen und den Wunsch des Königs von Portugal, mit dem von Calicut einen Handels- und Allianz-Vertrag abzuschließen. Auf die Ansprache Gama's antwortete der Zamorin, daß er glücklich sein werde, sich als Bruder und Freund des Königs Emanuel zu betrachten und daß er als Erwiderung auch Gesandte nach Portugal schicken wolle.

Es giebt gewisse Sprichwörter, welche unter allen Zonen gleichmäßig wahr bleiben; eines derselben: »Die Tage folgen zwar einander, gleichen sich aber nicht«, fand in Calicut sehr bald seine Bestätigung. Der bei dem Zamorin durch die gewandten Reden Gama's erregte Enthusiasmus und die ihm gemachte Hoffnung, mit Portugal in vortheilhafte Handelsverbindung zu treten, verschwanden alsbald angesichts der für ihn bestimmten Geschenke.

»Zwölf Stück gestreiftes Tuch, zwölf Mäntel mit scharlachrother Kapuze, sechs Hüte und vier Korallenzweige, begleitet von einer Kiste mit sechs Stück Becken, einer Kiste Zucker und vier Fässern, zwei mit Oel und zwei mit Honig«, bildeten allerdings kein besonders kostbares Angebinde. Bei dessen Anblick erklärte der erste Minister spöttisch, daß der ärmste Kaufmann von Mekka reichere Geschenke darbringe und daß der König niemals solch' lächerliche Kleinigkeiten annehmen werde. Empört über diese Verhöhnung, beeilte sich Gama, dem Zamorin einen Besuch abzustatten. Nur nach langem Harren, mitten unter einer Menge von Leuten, die sich über ihn lustig zu machen schienen, wurde er bei dem Fürsten vorgelassen. Dieser warf ihm in verächtlichem Tone vor, daß er ja nichts zu bieten habe und doch der Vertreter eines mächtigen Königs zu sein behaupte. Gama antwortete mit großer Sicherheit und brachte die Briefe Emanuel's vor, welche in sehr schmeichelhaften Ausdrücken das bestimmte Versprechen enthielten, daß er viel Waaren nach Calicut senden werde. Der König, den diese Aussicht lockte, unterrichtete sich darauf eingehender von dem Umfange der Erzeugnisse und Hilfsquellen Portugals und erlaubte Gama, sich auszuschiffen, sowie seine Waaren zu verkaufen.

Dieser plötzliche Umschwung in den Anordnungen des Zamorin paßte aber den maurischen und arabischen Händlern, denen Calicut seine Blüthe verdankte, keineswegs. Sie konnten nicht mit kaltem Blute zusehen, daß diese Fremdlinge den bis jetzt in ihren Händen gebliebenen Handel zu eigenem Nutzen auszubeuten sich bemühten, und beschlossen, nichts unversucht zu lassen, um diese gefährlichen Concurrenten für immer von Indien fern zu halten. Ihre erste Sorge bestand nun darin, den Catoual für sich zu gewinnen. Diesem schilderten sie denn mit den düstersten Farben jene unersättlichen Abenteurer, jene frechen Räuber, welche im Grunde nur die Kräfte und die Hilfsquellen der Stadt auszukundschaften suchten, um später in großer Anzahl wiederzukehren, diese auszuplündern und Alles niederzumachen, was sich ihren Plänen widersetze.

An der Rhede von Pandarany angelangt, fand Gama kein einziges Boot vor, um ihn nach seinen Schiffen zu bringen, und mußte er deshalb auf dem Lande übernachten. Der Catoual verließ ihn niemals und bemühte sich ihm einzureden, daß er die Flotte näher an das Ufer legen solle, und als der Admiral dieses Ansinnen rundweg ablehnte, erklärte er ihn als Gefangenen. Damit zeigte er freilich eine grenzenlose Unkenntniß des Charakters Gama's.

Schnell wurden bewaffnete Boote ausgesendet, um sich der Schiffe zu bemächtigen; die Portugiesen aber, welche ihr Admiral heimlich von dem Vorgefallenen unterrichtet hatte, waren streng auf ihrer Hut und offene Gewalt wagte man doch nicht anzuwenden.

Gama, der noch immer gefangen gehalten wurde, drohte dem Catoual mit dem Zorne des Zamorin, der seiner Ansicht nach die Pflichten der Gastfreundschaft nicht so schwer verletzen lassen könne; da er sich aber von der Erfolglosigkeit seiner Drohungen überzeugen mußte, beschenkte er den Minister mit einigen Stücken Tuch, welche dessen Maßnahmen sofort änderten. »Hätten die Portugiesen, sagte er, ihr dem König gegebenes Versprechen gehalten und ihre Waaren ausgeschifft, so wäre der Admiral schon längst zu seiner Flotte zurückgekehrt.« Gama ertheilte sofort Befehl dazu und richtete ein Comptoir unter Leitung Diego Diaz's, des Bruders vom Entdecker des Caps der Guten Hoffnung, ein und ging darauf an Bord zurück.

Die Muselmänner suchten jedoch dem Verkauf der Waaren allerlei Hindernisse dadurch in den Weg zu legen, daß sie dieselben zu niedrig schätzten, so daß Gama seinen Vertreter Diaz zu dem Zamorin sandte, um sich über die Perfidie der Mauren und über die schlechte, ihm zu Theil gewordene Behandlung zu beklagen. Gleichzeitig verlangte er die Verlegung seines Comptoirs nach Calicut, wo er für seine Waaren reichen Absatz erhoffte. Das Gesuch fand entgegenkommende Aufnahme und es entwickelten sich, trotz der Angriffe der Mauren, recht leidliche Verhältnisse, die bis zum 10. August 1498 anhielten. An diesem Tage begab Diaz sich zum Zamorin, um die bevorstehende Abreise Gama's zu melden, sowie ihn an sein Versprechen wegen der nach Portugal zu schickenden Gesandtschaft zu erinnern, und erbat er sich gleichzeitig je eine Probe aller Erzeugnisse des Landes, die aus dem Erlöse der ersten nach Abfahrt der Flotte verkauften Waaren bezahlt werden sollten, denn die Beamten des Comptoirs beabsichtigten, auch während der Abwesenheit Gama's in Calicut zu bleiben.

Der Zamorin, den die arabischen Händler noch fortwährend aufhetzten, verweigerte nicht nur die Erfüllung seines Versprechens, sondern verlangte auch noch 600 Seraphin Zollgebühren. Gleichzeitig ließ er die vorhandenen Waaren mit Beschlag belegen und führte die Beamten der Factorei als Gefangene weg. Ein solcher Schimpf, eine solche Verletzung alles Völkerrechts forderte strenge Vergeltung. Gama wußte sich aber zu beherrschen; doch als er an Bord den Besuch mehrerer reicher und angesehener Kaufleute empfing, hielt er diese zurück und verlangte vom Zamorin die Auswechslung der Gefangenen. Da die Antwort des Königs über die vom Admiral bestimmte Zeit ausblieb, so ging dieser unter Segel und warf vier Meilen von Calicut Anker. Nach einem wiederholten fruchtlosen Angriff der Hindus kamen die beiden Beamten der Factorei an Bord zurück und Gama wechselte dagegen einen Theil der in seiner Gewalt befindlichen Geiseln aus. Diaz brachte einen von dem Zamorin selbst an den König von Portugal auf ein Pergamentblatt geschriebenen Brief mit. Wir geben diesen hier mit all' seinem auffallenden Lakonismus wieder, der von dem gewöhnlichen Pomp des orientalischen Styls so bemerkbar abweicht:

»Vasco da Gama, ein Mitbewohner Deines Palastes, kam in mein Land, worüber ich mich freute. In meinem Reiche giebt es viel Zimmet, Nelken und Pfeffer, sowie zahlreiche Edelsteine, und was ich aus Deinem Reiche wünsche, besteht in Gold, Silber, Korallen und Scharlach. Leb' wohl!«

Am andern Tage suchte Moucaïda, der Maure von Tunis, der den Portugiesen als Dolmetscher Dienste bei ihren Verhandlungen mit dem Zamorin geleistet hatte, Obdach auf den portugiesischen Schiffen. Da die Waaren nicht zur festgesetzten Frist freigegeben worden waren, beschloß der Kapitän mõr, mit den als Geiseln zurückbehaltenen Personen abzusegeln. Einige Meilen von Calicut aber wurde die Flotte durch eine totale Windstille aufgehalten, wo sie eine Flottille von zwanzig bewaffneten Barken nochmals zu überfallen suchte, so daß die Artillerie Mühe hatte, jene in angemessene Entfernung zurückzuweisen, bis ein heftiger Sturm sie nöthigte, nahe dem Lande Schutz zu suchen.

Der Admiral segelte längs der Küste von Dekkan hin und hatte einigen Matrosen Erlaubniß ertheilt, an's Land zu gehen, um Früchte zu holen und Zimmet zu sammeln, als er acht Boote bemerkte, welche auf ihn zuzusteuern schienen. Gama rief seine Leute an Bord zurück und fuhr den Hindus entgegen, welche nichts Eiligeres zu thun hatten, als die Flucht zu ergreifen, wobei sie eine mit Cocosnüssen und Lebensmitteln beladene Barke in den Händen der Portugiesen zurückließen.

Im Archipel der Lakediven angelangt, ließ Gama den »Berrio« am Boden reinigen und einfetten und sein eigenes Schiff an's Land legen, um es auszubessern. Die Matrosen waren mit dieser Arbeit beschäftigt, als sie noch einmal, doch auch jetzt nicht mit besserem Erfolge, angegriffen wurden. Da sahen sie am nächsten Tage einen einzelnen Mann von etwa vierzig Jahren auf sich zukommen, der zwar in der Tracht der Hindus erschien, ihnen jedoch im besten Italienisch mittheilte, daß er aus Venedig gebürtig, aber schon in zarter Jugend nach diesem Lande entführt worden sei und der christlichen Lehre anhänge, ohne Gelegenheit zu haben, seine Religion zu üben. Im Besitze einer einflußreichen Stellung bei dem Könige dieses Gebiets, sei er zu ihnen geschickt worden, um ihnen Alles zur Verfügung zu stellen, was das Land nur für sie Passendes böte. Ein gegenüber dem gewohnten Empfange so überaus freundliches Anerbieten erregte den Verdacht der Portugiesen. Sie kamen bald auf den Gedanken, daß dieser Abenteurer der Anführer der Barken sein möge, die sie am vorhergegangenen Tage angegriffen hatten. Der Bursche erhielt als Antwort die Peitsche, bis er das Geständniß ablegte, nur gekommen zu sein, um auszukundschaften, wie die Flotte wirksamer angegriffen werden könne, und gleichzeitig verrieth, daß die gesammte Bevölkerung der Küste sich verbunden habe, die Portugiesen abzufangen. Man behielt ihn demnach an Bord zurück; die nöthigen Arbeiten wurden möglichst beschleunigt und nach Einnahme einer hinreichenden Menge von Wasser und anderen Provisionen segelte man nach Europa ab.

