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Achtes Kapitel.

Nizza, die Perle unter den Kurorten am Ligurischen Meer, war im September nur dürftig besucht. Die sommerlichen Ferienbummler waren wieder in alle Welt verstoben, und die Gäste, die, wenn in den nördlichen Ländern der Winter Quartier nahm, vor dem rauhen Herrscher flüchtend dem milden Süden zueilten, ließen noch auf sich warten.

Nur in dem großen, fünfstöckigen Bahnhofshotel machte sich ein regeres Treiben bemerkbar, und der breite Bahnhofboulevard mit seiner herrlichen Allee belebte sich schon zu früher Stunde.

Unter den Damen erregte eine hohe, schlanke Blondine Aufsehen und Bewunderung. Auch der Kriminalkommissar Wilden stutzte, als er ihr zum erstenmale begegnete, blieb stehen und sah ihr nach.

Ihre unnachahmlich-stolze Haltung fesselte ebenso sehr wie das klassisch regelmäßige, schöne Antlitz mit den tiefblauen, großen, Leidenschaften verbergenden Augen. Die marmorne Kälte in Haltung und Gebärden gab auch den gewiegtesten Frauenkennern ein schwer zu lösendes Rätsel auf und nahm den Gewandtesten den Mut, eine Annäherung zu versuchen. Sie benutzten sich darbietende Gelegenheiten, sich vorstellen zu lassen; aber sie mußten sich einer wie der andere mit einem kaum merklichen Neigen des vom schimmernden Goldblond des Haares umrahmten Hauptes begnügen.

Bevorzugt schien höchstens ein junger Amerikaner, der es wagen durfte, ihr allmorgendlich auf der Promenade einen Strauß zu überreichen, und den sie zuweilen einlud, sich ihr eine kurze Strecke Weges anzuschließen. Meist wurde aber auch er nach wenigen hundert Schritten und einem Wechsel konventioneller Redensarten durch ein kurzes Nicken oder einen flüchtigen Druck der feinen Fingerspitzen in Gnaden entlassen, und die Dame setzte die Promenade allein, nur von einer jungen Dienerin begleitet, fort.

Die Dame war, wie Wilden auf Befragen von dem Hotelportier erfuhr, eine Deutsche, Frau Rose Herlet.

»Und ihr Bevorzugter, wenn man so sagen darf?« fragte Wilden oberflächlich. Der Portier zuckte die Achseln.

»Ein Amerikaner, wie viele hier, unabhängig, reich – und verliebt in die blonde deutsche Witwe, wie andere auch. Die« – flocht der Portier mit einiger Vertraulichkeit sein eigenes Urteil ein – »ist kalt. Nur im vorletzten Frühjahre schien sie's nicht. Da stand sie in Feuer.«

»Na, na!« warf Wilden ein.

»Ja,« versicherte der Portier. »Sie brannte – und er nicht. Wer der Er war? Ein Landsmann von ihr. Ein Berliner Advokat, glaube ich.«

Wilden lachte.

»Na, na!« wiederholte er ungläubig und suchte den Portier zu reizen, um mehr zu erfahren. »Die Berliner Advokaten sind würdige, steife, papierene Herren, die den Staub ihrer gelehrten Akten mit sich herumtragen, aber damit keinem Weibe zu imponieren vermögen, wie dieser Witwe.«

»Nicht?« fragte der Portier etwas überlegen. »Sie sollten es ja wissen. Aber der war nicht von Pappe. Der nicht.«

»Na, meinetwegen. Es giebt ja Ausnahmen. Aber wissen möchte ich doch, wer der Glückliche war. Ich bin ja auch aus Berlin, und vielleicht kenne ich ihn.«

Der Portier kam entgegen.

»Ich werde gelegentlich in den Rechnungsbüchern nachsehen. Vielleicht fragen Sie morgen 'mal wieder an.«

»So wichtig ist mir der Aktenmensch allerdings kaum,« wandte Wilden oberflächlich ein. »Hat er die interessante Witwe hier kennen gelernt?«

»Ich glaube.«

»Na, tief wird's bei ihm nicht gesessen haben, sonst wäre sie wohl jetzt nicht mehr allein. Ist sie schon lange hier?«

»Seit – hm – Mitte Juni.«

Wilden horchte gespannt auf.

