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20. Kapitel. Unter einem Glücksstern

Im Sternenhaus saß man beim Morgenfrühstück auf der Veranda. Es war erst in der neunten Stunde. Am Sonntagmorgen liebte der Professor eine gemütliche Frühstücksmahlzeit.

Die Schiebefenster waren emporgezogen. Sonnenglanz und Rosenduft fluteten vom Garten herein.

»Unsere Kinder sind heute schon mehrere Stunden unterwegs. Wandervögel fliegen früh aus«, bemerkte der Professor, sein Ei löffelnd. »Sie haben heute einen herrlichen Tag.«

»Hoffentlich ist Suschen munter. Das Kind gefiel mir gestern nicht.« Frau Professor Winter unterdrückte einen Seufzer. Es tat ihr schon zehnmal leid, daß sie die Erlaubnis erteilt hatte.

»Ich weiß nicht, ich habe solchen Druck auf der Brust, das unbestimmte Gefühl, als ob nicht alles in Ordnung wäre«, stimmte die Großmama bei. »Ich wollte, die Kinder wären erst wieder zurück.«

»Mütterchen, du bist ja eine zweite Kassandra«, scherzte der Professor. »Du hättest sicherlich auch den Trojanischen Krieg vorausgeahnt.«

Durch die Pappelallee die bergige Straße herauf rollte ein Wagen. Er hielt vor dem Gartentor des Sternenhauses.

»Ein Leiterwagen? Was bekommen wir denn für Dorfbesuch?« meinte Professor Winter verwundert.

Da sprang es von dem Wagen herab mit lautem Gebell. Etwas Schwarzes, Glattfelliges. Bubi wollte die Bewohner des Sternenhauses schonend vorbereiten.

»Das ist doch Bubi, Herberts Bubi! Wie kommt der Hund hierher?«

»Da ist etwas passiert!« Frau Professor Winter eilte angsterfüllt hinter ihrem Manne her zur Gartenpforte.

»Ich hab's geahnt – ich hab's gewußt«, murmelte die zurückbleibende Großmama. Die Füße versagten ihr. Sie sah, wie ihr Sohn, behutsam sein Töchterchen in den Armen tragend, wieder zum Haus zurückkehrte. Seine Frau war bereits vorangeeilt, das Bett für das erkrankte Kind zu richten. Barmherziger – ihrem Liebling mußte etwas zugestoßen sein.

Da stand Herbert mit blassem Gesicht neben der Großmama.

»Rege dich nicht auf, Omama. Hoffentlich ist es nicht so schlimm, hoffentlich muß Suse nicht sterben«, stieß er hervor. Und da stürzten dem Jungen die krampfhaft zurückgehaltenen Tränen aus den Augen.

»Was ist geschehen – ist Suschen verunglückt?« Kaum vermochte die alte Frau die schlimme Frage zu stellen.

Herbert schlang den Arm stützend um seine kleine Omama.

»Nein, Omama, aber doll krank ist sie. Nicht wahr, sie wird wieder gesund?« Angstvoll hingen die blauen Jungenaugen an der Großmama.

»Das gebe der Himmel!« flüsterten die alten Lippen.

Eine Stunde später stand wieder ein Wagen vor dem Sternenhaus. Ein Krankenwagen war es, der Suse in die Klinik brachte. Der eiligst herbeigerufene Arzt hatte tatsächlich Blinddarmentzündung festgestellt. Sofortige Operation war notwendig.

Von dem gemeinsamen Balkon, über die Blumen hinweg, die Suse gepflanzt und gepflegt, schaute Herbert dem Wagen, der seine Suse forttrug, nach, bis alles vor seinen Blicken in einem Tränenschleier verschwamm. Würde er seinen Zwilling wiedersehen?

»Lieber Gott, stehe meiner Suse bei! Laß sie wieder gesund werden! Ich will mich ja auch niemals wieder mit ihr zanken, immer lieb und verträglich mit ihr sein.« Oh, was machte sich Herbert jetzt für Vorwürfe, daß er auf der gestrigen Wanderung nicht genügend Rücksicht auf die Schwester genommen hatte. Vielleicht wäre es dann gar nicht so schlimm geworden. Konnte nicht auch die Angst, die sie neulich beim Schwimmen in der Saale um ihn ausgestanden, die Krankheit verursacht haben? Das war eine bitterschwere Stunde für den leichtsinnigen Jungen.