Bis zur Küste von Afrika brauchte die Expedition in Folge von Windstillen und Gegenwinden drei Monate weniger drei Tage. Während dieser langen Ueberfahrt erkrankten viele Leute von der Mannschaft am Scorbut und starben sogar dreißig Matrosen. Auf jedem Fahrzeuge blieben mir noch sieben bis acht Mann zur Dienstleistung übrig und oft waren die Officiere selbst genöthigt, mit Hand anzulegen. »Weshalb ich versichern kann, sagt Velho, daß, wenn die Zeit, in der wir durch jene Meere fuhren, sich noch um vierzehn Tage verlängert hätte, Niemand von hier nach uns dort gesegelt wäre ... und als die Kapitäne wegen dieser mißlichen Umstände eine Berathung abhielten, wurde beschlossen, für den Fall weiterer ungünstiger Winde nach Indien zurückzukehren und dort Zuflucht zu suchen.«

Am 2. Februar 1499 endlich befanden sich die Portugiesen in der Nähe einer großen Stadt an der Küste von Ajan mit Namen Magodoxo, etwa hundert Meilen von Melinde.

Gama befürchtete eine Wiederholung des Empfanges, wie er ihn von Mozambique her kannte, und wollte deshalb nicht beilegen, sondern feuerte nur im Vorübersegeln eine volle Breitseite bei der Stadt ab. Wenige Tage später bekam man die reichen und gesunden Gefilde von Melinde in Sicht, wo man vor Anker ging. Der König beeilte sich, frische Lebensmittel und Orangen für die Kranken zu senden. Der Empfang war mit einem Worte ein wahrhaft herzlicher und die bei dem ersten Besuche Gama's geknüpften Bande der Freundschaft schlossen sich jetzt nur noch mehr. Der Scheik von Melinde sandte für den König von Portugal einen schönen Elefantenzahn und viele andere Geschenke mit; gleichzeitig bat er Gama, einen jungen Mauren an Bord aufzunehmen, damit der König durch ihn erfahre, wie sehr er seine Freundschaft wünsche.

Die fünf Ruhetage, welche die Portugiesen in Melinde zubrachten, gewährten ihnen eine namhafte Erleichterung, so daß sie mit frischem Muth wieder in See stachen. Kaum bei Mombaça vorüber, sahen sie sich gezwungen, den Sam Raphael zu verbrennen, denn die Mannschaften waren zu sehr gelichtet, um drei Fahrzeuge zu bedienen. Sie trafen nun auf die Insel Zansibar, ankerten in der Bai von Sam Braz, umschifften, Dank einem günstigen Winde, am 20. Februar das Cap der Guten Hoffnung und befanden sich nun wieder im Atlantischen Ocean.

Eine anhaltende Brise schien die Rückkehr der Reisenden zu beschleunigen. In siebenundzwanzig Tagen hatten sie die Höhe der Insel von Santiago erreicht. Nicolaus Coelho, der den »Berrio« führte, trennte sich, da er darnach geizte, dem König Emanuel zuerst die Nachricht von der Entdeckung Indiens zu überbringen, am 25. April von dem Geschwader und segelte, ohne, wie verabredet war, die Insel des Grünen Vorgebirges anzulaufen, direct nach Portugal, wo er am 10. Juli anlangte.

Unterdessen durchlebte der arme Gama eine rechte Trauer- und Schmerzenszeit. Sein Bruder Paul da Gama, der alle Mühen und Gefahren mit ihm ausgestanden und mit ihm den erworbenen Ruhm so gern getheilt hätte, ging langsam seinem Ende entgegen. In Santiago, auf bekanntem und vielfach befahrenem Meere angekommen, überließ Vasco da Gama das Commando seines Schiffes an Joao de Saa und miethete eine schnell segelnde Caravelle, um seinem geliebten Kranken die Gestade der Heimat desto eher begrüßen zu lassen.

Diese Hoffnung trügte und die Caravelle langte nur noch mit der Leiche des braven und liebenswürdigen Paul da Gama in Terceira an.

Bei seiner Rückkunft, welche in den ersten Tagen des September erfolgt sein mag, wurde der Admiral mit pompösen Festen empfangen. Von hundertsechzig Portugiesen, die er einst mitgenommen hatte, kamen freilich nur fünfundfünfzig wieder zurück. Gewiß war der Verlust ein großer, was bedeutete er aber gegenüber den unermeßlichen Vortheilen, die man sich von dem Unternehmen versprach! Die öffentliche Meinung täuschte sich nicht, als sie Gama eine hochenthusiastische Aufnahme bereitete. Der König Emanuel I. fügte seinen eigenen bisherigen Titeln den eines »Herrn der Eroberung und Umschiffung Aethiopiens, Arabiens, Persiens und Indiens« hinzu; er zögerte aber zwei volle Jahre, bevor er auch Gama belohnte und ihm den Titel eines Admirals von Indien ertheilte, womit gleichzeitig die Erlaubniß verbunden war, seinem Namen ein »Don« vorzusetzen, eine Begünstigung, welche man damals nur sehr schwierig zugestand. Wahrscheinlich um sein Zaudern, bezüglich der äußerlichen Anerkennung der Verdienste Gama's vergessen zu machen, schenkte er ihm noch eintausend Thaler, eine für die damalige Zeit sehr beträchtliche Summe, und gewährte ihm für den Handel mit Indien gewisse Privilegien, die ihn voraussichtlich bald weiter bereichern mußten.

II.

Alvarez Cabral. – Entdeckung von Brasilien. – Die Küste Afrikas. – Ankunft in Calicut, Cochin, Cananor. – Joao de Nova. – Zweite Expedition Gama's. – Der König von Cochin. – Die Anfänge Albuquerque's. – Da Cunha. – Erste Belagerung von Ormuz. – Almeida, seine Siege, sein Handel mit Albuquerque. – Einnahme von Goa. – Belagerung und Einnahme von Malacca. – Zweiter Zug gegen Ormuz. – Ceylon. – Die Molukken. – Albuquerque's Tod. – Schicksale des portugiesischen Reiches in Indien.

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Am 9. März 1500 verließ eine Flotte von dreizehn Schiffen Rastello unter dem Commando von Pedro Alvarez Cabral; zu ihr gehörte als Freiwilliger auch Luiz de Camoëns, der einst in seiner berühmten Luisiade den Muth und Unternehmungsgeist seiner Landsleute preisen sollte. Man weiß nur wenig von Cabral und versteht vorzüglich nicht, wie ihm der Oberbefehl bei dieser so wichtigen Expedition hat übertragen werden können.

Cabral stammte aus einer vornehmen portugiesischen Familie und war sein Vater Fernando Cabral, Herr von Zurara da Beira, Alcalde mõr von Belmonte. Pedro Alvarez hatte eine gewisse Isabel de Castro, eine Hofdame der Infantin Donna Maria, der Tochter Johann III., geheiratet. Machte sich Cabral vielleicht einen Namen durch irgend eine wichtige maritime Entdeckung? Das ist kaum zu glauben, da die Geschichtsschreiber seiner sonst gewiß erwähnten. Dennoch ist nur schwer anzunehmen, daß er der Hofgunst allein den Oberbefehl über eine Expedition verdankt habe, bei der Männer, wie Bartholomäo Diaz, Nicolaus Coelho, der Gefährte Gama's, und Sancho de Thovar ihm untergeordnet waren. Warum wurde nicht der vor sechs Monaten zurückgekehrte Gama mit dieser Mission betraut, der sich durch seine Kenntnisse der zu befahrenden Meere und der Sitte der Landesbewohner doch ganz besonders dafür zu eignen schien? Hatte er sich noch nicht von seinen Strapazen erholt? Nagte der Schmerz über den Verlust des geliebten Bruders so sehr an ihm, daß er sich von der öffentlichen Wirksamkeit fernzuhalten wünschte? Oder sollte nicht vielmehr König Emanuel I., der auf Gama's Ruhm schon eifersüchtig war, ihm die Gelegenheit entzogen haben, seine Popularität noch weiter zu vergrößern? Hier liegen ebensoviele Probleme als Fragen vor, welche die Geschichte vielleicht niemals zu beantworten im Stande sein wird.

Man glaubt so leicht an die Erfüllung dessen, was man wünscht. Emanuel hatte sich eingebildet, der Zamorin von Calicut werde sich der Errichtung von Comptoirs und portugiesischen Factoreien in seinem Lande gar nicht widersetzen, und Cabral, der sehr werthvolle und prächtige Geschenke mitbrachte, um die Knausereien Gama's vergessen zu machen, erhielt den Auftrag, auszuwirken, daß Jener den Mauren in seiner Hauptstadt jede Handelsthätigkeit untersagen solle. Uebrigens wollte der neue Kapitän mõr in Melinde vor Anker gehen, dem Könige die reichen Geschenke anbieten und den Mauren, der sich der Flotte Gama's angeschlossen hatte, wieder übergeben. Endlich sollen fünfzehn auf der Flotte mit eingeschiffte Geistliche in jenen fernen Gebieten Asiens die Kenntniß des Evangeliums verbreiten.

Nach dreizehntägiger Fahrt hatte die Flotte die Inseln des Grünen Vorgebirges passirt, als man gewahr wurde, daß das von Vasco d'Attaïda geführte Schiff weit zurückgeblieben sei. Man legte eine Zeit lang bei, um es abzuwarten, doch vergeblich, und so setzten denn die übrigen zwölf Fahrzeuge ihre Reise auf offener See fort und nicht mehr von einem Vorgebirge Afrikas zum anderen segelnd, wie es vorher besprochen gewesen war. Cabral hoffte dadurch die Windstillen zu vermeiden, welche die früheren Expeditionen im Golfe von Guinea immer so lange aufgehalten hatten. Vielleicht hegte der Kapitän mõr, dem wie allen seinen Landsleuten ja die Entdeckungen Christoph Columbus' bekannt waren, die geheime Hoffnung, noch ein dem großen Seehelden entgangenes Land aufzufinden, wenn er etwas weiter nach Westen abwich.

Mochte nun die stürmische Witterung oder wirklich eine unausgesprochene Absicht es verschulden, jedenfalls segelte die Flotte keineswegs auf der Route, die man hätte einhalten müssen, um das Cap der Guten Hoffnung zu umschiffen, als man am 22. April einen hohen Berg und bald darauf eine lange Küstenreihe entdeckte, die den Namen Vera-Cruz erhielt, der später in Santa-Cruz umgewandelt wurde. Dieses Land war Brasilien und die Stelle dieselbe, wo sich heutzutage Porto Seguro erhebt.

Nach sorgfältiger Untersuchung der Küste durch Coelho betraten die Portugiesen den Boden Amerikas und fanden hier eine höchst milde Temperatur und eine Ueppigkeit der Pflanzenwelt, welche Alles, was man an den Gestaden Afrikas oder Malabars gesehen hatte, weit hinter sich ließ.