»So lange schon! – Ohne Unterbrechung?«

»Bis auf wenige Tage – ja.«

»Sollte sie an denen etwa einen Abstecher nach Monte Carlo gemacht haben?«

Wilden suchte einen leicht frivolen Ton.

»Bewahre. Ihr Reiseziel, Paris, war gar kein Geheimnis. Sie wollte Einkäufe machen. Vierzehn Tage später kamen zwei Koffer mit Toiletten an.«

»Na ja, wenn man das hat –« Wilden schnippte mit den Fingern. Er machte ein paar Herren Platz und ging, als diese den Portier in Anspruch nahmen, die Allee hinab. Er dehnte seinen Spaziergang nach der ›Promenade des Anglais‹ am Meer aus, kehrte in einem Café ein und blätterte in seinem Notizbuch. Auf einem Blatte las er: »Nizza, den 30. Juli. Seit einer Woche hier, sende Ihnen beste Grüße.« Er notierte darunter: »Nach Aussage des Portiers im Bahnhofshotel angekommen Mitte Juni« und markierte das im Monatsnamen durch Unterstreichen. »Das wäre,« reflektierte er, »eine Zeitdifferenz von fünf Wochen – hm.«

Er ließ sich eine Berliner Zeitung bringen und vertiefte sich in die Nachrichten aus der Heimat.

Gegen Abend bemerkte er, wie die schmucke Dienerin der Frau Herlet das Hotel verließ. Er folgte ihr unauffällig, überholte sie außer Sehweite vom Hotel, blieb stehen und lüftete den Hut.

»Ah, so trifft man alte Bekannte!« sagte er lebhaft.

Das Mädchen musterte ihn fremd.

»Mein Fräulein, ich hatte das Vergnügen, Sie in Paris zu sehen,« ergänzte er. »Nein, ich täusche mich nicht. Warten Sie, ich werde Ihrem Gedächtnisse zu Hilfe kommen! Sie waren nicht allein dort – was?«

»Allein nicht –«

»Ich will Ihnen auch sagen, wer mit Ihnen – oder, das ist wohl richtiger – mit wem Sie dort waren: mit Ihrer Herrin. Na?«

»Ja.«

»Sehen Sie! Und damit Sie gar keinen Zweifel hegen: Ende Juli waren Sie dort – nicht wahr?«

»Das stimmt auch. Und – Sie haben uns gesehen?«

»Natürlich, wiederholt sogar. Das heißt, Ihre Madame nur einmal; nachher Sie allein.«

»Ist doch richtig, was –?«

»Das schon.«

»Ich bin Ihnen sogar einigemale nachgegangen. Sieht aus wie eine Deutsche, dachte ich mir, und hatte den Wunsch, Sie kennen zu lernen. Leider machte es sich nicht. Ich bin ja nicht gerade schüchtern, aber man will doch nicht belästigen. Und Sie hatten keinen Blick für mich. Nun bin ich dem Schicksale dankbar, daß es Sie mir unvermutet wieder in den Weg führt. Unverhofft kommt oft – es ist doch manchmal etwas Wahres an den alten Sprichwörtern. Darf ich Sie ein Stück begleiten? Sie sind wohl frei jetzt?«

Sie bejahte etwas scheu.

»Nein, wie mich das freut!« redete er auf sie ein. »Ich war schon ganz mißmutig. Keine bekannte Seele, das war zum Auswachsen langweilig. Da finde ich Sie – gottlob, ein vertrautes Gesicht! Und man braucht nicht zu welschen, man kann deutsch miteinander reden – – deutsch! hat das nicht auch für Sie etwas Anheimelndes, Wohlthuendes?«

»O ja.«

Er traute dem ängstlichen Mädchen einen besonderen Scharfsinn nicht zu, wollte aber ihr Vertrauen doch erst in etwas erhöhterem Maße gewinnen, ehe er dazu überging, mit der Unerfahrenen ein ergiebiges, ihr unbewußtes Verhör zu eröffnen. Er benutzte, was ihm gerade einfiel.

