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Sechstes Kapitel.

Der Kriminalkommissar war bei den Bewohnern der Schwiddeldei nicht beliebt, und sie begriffen nicht, was er noch dort zu thun hatte.

So lange der Rechtsanwalt zugegen gewesen war, hatte dessen Persönlichkeit im Vordergrund gestanden, und der Polizeibeamte war zurückgedrängt worden. Seit Bendring abgereist und der Kommissar sogar in dessen Zimmer übergesiedelt war, machte sich seine Anwesenheit oft unangenehm bemerkbar.

Daß der Anwalt so unvorsichtig gewesen war, dem Polizeibeamten seine Zimmer einzuräumen, hätte man ihm auf der Schwiddeldei am liebsten übel nehmen mögen, und Hausfrau und Hausmädchen konstatierten ärgerlich, daß der Beamte sich gerade so benähme, als ob die Zimmer und deren Einrichtung sein unbeschränktes Eigentum wären. Eine schön geschliffene Glasschale für die Seife hatte er auf der Marmorplatte des Toilettentisches bereits zertrümmert; die Kleiderbürsten lagen nachlässig hingeworfen bald auf der Bettdecke oder dem Sofa, bald unter Zeitungen auf dem Schreibtisch, auf einer Fensterbank oder mitten auf dem Teppich. Ordnung, Rücksicht auf fremdes Eigentum schien der Herr nicht zu kennen.

Auch im persönlichen Umgange machte er sich nichts weniger als beliebt, schnüffelte im ganzen Hause umher, suchte einmal angelegentlich zu horchen, konnte dann sogar ordentlich liebenswürdig sein, und that bald darauf wieder, als ob er niemand im Hause kenne, ihn wenigstens niemand etwas anginge.

»Kietz!« rief er eines Abends diesen an. »Besorgen Sie mir Würmer; ich will morgen früh angeln.«

»Jo –!« sagte Kietz in der ersten Ueberraschung.

Er hielt auch Wort, nahm die Blechbüchse und sammelte wie gewohnt. Um drei war er beim Boot, um sechs kam der Kommissar. Kietz stellte die Büchse auf den schmalen Steg und schlug sich in die Büsche.

»Der mag sehen, wie er fertig wird – jo,« knurrte er.

Im Hotel fragte er Hansen:

»Hat der zu angeln – jo?«

»Wer?«

»Der – jo!«

Hansen wies die Treppe hinauf in der Richtung auf Bendrings Zimmer.

»Der Schnüffler –?« fragte er.

»Jo –.«

»Hat er denn Angelzeug?«

»Vom Herrn Bendring – jo!«

Hansen und der Fischer tuschelten, und die beiden trennten sich schmunzelnd.

Wilden hatte nicht viel gefangen; er war nicht geübt.

Als er einige Abende später den Auftrag an Kietz wiederholte, für neue Köder zu sorgen, antwortete der Fischer mit unverständlichem Brummen.

Am folgenden Morgen suchte der Kommissar sowohl die ›Prinzeß Charlotte‹ wie das Angelzeug vergebens.

»Aha!« sagte er ohne Aufregung und lachte.

Mittags traf er auf Kietz.

»Sagen Sie 'mal, lieber Freund, wem gehört eigentlich das Boot?« fragte er liebenswürdig.

»Herrn Hansen – jo,« antwortete Kietz einsilbig.

»Und die Angeln?«

»Mir – jo!«

»Ihnen?« fragte Wilden zweifelnd. »Hat vielleicht der Herr Rechtsanwalt sie Ihnen vermacht?«

»Grad so – jo!« sagte Kietz triumphierend.

»Ach so.«

Der Kommissar ging gleichmütig und kam auf die Sache nicht zurück.

Eines Nachmittags brachte der Kommissar Hansen gegen sich auf.

»Herr Hansen, auf ein Wort!«

Wilden saß im einsamen Gastzimmer und rief den draußen am Fenster vorübergehenden Wirt zu sich.

»Na?« fragte Hansen, warf die Mütze auf einen Tisch und setzte sich dem Beamten gegenüber.