Die fast vollkommen nackten Eingebornen trugen auf der Hand einen gezähmten Papagei, etwa wie die großen Herren in Europa ihren Falken oder Sperber, und umringten die Neuangekommenen ohne jedes Zeichen von Furcht. Am Ostersonntag den 26. April ward angesichts der Indianer am Lande eine Messe celebrirt und nahm Cabral von jenem feierlich im Namen des Königs von Portugal Besitz. Am 1. Mai wurde ein großes Kreuz und ein Padrao am Ufer aufgepflanzt. Seine erste Sorge nach Beendigung dieser Formalität bestand darin, Aaspard de Lemos nach Lissabon abzusenden, um die Entdeckung dieses reichen und fruchtbaren Gebietes zu verkünden. Lemos nahm gleichzeitig einen von Pedro Vaz de Canincha abgefaßten Bericht über die Expedition und ein wichtiges von Jao herrührendes astronomisches Document mit, welches jedenfalls die Lage der neuen Erwerbung angab. Vor dem Aufbruch nach Asien schiffte Cabral zwei Uebelthäter aus mit dem Auftrage, sich über die Hilfsquellen und Reichthümer des Landes, sowie die Sitten und Gebräuche der Eingebornen genau zu unterrichten.

Diese so klugen und vorsorglichen Maßnahmen bekundeten hinlänglich die Staatsklugheit und Scharfsichtigkeit Cabral's.

Am 2. Mai verlor die Flotte das Festland Brasiliens aus den Augen. Ueber diesen glücklichen Anfang der Reise erfreut, glaubten Alle auch an den weiteren und raschen Erfolg derselben, als acht Tage darauf die Erscheinung eines glänzenden Kometen die unwissenden, naiven Gemüther, die darin ein übles Vorzeichen sahen, mit Furcht und Schrecken erfüllte. Die weiteren Vorkommnisse sollten diesmal den Aberglauben bestätigen.

Es erhob sich nämlich ein entsetzlicher Sturm, berghoch stürzten sich die Wogen auf die Schiffe, während der Wind wüthend blies und der Regen in dichten Strömen herabfiel. Blickte die Sonne ja einmal durch den dichten Wolkenvorhang, der ihr Licht fast vollständig zurückhielt, so beleuchtete sie nur ein grauenvolles Bild. Das Meer erschien schwarz und fast schlammig, große, weiße Flocken lagerten auf den Wogen bis hinauf zu deren schaumigen Kämmen und während der Nacht schimmerten phosphorescirende Streifen auf der endlosen Fläche und bezeichnten das Kielwasser der Schiffe als eine feurige Straße.

Zweiundzwanzig Tage lang wurden die portugiesischen Fahrzeuge ohne Rast und Ruh' umhergeschleudert. Die erschreckten Matrosen fühlten sich zum Tode erschöpft, verlassen trotz aller Gebete und Gelöbnisse, und gehorchten ihren Officieren nur noch aus alter Gewohnheit. Schon am ersten Tage hatten sie ihr Leben verloren gegeben und erwarteten jeden Augenblick, verschlungen zu werden.

Als der Himmel sich endlich wieder aufhellte und die Wogen sich glätteten, glaubte die Besatzung jeden Schiffes nur allein noch übrig zu sein und suchte ängstlich nach den früheren Gefährten. Zur größten Freude, welche bald die traurige Wirklichkeit vergessen ließ, fanden sich drei Segler wieder zusammen. Acht andere fehlten. Vier derselben waren in den letzten Tagen des Sturmes durch eine riesige Trombe vernichtet worden. Eines von diesen commandirte Bartholomäo Diaz, der Entdecker des Caps der Guten Hoffnung. »Es war versenkt worden, sagt Camoëns. durch die empörten Wogen, die Vertheidiger des Reichs des Ostens, gegen die Völker des Westens, welche schon so manche Jahrhunderte nach dessen Reichthümern lechzten.«

Während dieser Reihe von Stürmen hatte man das Cap umschifft und näherte sich nun mehr den Küsten Afrikas. Am 20. Juli wurde Mozambique signalisirt. Die Mauren zeigten sich jetzt entgegenkommender als bei der ersten Reise Gama's und sendeten den Portugiesen Lootsen zur Führung nach Quiloa, einer wegen ihres nach Sofala betriebenen Handels mit Goldpulver berühmten Insel. Daselbst fand Cabral noch zwei seiner Schiffe wieder, welche hierher verschlagen worden waren, und nachdem er durch rechtzeitige Abfahrt eine Verschwörung, in Folge welcher die Europäer alle ermordet werden sollten, vereitelt hatte, kam er ohne weiteren Unfall in Melinde an.

Das Verweilen der Flotte in diesem Hafen ward Veranlassung zu zahllosen Festen und Lustbarkeiten und bald darauf fuhren die portugiesischen Schiffe, nachdem sie frisch verproviantirt und sorgsam ausgebessert worden waren, unter der Leitung tüchtiger Lootsen nach Calicut ab, woselbst sie am 13. December 1500 anlangten.

Diesmal erfuhren sie, Dank ihrer Respect einflößenden Bewaffnung und der reichen Geschenke, welche sie dem Zamorin darbrachten, einen ganz anderen Empfang, und schnell stimmte der wankelmüthige Fürst Allem zu, was Cabral von ihm verlangte: das ausschließliche Vorrecht des Handels mit Specereien und Gewürzen, sowie das Recht der Beschlagnahme derjenigen Fahrzeuge, welche diese Vorschrift übertreten würden. Eine Zeit lang verbargen die Mauren ihre Unzufriedenheit, als sie die Bevölkerung aber hinlänglich aufgereizt zu haben glaubten, stürmten sie auf ein gegebenes Zeichen die von Ayres Correa geleitete Factorei und machten daselbst fünfzig Portugiesen, welche sie darin überraschten, nieder.

Die Wiedervergeltung ließ freilich nicht auf sich warten. Die im Hafen ankernden Schiffe wurden genommen, beraubt und vor den Augen der ohnmächtig zuschauenden Hindus verbrannt, die Stadt bombardirt und zur Hälfte zerstört.

Dann setzte Cabral seine Erforschung der Küste von Malabar fort und kam nach Cochin, dessen Rajah, ein Vasall des Zamorin, sich beeilte, mit den Portugiesen ein Bündniß zu schließen und hastig die Gelegenheit ergriff, sich für unabhängig zu erklären.

Obwohl seine Flotte schon eine reiche Ladung eingenommen hatte, besuchte Cabral doch noch Cananor, wo er eine Allianz mit dem Rajah des Landes schloß, bald aber, voll Ungeduld, nach Europa zurückzukehren, unter Segel ging.

Als er der von dem Indischen Meere bespülten Küste Afrikas folgte, entdeckte er auch Sofala, das Gama's Nachforschung entgangen war, und kehrte am 13. Juli 1501 nach Lissabon zurück, wo ihm die Freude wurde, auch die beiden letzten Fahrzeuge wiederzufinden, die er schon verloren geglaubt hatte.

Man nimmt allgemein an, daß ihm damals ein, den wichtigen Ergebnissen dieser denkwürdigen Expedition entsprechender Empfang zu Theil geworden sei. Schwelgen auch die zeitgenössischen Geschichtsschreiber vollständig über sein Leben nach der Rückkunft von Indien, so ist es doch neueren Nachsuchungen gelungen, sein Grab in Santarem aufzufinden, und ein glücklicher Fund Ferdinand Denis' beweist auch, daß er als Belohnung für seine glorreichen Dienste ebenso wie Vasco da Gama das Prädicat Don zugestanden erhielt.

Während der Rückfahrt nach Europa hätte Alvarez Cabral einer Flotte von 40 Caravellen unter dem Befehl Joao da Nova's begegnen können, abgesendet vom König Emanuel, um den Handelsbeziehungen, welche Cabral in Indien voraussichtlich angeknüpft hatte, einen erneuten Aufschwung zu geben. Diese neue Expedition umschiffte das Cap der Guten Hoffnung ohne Hinderniß, entdeckte zwischen Mozambique und Guiloa eine bis dahin unbekannte Insel, welche den Namen des Commandanten erhielt, und langte glücklich in Melinde an, wo sie erst die in Calicut vorgekommenen Ereignisse erfuhr.

Da Nova verfügte nicht über hinreichende Streitkräfte, um den Zamorin zu züchtigen, und da er nicht die Ehre der portugiesischen Waffen durch einen Mißerfolg schädigen wollte, begab er sich nach Cochin und Cananor, deren Tributär-Fürsten des Zamorin sich mit Alvez Cabral verbündet hatten. Schon trugen seine Schiffe eine Fracht von eintausend Centnern Pfeffer, fünfzig Centnern Ingwer und vierhundertfünfzig Centnern Zimmet, als er die Nachricht empfing, daß eine scheinbar von Calicut herkommende beträchtliche Flotte in feindlicher Absicht auf ihn heransegle.

Hatte sich da Nova mehr um den Handel als um den Krieg gekümmert, so erwies er sich in diesem kritischen Momente doch nicht weniger kühn und tapfer als seine Vorgänger. Trotz der offenbaren Ueberlegenheit der Hindus nahm er das Gefecht auf und zerstreute, Dank seiner vortrefflichen Dispositionen und der verheerenden Wirkung seiner Artillerie, die feindlichen Schiffe, von denen er einzelne noch eroberte oder versenkte.

Vielleicht hätte er sich den Schrecken, den sein unerwarteter Sieg auf der ganzen Küste verbreitet hatte, und die augenblickliche Erschöpfung der Hilfsquellen der Mauren zu Nutzen machen sollen, um sich durch einen kühnen Handstreich Calicuts zu bemächtigen.

Wir stehen jetzt aber diesen Ereignissen viel zu fern und kennen alle Einzelheiten zu wenig, um unparteiisch die Gründe beurtheilen zu können, welche da Nova veranlaßten, unverzüglich nach Europa zurückzukehren.

Bei diesem letzten Theil seiner Reise entdeckte er mitten im Atlantischen Ocean die kleine Insel St. Helena, an deren Auffindung sich eine merkwürdige Sage verknüpft. Ein gewisser Fernando Lopez hatte, um ein Hindumädchen ehelichen zu können, seinem Glauben entsagen und Mohamedaner werden müssen. Beim Erscheinen da Nova's wünschte er, mochte er nun der Frau oder der Religion überdrüßig geworden sein, nach dem Vaterlande zurückzukehren, und nahm deshalb den alten Glauben wieder an. Bei dem zufälligen Besuche St. Helenas bat Lopez, um einem plötzlichen Gedanken, den er für göttliche Eingebung hielt, zu folgen, hier ausgesetzt zu werden, um, wie er sagte, seine abscheuliche Apostasie zu büßen und durch neue Bemühungen zum Wohle der Menschheit wieder gut zu machen. Diese Absicht erschien da Nova so löblich, daß er seine Zustimmung gab und ihn auf sein Verlangen auch verschiedene Sämereien zu Früchten und Gemüsen überließ. Der sonderbare Eremit arbeitete übrigens an der Urbarmachung und Anpflanzung der Insel vier Jahr hindurch mit solchem Erfolge, daß die Schiffe bei der langen Reise zwischen Europa und der Südspitze Afrikas hier genügende Vorräthe fanden, um sich frisch zu verproviantiren.