»Sie haben Aehnlichkeit mit einer Schwester von mir,« plauderte er harmlos. »Die gleiche Gesichtsform, blaue Augen, dasselbe brünette Haar. Aber Sie sind jünger und schlanker, sehr zu Ihrem Vorteil. Na, mein Schwesterchen braucht nicht mehr darauf zu sehen; sie ist nämlich verheiratet, ein halbes Dutzend Jahre schon. Nee, noch länger. Ihr Aeltester ist ja schon sechs Jahre, Ostern zur Schule gekommen. Na, auf ein Jahr kommt's nicht an. Ich bin so'n alter, knurriger Junggeselle geblieben.«

»Alt?« fragte sie mit halbem Lächeln.

»Schier dreißig – und so weiter – habe ich schon ein paar Jahre singen können. Sie dagegen: ich glaube, neunzehn ist schon zu hoch gegriffen.«

»Zwanzig,« berichtigte sie gewissenhaft.

»Ich wollte, Sie kämen einmal nach Berlin,« fuhr der Kommissar in gesteigerter Lebhaftigkeit fort. »Da müßten Sie meine Schwester kennen lernen –«

»Wohnt die in Berlin?«

»Königgrätzerstraße 6,« log er aufs Geratewohl.

»Ach, so nahe bei uns?«

»Bei Ihnen?« forschte Wilden interessiert, »Sie sind auch aus Berlin?«

»Ja. Madame wohnt in der Bellevuestraße.«

»Na, so was. Mein Fräulein, das ist großartig!« versicherte Wilden. »Das ist eine wahre Freude! Wird mein Schwesterchen Augen machen ... Ja so! Wer weiß, wann Sie nach unserem guten Berlin zurückkommen. Will Ihre Madame denn noch lange in diesem italienisch-französischen Neste hocken bleiben?«

»Lange wohl nicht. Sie spricht darüber nicht mit mir. Ich glaube aber, wir fahren nächste Woche heim.«

»Das träfe sich ja prächtig. Aber warum glauben Sie das?«

Ein Rot der Verlegenheit glitt über ihre frischen Züge.

»Ich – ich – habe eine Postkarte forttragen müssen, da – stand es drauf.«

Er schien nichts Anstößiges herauszuhören.

»Prächtig, mein liebes Fräulein,« wiederholte er. »Dann reisen wir um die gleiche Zeit. Wann sind Sie denn damals von Paris wieder weggefahren?«

»Am 4. August. Wir waren nur acht Tage da.«

»Hat es Ihnen gefallen?«

»Ja, sehr.«

»Da fällt mir wieder ein, daß ich Sie so oft allein gesehen habe. Sie hatten wohl viel freie Zeit?«

»Madame war ein paar Tage bei einer Freundin. Da bin ich viel ausgegangen.«

»Und ganz allein haben Sie sich das getraut?«

»Ach, mir hat niemand was gethan.«

»Wohnt die Freundin Ihrer Madame in Paris?«

»Wo weiß ich nicht. Ich glaube bei Paris.«

»Wie lange war sie bei der?«

»Fünf Tage, glaube ich. Am 28. Juli kamen wir früh in Paris an. Dann ging Madame in ein Geschäft, um sich Kleider zu bestellen, und abends fuhr sie zu ihrer Freundin. Am 2. August kam sie zurück, ging noch zweimal in das Geschäft, und am vierten August fuhren wir dann wieder nach Nizza.«

»Wieder? Waren Sie denn schon vorher hier?«

»Ach ja, schon fünf Wochen.«

»Ihre Madame muß doch höllisch reich sein! Lebt monatelang in einem der teuersten Kurorte der Welt und fährt, bloß um sich ein paar Kleider machen zu lassen, extra nach Paris!« – Ist gar nicht in Nizza und schickt von da aus Postkarten! flocht er in Gedanken ein. Aber der Schlich ist gefährlich, Madame. – »Wirklich beneidenswert,« fuhr er fort. »Scheint mir übrigens stolz zu sein, was?«

»Meinen Sie –?«

»Ist sie gut zu Ihnen?«

»Ja.«

»Wie lange sind Sie schon bei ihr?«

»Lange noch nicht. Im Oktober wird's ein Jahr.«

»Witwe, die Madame?«

»Ja. Wollen wir nun umkehren?«

»Aber ganz nach Ihrem Belieben, mein Fräulein. Ich – hätte eine Bitte an Sie – darf ich sie aussprechen?«

