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8. Kapitel.
Liebesleute

Für den ersten Osterfeiertag war in Dillstadt die öffentliche Verlobungsfeier der einzigen Tochter des Apothekenbesitzers Wagner festgesetzt worden. Bärbel hatte von ihrem Chef seit Gründonnerstag Urlaub erhalten, sie war gemeinsam mit Harald Wendelin von Dresden abgereist, Frau Lindberg wollte erst am nächsten Tage nachkommen, ebenso Onkel Otto und Tante Agnes aus Schandau. Goldköpfchen kam sich sehr wichtig vor, denn seinetwegen wurden alle die Vorbereitungen getroffen, Einladungen waren ergangen, Zusagen erfolgt, und in der Apotheke rührten sich alle Hände, um das Verlobungsfest feierlich zu begehen.

Voller Interesse hatte sich Goldköpfchen danach erkundigt, wer alles an ihrer Verlobungsfeier teilnehmen würde. Bei manchem Namen hatte das junge Mädchen die Nase kraus gezogen.

»Fräulein Greger ist auch da, – o je, ich habe schlimme Erinnerungen an meine einstige Schulvorsteherinnen. Und Georg Schenk kommt auch? Georg Schenk hat mir manches in der Schule eingebrockt. Daß er nun schon fast ausgelernter Buchhändler ist, imponiert mir doch mächtig. – Und hier – –« Goldköpfchen tippte auf einen Namen und errötete flüchtig. »Ach, Mutti, meinen Carlos? Karl Schilling, der Eleve vom Gute Körtenau, ist denn der immer noch dort?«

»Nein, mein Goldköpfchen, aber er ist ganz zufällig in Dillstadt bei Bekannten. Papa traf ihn kürzlich, und er wird an deiner Verlobungsfeier teilnehmen.«

Als Goldköpfchen später mit Harald im Zimmer saß, legte sie ihr Tagebuch vor den Verlobten nieder.

»Mein Carlos kommt! Ich habe dir von ihm manches erzählt. Oh, er hat mir einmal ein Stück Blutwurst geschickt, dann habe ich seinetwegen Tränen vergossen. Du hast damals bei uns mein Lieblingslied gespielt, und dabei habe ich an meinen Carlos gedacht. – Schau 'mal her.«

Harald Wendelin nahm das Tagebuch und lächelte, als er eine Eintragung aus der Backfischzeit seiner Braut sah. Da stand von Bärbels Hand geschrieben:

»Ich habe um ihn geweint! – Zum ersten Male, – hier, diese Träne sagt es! Vom Herzen kommend, ist sie mir ins Auge gestiegen und gefallen. – Carlos, ich habe um dich geweint! O, wie mich das glücklich macht!«

Bärbel schaute den Verlobten an.

»Bist du eifersüchtig?«

»Durchaus nicht, Kleines, und ich werde es auch niemals sein, weil ich keinen Grund dazu habe.«

»Ich will es auch nicht mehr sein. Ich war es nur auf Fräulein Redlich und Inge. Aber jetzt bin ich gefeit. Da könnte allerlei passieren, ich glaube an dich.«

Bärbel hatte allerlei zu tun. Sie lief hier- und dorthin, freute sich herzlich an den zahlreichen Vorbereitungen und bemerkte, zum Fenster hinausblickend, daß eben eine Girlande gebracht wurde, die wahrscheinlich an der Haustür befestigt werden sollte. Mit strahlendem Gesicht ging sie hinunter in den Hof.

Frau Wagner war dort anwesend.

»Georg kann die Girlande nachher anmachen. Jetzt mag sie noch liegenbleiben. Sie kann vielleicht in den Schuppen gelegt werden.«

»Mach' ich,« sagte Bärbel.

Sie schlang sich die Girlande mehrfach um den Hals und schritt dann mit der Last dem Schuppen zu. Aber noch ehe sie die Tür erreicht hatte, blieb sie wie gebannt stehen. – Das war doch Haralds Stimme?

»Mein liebes, liebes Mädchen.«

Es durchzuckte Bärbel, einen Augenblick wurde es ihr glühend heiß, dann schüttelte sie energisch den Kopf.