Die einander folgenden Expeditionen Gama's, Cabral's und da Nova's bewiesen zur Evidenz, daß auf geordnete Handelsbeziehungen und einen regelmäßigen Waarenaustausch mit der Bevölkerung der Küste von Malabar, die sich immer und immer wieder gegen die Portugiesen verbunden hatte, nicht zu rechnen sei, so lange man ihre Unabhängigkeit und ihre Freiheit respectirte. Zu dem Handel mit den Europäern, den sie so energisch abwehrten, mußte man sie wohl oder übel zwingen, und zu dem Ende stehende Militär-Etablissements gründen, welche im Stande waren, die Unzufriedenen im Zaume zu halten und sich, wenn nöthig, selbst des Landes zu bemächtigen.

Wem aber sollte man eine so verantwortungsreiche Stellung übertragen? Die Wahl konnte nicht schwer sein und einstimmig wurde auch Vasco da Gama als der geeignetste Mann bezeichnet, den Oberbefehl über die imposante Macht zu führen, welche bei dieser Gelegenheit entfaltet werden sollte.

Unter seinem unmittelbaren Kommando hatte Vasco zehn Fahrzeuge; je fünf führten sein zweiter Bruder oder Vetter, Etienne da Gama und Vincent Sodres, denen Vasco jedoch als Oberbefehlshaber vorgesetzt war.

Die Ceremonien vor der Abfahrt von Lissabon trugen einen besonders ernsten und feierlichen Charakter. König Emanuel begab sich mit seinem ganzen Hofstaate und mitten unter einer ungeheuren Volksmenge nach der Kathedrale, wo er den Segen des Himmels für diese zu religiösen und militärischen Zwecken ausgerüstete Expedition herabflehte, und der Erzbischof selbst weihte die Gama übergebene Standarte ein. Des Admirals erste Sorge war es, sich nach Sofala und Mozambique zu begeben, über welche Städte er sich gelegentlich seiner früheren Reise schwer zu beklagen hatte. Begierig, sich Nothhäfen und Verproviantirungsplätze zu beschaffen, richtete er hier Comptoirs ein und legte auch den ersten Grund zu Befestigungen. Von dem Scheikh von Guiloa zog er einen namhaften Tribut ein und segelte hierauf nach der Küste von Hindostan ab.

Er befand sich auf der Höhe von Cananor, als er am 3. October 1502 ein Fahrzeug von großem Tonnengehalt in Sicht bekam, in dem er eine reiche Ladung vermuthete. Es war das der »Merri«, der von Mekka eine aus allen Theilen Asiens zusammengeströmte Pilgerschaar zurückführte. Gama griff das Schiff ohne alle Ursache an, eroberte dasselbe und überlieferte mehr als dreihundert Menschen, die jenes trug, einem grausamen Tode. Nur zwanzig Kinder blieben verschont und wurden nach Lissabon mitgenommen und getauft, später aber der portugiesischen Armee eingereiht. Dieses abscheuliche Blutbad, das man nur unter Berücksichtigung der Denkungsweise jener Zeit erklärlich findet, sollte Gama's Meinung nach auf die Hindus einen heilsamen Schrecken ausüben. Vergeblich. Jene häßliche und vollkommen nutzlose Grausamkeit hat nur einen Flecken auf den bis dahin so reinen Namen des großen Admirals geworfen.

Nach seiner Ankunft in Cananor hatte Gama eine Unterredung mit dem Rajah, in welcher er das Zugeständniß auswirkte, eine Factorei und ein Fort anzulegen; gleichzeitig ward ein Offensiv- und Defensivvertrag abgeschlossen. Die nöthigen Arbeiter wurden angestellt und ein Factor eingesetzt, dann aber segelte der Admiral nach Calicut ab, um von dem Zamorin wegen seiner Illoyalität und der Ermordung der in der Factorei gefangenen Portugiesen Rechenschaft zu fordern.

Obwohl er von der Annäherung seiner furchtbaren Feinde Nachricht erhielt, traf der Rajah von Calicut doch keinerlei militärische Maßregeln zu seinem Schutze. Auch konnte Gama, als er vor der Stadt erschien, sich, ohne Widerstand zu finden, der am Hafen verankerten Schiffe bemächtigen und über hundert Gefangene machen; dann gewährte er dem Zamorin eine Frist von vier Tagen, den Portugiesen wegen der Ermordung Correa's Genugthuung zu leisten und den Werth der bei jener Gelegenheit geraubten Waaren zu ersetzen.

Die zugestandene Frist war kaum abgelaufen, als auch schon die Körper von fünfzig Gefangenen an den Raaen der Schiffe schaukelten, wo sie den ganzen Tag über der Stadt zur Schau gestellt blieben. Gegen Abend schnitt man diesen ersten Opfern noch die Hände und Füße ab, welche nach der Stadt geschickt wurden, gleichzeitig mit einem Briefe und der Drohung des Admirals, daß er seine Rache nicht auf diese Execution beschränken werde. Unter dem Schutze der Nacht legten sich die Schiffe sehr nahe vor die Stadt und beschossen dieselbe drei Tage lang. Man wird zwar niemals etwas über die Zahl der hierbei gefallenen Opfer erfahren, doch muß sie ohne Zweifel eine sehr große gewesen sein. Ohne Rücksicht auf Diejenigen, welche den Geschossen der Artillerie und den Kugeln der Musketen unmittelbar unterlagen, wurde eine große Menge Hindus entweder begraben unter den Ruinen der zusammenbrechenden Häuser oder kam bei der Feuersbrunst, welche einen Theil von Calicut zerstörte, elend in den Flammen um. Als einer der Ersten entfloh der Rajah aus seiner Hauptstadt, und that sehr wohl daran, denn sein Palast gehörte unter die demolirten Gebäude.

Endlich schlug Gama den Kurs nach Cochin wieder ein, nachdem er jene früher so wohlhabende und volksreiche Hauptstadt in einen Haufen von Trümmern verwandelt, seine Rache dadurch gekühlt hatte, und auch der Ueberzeugung geworden war, daß diese Action nicht ohne Nutzen sein werde. Doch ließ er aus Vorsicht und zur Fortsetzung der Blokade Vincent Sodres mit einigen Schiffen vor dem Hafen zurück.

Triumpara, der Herrscher von Cochin, theilte ihm mit, daß er vom Zamorin wiederholt gedrängt worden sei, sich das Vertrauen, welches die Portugiesen zu ihm hätten, zu Nutze zu machen, um sich derselben zu bemächtigen; der Admiral aber schenkte ihm als Anerkennung dieser Rechtlichkeit und Loyalität, die seinen Alliirten der Feindschaft des Rajah von Calicut aussetzte, bevor er mit einer reichen Ladung nach Lissabon absegelte, mehrere Schiffe, die ihm bis zur Ankunft eines neuen portugiesischen Geschwaders die nöthige Sicherheit verliehen.

Der einzige Zwischenfall, der Gama's Rückfahrt nach Europa unterbrach, war die Niederlage einer malabrischen Flotte, welche er unterwegs traf. Am 20. December 1503 langte er dann in der Heimat an.

Auch diesmal wurden die hervorragenden Dienste, die der große Mann seinem Vaterlande geleistet hatte, verkannt oder doch nicht so geschätzt, wie sie es verdienten. Er, der Grundsteinleger zu dem portugiesischen Kolonialreiche in Indien, bedurfte der Fürsprache des Herzogs von Braganza, um den Titel eines Grafen von Vidiguera zu erhalten, und blieb einundzwanzig Jahre lang ohne alle Verwendung. Es ist das wiederum ein Beispiel der so häufigen Undankbarkeit, welche immer gebrandmarkt zu werden verdient.

Kaum war Vasco da Gama nach Europa aufgebrochen, als der Zamorin, den die Muselmänner, weil sie ihren früheren Handel mehr und mehr gefährdet sahen, immer aufreizten, in Pani seine Bundesgenossen versammelte, um den König von Cochin anzugreifen und ihn für die den Portugiesen gewährte Unterstützung zu bestrafen. Bei dieser Gelegenheit ward die Treue des unglücklichen Rajah auf eine sehr harte Probe gestellt. In seiner Hauptstadt von überlegenen Kräften belagert, sah er sich plötzlich auch der Hilfe Derjenigen beraubt, für die er sich im Grunde in diese Gefahren gestürzt hatte.

Sodres und einige seiner Hauptleute verließen den Posten, wo Ehre und Erkenntlichkeit sie auszuharren und, wenn nöthig, in den Tod zu gehen verpflichtet hätten, und gaben Triumpara einfach auf, um in der Gegend von Ormuz und am Eingang des Rothen Meeres zu kreuzen, wo sie darauf rechneten, daß ihnen in Folge der jährlichen Pilgerfahrten nach Mekka eine reiche Beute in die Hände fallen werde. Vergeblich stellte der portugiesische Factoreiverweser ihnen das Ehrlose eines solchen Benehmens vor; sie segelten nur um so eiliger ab, um sich dieser lästigen Beurtheilung zu entziehen,

Bald sah sich der König von Cochin von einigen seiner Unterthanen, welche der Zamorin für sich gewonnen hatte, verrathen, seine Hauptstadt durch Sturm genommen und er mußte mit den wenigen treu gebliebenen Portugiesen auf einen uneinnehmbaren Felsen der Insel Viopia flüchten. Als er auf's Aeußerste bedrängt war, sandte der Zamorin ihm einen Emissär, der ihm im Namen seines Herrn Vergessen und Verzeihung zusicherte, im Falle er die Portugiesen auslieferte. Triumpara aber, dessen treues Aushalten gar nicht genug gerühmt werden kann, antwortete: »daß der Zamorin von seinem Rechte als Sieger Gebrauch machen solle, daß er recht gut wisse, welche Gefahren ihm drohten, daß es jedoch in keines Menschen Macht liege, ihn zum Verräther und Meineidigen zu machen«. Eine edlere Antwort konnte man auf die schmähliche Flucht und die Feigheit Sodres' nicht wohl ertheilen.

Letzterer kam zwar an der Straße von Bab-el-Mandeb an, fand daselbst aber durch einen fürchterlichen Sturm mit seinem Bruder den Tod. Das Schiff des Letzteren war auf die Klippen geworfen und zerschmettert worden; die Ueberlebenden sahen in diesem Ereigniß eine göttliche Strafe für ihr schändliches Benehmen, gingen unter Segel und begaben sich nach Cochin. Bei den Lakediven durch widrige Winde zurückgehalten, begegneten sie dort schon einem neuen portugiesischen Geschwader unter dem Befehl Francisco d'Albuquerque's. Dieser hatte Lissabon fast gleichzeitig mit seinem Vetter Alfonso, dem größten Seemann seiner Zeit, verlassen, welcher mit dem Titel eines Kapitän mõr Anfang April 1503 von Belem abgefahren war.