»Sie – an mich?«

»Ja. Sogar eine recht große. Haben Sie morgen abend wieder ein Stündchen frei und kann ich Sie hier wiedersehen?«

»Wenn es Ihnen angenehm ist – –.«

»Um dieselbe Zeit? Ich werde auf Sie warten. Nicht vor dem Hotel. Die Leute sind neugierig und brauchen uns nicht zu sehen, nicht wahr? Gehen Sie nur wie gewöhnlich; ich werde Sie schon finden. Was fangen Sie denn den ganzen Tag an? Na, ich kann mir ja denken, daß Sie zu thun haben. Aber Ihre Madame? Mir ein Rätsel, wie die den Tag hinbringt. Ich langweile mich bei diesem Nichtsthun zum Sterben. Wenn ich wenigstens radeln könnte, oder reiten, oder in die Berge kraxeln. Treibt Ihre Madame denn irgend einen Sport?«

»Sie macht große Spaziergänge.«

»Das thue ich ja auch.«

»Und Ausfahrten.«

»Die fahren zu sehr in die Moneten.«

»Einmal hat sie auch Schießen gelernt.«

»Was – –?«

»Ja. Aber bloß mit – – ich weiß nicht, wie die – heißen – und mit Pistolen.«

»Ein Frauenzimmer und Schießen! Pardon, ich wollte sagen: das ist doch kein Sport für Damen.«

»Sie hat's auch nicht lange getrieben.«

»Aha! weil sie immer vorbeitraf, was?«

»Nein, das nicht. Zuerst wohl, aber nachher nicht mehr.«

Er schüttelte wie mißbilligend den Kopf.

»Der Schießprügel gehört nicht in zarte Hände,« tadelte er. »War diese Schießerei hier?« forschte er.

»Ja, den Juli durch. Dann nicht mehr.«

»Unweiblich!« knurrte er. »Haben Sie sie denn begleiten müssen?«

»Ein paarmal.«

»Und sind von dem Knallen nicht nervös geworden?«

»Ich bin nicht ängstlich.«

»Ein Berliner Kind hat das Herz auf dem rechten Fleck,« lobte er. »Nun schlafen Sie gut und träumen Sie von unserer deutschen Heimat!«

Er verabschiedete sich liebenswürdig, promenierte noch eine Stunde allein und sandte vom Hotel aus einen ausführlichen Bericht an die vorgesetzte Behörde.

Der Portier schien sein Versprechen, nach dem Namen des Berliner Advokaten forschen zu wollen, vergessen zu haben. Als er im Laufe des nächsten Tages nicht darauf zurückkam, suchte Wilden den mit der Buchhaltung betrauten zweiten Geschäftsführer des Hotels auf und erfuhr über das Gewünschte hinaus. Der Mann brauchte nicht einmal lange nachzuschlagen.

»Die Dame steht mit dem Herrn, einem Doktor Bendring, offenbar noch heute in freundschaftlichen Beziehungen,« erklärte er, »denn sie korrespondiert dauernd mit ihm, wenn auch meines Wissens nur durch mehr oder minder kurz gefaßte Grußkarten. Besondere Vertraulichkeit scheint zwischen den Herrschaften aber trotzdem nicht zu bestehen, wenigstens von seiten der Madame Herlet nicht, denn die Dame nimmt es mit ihren Mitteilungen – in manchen Punkten – nicht so ganz genau.«

»Wie meinen Sie das?« warf Wilden ein.

»Ich weiß nicht recht, ob ich darüber sprechen darf. Ist die Frage erlaubt, welches Interesse Sie an der Auskunft haben?«

»Was den Herrn Doktor Ben – – Ben – –, wie sagten Sie doch?«

»Bendring –«

»Also, was den Herrn Doktor angeht: gar keins,« versicherte Wilden. »Ich erkundigte mich nach dem Namen nur, weil ich als Berliner seinen Träger – möglicherweise – kennen konnte. Nun das – nicht der Fall ist, beschränkt sich meine Neugierde – wenn Sie meine Nachfrage als dieser entsprungen ansehen wollen – allein auf die Dame. Uebrigens eine harmlose Neugierde, deren Befriedigung nichts weiter auf sich hat.«