Er ging in Suses Stübchen. Goldene Sonnenstrahlen spielten über dem kleinen Rosensofa, auf dem sie sooft zusammen gesessen hatten. Am Fenster blühten Suses Blumen. Ihre Kakteenzucht umfaßte viele kleine Töpfchen, eine stattliche Sammlung war es. Er begann sie zu zählen – siebenundvierzig Stück.

»Wenn du erst wieder gesund bist, Suse, schenke ich dir noch drei dazu, damit du fünfzig hast und dich bei deiner Heimkehr freust. Und wenn es auch mein ganzes Taschengeld kostet«, schluchzte Herbert in sich hinein. Ärgerlich wischte er sich die Tränen von den Augen. Ein Junge, und noch dazu ein Tertianer, durfte nicht weinen. Er nahm Suses kleine Gießkanne, goß die Töpfchen alle, ihre kleine Myrte und die Balkonblumen. Sorgsam nahm er jedes welke Blättchen ab, wie es Suse stets zu tun pflegte. Nie hatte er sich früher darum gekümmert.

Über das Goldfischglas glitzerten die Sonnenstrahlen. Es schien Herbert, als ob die Fischchen sich heute nicht so munter dort tummelten. Sie reckten die Köpfchen aus dem Wasser. Blickten sie ihn nicht vorwurfsvoll an? Gewiß hatten sie heute noch kein Futter bekommen. Suses fürsorgliche Hand fehlte ihnen. Herbert griff nach dem Futterkästchen und streute ihnen ihr Futter.

Bis in die Ecke des Stübchens glitzerten die Sonnenstrahlen. »Piep – piep«, klang es von dort. Da flatterte im Bauer Suses Mätzchen unruhig hin und her. Es drehte das Köpfchen nach allen Seiten, schob das Schnäbelchen durch das Gitter und ließ sein hungriges »Piep – piep« ertönen. Sicher hatte Minna heute in der Aufregung noch nicht Zeit gefunden, an Mätzchen zu denken. Herbert füllte ihm sein Futternäpfchen und gab ihm frisches Trinkwasser. »Piep – piep« – sagte das Vögelchen dankbar.

Goldene Kringel malten die Sonnenstrahlen auf die Balkonschwelle. Dort sonnte sich einsam und verlassen Piccola, das schneeweiße Kätzchen. Es lief nicht wie sonst vor Herbert davon, sondern blinzelte den Jungen aus grasgrünen Augen fragend an.

»Arme Piccola, du vermißt heute auch deine Suse«, sagte Herbert mit ungewohnter Freundlichkeit zu dem Kätzchen. Er nahm das Schüsselchen und füllte es mit Milch für Piccola, als könnte er damit seiner Suse etwas Liebes antun.

Da miefte es leise von der andern Ecke des Balkons. Bubi meldete sich. Hatte sein junger Herr heute nur Sinn für Suses Lieblinge?

»Komm, alter Kerl«, sagte Herbert, sein schwarzes Fell klopfend. »Du warst gestern besser zu Suse als ich. Du hast eher erkannt, daß sie dolle Schmerzen hatte, als ich, ihr Zwilling. Ich habe sie ausgelacht und sie ›Marzipanpüppchen‹ genannt.«

Bubi sah Herbert aus feuchten Hundeaugen ernsthaft an. Weinte er um Suse?

Herbert wußte heute nichts mit sich anzufangen. Er mochte kein Buch, kein Spiel vornehmen – Suse fehlte ihm.

Und dabei war er sooft jetzt eigene Wege gegangen, manch liebes Mal hatte er sich nicht um die Schwester gekümmert. Aber das sollte anders werden, wenn Suse wieder heimkehrte. Ja, wenn ...

Ein kaltes Schnäuzchen schmiegte sich in die herabhängende Rechte des von Selbstvorwürfen gequälten Jungen. Bubi wedelte seinem jungen Herrn hoffnungsfreudig zu. Wie konnte man nur an einem so strahlenden Sonntagsmorgen Zuversicht und Hoffnung sinken lassen?

Auf der Schwelle zu Suses Stübchen nahm Bubi neben seiner Feindin Piccola Platz. So saßen Hund und Katze einträchtig beieinander, als wollten auch sie dadurch der kranken Suse ihre Liebe beweisen.

Ein Arm legte sich Herbert um die Schulter. Frau Annchen war es. Ihre alten Augen waren rot. Sicher hatte sie geweint.