Das Eintreffen Francisco d'Albuquerque's erlöste die Portugiesen wieder aus der durch Sodres' Criminalverbrechen herbeigeführten schlimmen Lage und rettete mit einem Schlage ihren einzigen, treuen Alliirten Triumpara. Die Belagerer entflohen, ohne nur weiteren Widerstand zu versuchen, beim Erblicken des Geschwaders der Portugiesen, und diese verwüsteten zur Vergeltung mit Hilfe der Streitkräfte des Königs von Cochin die ganze Küste von Malabar. In Folge dieser Ereignisse gestattete Triumpara seinen Verbündeten in seinen Staaten eine zweite Festung anzulegen und autorisirte sie auch, die Anzahl und den Umfang ihrer Comptoirs zu vergrößern. Gerade zu dieser Zeit traf nun Alfonso d'Albuquerque ein, der der eigentliche Begründer der portugiesischen Macht in Indien werden sollte. Diaz, Cabral und Gama hatten ihm die Wege gebahnt, Albuquerque aber war der Führer mit den großartigsten Plänen, der bald herauszufinden wußte, welches die wichtigsten Städte des Landes seien, deren man sich bemächtigen mußte, um die Herrschaft Portugals auf einer festen und dauernden Grundlage aufzubauen. Da Alles, was mit der Geschichte dieses hervorragenden, kolonisatorischen Genies in Verbindung steht, von Interesse ist, so flechten wir einige Worte über seine Familie, seine Erziehung und seine erste öffentliche Thätigkeit ein.

Alfonso d'Alboquerque oder d'Albuquerque erblickte das Licht der Welt im Jahre 1453 in Alhandra, sechs Meilen von Lissabon. Durch seinen Vater Gonçalo d'Albuquerque, Herr von Villaverde, stammte er, freilich illegitim, vom König Diniz ab, durch seine Mutter von den Menezes, den berühmten Forschungsreisenden. An den Hof Alphons V. gebracht, genoß er daselbst eine ebenso vielseitige als für die damalige Zeit gründliche Bildung. Er studirte zunächst die großen Schriftsteller des Alterthums, was man auch an der Größe und Bestimmtheit seines Styls wieder erkennt, und Mathematik, von der er sich den ganzen Kreis des damaligen Wissens in diesem Fache aneignete. Nach mehrjährigem Aufenthalt in Afrika, und zwar in der, in Alphons V. Gewalt gefallenen Stadt Arzila, kehrte er nach Portugal zurück und wurde zum Oberstallmeister Johann's III. ernannt, dessen ganzes Dichten und Trachten darauf gerichtet war, den Namen und die Macht Portugals jenseits der Meere zu verbreiten. Offenbar lag in dem häufigen, durch seine Stellung herbeigeführten Beisammensein mit dem König der Grund dafür, daß Albuquerque sich zu geographischen Studien hingezogen fühlte und nur noch von den Mitteln träumte, seinem Vaterlande die Indischen Reiche zu erwerben. Er hatte an einem Feldzuge zur Unterstützung des Königs von Neapel gegen den Einfall der Türken Theil genommen und im Jahre 1489 den Auftrag gehabt, die Festung Graciosa, an der Küste von Larache, zu entsetzen und zu vertheidigen.

Für Alfonso d'Albuquerque bedurfte es nur weniger Tage, sich über die thatsächliche Lage klar zu werden; er sah ein, daß der portugiesische Handel sich nur dann ausbreiten könne, wenn er sich auf Gebietserweiterungen stütze. Seine erste dahin zielende Bestrebung entsprach freilich nur der Unzulänglichkeit seiner Hilfsmittel; er belagerte nämlich Raphelin, aus dem er einen Waffenplatz für seine Landsleute zu machen gedachte, und begab sich selbst mit zwei Schiffen hinaus zur Auskundschaftung der Küste von Hindostan. Zu Wasser und zu Lande unerwartet angegriffen, wäre er dabei sicher unterlegen, als die Ankunft und das Miteingreifen seines Vetters Francisco dem Gefecht eine günstige Wendung gab und die Schaaren des Zamorin die Flucht ergreifen mußten. Die Folgen dieses Sieges waren sehr beträchtlich; er lieferte den Siegern eine ungeheure Beute und eine Menge kostbarer Steine in die Hände, wodurch die Habgier der Portugiesen natürlich nur noch mehr erregt wurde; gleichzeitig aber bestärkte er Albuquerque in seinen Absichten, zu deren Durchführung er freilich die Zustimmung des Königs und der Gewährung sehr umfänglicher Hilfsmittel bedurfte. Er reiste also nach Lissabon ab, wo er im Juli 1504 eintraf.

In dem nämlichen Jahre hatte der König Emanuel zum Zwecke der Errichtung einer regelrechten Regierung in Indien Tristan da Cunha schon das Patent als Vicekönig ertheilt; eine plötzliche Erblindung aber nöthigte diesen, von seinen Functionen abzustehen, bevor er diese noch angetreten hatte. Die Wahl des Königs fiel darauf auf Francisco d'Almeida, der in Begleitung seines Sohnes im Jahre 1505 absegelte. Wir werden bald sehen, welche Mittel dieser anwenden zu müssen glaubte, um seinen Landsleuten das dauernde Uebergewicht zu sichern.

Am 6. März 1506 verließen sechzehn Schiffe Lissabon unter dem Befehl Tristan da Cunha's, der inzwischen seine Sehkraft wieder erlangt hatte. Mit ihm reiste Alfonso d'Albuquerque, der ohne eigene Kenntniß davon seine Ernennung zum Vicekönig von Indien in der Tasche trug. Er sollte ein ihm übergebenes versiegeltes Packet erst nach Ablauf von drei Jahren öffnen, wenn Almeida seinen Auftrag durchgeführt haben werde.

Die zahlreiche Flotte drang nach kurzem Aufenthalte bei den Inseln des Grünen Vorgebirges und der Entdeckung des Cap Saint Augustin in Brasilien, entschlossen in die noch unerforschten Theile des südlichen Atlantischen Oceans ein, und zwar so tief, sagen die zeitgenössischen Geschichtsschreiber, daß mehrere zu leicht gekleidete Matrosen erfroren und auch alle Uebrigen ihren Pflichten nur mit großer Mühe nachkommen konnten. Unter 37° 8' südlicher Breite und 14° 21' westlicher Länge entdeckte da Cunha drei kleine unbewohnte Inseln, deren größte noch heute seinen Namen trägt. Stürmische Witterung machte eine Landung unmöglich und zerstreute die ganze Flotte so vollständig, daß sich die einzelnen Schiffe erst vor Mozambique wieder zusammenfanden. Bei der Fahrt längs der Küste von Afrika lief er die Insel Madagaskar oder Sam-Lorenzo an, welche Sodres als Befehlshaber einer Flotte von acht Schiffen, die Almeida nach Europa zurückschickte, entdeckt hatte, konnte sich aber nicht dazu entschließen, hier eine Niederlassung zu gründen.

Nach der Ueberwinterung in Mozambique schiffte er in Melinde drei Abgesandte aus, welche auf dem Landwege nach Abessinien zu kommen suchen sollten; ferner ankerte er vor Brava, dessen Unterwerfung Coutinho, einer seiner Unterbefehlshaber, nicht zu erzwingen vermochte. Die Portugiesen sahen sich also genöthigt, die Stadt förmlich zu belagern, und wenn diese auch einen heldenmüthigen Widerstand leistete, so mußte sie doch dem Muthe und der vollkommeneren Bewaffnung ihrer Gegner zuletzt unterliegen. Die Bevölkerung ward ohne Schonung hingemordet, die Stadt selbst aber den Flammen überliefert.

In Magadoxo, noch immer an der Küste Afrikas, versuchte da Cunha, jedoch vergeblich, seine Autorität zur Anerkennung zu bringen. Die starken Befestigungen der Stadt, deren zahlreiche Bevölkerung sich sehr entschlossen vertheidigte, und die Annäherung des Winters zwangen ihn, die Belagerung aufzuheben. Er wandte nun seine Waffen gegen die Insel Socotora, am Eingänge des Golfes von Aden, deren Festungswerke er einnahm. Die ganze Besatzung mußte über die Klinge springen, und nur ein alter blinder Soldat, den man in einem Brunnen versteckt gefunden hatte, blieb dabei verschont. Denen, die ihn fragten, wie er habe da hinabsteigen können, erwiderte er: »Die Blinden können keinen anderen Weg sehen, als den, der zur Freiheit führt!«

In Socotora erbauten die beiden portugiesischen Anführer das Fort von Coco, das nach d'Albuquerque's Anschauungen dazu bestimmt war, den Golf von Aden und das Rothe Meer durch die Straße von Bab-el-Mandeb zu beherrschen, indem es einen der von den Afrikanern bei dem Handel mit Indien am meisten benutzten Seewege verlegte.

An diesem Punkte trennten sich da Cunha und d'Albuquerque; der Erste ging nach Indien ab, um dort eine Ladung Gewürze zu erlangen; der Zweite, jetzt der officielle Kapitän mõr und ganz erfüllt von seinen weitaussehenden Plänen, segelte am 10. März 1507 nach Ormuz, während er in der neuen Festung seinen Neffen, Alfonso de Noronha, zurückließ. Nach und nach, und wie um in der Uebung zu bleiben, eroberte er Calayate, wo sich ungeheure Vorräthe befanden, Curiate und Maskate, das er der Plünderung, dem Feuer und der Zerstörung preisgab, um sich für wiederholte Verräthereien zu rächen, welche bei dem doppelzüngigen Charakter der dortigen Bewohner sehr erklärlich erscheinen.

Der Erfolg, den er bei Maskate errungen, genügte, so durchschlagend er auch war, d'Albuquerque doch beiweitem nicht. Er hegte großartigere Pläne, deren Durchführung nur durch die Eifersüchteleien seiner Officiere in Frage gestellt wurde, und vorzüglich durch Joao de Nova, welcher seinen Commandanten direct verlassen wollte, so daß d'Albuquerque sich gezwungen sah, ihn auf seinem eigenen Schiffe verhaften zu lassen. Nach Zurückweisung dieser Versuchungen zum Ungehorsam und zur Meuterei erreichte der Kapitän mõr Orfacate, das nach heldenmüthigem Widerstande eingenommen wurde.

Auffallender Weise hatte Albuquerque zwar schon lange von Ormuz reden gehört, doch kannte er dessen Lage bisher noch nicht, wenn er auch wußte, daß diese Stadt der Lagerplatz aller von Asien nach Europa gehenden Waaren sei. Ihren Reichthum und ihre Macht, die große Einwohnerzahl, die Schönheit ihrer Denkmale, rühmte der ganze Orient, so daß man zu sagen pflegte: »Wenn die Welt ein Ring ist, so ist Ormuz dessen Edelstein!«

Jetzt reifte bei Albuquerque aber der Entschluß, sich derselben zu bemächtigen, nicht allein, weil sie an und für sich eine wünschenswerthe Beute in Aussicht stellte, sondern auch, weil sie den ganzen Persischen Golf und damit die zweite Handelsstraße zwischen Orient und Occident beherrschte. Ohne die Kapitäne seiner Flotte über seine Absichten aufzuklären, da sie sich wohl geweigert haben würden, eine so starke Stadt, die Hauptstadt eines mächtigen Reiches, anzugreifen, ließ d'Albuquerque das Cap Mocendon umschiffen, und bald drang die Flotte in die Meerenge von Ormuz, das Thor des Persischen Golfes ein, wo man der prächtigen auf einer Felseninsel terrassenförmig erbauten Stadt ansichtig ward, deren Hafen eine weit zahlreichere Flotte, als man erwartet hatte, barg, welch' letztere mit furchtbarer Artillerie ausgerüstet und von einem Heere von 15- bis 20.000 Mann unterstützt war.