»Es sind auch lediglich kleine Heimlichkeiten,« meinte der Buchhalter, »die unser Gast vor ihrem Berliner Freund zu haben scheint, ohne sonderliche Bedeutung. Zum Beispiel hat sie für gut befunden, ihm ihre Pariser Reise zu verschweigen, und mir zwei Postkarten hier gelassen, die ich in ihrer Abwesenheit für sie aufgeben mußte.«

»An verschiedenen Tagen, damit er glauben sollte–,« erwiderte Wilden. – »Na ja, man versteht. Das ist so eine Frauenlist, nichts weiter.«

»Nein, und wenn sie ihm schrieb, daß sie erst eine Woche hier sei, während sie uns thatsächlich schon fünf oder sechs Wochen beehrte, so wird sie dafür wohl auch ihre persönlichen Gründe gehabt haben.«

»Natürlich, und wahrscheinlich geht der Doktor sie auch im Grunde nicht viel an, sodaß sie nicht einmal eine Verpflichtung hat, ihn über alle Details auf dem Laufenden zu halten.«

»Das ist wohl möglich.«

»Uebrigens eine exzellente, geradezu vollendete Schönheit, diese Madame Herlet! Ich hoffe, ich werde sie in der Berliner Gesellschaft wieder treffen.«

»Sie will« – der Buchhalter suchte nach einer Notiz – »übermorgen abreisen.«

»Ah?« fragte Wilden überrascht. »Schade! Ich hätte mich ihr gern bei Gelegenheit vorstellen lassen. Das wird sich nun wohl nicht mehr machen. Leider. Na, ich will Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Meinen Dank, Herr –«

Der Buchhalter lächelte ihm etwas spöttisch nach.

»Auch einer –!« reflektierte er belustigt.

»Klatschpeter!« knurrte Wilden befriedigt.

Mit Spannung erwartete er am Abend das Mädchen.

Sie kam mit rotglühendem, erhitztem Gesichte und eröffnete die Unterhaltung mit der Mitteilung, daß sie keine Zeit und sich nur auf wenige Minuten heimlich entfernt habe, um ›den Herrn‹ nicht warten zu lassen.

»Madame will wieder nach Berlin,« berichtete sie eilig. »Uebermorgen früh schon. Sie hat einen Brief erhalten, der sie erregt hat.«

»Nanu, von wem denn?«

Das Mädchen zuckte die Achseln.

»Ja, das weiß ich nicht. Die Handschrift kenne ich. Früher kamen oft Briefe von – von – ich meine: von dem. Seit einigen Monaten nicht mehr. Heute wieder der erste. Madame wurde erst ganz blaß und still, dann rot und unruhig. Und darauf sagte sie, ich solle packen, wir wollten reisen, zurück nach der Heimat. – Fahren Sie nun auch mit?« fragte sie erwartungsvoll.

»Kommt mir gerade recht,« entgegnete er und forschte in ihrem hübschen, erregten Gesichte. »Natürlich dampfe ich mit – mit dem gleichen Zuge sogar.«

Die Kleine war sichtlich erfreut und gab sich keine Mühe, ein Aufleuchten der klaren Augensterne zu verbergen.

»Soll ich morgen abend noch einmal hierherkommen?« fragte sie.

»Wenn es Ihnen möglich ist. – Ich werde hier sein.«

Er nickte ihr vertraulich zu und schaute ihr interessiert nach, als sie leichten Schrittes nach dem Hotel zurückeilte.

»Ein hübscher, kleiner Käfer!« murmelte er nachdenklich und anerkennend. »Ein bißchen weltfremd und verschüchtert, aber gar nicht dumm. Im Gegenteil – hm. Und dieses gesunde Kind bei der verschmitzten – hm. Na, wir werden ja sehen –«

Er reckte sich kampflustig auf.

»Der Stein ist ins Rollen gekommen! Mag der lange David herumkrauchen, wo er will, meinetwegen bei den Buschmännern in Australien – - diese stolze, blonde Madame mit dem weichen Namen erscheint mir für unseren Fall wichtiger als alle Farbenklexer der Welt zusammengenommen. Na ja, das heißt – wobei nicht zu vergessen ist, daß sie selbst mit dazu gehört ...


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