Johannes Trojan
Das Wustrower Königsschiessen und andere Humoresken
Johannes Trojan

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Der Aufbruch zur Sommerreise.

Eine peinliche Scene.

Der Familienvater (zu seiner Familie).

Also sieben grosse Colli haben wir und zwei kleine? Dazu kommen einundzwanzig Stück Handgepäck. Diese vertheilt unter euch nach Billigkeit, oder rathet sie aus. Was mich betrifft, so will ich eine Semmel einstecken und eine Schachtel mit schwedischen Streichhölzern unter den Arm nehmen. – Wer ruft mich? Was wollt ihr von mir? Ich soll kommen und mich auf den grossen Korb setzen, weil er sonst nicht zugeht? Kann denn Jette nicht sitzen? – Wie? Jette ist zum 65 Posamentier geschickt, um für 10 Pfennig Klammernadeln zu holen? Ein genialer Einfall, Jette an diesem Morgen wegzuschicken, und zwar nach einem Artikel, der in jedem Walde zu haben ist! Ich wollte, sie käme erst wieder, wenn wir schon fort sind! – Nun, ich will ja sitzen; ich komme ja schon. Das erste Mal, dass ich sitze! Ich darf doch rauchen dabei?

So! Der Korb ist zugesessen. Jetzt wäre es aber auch Zeit, dass die Droschken kämen. Sie werden doch richtig bestellt sein? Wenn sie nun aber nicht kämen – was dann? – Was ist schon wieder los? Wo fehlt es schon wieder? – Also das Vorhängeschloss zum Koffer schliesst nicht? Natürlich schliesst es nicht, weil es verdreht ist! Und natürlich muss es verdreht werden, wenn es euch und das Treiben hier ansieht! – Was ihr thun sollt? Ein anderes Schloss nehmen sollt ihr. Ihr habt keins? Da ist doch eins vor 66 dem Keller! – Dann wird aus dem Keller alles gestohlen? Lasst es doch gestohlen werden! Es ist so nur noch Façonwein unten. Wenn den Dieben danach hundeelend wird, haben sie's selbst zu verantworten ; ich habe sie nicht eingeladen!

Unsere Droschken kommen und kommen nicht! Und dabei fährt schon eine schwer bepackte Droschke nach der andern vorbei nach dem Bahnhof! Da fahren Krauses – jetzt kommen Müllers – jetzt kommt Schmidt; das sind schon drei. Da kommt Meyer – Nr. 4! Und da Schultze – Nr. 5! Hurrjöh, was hat Schultze schwer geladen! Die Amme mit den Zwillingen auf dem Bock, und im Wagen der eine lange Junge der Quere nach! Auf der einen Seite stehen seine Füsse über, auf der andern der Kopf. Und oben auf dem Verdeck das bischen Koffer! Und hinten noch ein Kinderwagen angebunden und mit einem wirklichen Kinde drin! Wenn 67 nur nicht die Strippe reisst oder es sonst ein Unglück giebt!

Jetzt fahren auch schon Lehmanns vorüber. Das ist unser Unglück, denn die kommen immer zu spät. – Ihr seid doch alle fertig, für den Fall, dass die Droschken kommen sollten, was ich allerdings nicht glaube? Seid ihr selbst auch alle da? Ihr müsst euer neun sein, ich zähle aber nur acht. Wer fehlt denn? Hätt' ich euch mir doch aufgeschrieben! Wer kann denn da fehlen? Hatten wir nicht ein Kind Namens Gustel? Wo ist Gustel? Ich sehe ihn nicht. Seht doch nach, ob ihr ihn nicht mit den Schirmen und Plaids geschnürt habt! Hoffentlich liegt er nicht unten im Koffer? – So, da kommt er. In der Küche war er und hat sich einen Topf mit Blaubeermus über den Kopf gegossen. Das ist ja herrlich, das passt ja gerade für die Reise! Oder passt es nicht? Ich bin wahrhaftig im Zweifel. – Was? 68 Ihr wollt ihn noch schwefeln? Nein, dazu ist keine Zeit mehr. Er soll nicht geschwefelt werden, er soll mitkommen, wie er ist. Aber nehmt euch in Acht vor ihm, er färbt ab!

Jetzt gebe ich die Droschken auf! Nein doch! Ich will einmal gar nicht nach ihnen aussehen, ich will so thun, als wäre es mir vollkommen gleichgiltig, ob sie kommen oder nicht; das lockt sie vielleicht herbei. – Nun, was macht ihr denn da? Ihr seid ja schon wieder beim Auspacken! Ach so! Hulda hat ihre Albums vergessen, die müssen noch in den grossen Korb hinein, und zwar ganz zu unterst. Das ist ja reizend! Habt ihr auch sonst nichts vergessen? Die sämmtlichen Bücher sind doch eingepackt? Wollt ihr denn nicht die Ofenvorsetzer und die Alabastervasen mitnehmen? Und wie wär's mit dem Kronleuchter und mit den Blumentischen? Um Himmels Willen! 69 Da stehen ja die Büsten von Schiller und Goethe und die Venus von Milo! Schnell in den Korb mit ihnen!

Da sind die Droschken! Donnerwetter! Die Droschkenkutscher stehen da und unterhalten sich mit dem Milchmann über das neueste Theaterstück. Und dabei ist es die höchste Zeit! Schwerebrett, Leute! So kommt doch und tragt die Sachen hinunter! – Horch! langsam kommt es heraufgetrappelt. – Hier, nehmt die Sachen und werft sie vom Balkon auf die Strasse! Wir haben keinen Augenblick Zeit zu verlieren.

Jetzt wird aufgepackt – langsam – langsam. Jetzt fällt der Bettsack nach der einen Seite herunter, jetzt nach der andern. – Jetzt wissen sie nicht, wo sie mit dem grossen Koffer hin sollen! Jetzt bemerkt man, dass der eine Hutkasten offen ist! Jetzt fällt Hermann mit dem Esskober hin. Die Weinflasche zerbricht, 70 und der Margaux, mein einziger Trost, läuft in die Butterbrote.

Wie nobel, in zwei Droschken nach dem Bahnhof zu fahren! Eigentlich gehörte dazu ein Vorreiter oder noch besser ein Nachreiter, um die herunterfallenden Gepäckstücke aufzulesen.

Jetzt ist es so weit, dass ich einsteigen kann. Was vergessen ist, sei vergessen! Ich sah oben noch ein Paar Sachen stehen und werde mich hüten, daran zu erinnern. Jetzt noch die drangvolle Fahrt und die Angst auf dem Bahnhof, und dann, als Belohnung für alles Ausgestandene, vier Wochen hindurch kein ordentliches Bett und kein guter Bissen.

Also los jetzt!

Du aber, himmlischer Zeus, höre, was ich jetzt sage. Wenn ich noch einmal mit dieser Heerschar eine Sommerreise antrete, so wollest du nicht nur, wozu du jetzt eben dich anschickst, einen 71 tüchtigen Platzregen auf meinen Bettsack herunterschicken, sondern mit dem kräftigsten aller deiner Blitze mich und mein ganzes Haus in Grund und Boden schmettern. 72

 


 


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