Bei diesem Anblick bestürmten die anderen Befehlshaber den Kapitän mõr mit lebhaften Vorstellungen wegen der Gefahr eines Angriffs auf eine so wohlbewaffnete Stadt, und hoben besonders hervor, welche üble Folgen das Mißlingen dieser Unternehmung nach sich ziehen könne. D'Albuquerque erwiderte auf diese Einreden aber nur, daß es »sich hier allerdings um nichts Geringes handle, daß es aber zur Umkehr zu spät sei und er mehr nach Beendigung dieser unangenehmen Lage, als nach gutem Rathe verlange«.

Kaum hatten die Anker den Grund gefaßt, als Albuquerque auch schon sein Ultimatum stellte. Trotz seiner nur unzulänglichen Kräfte, ging die Forderung des Kapitän mõr dahin, daß Ormuz die Souveränität des Königs von Portugal anerkennen und sich seinem Gesandten unterwerfen solle, wenn es sich nicht derselben Behandlung wie Maskate aussetzen wolle.

Der damals in Ormuz regierende König Seif-Ed-din war selbst noch ein Kind. Sein erster Minister, Kodja-Atar, ein geschickter und schlauer Diplomat, führte in dessen Namen die Regierung.

Ohne d'Albuquerque's Ansinnen im Principe abzulehnen, wollte der erste Minister nur Zeit gewinnen, seine Heerhaufen zum Entsatz der Stadt heranziehen zu können; der Admiral durchschaute jedoch diesen Plan und scheute sich nicht, nach dreitägigem Warten, mit seinen fünf Schiffen und der Flor de la mar, dem schönsten und größten Fahrzeuge jener Zeit, die gewaltige, unter den Kanonen von Ormuz liegende Flotte anzugreifen.

Es entwickelte sich ein blutiges und lange Zeit unentschiedenes Gefecht; als die Mauren aber sahen, daß das Kriegsglück sich gegen sie zu wenden schien, flohen sie von ihren Schiffen und suchten schwimmend die Küste zu erreichen. Die Portugiesen sprangen eiligst in ihre Boote, verfolgten jene und richteten unter ihnen ein entsetzliches Blutbad an. D'Albuquerque wandte sich nun mit aller Macht gegen einen von Artillerie und Bogenschützen vertheidigten Hafendamm; die Pfeile der Letzteren verwundeten viele Portugiesen und auch den General selbst, was diesen jedoch nicht abhielt, an's Land zu gehen und wenigstens die Vorstadt einzuäschern. Erfüllt von der Ueberzeugung, daß jeder weitere Widerstand vergeblich sei und ihre Hauptstadt nur Gefahr laufe, zerstört zu werden, entfalteten die Mauren die Parlamentärsflagge und unterzeichneten einen Vertrag, in welchen sich Seif-Ed-din zum Vasallen des Königs Emanuel erklärte, ihm einen jährlichen Tribut von 15.000 Seraphin oder Xarafin zu zahlen versprach und den Siegern die Errichtung einer Festung gestattete, welche trotz des Widerspruchs der portugiesischen Kapitäne und der von ihnen bereiteten Hindernisse doch bald in vertheidigungsfähigen Zustand kam.

Leider hinterbrachten Deserteure diese Meinungsverschiedenheiten bald den Kodja-Atar, der sich diese Mittheilungen zu Nutzen machte und sich unter mancherlei Vorwänden der Ausführung des erst abgeschlossenen Vertrags zu entziehen suchte. Wenige Tage darauf verließen Joao da Nova und zwei andere auf die Erfolge d'Albuquerque's eifersüchtige Kapitäne, Ehre, Disciplin und Vaterlandsliebe vergessend, ihren Oberbefehlshaber, um sich nach Indien zu begeben; Letzterer selbst sah sich durch die Desertion jener Schurken zum Rückzug gezwungen, bei dem er sogar die mit aller Vorsorge und Umsicht erbaute Festung wieder aufgeben mußte.

Er segelte also nach Socotora, dessen Garnison der Hilfe sehr bedurfte, kreuzte später nochmals vor Ormuz, zog sich aber im Gefühle seiner Schwäche, die keine erfolgversprechende Unternehmung gestattete, vorläufig nach Goa zurück, das er gegen Ende 1508 erreichte.

Was war während dieses langen und abenteuerreichen Feldzuges auf der Küste von Malabar vorgegangen? Versuchen wir diese Ereignisse in wenigen Zeilen zusammenzufassen.

Man erinnert sich, daß Almeida im Jahre 1505 vor Belem mit einer Flotte von zweiundzwanzig Segeln und einer Besatzung in der Stärke von 1500 Mann abgereist war. Gleich Anfangs eroberte er Quiloa, später Mombaça, dessen »Ritter, wie die Eingebornen mit einem gewissen Stolze sagten, sich nicht so leicht ergaben, wie die Hennen von Quiloa«. Von der ungeheuren Beute, welche hier in seine Hände fiel, nahm er für sich nichts als einen Pfeil, gewiß ein Zeichen seltener Uneigennützigkeit.

Nachdem er kurze Zeit in Melinde verweilt, begab er sich nach Cochin, wo er dem Rajah die diesem vom König Emanuel gesandte goldene Krone überlieferte und die Gelegenheit ergriff, sich mit der ihm eigenen anmaßenden Voreiligkeit den Titel eines Vicekönigs zuzulegen.

Nachdem er in Sofala eine Befestigung in der Absicht angelegt, durch dieselbe alle Muselmänner der Küste im Zaum zu halten, kreuzten Almeida und sein Sohn auf dem Indischen Meere, vernichteten die Malabarischen Flotten, fingen Handelsschiffe ab und fügten dem Feinde überhaupt einen unberechenbaren Schaden zu, indem sie ihm alle früheren Seewege verlegten.

Um diese Raubzüge aber erfolgreich weiter zu führen, bedurfte es einer beträchtlichen und doch schnellsegelnden Flotte, denn es stand, wenigstens an der Küste Asiens, kein anderer Nothhafen offen als Cochin. Wie empfehlenswerther dagegen erschien das Verfahren d'Albuquerque's, der sich in jedem Lande gleich dauernd festzusetzen bemühte, indem er überall Befestigungen anlegte, sich der bedeutendsten Städte bemächtigte, von denen aus es ihm leicht wurde, Streifzüge in das Hinterland derselben zu unternehmen, und der sich endlich dadurch, daß er die Schlüssel der beschränkteren Fahrstraßen in seine Hände zu bekommen suchte, das Handelsmonopol mit Indien auf weit gefahrlosere und mehr Andauer verheißende Weise sicherte.

Inzwischen hatten die Siege Almeida's und die fortschreitenden Eroberungen d'Albuquerque's dem Saladin von Egypten lebhafte Besorgniß eingeflößt. Verwaiste der Handelsweg über Alexandria, so zog das eine bedeutende Verminderung der Zolleinkünfte, Ankerabgaben und Transitgebühren nach sich, welche sonst auf den asiatischen Waaren, wenn sie durch sein Gebiet befördert wurden, lasteten. Mit der Unterstützung der Venetianer, die ihm sowohl das nöthige Bauholz, als auch geschickte Seeleute lieferten, rüstete er ein Geschwader von zwölf hochbordigen Schiffen aus, welche die Flotte Lorenzo d'Almeida's bei Cochin aufsuchte und sie nach einem blutigen Kampfe vernichtete, bei dem auch deren Anführer selbst den Tod fand.

Traf diese betrübende Nachricht den Vicekönig auch sehr schmerzlich, so ließ er davon doch nichts merken und setzte Alles daran, um sich an den »Roumis« – ein Name, aus dem noch der jahrhundertlange Schrecken, den die Römer verbreiteten, herausklingt und der noch damals auf der Küste von Malabar bei allen von Byzanz kommenden muselmännischen Soldaten üblich war – eine furchtbare Rache zu nehmen. Mit neunzehn Segeln begab sich Almeida zunächst vor den Hafen, in dem sein Sohn umgekommen war, und erfocht einen durchschlagenden Sieg, der freilich durch wahrhaft entsetzliche Grausamkeiten befleckt wurde, so daß man zu sagen pflegte: »Möge der Zorn der Franken über Dich kommen, wie er Dabul getroffen hat!«

Nicht zufrieden mit diesem ersten Erfolge, vernichtete Almeida einige Wochen später vor Diu die vereinigten Streitkräfte des Saladin von Egypten und des Rajah von Calicut.

Die Nachricht von diesem Siege ging wie ein Lauffeuer durch ganz Indien und machte der Oberherrschaft der Mohamedaner aus Egypten für immer ein Ende.

Joao da Nova nebst den anderen Kapitänen, welche d'Albuquerque vor Ormuz verlassen hatten, beschlossen nun, sich Almeida anzuschließen; ihren Ungehorsam suchten sie dabei durch Verleumdungen zu beschönigen, in Folge deren schon eine gerichtliche Untersuchung gegen Albuquerque eingeleitet werden sollte, als der Vicekönig die Mittheilung seiner Ersetzung durch den Erstgenannten erhielt. Anfangs hatte Almeida zwar erklärt, dieser königlichen Bestimmung Folge leisten zu müssen. Bestochen aber von den Einflüsterungen jener Verräther, welche eine strenge Bestrafung fürchteten, wenn die Macht in Albuquerque's Hände überging, begab er sich im März 1509 nach Cochin mit dem Entschlusse, den Oberbefehl an seinen Nachfolger nicht abzutreten. Dadurch entstanden zwischen den beiden großen Männern langdauernde und häßliche Streitigkeiten, bei denen das Unrecht offenbar auf Almeida's Seite lag, und schon sollte Albuquerque geschlossen in Eisen nach Lissabon zurückgeführt werden, als zum Glück eine Flotte von fünfzehn Segeln unter dem Commando des Großmarschalls von Portugal, Fernan Cutinho, in den Hafen einlief. Dieser stellte sich dem Gefangenen sofort zur Verfügung, befreite denselben, theilte Almeida noch einmal officiell den Inhalt der Vollmacht mit, welche Albuquerque vom König besaß, und bedrohte ihn mit dem königlichen Zorne Emanuel's, wenn er nicht gehorchen werde. Almeida mußte nachgeben und that es jetzt auch ohne Widerspruch. Joao da Nova aber, der eigentliche Urheber dieser beklagenswerthen Vorkommnisse, starb kurze Zeit darauf, verlassen von Allen, und Niemand folgte ihm zur letzten Ruhestätte, als der neue Vicekönig, der edelmüthig genug vergaß, was er ihm angethan hatte. Sofort nach Abgang Almeida's erklärte der Großmarschall Cutinho, daß er nach Indien mit dem Auftrage gekommen sei, Calicut zu zerstören, und daß er sich zu diesem Zwecke die Abwesenheit des Zamorin von seiner Hauptstadt zu Nutzen machen wollte. Vergeblich bemühte sich der neue Vicekönig, seine Thatenlust zu zügeln und ihm einige durch bittere Erfahrungen gewonnene Klugheitsregeln zu empfehlen – Cutinho wollte nichts hören und Albuquerque mußte sich fügen.