»Herbertchen, Jungchen, komm mit runter zur Omama. Sie ist allein und sorgt sich um unser Kind. Du mußt sie ein bißchen aufheitern.«

Aufheitern sollte er die Großmama, wo er selbst so traurig war? Unmöglich! Aber Vater und Mutter waren mit in die Klinik gefahren. Die Großmama war allein mit ihrer Sorge. Er mußte seiner Omama Gesellschaft leisten. Herbert lernte heute die schwere Kunst, sein eigenes Ich, den eigenen Schmerz zu überwinden, erst an andere zu denken.

Aufheitern sollte er die Omama, aber womit? Ob ihr seine weißen Mäuschen Spaß machen würden? Oder der lustige Grashüpfer, den er gestern in seiner Botanisiertrommel einlogiert hatte? Aber die Großmama hatte wie Suse einen Widerwillen gegen Mäuse und alles was kribbelte und krabbelte. Nein, das heiterte sie nicht auf.

Da schnurrte es behaglich zu seinen Füßen. Sein Blick fiel auf Piccola und Bubi. Halt – das ging. Darüber mußte die Omama sicherlich lachen. Er holte seine blaue Leinenjacke und Suses altes rotes Dirndlkleid, das sie zur Gartenarbeit zu tragen pflegte, hervor.

»Komm, Mies.« Damit packte er Piccola und streifte ihr das rote Dirndlkleid über das schneeweiße Samtfell. »Nicht abreißen, Piccola, stillgehalten!«

Nun kam Bubi an die Reihe. Die schwarzen Vorderpfoten wurden in die Ärmel der blauen Leinenjacke gesteckt.

»Halt, hiergeblieben, Bubi. Du mußt die Omama aufheitern.« Mit einem Bindfaden, den er immer in der Hosentasche trug, band Herbert die blaue Jacke um den Leib des Köters. Fertig – erledigt.

Herbert mußte selbst über die beiden lachen, sie sahen zu drollig aus.

Links im Arm den erstaunt an sich herabschielenden Bubi, rechts die mit scharfen Krallen an dem ungewohnten Kleidungsstück herumkratzende Piccola, so sprang Herbert die Treppe zur Gartenveranda hinab.

Dort saß die Großmama, die Sonntagszeitung vor sich. Aber ihre Augen blickten über das Blatt hinweg. Hinweg über Gärten und Häuser bis zu einem roten Gebäude, in dem über das Wohl und Wehe ihres Lieblings jetzt entschieden wurde.

Da sprang es zur Tür herein, etwas Blaues, etwas Rotes, blaffend und miauend – Barmherziger! – erschreckt fuhr die Großmama aus ihrem Sinnen auf.

»Hier, Omama, bringe ich dir Professors Zwillinge«, rief Herbert lachend.

Mit einem Satz war die Mies im roten Dirndlkleid zum Verandafenster hinaus. Bubi sprang der erschreckten Omama auf den Schoß, wo er seinen Stammplatz hatte. Herbert aber stand daneben und hielt sich die Seiten vor Lachen.

»Aber, Jungchen, bist du wirklich so herzlos, heute solche Dummheiten zu machen? Denkst du denn gar nicht an deine Suse?« fragte die Großmama vorwurfsvoll.

Das Lachen des Jungen ging jäh in Weinen über.

»Ich wollte dich doch bloß ein wenig aufheitern, Omama, weil du um Suse so traurig bist«, stieß er hervor.

Da mußte selbst die Omama über diese merkwürdige Aufheiterung lachen. Wie Sonnenschein ging es über ihr ernstes Gesicht.

»Komm, Jungchen, wir wollen in den Garten hinaus«, sagte sie, Herberts Arm nehmend.

So schritten sie, die alte Großmama und ihr junger Enkel, zwischen Suses Rosen auf und nieder, während Bubi und Piccola sich ihrer ungewohnten Tracht längst entledigt hatten.

Eine ulkige Schulgeschichte nach der andern kramte Herbert aus, um die Großmama auf andere Gedanken zu bringen. Und seine alte Omama tat ihm den Gefallen, über seine lustigen Schnurren zu lächeln. So halfen sie sich gegenseitig über die schweren Stunden hinweg. Rosen dufteten, Sonnenstrahlen leuchteten ihnen warm in das Herz. –

Auch in dem Garten der chirurgischen Klinik flimmerten die Sonnenstrahlen. Auch dort blühten und dufteten die Rosen. Ihr süßer Duft, ihre leuchtenden Farben taten der Mutter weh. Dort schritt Frau Professor Winter die sonnigen Kieswege auf und ab, Arm in Arm mit ihrem Manne. Auf und ab, nun fast schon eine Stunde. Der Zeiger der großen Klinikuhr rückte kaum merklich weiter.