»Ich habe eine Frage im Vertrauen an Sie, Herr Hansen.«

»So.«

»Wie lange kennen Sie doch den Herrn Rechtsanwalt schon?«

»Hm. Sechs Jahre.«

»Sagen Sie mal, war er immer allein hier?«

»Was denn sonst?«

»Sie müssen mir das nicht übelnehmen. Ich meine, der Rechtsanwalt ist jung – fünf-, sechsunddreißig, was? – ansehnlich, lebenslustig – ist er wirklich immer allein gekommen?«

»Ich verstehe nicht, was Sie wollen –«

»Na doch! Leuchtet es Ihnen nicht ein, daß der seine Bekanntschaften gehabt hat – galante, meine ich –?«

»So –?«

»Sie sind einsilbig. Hat ihn niemals eine von seinen – seinen – Verehrerinnen begleitet?«

»Das meinen Sie!«

»Ja!«

»Sie können sich beruhigen.«

»Ist doch menschlich!« trumpfte der Kommissar.

In Hansen kochte es.

»Was Sie für menschlich halten,« entgegnete er mit mühsamer Beherrschung, »weiß ich nicht und kann mir egal sein. Von Herrn Bendring denke ich höher und von mir auch, und mein Haus ist kein –«

Er brauchte einen derb abfertigenden Ausdruck, stand auf und kehrte dem Beamten den Rücken.

Wilden forschte beim Bahnhofsrestaurateur.

Er hatte nicht mehr Glück.

Der Befragte zuckte die Achseln und entgegnete kühl:

»Meinen Sie, daß es das hier giebt? Dann sind Sie eben im Irrtum.«

Und der Mann spülte ein paar Biergläser aus, schob sie ins Regal und wandte sich aus dem Wartesaal erster und zweiter Klasse in den anstoßenden größeren der dritten Klasse.

Wilden tuschelte zuweilen mit dem Briefträger, ging ihm, wenn er früh um die neunte oder nachmittags um die fünfte Stunde erwartet wurde, wohl auch entgegen.

»Lassen Sie sich mit dem nicht ein,« sagte Hansen leise zu dem Postbeamten.

Der ging mißlaunig.

Vierzehn Tage nach Bendrings Abreise zeigte der Kommissar auch seine Abfahrt an.

Kietz trug die Kunde umher: »Die Luft wird wieder rein – jo!«

Die Leute atmeten auf.

Wilden fuhr nach Kiel und konferierte mit dem Untersuchungsrichter Vries.

»Ich habe von Herrn Doktor Bendring die briefliche Nachricht erhalten,« berichtete er und übergab den Brief dem Richter, »daß seine Bemühungen in Harzburg resultatlos geblieben sind. David Vermissen war durch den Hotelier zwar vorschriftsmäßig gemeldet, die Ortsangabe in der Meldung bezog sich aber offenbar nur auf den letzten Durchgangspunkt, auf Leipzig. Schon an diesem Orte ging in Ermangelung einer amtlichen Meldung jede Spur verloren.«

Der Kommissar zeigte dem Richter die beiden in Bendrings Zimmer vorgefundenen, zerrissenen Ansichtspostkarten und zwei andere, die nach der Abreise des Anwalts eingegangen und von dem Briefboten dem Polizeibeamten ausgehändigt worden waren.

Er knüpfte daran eine Auseinandersetzung, die den Richter fesselte.

»Herr Landgerichtsrat, diese Karten! Sie wollen mir nicht aus dem Sinn. Sie drängen sich mir förmlich auf. Die Handschrift – der vertrauliche Ton – der intim abgekürzte Namenszug – – sie geben ein Rätsel auf, das anzieht, das wie an Fäden fortzieht. Sie sprechen von einer Ferne, in der ein Interesse lebendig ist; sie verraten ein Interesse an dem, der zu der Ermordeten in engster Beziehung stand – ein Interesse, das nicht erwidert zu werden brauchte und trotzdem – oder eben deshalb – den anderen Teil, die Dame, die Braut, mit einbeziehen konnte. Das Interesse des Liebhabers der Toten, des Malers, liegt zurück – – das hier spricht unmittelbar! Und der Gedanke läßt mich nicht los: gehe nach, forsche nach! Es ist die Möglichkeit gegeben, daß der Rechtsanwalt recht hat, daß das Verbrechen dem auf das Konto zu schreiben ist, der die Tote liebte; aber es ist mit der zweiten Möglichkeit zu rechnen, daß die todbringende Waffe nicht Liebe – wenigstens nicht die Liebe zum Weibe – sondern der Haß führte, der Haß gegen das Weib, der Haß, der aus der Neigung zu dem Manne aufkeimte und sich zur That auswuchs.«

Der Richter saß nachdenklich.