Zuerst ward das unvorbereitete Calicut allerdings ohne Schwierigkeiten in Brand gesteckt; als die Portugiesen aber schon die Plünderung des Palastes des Zamorin begannen, wurden sie von den Eingebornen, welche sich schnell gesammelt hatten, kräftig zurückgeworfen. Cutinho, der sich unüberlegt zu weit hinreißen ließ, fand den Tod, und es bedurfte des ganzen Muthes und der bewährten Kaltblütigkeit des Vicekönigs, die Wiedereinschiffung seiner Truppen unter dem Feuer des Feindes zu erzwingen und wenigstens die völlige Vernichtung der von Emanuel gesendeten Streitkräfte zu verhindern.

Nach Cintagara, einem Seehafen in Besitz des Königs von Narsingue, den die Portugiesen als Bundesgenossen erworben hatten, zurückgekehrt, vernahm Albuquerque, daß Goa, die Hauptstadt eines mächtigen Reiches, jetzt unter dem Drucke einer politischen und religiösen Anarchie stehe. Verschiedene hervorragende Führer stritten sich dort um die Herrschaft. Einer derselben, Melek Cufergugi, war schon nahe daran, sich des Thrones zu bemächtigen, und es galt also, die Umstände zu benützen und die Stadt anzugreifen, bevor jener im Stande wäre, alle Kräfte derselben zu vereinigen, um sich den Portugiesen zu widersetzen. Der Vicekönig durchschaute vollkommen die Bedeutung dieser Unternehmung. Die Lage Goa's, von wo aus der Weg nach dem Königreiche Narsingue und nach Dekkan führte, bot ihm schon ein besonderes Interesse. Er zögerte daher keinen Augenblick, und bald hatten die Portugiesen eine weitere Eroberung zu verzeichnen. Das »goldene« Goa, eine Art kosmopolitische Stadt, wo Parsis, Feueranbeter und Christen mit allen Seelen des Islams verkehrten, verfiel dem Joche Albuquerque's und erhob sich unter dessen weisem, aber strengem Regiments, das sich die Sympathien der feindlichen Secten zu erwerben verstand, bald zur Hauptstadt, zur wichtigsten Festung und zum herrschenden Handelsplatz des portugiesischen Reiches in Indien.

Unmerklich hatte sich nun im Laufe der Jahre mehr Licht über diese reichen Länder verbreitet. Vielfältige Erfahrungen, gesammelt von den kühnen Seefahrern, welche jene sonnenübergossenen Meere durchschifften, kamen dem Mutterlande zu Gute und man kannte nun die eigentlichen Productionsstätten der Gewürze, welche man von so weit her und unter so unsäglichen Gefahren gesucht hatte. Schon seit mehreren Jahren hatte Almeida auf Ceylon, dem alten Taprobane, die ersten portugiesischen Comptoirs begründet. Jetzt reizten die Sunda-Inseln und die Halbinsel Malacca die Begierde des Königs Emanuel, der schon den Beinamen des Glücklichen führte. Er beschloß also, zu ihrer Auskundschaftung eine neue Flotte auszusenden, da Albuquerque in Indien genug zu thun hatte, um die murrenden Rajahs und die Muselmänner – wie man sie damals nannte – im Zaume zu halten.

Auch diese Expedition unter dem Befehle Diego Lopez Sequeira's wurde, der altgewohnten Politik der Mauren gemäß, in Malacca zuerst sehr freundlich aufgenommen. Als Lopez Sequeira's Mißtrauen aber durch die wiederholten Versicherungen bundesgenossenschaftlicher Treue eingeschläfert schien, stand plötzlich die ganze Bevölkerung wie ein Mann gegen ihn auf und zwang ihn, sich eiligst wieder einzuschiffen, wobei er sogar noch dreißig Mann von den Seinigen in den Händen der Malayen zurückließ.

Die letzten Ereignisse spielten sich schon einige Zeit vorher ab, bevor die Nachricht von der Einnahme Goa's bis Malacca drang. Der »Benderra« oder Justizminister, der Reichsverweser für seinen noch kindlichen Neffen, beeilte sich, aus Furcht, daß die Portugiesen für diese Verrätherei eine gräßliche Rache nehmen würden, diese zu besänftigen. Er suchte deshalb die Gefangenen auf, entschuldigte sich bei ihnen, indem er eidlich versicherte, daß Alles ohne sein Wissen und ohne seinen Willen geschehen sei, und daß er nichts mehr wünschte, als die Portugiesen in Malacca einen friedlichen Handel treiben zu sehen; dazu ertheilte er Befehl, die Rädelsführer dieser Verrätherei ausfindig zu machen und exemplarisch zu züchtigen.

Die Gefangenen schenkten solchen lügnerischen Versicherungen allerdings keinen Glauben, benützten aber die ihnen aufgedrungene relative Freiheit und wußten Albuquerque auf geschickte Weise sehr werthvolle Notizen über die Lage und Stärke der Stadt zugehen zu lassen.

Albuquerque vermochte nur mit Anstrengung eine Flotte von neunzehn Kriegsfahrzeugen zusammenzubringen, welche 1400 Mann trug, von denen nur 800 Portugiesen waren. Sollte er nun, wie der König Emanuel verlangte, nach Aden, dem Schlüssel des Rothen Meeres, gehen, dessen Besitz von Wichtigkeit war, wenn es sich darum handelte, einer neuen Flotte, welche der Saladin von Egypten nach Indien zu schicken beabsichtigte, das Auslaufen aus dem beschränkten Meere zu verwehren? Noch zögerte er mit seinem Entschlusse, als das Umschlagen des Moussons (Jahreszeitenwind) ihn zu einem solchen nöthigte. Bei dem jetzt herrschenden Winde erschien es nämlich überhaupt unmöglich, nach Aden zu gelangen, während jener zur Fahrt nach Malacca besonders günstig war.

Diese damals in höherer Blüthe stehende Stadt zählte nicht weniger als 100.000 Einwohner. Enthielt sie auch viel hölzerne, nur mit Palmenblättern bedeckte Häuser, so fanden sich daneben doch auch eine Menge sehr umfänglicher Bauwerke, Moscheen und steinerne Thürme, deren Panorama sich in der Ausdehnung von einer Stunde vor den Blicken entrollte. Indien, China, die malayischen Königreiche der Sunda-Inseln trafen in der Stadt zusammen, wo zahlreiche von der Küste von Malabar, dem Persischen Golfe, dem Rothen Meere und der Küste Afrikas gekommene Schiffe Waaren aus allen Ländern und von aller Art austauschten.

Beim Anblick der in seine Gewässer einlaufenden portugiesischen Flotte sah der Rajah von Malacca ein, daß er den Fremdlingen eine eclatante Genugthuung geben müsse, indem er den Minister, der ihren Grimm erregt und ihr Erscheinen veranlaßt hatte, opferte. Sein Abgesandter brachte also dem Vicekönig die Mittheilung, daß der Benderra hingerichtet worden sei, und erkundigte sich gleichzeitig nach den Absichten der Portugiesen.

Albuquerque antwortete mit der Reclamation der in der Gewalt des Rajah verbliebenen Gefangenen; dieser aber versteckte sich, – da er Zeit zu gewinnen wünschte, bis der Mousson wieder wechselte, wodurch die Portugiesen entweder gezwungen wurden, unverrichteter Dinge nach Malabar zurückzukehren oder wiederum noch sehr lange Zeit in Malacca zu verweilen, wo er sie dann zu vertilgen hoffte – hinter tausenderlei leere Ausflüchte, und errichtete, wie die alten Berichte melden, inzwischen eine Batterie mit 8000 Kanonen, neben der er noch ein Kriegsheer von 20.000 Mann ansammelte.

Albuquerque, dem die Geduld ausging, ließ jetzt einige Häuser und mehrere guzaretische Schiffe anzünden, als Anfang seiner Selbsthilfe, was die sofortige Herausgabe der Gefangenen zur Folge hatte; ferner forderte er 30.000 Cruzaden Ersatz für den der Flotte Lopez Sequeira's zugefügten Schaden; endlich verlangte er, daß man ihn in der Stadt selbst eine Befestigung errichten lasse, welche gleichzeitig als Comptoir dienen sollte. Albuquerque wußte im Voraus, daß diese Anforderungen nicht erfüllt werden würden, was denn auch der Fall war.

Er beschloß also, sich der Stadt zu bemächtigen. Der Tag des heiligen Jacob ward zum Angriff bestimmt. Trotz sehr energischer, neun volle Tage fortgesetzter Verteidigung, trotz der Verwendung ganz außerordentlicher Mittel, wie z. B. dressirter Elefanten, vergifteter Pfeile, geschickt verborgener Fallen und Barrikaden, wurde die Stadt, Quartier nach Quartier, nach wahrhaft heldenmüthigem Kampfe eingenommen. Den Soldaten fiel eine ungeheure Beute zu. Albuquerque behielt für sich nur zehn bronzene, nach Anderen nur eiserne Löwen, welche er zum Schmucke seiner dereinstigen Grabstätte als ewige Erinnerung an diesen Sieg bestimmte.

Das Thor nach Oceanien und dem oberen Asien war nun gesprengt. Viele, bisher noch unbekannte Völker traten in Folge dessen mit den Europäern in Berührung. Die merkwürdigen Sitten und die fabelhafte Geschichte so vieler Nationen kam zur Kenntniß des erstaunten Occidents. Eine neue Aera begann und diese unübersehbaren Resultate verdankte man dem ungezügelten Eifer und unbezwinglichen Muthe eines Volkes, dessen Heimat auf der Weltkarte fast verschwindet.

In Folge der religiösen Toleranz, welche Albuquerque übte, eine Toleranz, die von dem grausamen Fanatismus der Spanier so vortheilhaft absticht, sowie in Folge seiner klugberechneten Maßnahmen vertrug der Wohlstand Malaccas auch diese furchtbare Erschütterung. Wenige Monate später fand man fast keine weitere Spur der vorhergegangenen Prüfungen, als die Flagge Portugals, welche stolz über dieser gewaltigen Stadt wehte, die das Haupt und der Pionnier des königlichen Reiches jenes kleinen, durch seinen Muth und Unternehmungsgeist so ausgezeichneten Volkes wurde.