»Gott schütze unser Kind!« Das Denken der Mutter war ein einziges inbrünstiges Gebet.

»Rege dich nicht so auf, Fränzchen«, sprach ihr Mann ihr liebevoll zu. »Eine Blinddarmoperation ist wirklich nicht so schlimm. Suse ist bei Professor Wegener in den besten Händen. Er hat, wie er mir erzählte, allen seinen Kindern den Blinddarm herausgenommen. Am fünften Tage waren sie wieder frisch und munter.«

»Wenn die gestrige Wanderung dem Kinde nur nicht noch geschadet hat – – –«. Ein schwerer Seufzer hob die Brust der Mutter.

Da fiel ihr Blick auf die Tür zur Klinik. Ein Herr im weißen Operationskittel war herausgetreten. Der Herzschlag stockte der Mutter.

»Alles gut gegangen!« rief der Arzt den angstvollen Eltern entgegen. »Die Operation ist gelungen, trotzdem die Entzündung schon weit vorgeschritten war. Das kleine Fräulein ist unter einem Glücksstern geboren, Herr Professor.« Er drückte den Eltern erfreut die Hand.

Wie Engelstimmen klangen den Eltern diese Worte ans Ohr. Frau Professor folgte dem Arzt ins Krankenzimmer, wo ihr Töchterchen noch im tiefen Betäubungsschlaf lag. Ihr Mann aber eilte ans Telephon, die Freudenbotschaft dem Sternenhaus zu melden.

Als Suse später die Augen aus tiefem Schlafe aufschlug, konnte sie sich nicht sogleich zurechtfinden. Erstaunt blickte sie sich in der fremden Umgebung um. Lag sie denn nicht daheim in ihrem Bett?

Ein freundliches Gesicht im weißen Häubchen neigte sich über sie.

»Na, ist unsere kleine Patientin aufgewacht?« fragte sie, nach Suses Puls greifend.

Immer erstaunter wurde Suses Blick, wo war sie denn nur? Eben hatte sie doch noch mit Herbert und Piccola auf ihrem kleinen Rosensofa gesessen – hatte sie das bloß geträumt?

Suse starrte in das fremde Gesicht der Krankenschwester, und wie sie es als kleines Mädchen getan hatte, so rief sie weinerlich: »Mutti – Muttichen.«

Da neigte sich von der andern Seite Muttis liebes Gesicht über sie. Beruhigend strich die Mutter ihrer Suse über die Stirn.

Mutti war da – nun war alles gut. Geborgen schloß das erschöpfte Kind wieder die Augen zum erquickenden Genesungsschlaf.

Bald freundete sich Suse auch mit Schwester Marianne, die so liebevoll für sie sorgte, an. Der Arzt, der täglich nach Suse sah und die Heilung der Wunde, die gar nicht mehr schmerzte, beobachtete, machte seine Späßchen mit ihr.

Die ersten, welche die kleine Kranke in der Klinik besuchten, waren ihre Rosen. In allen Farben standen sie an ihrem Lager und erfreuten Suse mit ihrem Duft. Täglich sandte ihr Herbert aus dem Garten die schönsten Blüten. Aber als er dann selbst kommen durfte, schienen Professors Zwillinge wie ausgetauscht. Herbert war scheu und befangen, die Krankenhausluft machte ihn beklommen. Suse aber war glückselig, daß sie ihren Herbert wieder hatte. Munter schwatzte sie drauflos.

»Gar nicht schlimm war die Operation, Herbert. Ich bin eingeschlafen, und als ich aufwachte, war alles schon vorüber und hat gar nicht mehr weh getan. Nur ein bißchen jucken tut die Wunde noch.«

»Und – und bist du mir auch nicht mehr böse, Suse?« fragte Herbert schuldbewußt.

»Böse – warum denn?« Ganz erstaunt sahen ihn die hellbraunen Augen der Schwester an.