»Was gedenken Sie zu thun?« fragte er.

»Ich fahre, die Einwilligung vorausgesetzt, nach Berlin, eventuell weiter –«

Vries schwieg.

»Haben Sie Bedenken, Herr Landgerichtsrat?« fragte der Kommissar.

»Hm. Nicht gerade... Ausgeschlossen wäre es ja nicht, daß auch ein Weib – – Na, sehen Sie zu, wie weit Sie kommen.«

Ein Schnellzug des nächsten Tages führte den Kommissar nach der Reichshauptstadt. Da Wilden die Privatadresse des Anwalts nicht kannte, fragte er nach ihm in seinem Bureau.

Der Bureauchef ging ans Telephon.

»Ihr Name?« fragte er wortkarg, ehe er anklingelte.

»Wilden, Kiel.«

Bendring war zu Hause ...

»Der Herr Rechtsanwalt läßt bitten, zu Abend sein Gast zu sein,« berichtete der Bureauvorsteher. »Goltzstraße Nr. 10, erster Stock.«

Wilden langte in der siebenten Stunde bei dem Anwalt an.

»Bringen Sie neues?« frug Bendring nach der ersten Begrüßung.

»Nichts, Herr Doktor. Der Fall ist noch dunkel.«

Der Anwalt sprach ausführlich von seiner Reise nach Harzburg, und Wilden hörte scheinbar aufmerksam zu, während er zugleich seine Umgebung einer scharfen Musterung unterzog.

Nichts in den beiden Zimmern, deren Verbindungsthür ausgehoben war und die durch breit auseinander geschlagene Portieren getrennt waren, erinnerte an den amtlichen Beruf des Bewohners. Ueber dem schweren, mit gediegener Schnitzerei geschmückten Diplomatenschreibtisch und zu beiden Seiten des Tisches waren mit Büchern gefüllte Regale aufgebaut. In einer Ecke hob sich eine Marmorbüste der Diana leuchtend von der diskret gestreiften, bordeauxfarbenen Tapete ab. Die Fläche über einem Paneelsofa nahm ein Oelgemälde in reichem Goldrahmen ein, und auf dem Paneelbrette des Sofas standen rechts und links von einer Majolikabowle ein Dutzend Krüge, Vasen und praktische Kleinigkeiten.

Der mit dem Privatkabinett verbundene Raum war das Speisezimmer des Hausherrn, mit einfacher grüner Tapete, alteichenem Büffet, schweren Lederstühlen, scheinbar wertvollen Gemälden und auffallend wirkungsvoller Gaskrone. Eine Bauernbank und die hohe Rücklehne sowie der Deckelsitz einer Truhe waren mit rotem Tuch überzogen und mit Borten in Altgold verziert.

»Gediegen!« murmelte Wilden, in kurzer Zusammenfassung seines Urteils.

»Wie beliebt?« fragte der Anwalt.

»Ich meinte, daß ich mir von der Harzburger Reise nie viel versprochen habe,« erklärte der Kommissar. »Ich will die Fährte aufnehmen, deshalb bin ich gekommen. Das Wie wird sich finden. Wir vom Metier sind zuweilen so was wie die Luftschiffer; können wir nicht steuern, so lassen wir uns treiben, wohin der Wind weht. Das heißt, der Vergleich hinkt, wie alle. Aber Sie verstehen mich schon. Hilft das Kalkulieren nicht, hilft oft der Zufall. – Ihr Heim ist geschmackvoll, Herr Doktor. Darf ich ein bißchen wandern und mustern? Dieses Bordeauxrot der Wände ist in Mode gekommen – ja, und das Grün auch. Ueberhaupt: rot und grün. Die Farben harmonieren und bringen Leben. – Wohl eine italienische Landschaft, das hier?«

Er deutet auf ein kleines Bild im Speisezimmer.