So große Bedeutung Albuquerque auch der neuen Erwerbung beilegte, so drängte diese seine früheren Projecte doch keineswegs in den Hintergrund. Wenn er auf dieselben verzichtet zu haben schien, so geschah das nur, weil ihm die Umstände zu deren Durchführung nicht günstig genug erschienen. Mit der Bestimmtheit und Zähigkeit, die den Grundzug seines Charakters bildeten, richtete er den Blick von dem südlichsten Ende des von ihm gegründeten Reiches auch unausgesetzt nach Norden hin. Immer lag ihm Ormuz, welches aufzugeben ihn zu Anfang seiner Carrière die Vorsicht und der Verrath seiner Untergebenen gezwungen hatte, und das gerade in dem Augenblicke, wo der beste Erfolg seine Mühe und Ausdauer zu krönen versprach – immer lag ihm Ormuz noch im Sinne. Die Gerüchte von seinen Erfolgen und der Schrecken seines Namens hatten Kodja-Atar bestimmt, sich nun entgegenkommender zu beweisen, jenen um Abschluß eines Vertrages anzugehen und ihm den Rest des früher vereinbarten Tributs zu senden. Obwohl er den wiederholten Freundschafts-Versicherungen keinen Glauben beimaß – jener maurischen Treue, welche ebenso berühmt zu werden verdiente wie die punische Treue – nahm der Vicekönig einstweilen Alles ruhig an in der Erwartung, seine Herrschaft in jenen Ländern dereinst doch noch auf die Dauer begründen zu können.

Im Jahre 1513 oder 1514 – das Datum ist geschichtlich nicht festgestellt – als die Eroberung von Malacca und die Ruhe, deren sich seine anderen Besitzungen erfreuten, Flotte und Soldaten nicht besonders in Anspruch nahmen, eilte Albuquerque mit vollen Segeln nach dem Persischen Golfe.

Obwohl wiederholte Empörungen einen Wechsel in der Regierung von Ormuz herbeigeführt und die Macht jetzt in die Hände eines Usurpators, Namens Rais-Nordim oder Nureddim, gelegt hatten, verlangte Albuquerque doch gleich nach seiner Ankunft die Rückgabe der früher begonnenen Befestigungen. Nachdem er sie wieder in Stand gesetzt und ganz ausgebaut hatte, ergriff er Partei gegen den Prätendenten Rais-Named in dem Streite, der die Stadt Ormuz gleichsam in zwei Lager theilte und sie beinahe unter persische Oberhoheit gebracht hätte, bemächtigte sich derselben und lieferte sie an Den aus, der auf seine Bedingungen im Voraus eingegangen war und ihm die besten Garantien für seine Unterwürfigkeit und Treue zu bieten schien. Uebrigens konnte es ihm nicht schwer fallen, sich deren Besitz künftig vollends zu sichern, denn Albuquerque ließ in dem Festungswerke eine hinreichend starke Besatzung zurück, um Rais-Nordim an jedem Versuche einer Auflehnung oder der Widererlangung seiner Selbstständigkeit zu hindern. An diesen Zug nach Ormuz knüpft sich eine Anekdote, welche zwar schon sehr bekannt ist, deren Nichterzählung aber der Leser uns eben deshalb zum Vorwurf machen würde.

Als der König von Persien von Nureddin den Tribut verlangte, den die Herrscher, von Ormuz ihm zu zahlen pflegten, ließ Albuquerque eine große Menge Gewehre und Kanonenkugeln, sowie Bomben herbeibringen und den Abgesandten vorlegen, indem er sagte, das sei die Münzsorte, in welcher der König von Portugal Tribut zu entrichten gewöhnt sei. Es scheint nicht, als ob die Gesandten Persiens ihr Verlangen wiederholt hätten.

Mit seiner von ihm bekannten Klugheit verstand es Albuquerque, den Bewohnern in keiner Weise zu nahe zu treten, so daß diese sehr bald nach der Stadt zurückkamen. Weit entfernt, sie zu mißhandeln oder zu bedrücken, wie es seine Nachfolger bald thun sollten, sorgte er für unparteiische Verwaltung und gerechte Richter, wodurch er den portugiesischen Namen geliebt und geachtet zu machen wußte.

Während er nun selbst so Außerordentliches leistete, hatte Albuquerque einige seiner Officiere beauftragt, die unbekannten Landstriche zu erforschen, deren Zugang er durch die Eroberung von Malacca offen gelegt hatte. Zu diesem Zwecke übergab er Antonio und Francisco d'Abreu das Commando des kleinen Geschwaders nebst zweihundert Mann Besatzung, mit denen sie den ganzen Archipel der Sunda-Inseln, Sumatra, Java, Anjoam, Simbala, Jolor, Galav u. s. w. näher in Augenschein nahmen; unfern der Küste Australiens steuerten sie dann nach Norden, nach einer Fahrt von über fünfhundert Meilen mitten durch den gefährlichen Archipel voller Klippen und Korallenriffe, und stets bedroht von einer feindlichen Bevölkerung, bis zu den Inseln Bura und Ambroine, welche schon zu den Molukken gehören. Nach Befrachtung ihrer Schiffe mit Zimmet, Muscate, Sandelholz, Macisnüssen und Perlen gingen sie im Jahre 1512 wieder nach Malacca unter Segel. Jetzt war nun das wirkliche Gewürzland aufgefunden worden und es erübrigte nur noch die Begründung von Factoreien und die vollständige Besitznahme desselben, welche nicht lange auf sich warten lassen sollte.

Der Tarpejische Felsen liegt ganz nahe dem Capitol, hat man häufig gesagt: Alfons d'Albuquerque war es beschieden, die Wahrheit dieser Worte an sich selbst zu erfahren und seine letzten Tage wurden ihm durch unverdienten Undank verbittert, ein Resultat vieler Lügen und Verleumdungen, eines wirklich künstlich eingefädelten Verraths, der, wenn er ihm auch vorübergehend sein Ansehen bei dem König Emanuel raubte, doch den Ruhm dieser hervorragenden Gestalt in den Augen der Nachwelt nicht zu verdunkeln vermochte. Schon früher hatte man dem Könige von Portugal einmal einzuflüstern gesucht, daß die Besitznahme von Goa ein schwerer Fehler sei; sein verderbliches Klima sollte, so wurde behauptet, eine europäische Besatzung in kurzer Zeit decimiren. Voll Vertrauen auf die Erfahrung und die Weltkenntniß seines Feldherrn wollte der König den Feinden desselben kein Gehör schenken, worauf ihm Albuquerque mit den Worten dankte: »Ich schulde dem König Emanuel mehr Dank, Goa gegen die Portugiesen in Schutz genommen zu haben, als er mir dafür, daß ich es zweimal erobert habe.« Im Jahre 1514 aber hatte Albuquerque als Lohn für seine Dienste vom König den Titel eines Herzogs von Goa erbeten und diesen unklugen Schritt wußten seine Gegner bestens auszunützen.

Soarez d'Albergavia und Diego Mendez, welche Albuquerque, nachdem sie sich öffentlich als dessen Widersacher bekannt hatten, als Gefangene nach Portugal geschickt hatte, gelang es nicht nur, sich von den gegen sie erhobenen Beschuldigungen reinzuwaschen, sondern sie überredeten auch den König zu dem Glauben, der Vicekönig wolle sich ein unabhängiges Herzogthum mit der Hauptstadt Goa errichten und wußten dadurch dessen Ungnade zu erregen.

Die Nachricht von der Ernennung d'Albergavia's zum General-Kapitän von Cochin traf Albuquerque, als er aus der Meerenge von Ormuz kam, um sich nach der Malabarküste zu begeben. Schon tief von Krankheit ergriffen, »erhob er, sagt F. Denis in seiner ausgezeichneten Geschichte Portugals, seine Hand gen Himmel und sprach folgende wenige Worte: »»Da stehe ich nun zerfallen da mit dem Könige wegen meiner Liebe zu den Menschen und mit den Menschen wegen meiner Anhänglichkeit an den König. Greis, lenke Deine Schritte zur Kirche, bereit zum Tode, denn Deine Ehre verlangt es, zu sterben, und Du hast niemals etwas unterlassen, was Deine Ehre erheischte.««

Auf der Rhede von Goa angelangt, erleichterte Alfons d'Albuquerque, so weit er dessen bedurfte, der Kirche gegenüber sein Gewissen und ließ sich unter die Brüder des heiligen Jacob aufnehmen, deren Oberer er schon war, und »am Sonntag den 16. December 1515, eine Stunde vor dem Morgenrothe, kehrte seine Seele zu Gott zurück. Hier fand sein Streben, sein Arbeiten ein Ende, ohne ihm jemals die verdiente Genugthuung gewährt zu haben«.

Er ward mit größtem Pompe beerdigt, und die Soldaten, die treuen Gefährten seiner wunderbaren Abenteuer und die Zeugen seiner schmerzlichen Enttäuschung, stritten sich dabei weinend um die Ehre, seine sterblichen Ueberreste bis nach der letzten, von ihm selbst erwählten Ruhestätte zu tragen. In ihrem Schmerze wollten die Hindus gar nicht glauben, daß er gestorben sei, sondern behaupteten, er sei nur von ihnen gegangen, um im Himmel die Heerschaaren anzuführen.

Ein erst in jener Zeit aufgefundenes Schreiben Emanuel's beweist übrigens, daß der König, wenn er sich auch zeitweise durch die gefälschten Berichte der Feinde Albuquerque's täuschen ließ, nachher doch nicht zögerte, ihm volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Leider ist dieser, ihn in alle seine Ehren wiedereinsetzende Brief ihm niemals zugekommen; gewiß hätte er die Bitterkeit seiner letzten Augenblicke gemildert, während er mit dem Schmerze die Augen schloß, von einem Fürsten undankbar behandelt zu werden, dessen Ruhm und dessen Macht er sein ganzes Lebensglück hingeopfert hatte.

Mit ihm erlosch, sagt Michelet, bei den Siegern alle Gerechtigkeit, alle Menschlichkeit. Noch lange Zeit wallfahrteten die Indianer zu dem Grabe des großen Albuquerque, ihn um Gerechtigkeit gegen die Quälereien seiner Nachfolger anzuflehen.

Unter den Ursachen, welche so schnell den Verfall und die Zerbröckelung des ungeheuren Königreichs herbeiführten, mit dem Albuquerque sein Vaterland beschenkt, und das noch nach seinem Zusammenbruche unverwischbare Spuren in Indien hinterlassen hat, verdienen, nach Michelet, besonderer Erwähnung: Die Entfernung und Zerstreuung der Comptoirs, die geringe, für die Ausdehnung seiner Niederlassungen gänzlich unzureichende Bevölkerung Portugals, die Raublust und die Quälereien einer liederlichen Regierung, vor Allem aber der unbezähmbare Nationalstolz, der eine Vermischung der Sieger und der Besiegten zur Unmöglichkeit machte.

Nur durch zwei Helden wurde dieser Verfall etwas aufgehalten, nämlich durch Juan de Castro, der nach Erwerbung ungeheurer Reichthümer zuletzt noch so arm war, daß er sich in seiner letzten Krankheit nicht einmal eine Henne zu erkaufen vermochte, und durch Ataïde, welche Beide der entsittlichten Bevölkerung noch einmal ein Beispiel männlicher Tugenden und untadelhafter Verwaltung vor Augen führten. Nach ihnen kam jedoch der Einsturz, der Zerfall; das gewaltige Reich zerbröckelte und fiel den Spaniern und Holländern in die Hände, die es auch ihrerseits nicht unversehrt zu erhalten verstanden. Alles vergeht – Alles wechselt. Kann man nicht hierbei unter Anwendung auf die Königreiche der Menschen den Spruch aus dem spanischen Gedicht citiren: Das Leben ist nur ein Traum?

 


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