»Weil ich neulich bei der Wanderung gar nicht nett zu dir war, weil ich keine Rücksicht darauf genommen habe, daß du Schmerzen hattest, ja dich sogar noch ›Marzipanpüppchen‹ genannt habe.« Herbert mußte sich alles vom Herzen herunterreden. Eher hatte er keine Ruhe.

Da schlang Suse den Arm um ihren Zwilling. »Wenn du mich nur jetzt wieder so lieb hast wie früher«, sagte sie leise.

Die Freundinnen Inge und Helga leisteten der genesenden Suse getreulich Gesellschaft und überbrachten ihr Grüße von der ganzen Tertia und von den Lehrern.

Das alte Mütterchen, dem Suse auf dem Schulweg stets einen Gruß zugenickt, vermißte ihre kleine Freundin. Und als sie von den Schulkameradinnen hörte, daß Suse in der Klinik lag, plünderte die gute Alte die Blumenstöcke an ihrem Fenster und sandte ihrer kleinen Freundin einen Genesungsstrauß.

Auch Tinchen Schiller besuchte Suse in der Klinik und brachte ihr ein Körbchen selbstgesammelter Walderdbeeren. Alle, denen Suse Gutes getan hatte, zeigten ihr jetzt ihren Dank.

Wieder war es ein Sonntag.

Heute schmückte sich das Sternenhaus zum Empfang seines genesen heimkehrenden Kindes. Das Fernrohr auf dem Balkon blitzte und funkelte in der goldenen Sonne. Die Sternbilder auf blauem Grunde am Gesims des Hauses leuchteten heute besonders hell. Um die Eingangstür wand sich eine Blumengirlande. Helga und Inge, die treuen Freundinnen, hatten ihren Garten geplündert und mit Herbert in Gemeinschaft das Sternenhaus zu Suses Wiederkehr bekränzt. Suses Rosen im Garten konnten sich heute gar nicht genug tun im Blühen und Duften, als wüßten sie, daß ihre junge Pflegerin heimkehrte. Und nun erst die Tiere des Sternenhauses. So übermütig hatten sich die Goldfische noch nie in ihrem Glase getummelt, so jubelnd hatte Mätzchen noch nie geschlagen. Auch in allen Büschen und Zweigen des Gartens tirilierte es freudig. Bubi und Piccola hatten schon eine Stunde vorher an der Gittertür des Gartens Posto gefaßt. Sie trugen ein Blumenhalsband Suse zu Ehren. Angestrengt äugten sie die Pappelallee hinab, ob der Wagen, der ihre junge Freundin brachte, denn noch immer nicht auftauchte. Jeder von ihnen wollte der erste bei Suse sein.

Aber noch andere standen an der Gartenpforte und blickten erwartungsvoll nach ihrem Liebling aus. Ordentlich jung sah die Großmama heute aus vor Glück. Frau Annchen strahlte über das ganze breite Gesicht, und Minna hatte eine Torte gebacken mit einem großen S in der Mitte, dem Anfangsbuchstaben von Suses Namen. Nein, wie hatte der Minna das »liebe Gind« gefehlt.

Herbert hatte es sich nicht nehmen lassen, seinen Zwilling mit den Eltern feierlich aus der Klinik abzuholen. Jetzt thronte er neben dem Chauffeur vorn auf dem Auto und wandte immer wieder den Kopf zu Suse und den Eltern zurück. Wie anders war die Fahrt heute als am vorigen Sonntag mit dem Leiterwagen.

»Da ist unser liebes Sternenhaus«, sagte Suse mit glücklichen Augen, als der Wagen in die Pappelallee einbog. Und da waren auch schon Bubi und Piccola. Wie besessen vor Freude jagten sie neben dem Wagen her.

Das Auto hielt. Suse durfte noch nicht gehen. Wieder trug der Vater sein Töchterchen auf den Armen ins Haus, aber mit welchen andern Gefühlen als am vergangenen Sonntag.

Mitten in der Sonne hatte man im Garten einen Liegestuhl für Suse aufgestellt. Da lag sie nun, zwar noch ein wenig blaß, aber mit glückseligen Augen. Hatte der Professor nicht recht, war sie nicht wirklich unter einem Glücksstern geboren? Ihr Blick umfaßte all die lieben Menschen, die sich um sie gesorgt hatten, ihren Zwilling, mit dem sie nun wieder vereint war, die treuen Tiere und ihre lieben Blumen ringsum.

Gab es auf der Welt noch einen schöneren Ort als das Sternenhaus?


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