»Ich bin dir gut,« klang es flüsternd von Frauenlippen.

»Ich dir auch!« Das war doch wieder Haralds Stimme.

Lieber Himmel, wollte denn schon wieder dieses gräßliche Mißtrauen an sie heranschleichen?

»Ich liebe dich mit allem, was in mir ist, mit Herz, Augen, Ohren.«

»Nein, nicht so,« sagte Harald.

»Ich möchte dich am liebsten auffressen – –«

»Auch das geht nicht.«

»Ich bin nicht eifersüchtig,« sagte Bärbel energisch, »wenn der Harald hier mit einer Dame spricht – –, ach nein, er liebt ja nur mich, und ich will nicht eifersüchtig sein.«

»Ach, mein Harald,« flötete jetzt wieder die Damenstimme, »du mein süßer, mein zuckersüßer Harald!«

Behutsam trat Bärbel einen Schritt vor. Sie wollte nur schnell einen Blick in den Schuppen werfen, um zu sehen, wer jene junge Dame war. Sie sah eine schlanke Jungmädchenerscheinung, in weißem Kleide, mit breiter rosa Schärpe. Die Dame hatte Bärbel den Rücken zugewandt, beide Arme um Harald gelegt und schmiegte den goldblonden Lockenkopf an die Schulter des Verlobten.

»Ich fresse dich mit Haut und Haaren,« sagte jetzt wieder die junge Dame.

Harald löste die ihn umschlingenden Arme.

»So geht es wirklich nicht, – wenn ihr so etwas spielen wollt, müßt ihr es anders machen, sonst wird es kein Spaß.«

Mehr hörte Bärbel nicht. Sie ging bereits mit einem tiefen Seufzer davon. Sicherlich war es wieder irgendein junges Mädchen, dem ihr Harald etwas geschenkt hatte. Nein, eifersüchtig war sie nicht.

Bärbel hatte sich kaum mehrere Meter von dem Schuppen entfernt, da vernahm sie von dort herüber die entrüstete Stimme ihres Bruders Kuno:

»Ein Spielverderber bist du! Da habe ich mir solche Mühe gegeben, mit dir ist gar nichts los! – Das kann der Martin viel besser als du.«

Dann stürmte eine weißgekleidete Gestalt an ihr vorüber, die blondlockige Dame machte Schritte wie ein Stadtsoldat, verlor beim Laufen die goldene Lockenpracht, und Bärbel sah Kunos kurzgeschnittenen Kopf, der hastig den weißen Rock zusammenraffte und an der Schwester vorübereilte.

In diesem Augenblick begriff Bärbel, daß sie beinahe wieder das Opfer einer Täuschung geworden war. Große Freude überkam sie, daß sie jegliches Mißtrauen so tapfer niedergekämpft hatte.

Da kam auch schon Harald. Er lachte. Als er Bärbel erblickte, eilte er auf sie zu, schlang seine Arme um sie und lachte noch mehr.

Sie schaute ihn verschmitzt an. »Ich wollte eben in den Schuppen gehen, da hörte ich, daß dich eine Dame vor Liebe mit Haut und Haaren fressen wollte.«

»Nun ja,« meinte er übermütig, »es ist für einen Obertertianer nicht leicht, einem Manne eine Liebeserklärung zu machen. Ja ja, die Jungens von sechzehn Jahren, das ist eine ganz besondere Gesellschaft!«

Am Vormittage des ersten Osterfeiertages wurden wieder Blumen und Briefe für Bärbel abgegeben. Goldköpfchens Gesicht zeigte heute einen fast hilflosen Ausdruck.

»Soviel Liebe für mich, dabei habe ich mich doch um die Dillstädter wenig gekümmert. Aber das kommt wohl daher, weil man die Eltern so gern hat. Sei versichert, Vati, ich werde in Zukunft zu meinen Mitmenschen immer freundlich und nett sein, es macht so viel Freude, wenn sie in späteren Jahren an einen denken.«

»Hast recht, mein Bärbel, man weiß nie, wie man seine Mitmenschen einmal braucht, und wer Liebe sät, wird immer Liebe ernten.«

Endlich war es soweit. Die Geladenen erschienen, jeder hatte für Bärbel liebe Worte. Sogar das strenge Fräulein Greger umarmte die einstige Schülerin, drückte sie ans Herz und wünschte ihr mit Tränen in den Augen Glück.