»Ja. Dilettantenarbeit.«

»Ach? Aber Talent drin!«

»Mäßig. Die Dame malt, musiziert, singt, ohne es über ein leidliches Wollen hinauszubringen.«

»Sie hat es wohl nicht nötig?«

»Nein.«

»Wohlhabend?«

»Mehr. Reich.«

»Das ist angenehm. Geschenk, das Bild?«

»Ja.«

»Dieser kräftige Baumschlag, das frische, schimmernde Blau des Wassers, die feinen Konturen der Berge – künstlerisch beobachtet. Wohl nach der Natur?«

»Allerdings. Es ist ein Winkel am Golf von Spezzia.«

»Waren Sie dort?«

»Ja. Im vorletzten Frühjahr.«

»Sie sind zu beneiden... Doch nicht als Reisekavalier der liebenswürdigen Künstlerin?« scherzte Wilden.

»Nein,« erklärte Bendring reserviert.

Der Kommissar stellte eine rasche Zeitrechnung an. Im vorletzten Frühjahr? Also ein halbes Jahr nach der Begegnung zwischen Hedwig von Viersen und dem langen David in Harzburg.

»Wissen Sie, was ich vermisse, Herr Rechtsanwalt?«

»Nun?«

»Ein Bild Ihrer heimgegangenen Braut.«

»Ich besitze keines, wenigstens kein größeres, und habe erst jetzt Auftrag gegeben, eins nach einer Photographie zu malen.«

»Man sieht, daß ich Junggeselle und in mancher Beziehung nicht ausreichend unterrichtet bin. Ich habe immer angenommen, daß es für den glücklich Verlobten das erste sei, die Braut in Oel verewigen zu lassen. Wann haben Sie denn – wenn die Frage nicht indiskret ist – Ihr Fräulein Braut kennen gelernt?«

»Im vorigen Winter. Sie werden aber, wenn Sie einmal heiraten sollten, gleich mir mit der besagten Verewigung in Oel warten müssen, bis Sie das Jawort haben.«

Der Kommissar lächelte und reflektierte für sich: »Im Frühjahr Nummer eins, im Winter Nummer zwei – also ist eins im Winter von Sonne zwei überstrahlt und in Gnaden verabschiedet worden. Da wäre ja auch die Wunde noch frisch geblieben. Hm ...«

Laut entgegnete er:

»Ich kann mich noch immer nicht von dem kleinen Golfbilde trennen.«

Er trat an das Bild zurück.

»Polisanderrahmen, Herr Doktor?«

»Sie sind Kenner.«

»Ein wenig. Es geht mir wie der Malerin: ich pfusche in allen Handwerken ein Endchen herum.«

»Darf ich Ihnen das Bild verehren?«

»Aha,« dachte Wilden. »So gleichgültig geworden?«

»Danke,« sagte er. »Ich will Sie nicht berauben, auch schon nicht, weil ich doch kein rechtes Interesse habe. Ja, wenn ich die Dame kennen würde!«

»Geht schwerlich an. Oder Sie müßten sich schon nach Nizza bemühen.«

»So, Nizza? Apropos: Nizza – –!«

Wilden tupfte sich gegen die Stirn.

»Wie man so vergeßlich sein kann!«

Er griff in die Tasche.

»Bitte, Herr Doktor. Zwei Postkarten. Nach Ihrer Abreise angeflogen. Auch von Nizza. Von – derselben?«

»Ja. Na, ihr Bote wären Sie ja damit schon.«

Bendring sah die Karten flüchtig an, trat in sein Kabinett und legte sie ruhig auf den Schreibtisch.

Wilden beobachtete ihn und zog seinen Schluß: »Für ihn überwundener Standpunkt, für sie nicht.«

Bendring schien sein Anerbieten vergessen zu haben, wenigstens kam er nicht darauf zurück.