Bärbel war gerührt. Gerade Fräulein Greger hatte sie vielen Ärger bereitet, doch das schien heute von der alten Dame vergessen zu sein. Inspektor Schilling frischte mit Bärbel zusammen Jugenderinnerungen auf, und lachend gestand sie ihm, daß er einstmals ihr Schwarm gewesen sei.

Dann wurden die ersten Reden auf die Verlobten gehalten. Bärbel, die anfangs recht stolz war, heute die Hauptperson zu sein, wurde langsam immer verlegener. Am liebsten hätte sie den Verlobten mit sich fortgezogen und wäre mit ihm in eines der leeren Zimmer gegangen. Ihr frisches Gesicht war mitunter wie in Blut getaucht.

Sogar Fräulein Greger sprach. Die alte Dame griff zurück in Bärbels Kinderzeit und meinte, daß Bärbel das gehalten habe, was sie als kleines Mädchen versprochen.

»Freilich, ein kleiner Faulpelz bist du gewesen, liebes Bärbel, doch warst du stets ein aufrichtiges und ehrliches Mädchen, und diese Wahrhaftigkeit schaut dir auch heute noch aus den Augen. Bleibe auch weiter so, dann wird es dir im Leben stets wohlergehen.«

Bärbel saß ein Kloß im Halse. Daß sie sogar von Fräulein Greger vor allen den Gästen gelobt wurde, ging über ihr Verstehen. Jetzt stand auch Bruder Joachim auf und hielt eine schöne Rede auf das Brautpaar. Er sprach davon, daß er in seiner Jugendzeit mit Naserümpfen auf den kleinen Blondkopf gesehen habe, den man beim wilden Knabenspiel mitunter gar nicht brauchen konnte, daß aber dann Bärbel herangewachsen sei und er in jeden Ferien feststellen mußte, was er für eine prächtige Schwester besäße. So sei er heute ehrlich stolz darauf, sich Goldköpfchens Bruder nennen zu dürfen, und wünsche sich dereinst eine Frau, die seiner Schwester an Leib und Seele ähnlich sei.

»Man muß nicht denken, daß wir jungen Leute uns von einem schönen Kleide blenden lassen; wir wissen genau, was ein junges Mädchen wert ist. Das merkt man schon beim ersten Zusammensein. Du, lieber Harald, hast schon sehr zeitig erkannt, was unser Goldköpfchen für ein prächtiges junges Mädchen ist. So glaube ich denn, daß euer Bund, den ihr fürs Leben schließen werdet, in allem vorbildlich sein wird.«

Es war nicht mehr auszuhalten. Goldköpfchen wurde immer nervöser. All das Lob hatte Bärbel bestimmt nicht verdient. Riesengroß standen plötzlich alle Streiche, die sie im Leben ausgeführt hatte, vor ihrem Geiste. Aber niemand dachte heute daran, alle sprachen lieb von ihr, und sie hatte doch eigentlich gar nichts Besonderes an sich. Freilich, sie haßte die Lüge, sie verabscheute die Falschheit, und sie liebte ihren Harald von ganzem Herzen. Aber das waren doch alles keine Verdienste, deretwegen man sie heute öffentlich lobte.

In ihrer Verlegenheit hatte sie dem Verlobten wiederholt auf den Fuß getreten; jetzt stieß sie ihn sogar verstohlen mit der geballten Faust unter dem Tische in die Seite.

»Ich wünschte, es wäre zu Ende, Harald, ich kriege schon keinen Bissen mehr herunter. Ob wohl noch eine Rede gehalten wird?«

»Nein, mein Liebling, jetzt wird nur gegessen.«

Als das Verlobungsmahl endlich vorüber war, stand Bärbel als eine der ersten auf. Sie mußte für wenige Augenblicke allein sein. Alle die herzlichen Reden klangen in ihr nach, sie schämte sich und wollte erst einmal zur inneren Ruhe kommen. Sie merkte, daß nach dem Essen noch andere Gäste zu ihr herankommen wollten, und wahrscheinlich würden auch sie ihr liebe und anerkennende Worte sagen. Nein, das ging nicht! Bärbels Herz war schon so voll, sie hatte das Gefühl, als müsse es zerspringen, wenn noch mehr Liebe über sie ausgeschüttet würde.

So lief sie rasch davon. Bei dem allgemeinen Händereichen nach der Tafel fiel dieses schnelle Verschwinden im ersten Augenblick nicht auf. Nur Harald hatte es sofort bemerkt; da er aber seine Braut so genau kannte, ahnte er, daß sie einige Augenblicke des Alleinseins brauchte.

Zunächst war Bärbel ins Nebenzimmer gegangen, doch dort standen die vielen Sträuße, die Blumenkörbe, alles Zeichen der Freundschaft und Liebe. Sie schlich auf den Korridor, stellte sich hinter den großen Schrank in die dunkelste Ecke und atmete mehrfach tief auf.

»Bärbel, du bist ein dummes Schaf,« sagte sie zu sich selbst, »aber es ist so schön, so wunderbar schön!«

In diesem Augenblick klingelte es an der Wohnungstür. Da Bärbel unmittelbar am Eingang stand, öffnete sie selbst. Vor ihr stand ein junger Mann, der nicht gerade vertrauensvoll aussah und um ein Almosen bat.

»Wenn Sie vielleicht auch etwas zu essen hätten.«

Zu jeder anderen Stunde hätte Bärbel dem Manne freundlich, aber doch zurückhaltend das gewünschte Almosen gereicht, ihn wohl auch in die Küche geführt, daß man ihm dort zu essen gäbe. Aber heute, in dem Augenblick, wo sie vor übergroßer Dankbarkeit sich kaum zu lassen wußte, heute zog Bärbel den Bittenden mit beiden Händen in den Flur und führte ihn in eines der Hinterzimmer, das sogenannte Wirtschaftszimmer.

»Sie sollen nicht hungern, – warten Sie, es ist so viel da, ich bringe Ihnen etwas zu essen.«

Dann eilte die Hauptperson des Tages nach der Küche, in der die beiden Mädchen eben mit dem Abräumen des Eßgeschirrs beschäftigt waren, und häufte auf einen Teller Braten und Gemüse, nahm vom Kompott etwas, und auf einen anderen Teller kam ein großes Stück Eis.

Bärbel war so glücklich, einem Menschen etwas Liebes antun zu können; es sollte niemand heute, an ihrem Freudentage, hungern. Sie wollte den Wanderburschen froh machen, er sollte auch einmal festlich essen.

Verdutzt schaute der Bittende auf die vielen Teller, die Goldköpfchen vor ihn hinstellte. Bärbel schloß behutsam die Tür hinter sich, setzte sich dem Wandersmanne gegenüber an den Tisch und sagte liebevoll:

»Lassen Sie es sich recht gut schmecken, ich freue mich, daß Sie kamen.«

Unter den buschigen Brauen warf der Gast einen forschenden Blick auf das junge Mädchen. Aber er sah in diesen blauen Augen nur Liebe und Wärme, so schlug er die Blicke nieder.

»Das ist ja zu viel für mich,« sagte er stotternd.

»O nein,« meinte Bärbel glücklich, »ich freue mich wirklich, daß gerade jetzt ein Fremder gekommen ist. – Nun essen Sie tüchtig!«

Sie überlegte einen Augenblick, ob sie dem Manne noch ein Glas Bier geben sollte. Doch das war nicht ratsam. Ein Flasche Selterwasser tat es auch. So eilte sie geschäftig nach der Speisekammer und holte das Fehlende.

Ihr seltsamer Gast sollte ganz zufrieden werden.

Der Mann wurde immer verlegener, trotzdem sprach er den Speisen wacker zu.