Darum that es der Kommissar.

»Na, Herr Doktor, wenn es Ihr Ernst war –«

»Ach so!«

Bendring nahm das Bild von der Wand.

»Aber eine kleine Bitte müssen Sie mir gestatten. Ich habe für Landschaftsnamen ein schlechtes Gedächtnis. Haben Sie die Güte und zeichnen Sie die Namen auf. Einfach auf der Rückseite.«

»Partie von Santerrenzo, am Golf von Spezzia,« schrieb Bendring und erläuterte: »Da ist übrigens für Litteraturfreunde eine Sehenswürdigkeit: das Byronhaus, nicht weit von unserer Landschaft. Freilich etwas unansehnlich, wie viele andere Berühmtheiten. Aber die Bewohner der Gegend sind stolz darauf, daß der große Weltschmerzdichter ihren Boden geweiht hat. Kennen sie auch von seinen Werken wenig oder nichts, so erzählen sie umsomehr von den weiten Schwimmtouren, die der Lord in den Golf unternommen haben soll!«

Er wollte die Feder aus der Hand legen.

»Das soll alles sein?« fragte Wilden mit komischer Betonung. »Sie vergessen ja die Hauptsache: Gemalt – oder gezeichnet, wenn das richtiger ist – von – geschenkt, gewidmet – wie Sie wollen – von...

Bendring kam den Wünschen lächelnd nach und fügte hinzu: »Nach der Natur gezeichnet von Frau Rose Hellet,« und darunter: »Herrn Kommissar Wilden zugeeignet von Fritz Bendring.«

»Noch was?« fragte er.

»Ort, Datum,« monierte Wilden.

Der Rechtsanwalt schrieb.

»Frau?« fragte Wilden nebenher.

»Witwe,« berichtigte der Anwalt.

»Danke gehorsamst!«

Bendring drückte auf den Knopf einer elektrischen Leitung und ersuchte die eintretende Wirtschafterin, den Abendtisch zu decken.

»Ein Glas Wein wird Ihnen angenehm sein?« fragte er den Kommissar. »Ich habe einen guten Jahrgang Scharzhofberger. Zum Schluß ein Gläschen Pilsener?«

Wilden stand vor den Bücherregalen.

»Ganz nach Belieben, Herr Doktor.«

Er las auf einer Anzahl von Bänden den Namen Gerstäcker. Aha, den alten Münchhausen kannte er auch. Hackländer – ebenfalls. Ebers – natürlich. Reuter – selbstverständlich. Möricke? – Unbekannte Größe. Voß – Gotthelf – Lewald – man muß nicht alles wissen. Freytag, Spielhagen – na ja. Lauter Romane! Nein, doch nicht. Schlagintweit, Wißmann, Peters – das waren ja wohl Weltenbummler.

»Nach Ihrer Bibliothek würde man nicht auf einen Juristen schließen, Herr Doktor.«

Bendring ging unruhig auf und ab.

»Fahren Sie direkt nach Harzburg oder machen Sie in Leipzig Station?« fragte er.

Wilden wich aus.

»Wie der Wind geht. Lassen Sie mir die freie Entschließung. Und warten Sie nicht zu früh auf Nachrichten. Gut Ding will Weile haben.«

Bendring schien nicht ganz zufrieden.

»Sie werden nicht verlangen, daß ich unthätig bleibe,« warf er hin.

»Fahren wir jeder seine eigene Straße, Herr Rechtsanwalt; hat der eine kein Glück, hat's vielleicht der andere.«

Wilden ließ sich den kräftig duftenden Scharzhofberger munden, rauchte nach Tisch zum Pilsener eine echte Henry Clay und verabschiedete sich in vorgerückter Stunde.

Auf der Straße sah er zum wolkenbedeckten Himmel empor.

»Lichtlos, dunkel wie das Menschenrätsel,« brummte er.

Er stieg an der Potsdamerstraße auf eine Pferdebahn, schob das Geschenk des Anwalts zwischen zwei Knöpfe des Ueberziehers und beobachtete halb gedankenlos das wenig wechselreiche Straßenbild.


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