Bärbel fragte ihn aus, denn sie wollte wissen, ob er Eltern und Geschwister habe, sie merkte aber gar bald, daß dieser Mann nicht immer die Wahrheit sagte. Da wurde sie stiller und traurig. Sie fragte, ob er keine Arbeit habe, und ob er sich danach umsähe. Die Antworten wurden stotternd gegeben.

»Für Ihre Eltern muß es recht traurig sein, zu wissen, daß Sie hungernd umherlaufen und um Essen bitten müssen. Ist man erst einmal auf der Landstraße, dann geht es rasch abwärts, dann kommen allerlei schlimme Gedanken; dann verlernt man, was gut und böse ist. Wäre es nicht besser, Sie gingen zurück zu den Ihren und versuchten, in Ihrem Heimatdorfe Arbeit zu finden?«

Der Fremde murmelte unverständliche Worte.

»Ich weiß, was Sie sagen wollen. Sie meinen, es gibt wenig Arbeit. Aber für den, der ernstlich arbeiten will, findet sich schon etwas. – Sehen Sie, ich feiere heute meine Verlobung, und da ist es gar traurig, zu wissen, daß es viele gibt, die gar nichts haben, die vom Glück verlassen sind. Ich möchte heute alle Menschen glücklich sehen. Wenn ich Ihnen jetzt auch etwas Geld gebe, tragen Sie es in die nächste Kneipe, und alles ist wieder beim alten.«

»Ich bin nicht so schlecht, wie Sie denken.«

»Sie tun mir leid, guter Mann.«

Immer weiter sprach Goldköpfchen auf ihn ein. Alle Wärme, alle Liebe ihres Herzens tönten aus ihren Worten heraus. Sie hätte so gern geholfen, wußte aber leider nicht wie. Schließlich erhob sich der fremde Mann.

»Ich danke Ihnen, Fräulein, seit langer Zeit hat kein Mensch so gut zu mir gesprochen, dafür danke ich Ihnen herzlich.«

»Und nun wollen Sie noch etwas Geld?«

»Nein,« sagte er mit niedergeschlagenen Augen, »das wäre jämmerlich von mir. – Von Ihnen will ich kein Geld, von Ihnen habe ich in dieser Stunde mehr bekommen.«

»Ja, es war vom Verlobungsessen.«

»Nein,« sagte der Mann, »es war etwas ganz anderes, Fräulein, darf Ihnen ein Landstreicher auch von ganzem Herzen Glück wünschen? Ich will mich zusammennehmen. – Wenn hin und wieder die Menschen so gut zu uns sein wollten, wie Sie es soeben gewesen sind, käme man nicht auf schlechte Gedanken. Ich werde an Sie denken, wenn ich in Versuchung komme.«

»Lieber Mann,« sagte Bärbel überschäumend und faßte nach seinen Händen, »nun schenke ich Ihnen doch eine Mark!«

Schon war sie davongeeilt, dann kam sie zurück. In der Hand trug sie einige Rosen.

»Wollen Sie die auch haben?« fragte sie verschämt.

Die unsaubere Männerhand griff nach den Blumen. Bärbel sah, daß die Augen des Mannes feucht waren.

»Und hier das Geld.«

»Nein, Fräulein, Geld nehme ich von Ihnen nicht, aber an Sie denken will ich immer. Und diese Rosen sollen mich vor Schlechtem bewahren.«

Dann ging er davon. Bärbel wollte ihm nacheilen, um ihm doch das Geld noch zu geben, doch sie hörte nur ein Aufschluchzen des Davongehenden.

Langsam kehrte sie ins Wohnzimmer zurück. Harald bemerkte sie sogleich. Er sah den nachdenklichen Zug in ihrem Gesicht. Tief schaute er seiner Braut in die Augen.

»Harald,« flüsterte sie, »heute, an unserem Verlobungstage, wollen wir beide uns fest vornehmen, niemals einen Bittenden von unserer Schwelle zu weisen. Man muß gut zu diesen Leuten sein, daß sie nicht schuldig werden.«

»Was ist geschehen, mein Bärbel?«

Leise erzählte sie ihm, welch eigenartigen Gast sie soeben gespeist hatte. Wortlos küßte sie Harald.


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